Steif und Kantig - Gisela Garnschröder - E-Book

Steif und Kantig E-Book

Gisela Garnschröder

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  • Herausgeber: Midnight
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Tod im Maisfeld: Der Regionalkrimi im Münsterland! Zwei patente Seniorinnen ermitteln mit Grips und Charme. Sie sind alt, aber nicht dumm, liebenswert, aber hart im Nehmen. Knapp über sechzig, frisch im Ruhestand und durch nichts zu erschüttern. Die Schwestern Isabella Steif und Charlotte Kantig, ehemalige Lehrerinnen und Fremdenführerinnen in ihrer Stadt, ermitteln in ihrem ersten Fall. Wo zum Donnerwetter ist der Tote geblieben, den Isabella in Charlottes Garten gesehen hat, und weshalb bewegen sich die Maispflanzen, wenn es windstill ist? Wie kommt die Leiche in Bauer Eschters Güllegrube, und warum legt sich ein Landarbeiter im Maisfeld zum Schlafen? Mit viel Energie und einer gewissen Portion Humor stürzen sich Steif und Kantig in die Ermittlungen. Entdecken Sie auch die weiteren Fälle von Steif und Kantig: - Band 1: Steif und Kantig - Band 2: Kühe, Konten und Komplotte - Band 3: Landluft und Leichenduft - Band 4: Hengste, Henker, Herbstlaub - Band 5: Felder, Feuer, Frühlingsluft - Band 6: Schnäpse, Schüsse, Scherereien - Band 7: Mondschein, Morde und Moneten - Band 8: Gärtner, Gauner, Gänseblümchen  - Band 9: Dünen, Diebe, Dorfgeplänkel - Band 10: Printen, Plätzchen und Probleme - Band 11: Komplizen, Kappen, Karneval - Band 12: Halunken, Horror, Halloween - Band 13: Blüten, Birken, Bösewichter

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Die Autorin Gisela Garnschröder ist 1949 in Herzebrock/Ostwestfalen geboren und aufgewachsen auf einem westfälischen Bauernhof. Sie erlangte die Hochschulreife und studierte Betriebswirtschaft. Nach dem Vordiplom entschied sie sich für eine Tätigkeit in einer Justizvollzugsanstalt. Immer war das Schreiben ihre Lieblingsbeschäftigung. Die berufliche Tätigkeit in der Justizvollzugsanstalt brachte den Anstoß zum Kriminalroman. Gisela Garnschröder wohnt in Ostwestfalen, ist verheiratet und hat Kinder und Enkelkinder. Sie ist Mitglied bei der Krimivereinigung Mörderische Schwestern, beim Syndikat und bei DeLiA.

Das Buch

Gisela Garnschröder

Steif und Kantig

Zwei Schwestern ermitteln

Kriminalroman

Midnight by Ullsteinmidnight.ullstein.de

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Originalausgabe bei Midnight Midnight ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin November 2014 © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2014 Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München Titelabbildung: © Finepic® Autorenfoto: © privat

ISBN 978-3-95819-016-0

Alle Rechte vorbehalten.

1. Kapitel

Eine Taube gurrte in der hohen Buche, die über die Gartenhecke ragte. Gähnend stand Isabella Steif auf der kleinen Terrasse ihrer Doppelhaushälfte und machte ihre morgendlichen Gymnastikübungen. Das Gurren brachte sie aus dem Rhythmus. Verärgert klatschte sie kräftig in die Hände, um den Vogel zu vertreiben. Mit aufgeregtem Flügelschlag erhob sich das Tier, flog zur anderen Straßenseite hinüber und begann erneut mit seiner Morgenmusik.

»Blödes Vieh«, murmelte Isabella und schlurfte mit ihren Plüschpantoffeln ins Wohnzimmer zurück. Sie war noch im Schlafanzug und ging ins Bad. Als sie kurz darauf in der Küche stand, hatte sie ihr zerzaustes blondes Haar ordentlich gebürstet und zu einem Dutt hochgesteckt. Der Schlafanzug war Shorts und T-Shirt gewichen. Leise summend setzte Isabella die Kaffeemaschine in Gang. Sie holte ein Tablett aus dem Schrank, bestückte es mit Brot, Butter und einem Gedeck sowie Leberwurst und Käse aus dem Kühlschrank. Als Letztes stellte sie die Kaffeekanne darauf und brachte alles noch immer leise summend auf die Terrasse.

Sie hatte sich gerade ein Brot geschmiert, als sie nebenan auf der Terrasse etwas poltern hörte. »Lotte? Bist du das?«, rief sie, stand auf und ging bis zum Ende der geklinkerten Begrenzungsmauer, um in den Nachbargarten schauen zu können. Auf der angrenzenden Terrasse bot sich ein chaotisches Bild. Ein Stuhl war umgestürzt, und direkt daneben lag ein zerbrochener Blumentopf, dessen Inhalt sich auf dem Boden ausgebreitet hatte. Die Terrassentür stand weit offen, und mit Kehrschüppe und Handfeger erschien eine etwas zerzauste dunkelhaarige Dame im Schlafanzug. »Lotte, was ist denn bei dir los?«, fragte Isabella und stieg über den niedrigen Zaun, der die Gärten teilte.

»Bella!«, rief die Dame entsetzt. »Musst du mich so erschrecken?«

»Wer erschreckt hier wohl wen?«, plusterte sich Isabella auf. »Du machst einen Lärm am frühen Morgen, dass ich schon dachte, es ist etwas passiert!«

»Das war nicht ich! Das war diese schreckliche Katze, die hier morgens ihr Geschäft in meinen Beeten verrichtet!«

»Und wieso ist dann der Blumenpott umgefallen?«

»Weil ich dieses Biest verscheucht habe!«

»Hast du etwa den Topf nach ihr geworfen?«

»Nein! Ich bin darüber gestolpert«, wurde Lotte nun lauter. »Und jetzt verschwinde. Ich hasse es, wenn schon am frühen Morgen jemand auf meiner Terrasse herumturnt.«

»Blöde Kuh!«, schnappte Isabella beleidigt und wandte sich zum Gehen. »Wenn du demnächst wieder einmal Lust hast, arme kleine Kätzchen zu jagen, dann bitte, wenn ich nicht da bin!« Ohne sich noch einmal umzusehen, stieg sie wieder über den Zaun und ging zu ihrem Frühstückstisch zurück. Nebenan wurde ziemlich laut aufgeräumt. Erst nach einigen Minuten war es wieder still.

Isabella konnte endlich in Ruhe ihr Frühstück genießen. Sie war kaum fertig und wollte sich gerade die letzte Tasse Kaffee einschenken, als es an der Haustür klingelte. Seufzend erhob sie sich und überlegte, wer denn zu solch früher Stunde störte.

Als sie die Tür aufriss, stand ihre Schwester davor. Sie wollte die Tür gleich wieder zuschlagen, doch die andere hatte den Fuß dazwischengesetzt.

»Charlotte? Was willst du denn jetzt noch?« Isabella war alles andere als begeistert. Dass sie erst vor Kurzem uneingeladen über den Zaun nach nebenan gestiegen war, ignorierte sie geflissentlich.

»Hast du noch ’nen Kaffee für mich?«, fragte Charlotte.

»Wieso? Bist du pleite?«

»Ich dachte, wo du sowieso schon draußen gedeckt hast, könnten wir zusammen frühstücken.«

»Ach. Und wenn ich allein sein will?«, fragte Isabella anzüglich.

»Stell dich mal nicht so an«, antwortete Charlotte und schob Isabella einfach zur Seite. »Jetzt wo du deinen Herbert erfolgreich unter die Erde gebracht hast, brauchst du unbedingt jemanden, der dir Gesellschaft leistet!«

»Und dazu suche ich mir ausgerechnet meine jüngere Schwester aus«, empörte sich Isabella und lief Charlotte hinterher, die schon durchs Haus nach draußen marschiert war.

»Du hast ja gar keine Brötchen!«, regte sich Charlotte auf, als sie den Frühstückstisch betrachtete.

»Aufgegessen. Ich ahnte, dass du kommst!« Isabella lachte grimmig.

»Egal«, sagte Charlotte und setzte sich. »Dein Vollkornbrot ist auch lecker.«

Ungefragt nahm sie sich Isabellas Tasse, schüttete sich den letzten Kaffee ein und begann ein Brot zu schmieren. Isabella sah ihr missbilligend zu, setzte sich ebenfalls wieder und überlegte, ob sie sich eine Zigarette anstecken sollte, denn das war das beste Mittel, um ihre Schwester erfolgreich zu vertreiben. Sie betrachtete Charlotte und stellte fest, dass der Schlafanzug einem schmuddeligen Shirt mit einer noch schmuddeligeren Hose gewichen war.

»Sag mal, ist deine Waschmaschine kaputt?«

Charlotte biss von ihrem Marmeladenbrot ab und sah ihre Schwester erstaunt an. »Wieso?«

»Guck doch mal, wie du aussiehst!«, empörte sie sich, »als wenn du geradewegs vom Kohlenschippen kämst.«

Charlotte kaute mit vollen Backen und sah an sich herunter. Sie zuckte die Schultern. »Will gleich in den Garten, die Beete machen. Da hab ich schon mein altes Zeug angezogen«, murmelte sie und kaute ungerührt weiter.

»Mit vollem Mund spricht man nicht!«, rügte Isabella. »Es ist schon unverschämt, dass du mit deiner dreckigen Hose auf meinen neuen Sitzbezügen Platz nimmst!«

»Nun stell dich mal nicht so an, das färbt nicht ab«, gab Charlotte zurück und trank seelenruhig ihren Kaffee. Bewundernd sah sie sich in dem kleinen Garten um.

»Wie machst du das nur, dass es bei dir nur so grünt und blüht. Und Unkraut hast du auch nicht in den Beeten. Und die Hecke erst! Geschnitten wie mit dem Lineal!«

Leicht geschmeichelt lächelte Isabella. »Ich bin eben nicht so verwöhnt worden von meinem Mann. Der Garten war immer mein Werk. Jetzt zahlt sich das aus!«

»Das wird schon noch anders«, war sich Charlotte sicher. »Schließlich ist Herbert erst ein halbes Jahr tot.«

»Dein Arnold war noch keine vier Wochen unter der Erde, da sah es bei dir schon aus, als würdest du in der Wildnis leben.«

»Mein Garten ist naturbelassen!«

»Ach. Aber die Kätzchen, die dürfen darin nicht spielen!«

»Du mit deinem Katzentick. Ich bin allergisch gegen Katzenhaare, das weißt du genau!«

»Das bildest du dir doch nur ein! Bei Papa konntest du vielleicht damit durchkommen, aber bei mir nicht!«

»Hack du nur auf mir herum, dabei habe ich eine tolle Idee, wie wir unsere langweiligen Tage ein wenig aufpeppen können.«

»Da bin ich aber gespannt«, frotzelte Isabella. »Bisher hast du dich ja nicht gerade durch Geistesblitze hervorgetan!«

»Was soll denn das nun wieder heißen? Ich habe genauso Lehramt studiert wie du!«

Isabella grinste boshaft. »Du bist über die Grundschullehrerin nie hinausgekommen. Ich habe als Studienrätin die Gymnasiasten unterrichtet!«

»Du sagst es. Die jungen Leute tun mir heute noch leid. Zum Glück bist du ja nun im Ruhestand!«, gab ihre Schwester ungerührt zurück. »Ich war bei den Kindern beliebt.«

»Wer´s glaubt!«

»Du bist doch nur neidisch!« Charlotte wischte sich den letzten Brotkrümel vom Mund, spülte mit Kaffee nach, stand auf und wandte sich zum Gehen.

»Du hattest doch von einer Idee gesprochen. Was meintest du damit?«, erinnerte Isabella sie an ihre vorherigen Worte.

»Ich muss erst meinen Garten auf Vordermann bringen«, erklärte Charlotte kategorisch und ging durchs Haus davon.

»Warte«, rief Isabella ihr nach. Charlotte kam zurück und steckte den Kopf durch die Tür. »Ist noch was?« Ein hintergründiges Lächeln lag auf ihrem Gesicht.

»Ich helfe dir im Garten, und du erzählst mir von deiner Idee!«

»Na, das ist ein Wort!« Charlotte lachte. »Hol deine Gartenhandschuhe und die Hacke und komm!«

Durch Isabellas Mithilfe war der Garten schnell in Ordnung gebracht, und sie machten es sich zum Abschluss auf Charlottes Terrasse gemütlich.

»Welch geniale Idee hast du dir denn ausgedacht?«, fragte Isabella ungeduldig.

»Wir machen einen Fremdenführerkurs! Ich habe gestern gelesen, dass die Stadt für alle Ortsteile Fremdenführer sucht, die möglichst eine Fremdsprache beherrschen. Es gibt sogar eine Aufwandsentschädigung.«

Isabella sah ihre Schwester erstaunt an. »Das ist die beste Idee, die dir je eingefallen ist! Die nehmen uns bestimmt, wo wir beide perfekt Englisch und Französisch sprechen. Wann findet der Kurs statt?«

»Montagmorgen. Man kann sich bis Freitag kurzfristig anmelden.«

»Wir wären ideal für die Gäste unserer französischen Partnerstadt, die im Sommer zur Einweihung des neuen Feuerwehrhauses anreisen!«

»Fein, dass du mitmachst! Da melde ich uns doch gleich mal an!« Charlotte lief ins Haus, und Isabella stieg über den Zaun und verschwand.

Singend kam Charlotte vom Kurs zur Fremdenführerin zurück. Es war alles noch einfacher gewesen, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie und ihre Schwester kannten jeden Winkel in der kleinen Stadt.

Charlotte war drei Jahre jünger als Isabella und ganz das Gegenteil der strengen, ordentlichen und immer auf ihr Aussehen bedachten Schwester. Zwar machte sie sich auch gern schön, wenn sie ausging, konnte aber zu Hause durchaus in uralten Kleidern den Tag verbummeln. Sie war dunkelhaarig, inzwischen allerdings nur noch mittels der geschickten Hände ihrer Friseurin. Charlotte hatte vor einem Jahr mit neunundfünfzig dem Schuldienst den Rücken gekehrt. Nun plante sie, einen Bildband über ihre Stadt herauszubringen. Allerdings hatte sie bisher noch nicht damit angefangen, weil immer andere Dinge im Vordergrund standen. Aber der Job als Fremdenführerin würde ihr sicher viele neue Ideen dafür einbringen.

Ihr einziger Sohn Thomas wohnte in einer Singlewohnung in Tübingen, wo er sich an der Universität als wissenschaftlicher Mitarbeiter auf seine Doktorarbeit in Biologie vorbereitete. Thomas kam nur sporadisch alle paar Wochen nach Hause, und so war Charlotte ebenso allein wie die kinderlose Isabella.

Charlotte hatte sich Notizen gemacht, zum alten Kloster und der wunderbaren Orgel, auch zum Klostergarten und dem Sporthotel, aber eigentlich brauchte sie diese Aufzeichnungen nicht. Da auch Isabella einen Block dabeihatte und sich eifrig Notizen gemacht hatte, hatte sie sich nur Stichpunkte aufgeschrieben. Hier ging es schließlich darum, die Leute zu unterhalten, das Vermitteln von Wissen war eine angenehme Nebenerscheinung. Ihrer Schwester konnte sie solch simple Tatsachen nicht klarmachen. Dafür war Isabella einfach zu penibel.

Charlotte liebte es, sich mit Isabella zu streiten. Die Schwester nahm immer alles so ernst, aber sie war nicht nachtragend, denn sonst würden sie längst nicht mehr in diesem Doppelhaus Tür an Tür wohnen.

Das Haus hatten ihre Eltern gebaut, und in der Jugend hatte die Familie in dem Teil gewohnt, in dem jetzt Isabella zu Hause war, der andere Teil war vermietet gewesen. Vor zehn Jahren waren die Eltern gestorben, und Isabella hatte die Haushälfte der Eltern komplett erneuert und war mit ihrem Mann dort eingezogen. Charlotte hatte ihre Haushälfte weitervermietet. Vor sechs Jahren starb Charlottes Mann Arnold. Wenige Monate später zog Charlotte mit ihrem Sohn Thomas neben Isabella und Herbert in die andere Haushälfte ein.

Die Nähe zu ihrer Schwester führte anfangs zu heftigem Streit. Zum Glück war damals Thomas noch oft zu Hause. Er was Isabellas erklärter Liebling und glättete so manche Unstimmigkeit. Isabellas Mann Herbert war zudem ein sehr freundlicher, umgänglicher Mensch, der häufig die Streitigkeiten der beiden Schwestern schlichtete. Mittlerweile hatte sich Charlotte eingewöhnt und fand die Streitereien mit ihrer Schwester erheiternd, ja sie führte sie zum Teil absichtlich herbei, um Isabella aus der Reserve zu locken. Denn seit dem Tod ihres Mannes vor einem halben Jahr hatte sich ihre Schwester sehr zurückgezogen.

Charlotte versuchte immer wieder, sie aufzumuntern. Deshalb unternahmen die Schwestern viel miteinander, auch weil sie viele gemeinsame Interessen hatten. Die Fremdenführersache war so gut bei Isabella angekommen, dass sich Charlotte insgeheim wunderte. Isabella hatte Herbert sehr geliebt. Obwohl sie es nie erwähnt hatte, schien sie ihn mehr zu vermissen, als Charlotte geahnt hatte.

Charlotte schlüpfte in ihren Jogginganzug und ging in die Küche, um einen Kuchen zu backen. Thomas hatte sich angemeldet. Sie hatte gerade den Kuchen in den Ofen geschoben, als es an der Tür klingelte.

Isabella war draußen und stürmte an ihr vorbei, als wäre der Teufel hinter ihr her.

»In deinem Garten liegt jemand!«, raunte sie Charlotte zu, als diese die Tür geschlossen hatte.

Charlotte sah ihre Schwester verständnislos an. »In meinem Garten? Wo? Wer?«

»Wer weiß ich nicht! Ganz hinten unter dem Gestrüpp, welches du seit Jahr und Tag wuchern lässt!« Ohne Umschweife zog sie Charlotte mit auf die Terrasse.

»Dort hinten!«, flüsterte sie. »Warum flüsterst du so?«

»Schschscht!«, machte Isabella. »Wenn uns einer hört! Die Nachbarn haben ihre Ohren überall!« Jetzt wurde es Charlotte zu dumm. »Ich geh nachsehen!« Ohne weiter auf Isabella zu achten, lief sie über den Rasen in den hinteren Teil des Gartens. Zur Straße hin wurde der Garten durch einen zwei Meter hohen Holzzaun abgeschlossen. Der Zaun war derart mit Efeuranken überwuchert, dass er von der Straße aus wie eine Hecke wirkte. Vor dem Zaun standen mehrere große Bäume und Büsche, die den Garten im hinteren Teil wie einen Urwald aussehen ließen. Als Thomas noch klein war, hatte er dort ein Baumhaus gehabt. Charlotte liebte das wilde Gebüsch, durch das sie sich nun fluchend einen Weg bahnte.

Kurz darauf stand sie, zerzaust und mit Blättern übersät, auf dem kleinen freien Platz vor dem Baumhaus. Man konnte von hier aus durch eine Lücke im Gebüsch über die niedrige Buchenhecke hinweg in Isabellas Garten sehen. Charlotte sah sich gründlich um und schüttelte den Kopf. Nichts! Verärgert ging sie zurück. Isabella stand mit angstverzerrtem Gesicht am Rand des Rasens. »Hast du ihn gesehen?«

»Wen?«

»Den Toten!«

Charlotte schüttelte unwillig den Kopf. »Was soll dies Theater? Da ist niemand!«

»Ich habe ihn doch gesehen!«

»Ich glaube, wir sollten die Hecke höher wachsen lassen, dann reimst du dir nicht mehr solch einen Blödsinn zusammen!«, sagte Charlotte und ging zum Haus, um nach dem Kuchen zu sehen.

»Aber du kannst doch nicht einfach weglaufen!«, empörte sich Isabella.

Charlotte drehte sich um. »Schau doch selbst nach. Ich hab ’nen Kuchen im Ofen!« Wenige Minuten später kehrte sie zurück. »Du stehst ja noch immer da, wie zur Salzsäule erstarrt!«, fuhr sie ihre Schwester an.

»Ich geh da nicht allein rein!«, flüsterte Isabella.

Charlotte wollte sie zurechtweisen, stellte aber fest, dass Isabella zitterte. »Bella, was ist los? Hast du schlecht geträumt? Da ist wirklich nichts.« Wie ein Kind fasste sie die Widerstrebende an der Hand und zog sie mit ins Gebüsch bis vor das Baumhaus.

»Siehst du, hier ist nichts!« Sie zeigte nach oben und fuhr fort. »Das Baumhaus ist so morsch, da würde selbst ein Kind herunterfallen.«

Isabella schüttelte den Kopf. »Ich versteh das nicht! Da hat jemand gelegen. Mit dem Kopf nach unten. Er trug ein kariertes Hemd und eine blaue Jeans und hatte den Kopf mit einer olivgrünen Kappe verdeckt!«, sagte sie leise. »Er war tot!« »Aber jetzt ist er weg! Das siehst du doch!«

»Vielleicht ist er durch den Vorgarten …«, sinnierte Isabella, wurde aber gleich von Charlotte unterbrochen. »Wenn er tot war, kann er nicht weglaufen!«

»Und wenn ihn jemand weggeschleppt hat?«

»Man sieht doch nichts. Dann müsste es doch Spuren geben. Abgeknickte Äste, Schleifspuren im Sand oder so was«, hielt Charlotte dagegen.

Der Garten machte hinter dem Baumhaus einen leichten Bogen nach rechts und ging dann in einen schmalen Vorgarten über. Der Zaun wurde dort immer niedriger und umschloss den Vorgarten in Meterhöhe bis zu einem kleinen Tor an der rechten Hauswand. Der Garten um Isabellas Doppelhaushälfte war von der linken Seite ähnlich angelegt und hatte dort ebenfalls eine Gartenpforte.

Nun ging Charlotte durch das dichte Gebüsch bis in den Vorgarten, wo ein Staudenbeet mit unterschiedlichen Pflanzen üppig blühte. Isabella folgte ihr auf dem Fuße. »Siehst du«, erklärte Charlotte. »Die Gartenpforte ist zu, und Fußspuren sind auch keine zu sehen.«

»Ich versteh das nicht!«, sagte Isabella. »Ich habe den Mann doch gesehen!«

Charlotte ging vorsichtig durch ihre Blumen zum Rasen zurück. »Komm, wir trinken erst einmal einen Kaffee«, sagte sie und überlegte, was ihre sonst so praktisch denkende Schwester so ängstlich machte, dass sie schon Halluzinationen hatte.

Isabella nahm auf der Terrasse Platz und schaute über den Garten. Direkt neben dem Freisitz hatte Charlotte ein Rosenbeet angelegt, und auch das Staudenbeet war neu. Der Rasen war gemäht. Die Beete waren ordentlich gepflegt worden, und die Hecke, die die Grundstücke voneinander trennte, war frisch geschnitten.

Als Charlotte mit einem Tablett aus dem Haus kam, lobte Isabella: »Du hast ja richtig geackert in den letzten Tagen. Von deiner Wildnis ist kaum etwas übrig, wenn man von dem Gestrüpp dahinten mal absieht.«

Charlotte lachte. »Das Gestrüpp, wie du es nennst, bleibt auch so. Ich liebe diese unberührte Ecke!«

»Du hast sogar schon die Hecke geschnitten, alle Achtung. Aber oben drüber werde ich wohl schneiden müssen, das hast du vergessen.«

»Ich möchte, dass die Zwischenhecke höher wird. Dann brauchst du auch keine Leichen in meinem Garten vermuten. Außerdem mag ich es nicht, wenn du einfach drübersteigst, um in meinen Garten zu kommen.«

»Ich vermute nichts! Ich habe den Mann gesehen!«, beharrte Isabella verärgert. Auf das Übersteigen des Zauns ging sie nicht ein.

Charlotte setzte das Tablett auf den Tisch, goss Kaffee ein und setzte sich ihrer Schwester gegenüber. »Nun lass mal gut sein. Es war doch keiner da, das hast du doch selbst gesehen«, beschwichtigte sie ihre Schwester. »Trink erst mal Kaffee und iss ein Stück Kuchen. Dann sehn wir weiter!«

Nach dem Kaffee verabschiedete sich Isabella, der die ganze Sache wohl etwas peinlich war.

Kaum war sie weg, ging Charlotte noch einmal in den hinteren Teil des Gartens und schaute sich gründlich um. An der Holzwand waren die Efeuranken an einer Stelle etwas heruntergerissen, das war ihr schon zuvor aufgefallen. Sie wollte allerdings nicht, dass sich Isabella deswegen beunruhigte. Sie rüttelte an dem Zaun, und plötzlich schob sich ein Brett zur Seite. Die dicht gewachsene Efeuhecke gab einen Durchblick auf die Straße frei. Schnell schob Charlotte das Brett wieder an Ort und Stelle und ging zurück ins Haus, um Hammer und Nagel zu holen. Drinnen klingelte das Telefon. Anschließend kam Ottokar, der Nachbar von gegenüber, zu einem kurzen Schwatz herein.

Als Charlotte endlich mit dem Hammer in der Hand zum Zaun zurückging, war schon über eine Stunde vergangen. Mit einigen festen Hammerschlägen und etlichen Nägeln war das Brett in wenigen Minuten wieder fest. Charlotte überprüfte nun alle anderen Bretter ebenfalls, schlug hier einen Nagel ein und dort und ging erst dann zurück, als sie sicher war, dass der Zaun überall wieder fest und stabil war. Sie war gerade auf der Terrasse angekommen, als sie ein Geräusch im Haus hörte. Erschrocken betrat sie den Wohnraum und sah sich um.

»Hallo?«, rief sie. »Jemand da?« Stille im ganzen Haus. »Thomas?« Nichts.

Charlotte wurde es mulmig zumute. Sollte jemand ihren Aufenthalt im hinteren Teil des Gartens genutzt haben, um durch die Terrassentür ins Haus zu schlüpfen? Sie lauschte eine Zeit lang, dann ging sie entschlossen, aber fast unhörbar in den Flur und schlich die Treppe zum Obergeschoss hinauf. Die Tür zum Bad war nur angelehnt. Charlotte griff sich einen Schirm aus dem Schirmständer neben dem Treppenaufsatz und stieß die Tür auf. Wieder nichts. Im selben Moment schlug unten eine Tür zu. Es hörte sich für Charlotte an, als wäre es die Haustür. Schnell lief sie aus dem Bad ins Schlafzimmer, welches das Fenster zur Straßenseite hatte. Auf der anderen Seite der Straße, wo sich die hohe Hecke des Nachbarhauses entlangzog, ging eine junge Frau. Sie trug eine karierte Bluse und eine blaue Jeans. Unter ihrer olivgrünen Kappe wallte langes blondes Haar hervor. Charlotte konnte das Gesicht der Frau nicht sehen, war aber ziemlich sicher, dass sie ihr völlig fremd war. Langsam ging sie zurück ins Bad und überlegte, warum die Frau genauso angezogen war, wie Isabella ihr den Toten beschrieben hatte.

Gerade als sie sich entschlossen hatte, zu Isabella hinüberzugehen, um sie zu fragen, drehte sich ein Schlüssel im Haustürschloss. Erschrocken ging Charlotte zum Treppenaufsatz und sah hinunter. Die Tür sprang auf, und Thomas stand im Flur, seine Reisetasche in der Hand.

»Mama!«, rief er. Glücklich lief sie nach unten und umarmte ihn stürmisch. »Schön, dass du schon da bist. Ich hab Kuchen gebacken!« Er war groß, über einen Kopf größer als sie, und sein dunkles Haar war wie immer zu lang. Er hob sie hoch und wirbelte sie herum wie ein junges Mädchen.

»He, du bist dünn geworden!«, sagte er und setzte sie wieder ab.

»Etwas schlanker. Ich mache Sport, wie immer.«

»Und wer ist dein Sportlehrer?«

Sie lachte. »Was du immer denkst!«

»Da wird es doch jemanden geben, der meiner hübschen Mutter den Hof macht!«, ließ sich Thomas nicht von seiner Idee abbringen.

»Würde es dich denn stören?«, fragte sie kokett.

»Nicht mehr!«, gestand er.

»Heißt das, dass du …?« Charlotte sah ihren Sohn prüfend an.

»Warum errätst du immer alles sofort?«, sagte er mit einem Glitzern in seinen braunen Augen, die Charlotte so sehr an ihren Mann erinnerten. Arnold hatte mit dreißig ebenso attraktiv und gut ausgesehen wie jetzt sein Sohn. Thomas sah ihm sehr ähnlich. »Sie wartet im Auto«, sagte er jetzt und ging zur Tür.

»Warum hast du sie nicht gleich mitgebracht?«, fragte Charlotte empört. »Was soll sie denn von mir denken?« Thomas grinste. »Ich hol sie«.

Schnell warf Charlotte einen Blick in den Spiegel und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Sekunden später kam Thomas mit einer jungen mittelblonden Frau herein, die Charlotte auf Anhieb sympathisch war.

»Das ist sie!«, sagte er und legte seiner Freundin stolz den Arm um die Schultern. Die junge Frau gab Charlotte etwas steif die Hand und sagte: »Marita Gries. Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Thomas hat schon viel von Ihnen erzählt.«

Charlotte lächelte. »Kommen Sie doch herein, ich habe Kuchen gebacken!«

Thomas ließ das Gepäck im Hausflur stehen. Zusammen gingen sie in den Garten, wo Charlotte schon den Tisch gedeckt hatte.

»Wie schön!«, sagte Marita verzückt und lief auf den Rasen.

»Ich hab drüben hinter den Büschen ein Baumhaus gehabt!«, sagte Thomas und zog sie mit sich. Charlotte schaute ihnen einen Moment zu, wie sie wie die Kinder Hand in Hand über den Rasen liefen und dann hinter dem Gebüsch verschwanden. Dann ging sie ins Haus und setzte Kaffee auf. Als sie mit dem Kuchen wieder auf der Terrasse erschien, war von den jungen Leuten nur das heitere Lachen aus dem hinteren Teil des Gartens zu hören. Charlotte trat an den Zaun und rief nach Isabella. Wie vermutet, saß die Schwester auf der Terrasse und las.

»Thomas ist da. Möchtest du rüberkommen? Ich hab Kuchen gebacken!«

Isabella ließ sich nicht zweimal bitten. Als das junge Paar aus dem Gebüsch wieder auftauchte, saß sie bereits am Tisch und probierte den Kuchen.

»Bella, die Schöne!«, begrüßte Thomas sie und umarmte sie herzlich. »Die beste Patentante der ganzen Welt!«, sagte er und zwinkerte seiner Mutter zu. Er zog Marita auf den Stuhl neben Isabella. Er setzte sich neben seine Mutter ihr gegenüber.

»Du alter Charmeur«, sagte Isabella lächelnd. »Stell mir lieber dein hübsches Mädel vor!« Alle lachten, und mit Plaudern und Kuchenessen verging die Zeit wie im Flug.

Plötzlich rief Isabella: »Es ist schon sechs! Ich muss los. Die Bückeburger Landfrauen warten!« Im Nu war sie verschwunden und Charlotte berichtete von ihrer Idee mit der Stadtführung.

»Tolle Idee, Mama«, gab Thomas ihr recht und wandte sich an Marita. »Die beiden kennen sich hier aus wie in ihrer Westentasche. Da gibt es kein Fleckchen in der Stadt, welches Mama und ihre Schwester noch nicht erwandert haben!«

»Und Isabella kann endlich wieder zeigen, was sie so drauf hat als Lehrerin«, warf Charlotte schmunzelnd ein.

»Du etwa nicht, Mama?!«, antwortete Thomas grinsend und wandte sich an seine Freundin: »Mama und Isabella liegen immer im Wettstreit, wer Kindern am besten etwas beibringen kann!«

»Ist Isabella auch Lehrerin?«, erkundigte sich Marita.

»Ja«, antwortete Charlotte. »Die bessere von uns beiden.« Sie zwinkerte Thomas zu, und der erklärte lachend: »Isabella ist Studienrätin am Gymnasium gewesen und Mama nur Lehrerin an der Grundschule.« Das »Nur« zog er extra lang und grinste seine Mutter dabei unverschämt an.

»Lach du nur!«, gab Charlotte zurück. »Isa nimmt diese kleinen Unterschiede sehr ernst.«

»Grundschullehrerinnen müssen sehr viel Einfühlungsvermögen haben«, sagte Marita. »Ich stelle es mir sehr schwer vor, die kleinen Kinder zum Stillsitzen zu bringen.«

»Wenn man Kinder liebt, ist das gar nicht so schwer«, erklärte Charlotte. »Man muss Geduld haben, weil die Kleinen sich erst eingewöhnen müssen. Mir hat es immer Spaß gemacht, zu sehen, wie aus den Erstklässlern richtig gute Schüler wurden.«

»Die Kinder haben dich heiß und innig geliebt!«, sagte Thomas und setzte zu Marita gewandt hinzu: »Meine Freunde waren ganz begeistert von ihr, nur ich musste in eine Parallelklasse, weil Mama das so wollte!«

»Es sollte mir keiner vorwerfen, ich hätte dich im Unterricht bevorzugt«, warf Charlotte ein.

»Eine sehr kluge Entscheidung!«, stimmte Marita zu.

»Wenn du das sagst, muss es wohl stimmen«, erklärte Thomas lächelnd und gab Marita einen Kuss. Sie plauderten und lachten, als Marita plötzlich Fotos aus ihrer Handtasche holte. Interessiert betrachtete Charlotte das Foto von Maritas Familie. Sie plauderten und saßen gemütlich zusammen, bis Thomas zum Aufbruch mahnte. »Ich dachte, ihr bleibt das ganze Wochenende«, sagte Charlotte enttäuscht. »Ein andermal, Mama. Wir müssen noch weiter nach Münster. Dort treffen wir uns morgen mit Bekannten. Ich möchte noch vor Mitternacht dort eintreffen.«

»Wir haben das Zimmer reserviert«, ergänzte Marita. »Aber wir wollen nicht zu spät da sein.«

Charlotte hatte gerade alles aufgeräumt, als es erneut klingelte. Ihr Nachbar Ottokar Breit stand davor. »’n Abend Lotte! Ist dein Sohn schon wieder weg?«

Charlotte nickte. »Er hat morgen Termine in Münster.«

»Haste noch Lust auf ’nen Spaziergang?«

Charlotte strahlte. »Gern.«

Kurz darauf machten sie sich auf den Weg. Die kleine Siedlung lag außerhalb der Stadt inmitten von Wiesen und Feldern. Sie überquerten die Straße und bogen in einen Feldweg ein, der an der einen Seite von der Siedlung und an der anderen Seite von einem riesigen Maisfeld begrenzt wurde. Die Maisstauden waren so hoch, dass Charlotte sie nicht überblicken konnte. »Puh«, sagte sie, »wenn ich hier allein langgehen würde, wär mir unheimlich.«

»Wieso?« Ottokar sah sie erstaunt an. »Was ist denn an Mais unheimlich?«

»Die Größe. Ich habe noch nie so große Maispflanzen gesehen. Es kommt mir vor wie ein dichter, undurchdringlicher Urwald.«

Ottokar legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie lachend an sich. »Ick pass schon up die up, min Lüet!« Charlotte lachte. Sie liebte es, wenn Ottokar hin und wieder Plattdeutsch sprach. »Eigentlich bin ich gar nicht ängstlich, aber diese hohen Pflanzen …!« Sie verstummte, warf einen skeptischen Blick auf die Maispflanzen und blickte dann Ottokar zärtlich an. »Gut, dass du da bist!«

Einige Zeit gingen sie in schweigender Eintracht durch den schmalen Weg, der nun, wo die Siedlung zu Ende war, beiderseits von Maisfeldern eingeschlossen wurde. »Wie ein Tunnel«, flüsterte Charlotte. Ottokar stellte sich vor sie, fasste sie sanft unters Kinn und zeigte nach oben. »Und über uns ist der Himmel!« Charlotte schaute hinauf. Sie standen ganz dicht voreinander, und plötzlich trafen sich ihre Lippen. Es war nur ein leichter Kuss, aber in Charlottes Innern bebte es. »Ottokar!«, murmelte sie überrascht. Seine grauen Augen sahen sie an, und Charlotte konnte ihr Gesicht darin sehen. »Wenn Isabella das erfährt, oh Gott!«, hauchte sie. Ottokar lachte, ein fröhliches, dunkles Lachen, genau so, wie es Charlotte liebte. »Wenn das deine ganzen Sorgen sind«, sagte er, »dann wollen wir sie nicht enttäuschen!« Er zog Charlotte erneut an sich und küsste sie so stürmisch, dass Charlotte fast die Luft wegblieb.

»Das können wir echt vertiefen!«, hauchte sie selig.

»Morgen Abend bei mir?«, gab Ottokar zurück.

»Gerne!« Charlottes mulmige Gefühle waren verschwunden. So ein Maisfeld hat auch sein Gutes!