'Sterbehilfe' in Langzeitpflegeinstitutionen - Überlegungen zur Beihilfe zum Suizid aus theologisch-ethischer Perspektive - Helmut Kaiser, Prof. Dr. - E-Book

'Sterbehilfe' in Langzeitpflegeinstitutionen - Überlegungen zur Beihilfe zum Suizid aus theologisch-ethischer Perspektive E-Book

Helmut Kaiser, Prof. Dr.

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  • Herausgeber: GRIN Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2003
Beschreibung

Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Ethik, Universität Zürich (Sozial- und Wirtschaftsethik), Sprache: Deutsch, Abstract: Die allgemeine Aufgabenstellung ist klar. Es geht um grundsätzliche Überlegungen aus theologisch-ethischer Perspektive1 mit Bezug auf die Sterbehilfe in Langzeitpflegeinstitutionen. Wenn ich immer wieder den Begriff des »Altersheimes« brauche, dann bin ich mir dessen Konnotationen bewusst, doch meine ich zugleich, dass der Begriff der »Langzeitpflegeinstitutionen« überaus euphemisch ist. Sterbehilfe ist ein umfassender Begriff, so dass ich mich auf Sterbehilfe als Beihilfe zum Suizid beschränken werde. Dies werde ich in Teil I erklären (I/2). Die aktuelle Diskussion über die Zulassung von Sterbehilfeorganisationen in Altersheimen im Kanton Zürich zeigt, dass die Stellungnahmen zu diesem Problemfeld äusserst kontrovers sind, weil grundlegende ethische Werte zur Disposition stehen (I/1.)

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Inhaltsverzeichnis
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»Sterbehilfe« in Langzeitpflegeinstitutionen

Überlegungen zur Beihilfe zum Suizid aus theologisch-ethischer Perspektive

Geboren 1949 in Stuttgart, drei Töchter im Alter von 24, 21 und 18 Jahren; Wirtschaftsabitur in Esslingen, Studium der Theologie und Philosophie in Tübingen, Abschluss des Theologiestudiums in Bern 1977, bis 1984 Assistent an der Theologischen Fakultät in Bern, danach Mitarbeiter am Institut für Sozialethik des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes. Während dieser Zeit in verschiedenen

Expertenkommissionen (Gentechnologie, Energie, Neuer Lebensstil) des Bundesrates tätig. Ab 1989 Pfarrer in Spiez. Habilitation 1990 über die »Grundlegung einer Wirtschaftsethik«, Titular-Professor mit Lehrauftrag für Sozial- und Wirtschaftsethik an der Universität Zürich. Ständiges Mitglied der Ethikkommission der Psychiatrisches Klinik Münsingen; Mitarbeit im Rahmen des HEKS. Vorstandsmitglied LA 21 Spiez. Mitglied Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik.

Inhalt

0 Vorgehen.......................................................................................................................2

I Problem- und Situationsanalyse...............................................................................3

1. Der Konflikt zwischen grundlegenden ethischen Werten stellt die Ethik auf den

Prüfstand...................................................................................................................... 3

2. Begriffe von »Sterbehilfe« und die Eingrenzung des Themas auf die Beihilfe

zum Suizid .................................................................................................................... 6

3. Beihilfe zur Selbsttötung in Institutionen der Langzeitpflege/Altersheimen............... 8

4. Das weitere Vorgehen.............................................................................................8

II Argumentationsmodelle, Begründungen, Verhaltensalternativen.......................8

1. Selbsttötung - Geschichte und vier ethische Modelle ................................................ 9 1.1. Selbsttötung im Alter - Einleitende Gedanken .................................................. 9 1.2. Eine Kurzgeschichte des Suizids: Zwischen Verdammung und

1.3. Ethische Argumentationen im Spannungsfeld von ethischem Verbot,

1.4 Schlussfolgerungen............................................................................................ 23

2. Mitleid, Recht auf den eigenen Tod/Selbstbestimmung, Recht auf Leben/Schutz des Lebens - Integration der Argumente als Grundlage für einen Entscheid .......... 24 2.1. Drei Argumente in der Diskussion....................................................................... 24 2.2. Die Integration der drei Argumente ..................................................................... 28 2.3. Drei Grundhaltungen: Verbot, Erlaubnis, Anspruch............................................ 31

III Urteilsentscheid............................................................................................................... 33

1. Fälle und Situationen - Die slippery slope als grosse Gefahr ................................... 33

2. Umfrageergebnisse..................................................................................................... 37

3. Die Entstehung und Einschätzung von Exit ................................................................ 39

4. Der Urteilsentscheid - Orientierungen........................................................................ 43

5. Selbstötungshilfe in Institutionen der Langzeitpflege ................................................. 47

IV. Zusammenfassung oder die Forderung nach Evaluation, Kritik

und Mitbestimmung......................................................................................................... 51

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0 Das Vorgehen

(1) Die allgemeine Aufgabenstellung ist klar. Es geht um grundsätzliche Überlegungen aus theologisch-ethischer Perspektive1mit Bezug auf die Sterbehilfe in Langzeitpflegeinstitutionen. Wenn ich immer wieder d en Begriff des »Altersheimes« brauche, dann bin ich mir dessen Konnotationen bewusst, doch meine ich zugleich, dass der Begriff der »Langzeitpflegeinstitutionen« überaus euphemisch ist.

Sterbehilfe ist ein umfassender Begriff, so dass ich mich auf Sterbehilfe als Beihilfe zum Suizid beschränken werde. Dies werde ich in Teil I erklären (I/2). Die aktuelle Diskussion über die Zulassung von Sterbehilfeorganisationen in Altersheimen im Kanton Zürich zeigt, dass die Stellungnahmen zu diesem Problemfeld äusserst kontrovers sind, weil grundlegende ethische Werte zur Disposition stehen (I/1.)

(2) Die Aufgabe der Ethik bestehterstensdarin, Hilfestellungen bereitzustellen, um die in dieser Diskussion wichtig gewordenen Differenzen festhalten und ordnen zu können. Hilfreich erwiesen hat sich dabei die Theorie der ethischen Urteilsfindung, die in den verschiedensten Bereichen (Ökonomie, Soziologie, Psychologie, Recht) auf je spezielle Art ausformuliert und angewendet wird. Diese enthält die folgenden Schritte 2 :

-Problemfeststellung und Situationsanalyse.

-Beschreibung möglicher bzw. vorhandener Argumentationsmodelle/Verhaltensalternativen.

-Urteilsentscheid, bei dem die Problemfeststellung/Situationsanalyse,

Argumentationsmodelle/Verhaltensalternativen und Kriterien/Werte/Normen in einen komplexen Zusammenhang gebracht werden.

-Evaluation des Entscheids. Jeder Entscheid ist offen und kann aufgrund neuer Fakten und besonderer Bewertungen revidiert werden.

1 Siehe zur speziell juristischen und rechtvergleichenden Perspektive die Abhandlung von Hans Giger, em. Prof. für das Schweizerische Zivilgesetzbuch und Obligationenrecht, Rechtsanwalt: Reflexionen über Tod und Recht. Sterbehilfe im Fokus von Wissenschaft und Praxis, Zürich 2000. 2 Heinz Eduard Tödt, Versuch zu einer Theorie der ethischen Urteilsfindung, in: ZEE 21 (1977), S. 81-93; Arthur Rich, Wirtschaftsethik. Grundlagen in theologischer Perspektive, Gütersloh 1984, S. 224ff. Eine kritische Würdigung der Theorie von H. E. Tödt in: ZEE 22 (1978), S. 181-213.

Helmut Kaiser, Pfarrer in Spiez; Prof.: Lehrauftrag Sozial- und Wirtschaftsethik ZH

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Wird bei dieser schwierigen, vielschichtigen, höchst kontroversen, lebenswichtigen Fragestellung diese »einfache« Theorie der ethischen Urteilsfindung zur Anwendung gebracht, dannzweitensmit dem Ziel, ausgehend von einer Inventarisierung der aktuellen Diskussionslage den eigenen Urteilsentscheidverständlichundkritisierbarzu machen. Das heisst, dass ich die Meinung vertrete, dass jede Position sich der Kritik stellen muss, dass sich grundsätzlich kein Argument gegen Kritik immunisieren lässt.

I Problem- und Situationsanalyse

Die folgenden Hinweise nehmen bestimmte Probleme noch unsystematisch auf, wollen vorab die wichtigen Fragen stellen, machen Begriffsbestimmungen und werden die Richtung vorbereiten, in die eine Erörterung gehen muss. Insofern kann es sich nur in einem sehr eingeschränkten Sinne um eine Problem- und Situationsanalyse handeln, die jedoch den Anspruch erhebt, wichtige Probleme, Definitionen, Abgrenzungen aufzunehmen:

1. Der Konflikt zwischen grundlegende ethischen Werten stellt die Ethik auf den Prüfstand

(1) Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Zahl der möglichen Suizidbeihilfen in Altersheimen nach bisherigen Statistiken in Zürich sehr niedrig ist3. Wenn trotz dieser äusserst geringen Zahl diese Thematik breit, engagiert und zutiefst

3 Medienkonferenz Beihilfe zum Suizid vom 26. Oktober 2000: Sterben heute in Zürich, von PD Dr. A. Wettstein, Chefarzt des Stadtärztlichen Dienstes Zürich. Jedes Jahr sterben in der Stadt Zürich etwa 4.000 Personen, vorwiegend Betagte und Hochbetagte. Das häufigste Sterbealter liegt bei den Frauen bei 89 und bei den Männern bei 87 Jahren. Seit den 30er Jahren sterben in Zürich jährlich etwa 100 Personen durch Selbsttötung, 80 % davon durch gewalttätige Methoden wie Erhängen, Erschiessen oder durch Stürze. Etwa 8 % der Selbsttötungen in der Schweiz erfolgen mittels Natriumpentobarbital, abgegeben durch eine Sterbehilfeorganisation, welche die Selbsttötungen begleitet. Von den 4.000 Sterbefällen in Zürich erfolgen ca. 40 % in Spitälern, ca. 40 % in Alters- oder Krankenheimen und ca. 20 % zuhause. Von den jährlich etwa 100 Selbsttötungen in Zürich finden jedoch nur ungefähr 10 in Spitälern oder Heimen statt,und nur ein bis zwei Personen pro Jahr mussten bisher zur Selbsttötung mittels einer Sterbehilfeorganisation austreten.Wie sind denn die anderen 3900 Menschen in Zürich gestorben? Etwa ein Fünftel starb akut an einem Unfall oder an akuten Krankheiten wie Herzinfarkt oder Hirnschlag und Lun-genentzündung, Das heisst, die meisten Sterbenden leiden an chronischen, nicht heilbaren Krankheiten. Bei ihnen ist der Verzicht auf lebensverlängernde Massnahmen und die Optimierung der Leidensbekämpfung, passive Sterbehilfe die Regel.

Helmut Kaiser, Pfarrer in Spiez; Prof.: Lehrauftrag Sozial- und Wirtschaftsethik ZH