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Gott im Leiden begegnen - allem Schmerz zum Trotz? Das universale Rätsel, weshalb ein guter Gott bei dem Leid in dieser Welt nicht eingreift, wird auch in diesem Buch nicht gelöst. Doch Thomas Härry zeigt, wie es möglich ist, weiter an Gott festzuhalten. Und dass dabei auf geheimnisvolle Weise mitten im Schmerz Gutes in uns entstehen kann. Denn es gibt eine Herzenshaltung, die uns hilft, Gott im Leid zu finden, auch wenn wir ihn nicht verstehen.
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Seitenzahl: 86
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Der SCM Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
Herausgeber: Ulrich Eggers
ISBN 978-3-417-22870-0 (E-Book)ISBN 978-3-417-26783-9 (Lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book: Beate Simson, Pfaffenhofen a. d. Roth
© 2016 SCM-Verlag GmbH & Co. KG, 58452 Witten Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]
Die Bibelverse wurden folgender Ausgabe entnommen: Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Weiter wurden verwendet: Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, © 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart (EÜ) Zürcher Bibel, © 2007 Genossenschaft Verlag der Zürcher Bibel beim Theologischen Verlag Zürich (ZB) Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung 2006, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (LUT) BasisBibel. Das Neue Testament, © 2010 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (www.basisbibel.de) (BB)
Umschlaggestaltung: Dietmar Reichert, Dormagen Satz: Christoph Möller, Hattingen
Thomas Härry, Jahrgang 1965, wohnt mit seiner Frau und drei Töchtern im schweizerischen Aarau. Er arbeitet als Dozent und Referent für Theologie und Leiterschaft am Theologisch-Diakonischen Seminar Aarau sowie als Autor und geistlicher Begleiter von Führungskräften.
Über den Autor
In einer Welt der Widersprüche – Vorwort von Samuel Pfeifer
Einführung: An Schmerz und Leid kommt keiner vorbei
1Wenn Gott eingreift – oder auch nicht
2Unser Drang, Gott zu verstehen und das Leben zu erklären
3Erkennen statt verstehen
4Alltagshelden: Wie Betroffene mit dem Unerklärlichen umgehen
5Leidtragende begleiten
6Von der formenden Kraft des Leidens
Zum Schluss: Der Ruf des Königs
Anhang 1:Ein liturgisches Gebet für schwere Zeiten
Anhang 2:Willkommen in Holland
Wir leben in einer paradoxen Welt – so schön, aber auch so schmerzlich. Und diese Widersprüche ziehen sich durch unser ganzes Leben. In den guten Zeiten leben wir im vollen Vertrauen auf Gott, den gütigen Vater oder den guten Hirten, bei dem uns nichts mangelt. Die zuversichtlichen Worte in Psalm 23 schlagen aber unvermittelt in die andere Realität des Lebens um: „Und muss ich auch durchs finstere Tal …“
Im Paradox des Lebens ist immer auch die dunkle Seite enthalten. Und dieser Schmerz des Leidens, der Ungerechtigkeit und der Grausamkeit zerschmettert oft den vertrauensvollen Glauben an einen liebenden, fürsorglichen Gott. Hat er seine Geschöpfe einfach in die freie Wildbahn entlassen, den Mächten der Natur, der Willkür böser Menschen, der Vergänglichkeit des Körpers ausgesetzt? Schaut er einfach zu wie der Spielleiter in der Romanserie „Die Tribute von Panem“, wie Menschen kämpfen, leiden und sterben, ohne einzugreifen?
Die Fragen, die Thomas Härry in diesem Buch aufwirft, werden jeden Menschen einmal existenziell betreffen. Jeder von uns hat zwei Pässe: einen für die schöne Welt aus Freude, Genuss und Lebenskraft; doch da ist auch der andere Pass für das dunkle Reich des Leidens und des Schmerzes.1 Wie bereiten wir uns auf die Reise ins dunkle Land vor?
Das vorliegende Buch führt in die Widersprüchlichkeit der Gottesbeziehung und der menschlichen Erfahrungen ein. Nur wer mit diesen Widersprüchen leben lernt, kann an Gott bleiben, auch wenn so manche Erwartungen nicht erfüllt werden.
Es bleibt wohl für immer ein Paradox, warum Gott das dunkle Tal in unserem Leben zulässt und gleichzeitig verheißt, dass er auch in diesen Zeiten bei uns ist. Diese Erkenntnis zieht sich durch die Psalmen, durch das Buch Hiob bis hinein in die Propheten. „Wenn du durchs Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen“ (Jesaja 43,2; LUT).
Über viele Jahre durfte ich auf der Sonnenseite von Lebensfreude, Tatkraft und Erfolg leben. Doch als ich vor einigen Jahren selbst durch eine Krebserkrankung von einem Tag auf den anderen vom erfolgreichen Chefarzt zum geschwächten Mitpatienten in einem Infusionsraum für Chemotherapie wurde, da habe ich dieses Paradox ganz persönlich erlebt. An meinem Krankenbett las mir ein Freund einen Text aus Römer 8 vor. Aber es war nicht das triumphale „Denn ich bin gewiss“ aus Vers 38, auch nicht der verborgene Sinn, dass „denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen“ (Vers 28; LUT). Es war vielmehr ein Text über unsere Vergänglichkeit: „Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit“ (Vers 20; LUT).
Diese Vergänglichkeit macht uns bescheiden. Für mich bedeutete das: Welches Recht habe ich, Gesundheit und Heilung für mich in Anspruch zu nehmen, wenn ich selbst als Arzt so viele Menschen in ihren dunklen Stunden begleite? Warum sollte es nicht auch mich treffen? Ich wurde mir noch viel bewusster: Wir alle haben ein Verfallsdatum, auch wenn es keiner wirklich kennt. Nur wenn wir uns der Vergänglichkeit bewusst stellen, dann öffnet sich der Blick für die Ewigkeit.
Gott und seine Wege in der vergänglichen Schöpfung verstehen – das wird uns nie gelingen, so wie schon Hiob vor diesen letzten Fragen kapitulierte. Aber Gott in unserer Zerbrechlichkeit neu erkennen, das ist eine tiefe Erfahrung, die sich oft erst im Leiden erschließt. Mir wurde in meiner Leidenszeit ein Lied der amerikanischen Soulsängerin Lynda Randle wertvoll, in dem es heißt: „For the God on the mountain is the God in the valley“ (Deutsch etwa: „Denn der Gott, der mich auf meinen Höhenwanderungen begleitet hat, ist Gott auch im dunklen Tal“).
Es ist mein Wunsch, dass dieses Buch Ihnen zu einem Reiseführer auf diesem Weg werden darf – in seiner ganzen schönen Bandbreite von den grundlegenden Gedanken bis hin zu Liedtexten und liturgischen Segensworten.
Prof. Dr. med. Samuel Pfeifer Riehen, im November 2015
Ich stutzte einen Moment, als ich vor Jahren in einer Weiterbildung für Predigende diesen Satz hörte: „Eine Personengruppe haben Sie immer unter Ihren Zuhörern: Menschen, die gerade schweres Leid erfahren. Wenn Ihre Worte ihnen etwas zu sagen haben, werden Sie jedes Mal mindestens eine Gruppe von Menschen haben, die ermutigt und getröstet Ihren Gottesdienst verlässt.“
Innerlich ging ich meine Gemeinde durch, in der ich damals Pfarrer war: Wer erlebt gerade in irgendeinem Bereich seines Lebens Not, Leid, Schmerz oder eine Krise? Wer muss gerade eine Erschütterung oder eine Enttäuschung verarbeiten? Ich war überrascht, wie viele mir in den Sinn kamen. Von da an begann ich in meinen Vorbereitungen regelmäßig zu fragen, was meine Predigt zu Themen wie Einheit, das Gleichnis vom Sämann oder die Berufung des Moses diesen Menschen zu sagen hat. Ich stellte mir vor, dass einige von ihnen möglicherweise gerade am kommenden Sonntag verzweifelt im Gottesdienst sitzen – mit den bangen Gedanken im Herzen: „Gott, hast du heute eine Ermutigung, eine Perspektive, eine Hoffnung für mich, damit ich den nächsten Schritt gehen kann?“ Oder: „Wäre ich am Ende doch lieber zu Hause geblieben, wenn es keinen Trost für mich gibt!“
Natürlich kann nicht jeder Gottesdienst allen geben, was sie sich gerade wünschen. Dafür gibt es ja auch die persönlichen Gespräche, die gewachsenen Freundschaften, in denen man einander tragen und ermutigen kann, wenn die eigenen aktuellen Lebensfragen nicht zur Sprache kamen. Dennoch ist es gut, wenn ich die eine Tatsache nicht aus den Augen verliere: Ich habe immer Menschen um mich herum, die jetzt gerade Leid erleben. Einigen werde ich es anmerken, von einigen werde ich davon erfahren. Andere behalten ihre Not für sich. Aber sie sind da und sie sind überall: Menschen, die Schweres durchmachen. Nicht nur Pfarrpersonen und Leitende sollten sich dessen bewusst sein. Jeder Mensch sollte wissen: Leid und Schmerz kommen mir nicht nur nahe, wenn sie mich persönlich betreffen. Sie sind anhaltend präsent in vielen Menschen, mit denen ich täglich in Berührung komme.
Daher habe ich 2009 auf einem Pfingsttreffen in Deutschland eine Predigt über den Umgang mit Leid gehalten. Daraus wurde ein Artikel, der unter dem Titel „Gott erkennen statt verstehen“ in der Zeitschrift AUFATMEN erschien.2 Nie habe ich auf einen meiner Artikel mehr Zuschriften und Rückmeldungen bekommen als auf diesen. Bis heute sprechen mich Menschen darauf an. Die Reaktionen bestätigten mir noch einmal: Auch in unserer fortschrittlichen, auf den ersten Blick so aufgeräumt erscheinenden Lebenswelt Westeuropas sind Leid und Schmerz allgegenwärtig.
Vor diesem Hintergrund ist im Gespräch mit meiner Lektorin Silke Gabrisch vom SCM R.Brockhaus Verlag die Idee entstanden, eine erweiterte Fassung dieses Artikels in Buchform erscheinen zu lassen. Während die Grundaussage des Artikels blieb, habe ich den Inhalt komplett überarbeitet und mit Neuem ergänzt. Dazu gehört eine kleine Anleitung, wie wir Menschen in unserem Umfeld beistehen können, die Leid erleben. Weiter war es mir ein Anliegen, einige grundsätzliche Gedanken darüber zu teilen, dass wir trotz Leid und Schmerz auf gute Weise geformt werden können und welche heilsame Dynamik sich inmitten zerstörerischer Kräfte zeigen kann.
Mein Wunsch und mein Gebet ist, dass viele, die von Leiderfahrungen betroffen sind, aber auch deren Angehörige, Freunde und Bekannte, durch dieses Buch Mut, Hoffnung und neues Gottvertrauen finden – dem Schmerz zum Trotz!
Aarau, im November 2015
Vor vielen Jahren hörte ich eine Geschichte, die sich in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts in Kambodscha unter der Terrorherrschaft der Roten Khmer ereignet hatte. Die kommunistische Rote-Khmer-Armee suchte damals mit erbarmungsloser Härte Provinzen heim, die sich ihrer Ideologie verweigerten. Soldaten zogen von Dorf zu Dorf, trieben die Einwohner aus den Häusern auf die Felder und befahlen ihnen, Gruben auszuheben. Anschließend mussten sich die Dorfbewohner im Kreis um ihre Grube stellen – und wurden erschossen. Ein christlicher Missionar besuchte nach der Herrschaft der Roten Khmer eines dieser Dörfer. Auch dorthin waren die Soldaten gekommen, nachdem das Dorf lange verschont geblieben war. Sie trieben die Leute zusammen und erschossen jeden, der Widerstand leistete. Auch hier wurden Männer gezwungen, eine Grube auszuheben. Stundenlang arbeiteten sie in der sengenden Sonne. Jeder wusste, dass er hier sein eigenes Grab aushob. Tränen liefen den Männern über die Wangen und vermischten sich mit ihrem Schweiß.
Dann kam der Moment, in dem sie sich zusammen mit den Alten, den Frauen und Kindern an den Rand der Grube stellen mussten. Viele weinten und warteten mit geschlossenen Augen auf die Schüsse. Unter ihnen befand sich eine alte Dorfbewohnerin, die als Kind von ihrer Großmutter die seltsame Geschichte von einem gekreuzigten Gott gehört hatte. Sie selbst glaubte nicht an ihn und wusste nichts Genaues. Hier aber, als sie auf die Schüsse wartete, kam ihr die Geschichte in den Sinn. Laut begann sie nach dem gekreuzigten Gott zu schreien. Kurz darauf stimmten Leute links und rechts mit ein und auf einmal schrie das ganze Dorf zu diesem gekreuzigten Gott, den sie alle nicht kannten. Sie schrien verzweifelt und warteten auf die Schüsse. Es kamen keine. Schließlich öffnete jemand die Augen und sah sich um. Die Soldaten waren weg, verschwunden.