Stimmt's? Moderne Legenden im Test 1 - Christoph Drösser - E-Book

Stimmt's? Moderne Legenden im Test 1 E-Book

Christoph Drösser

0,0
7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Stimmt es, dass der Mensch nur zehn Prozent seiner Gehirnkapazität nutzt? Dass man vom Nasswerden und Frieren eine Erkältung bekommt? Dass heißes Wasser schneller gefriert als kaltes? Dass Strauße bei Gefahr den Kopf in den Sand stecken? Alltagsweisheiten auf dem Prüfstand: Christoph Drösser hat mit seiner «Zeit»-Kolumne «Stimmt´s?» ein großes Spiel angezettelt, das dieser Band dokumentiert. «Was ist eine typische Stimmt´s-Frage?» schreibt der Autor. «Eine Alltagsweisheit, von der fast jeder schon einmal gehört hat, die aber selbst Professoren des einschlägigen Fachgebietes ins Grübeln bringen kann. Denn das habe ich bei meinen Recherchen schnell festgestellt: Mit den einfachsten Fragen beschäftigt sich die Wissenschaft erstaunlich selten.»

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 100

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Christoph Drösser

Stimmt's?

Moderne Legenden im Test – Folge 1

Mit Illustrationen von Rattelschneck

Vorwort zur Neuauflage

Dieses Buch enthält die ersten Folgen meiner «Stimmt’s?»-Kolumne, erschienen zwischen 1997 und 1999.Die Kolumne erscheint immer noch, steuert auf die Folge 750 zu. Aber natürlich sind unter den ersten Fragen viele «Klassiker», nach denen sich meine Leser auch heute noch erkundigen.

Sind die Antworten darauf noch gültig? In fast allen Fällen kann ich das mit einem kräftigen «Ja!» beantworten. Die Wissenschaft unterliegt nicht allzu vielen Moden, und eine solide Antwort ist meist auch nach zehn Jahren noch korrekt. In einigen Folgen habe ich die Professoren, die mir damals geantwortet haben, mit dem Prädikat «emeritiert» versehen, und einige sind auch leider nicht mehr unter uns. Umso schöner ist es, dass sie in diesem Buch verewigt sind mit Antworten auf Fragen, die viele Menschen beschäftigen.

In zwei Fällen habe ich bei der Durchsicht meine damalige Antwort geändert: Im Fall des Gläser-Zersingens hat es ein überzeugendes Experiment in der Fernsehserie «Mythbusters» gegeben, bei dem tatsächlich ein Glas zu Bruch ging. Ebenfalls in Fernsehexperimenten wurde die Hypothese, dass das Trinken von alkoholischen Getränken mit dem Strohhalm besonders betrunken macht, widerlegt.

Ansonsten aber gebe ich in diesem Buch vielleicht keine ewigen Antworten auf die großen Fragen der Menschheit, aber eine recht solide Aufklärung bezüglich einiger Mythen. Dass ich insbesondere die falschen Vorstellungen ein für alle Mal ausrotten würde – diese Hoffnung habe ich natürlich längst aufgegeben.

Hamburg, im Februar 2011

Vorwort

Am Anfang war das Internet: Als ich im Jahr 1993 begann, mich in die Weiten des Cyberspace vorzutasten, stieß ich auch auf die Fülle der sogenannten Newsgroups, in denen sich die Netzbewohner über Fragen und Probleme aller Art austauschen. Zwei von diesen etwa zehntausend Gruppen heißen alt.folklore.urban und alt.folklore.science, und in ihnen geht es um urban legends – jene mit «urbane Legenden» nur unzureichend übersetzten Gerüchte und Anekdoten, von denen jeder schon einmal gehört hat, deren Wahrheitsgehalt aber höchst zweifelhaft ist. Dazu gehören etwa die Geschichten von der Spinne in der Yuccapalme oder dem im Solarium erblindeten Säugling. Aber auch angebliche wissenschaftliche Tatsachen wie die Auswirkungen der Corioliskraft auf den Badewannenstrudel.

Was mich an den Diskussionen in diesen Newsgroups von Anfang an faszinierte: Hier ging es nicht darum, die Geschichten weiterzuverbreiten, wozu sich das Internet vorzüglich eignet. Die Diskussionsteilnehmer verwandten große Akribie darauf, den Wahrheitsgehalt dieser angeblichen Tatsachen ein für alle Mal zu klären. Als Beleg sollten vor allem wissenschaftliche Publikationen gelten.

Mein Interesse war geweckt. Ich schlug der ZEIT vor, eine Serie über wissenschaftliche Legenden zu schreiben. Einige Anregungen konnte ich aus dem Internet entnehmen, aber bald schon musste ich auf eigene Faust weiterforschen. Die Serie, die ab Juni 1997 in der ZEIT veröffentlicht wurde, war auf etwa zehn bis zwölf Folgen angelegt. Dann würde mir der Stoff ausgehen, dachte ich. Das war ein Irrtum: Inzwischen sind über Hunderte «Stimmt’s?»-Folgen erschienen, und ein Ende ist vorerst nicht abzusehen.

Was ist eine ideale «Stimmt’s»-Frage? Eine einfache Weisheit, von der fast jeder schon einmal gehört hat, die aber selbst Professoren des einschlägigen Fachgebiets ins Grübeln bringen kann. Denn das habe ich bei meinen Recherchen schnell festgestellt: Mit den einfachsten Fragen beschäftigt sich die Wissenschaft erstaunlich selten – zum Beispiel damit, warum es nützt, auf den Boden eines Konservenglases zu schlagen, bevor man es öffnet (Seite 10).

Auch wenn ich den Anspruch habe, die Fragen eindeutig, fundiert und möglichst für alle Zeiten zu beantworten – Menschen sind fehlbar, und auch die Antworten der Wissenschaft sind stets vorläufig. Ich habe viele Anregungen von Lesern bekommen, die in dieses Buch eingegangen sind. Manchmal haben mich die Leser verbessern müssen (etwa bei meiner zu einfachen Darstellung des Stoffwechsels von Pflanzen, Seite 15), manchmal haben sie interessantes Hintergrundmaterial hinzugefügt. Und einmal musste ich auch aus einem «Stimmt nicht» ein «Stimmt» machen: bei der Geschichte vom Löffel in der Sektflasche (Seite 55).

Dieses Buch und meine Kolumne leben davon, dass ich die Arbeiten anderer Menschen ausschlachte. Das sind Informationen aus dem Internet, aus anderen Büchern, von Leserinnen und Lesern. Ich habe mich bei allen Quellen bemüht, sie so weit wie möglich zurückzuverfolgen – wenn also in einem Buch eine wissenschaftliche Arbeit erwähnt wird, habe ich versucht, sie ausfindig zu machen. Denn auch Buchautoren schreiben gern voneinander ab und können so zur Verbreitung von Legenden beitragen.

Ich habe an dieser Stelle vielen zu danken: den Betreibern des Urban Legends Archive im Internet (www.urbanlegends.com), das der Ausgangspunkt vieler Recherchen war. Den vielen in diesem Buch nicht namentlich genannten Leserinnen und Lesern, die durch ihre Fragen und ihre Kommentare die Fortführung des «Stimmt’s?»-Projekts garantieren. Und Regine Kux bei der ZEIT, die einen großen Teil ihrer Arbeitszeit mit dem Abtragen des «Stimmt’s?»-Postberges zubringt.

Hamburg, im August 1998

Christoph Drösser

Konservengläser lassen sich leichter öffnen, wenn man kräftig gegen den Boden schlägt

Stimmt. Allerdings haben die befragten Experten gleich drei Erklärungen dafür, wie man das Vakuum aus dem Glas «herausbekommt».

Doch zunächst eine Warnung. «Auf gar keinen Fall dürfen Sie mit der bloßen Hand kräftig gegen den Boden schlagen!», erboste sich mein Leser Eckart Sturm, ein Arzt aus Oldenburg. «Denn wenn dabei das Glas zerspringt, dann führt das zu Verletzungen der Hohlhand, die wegen der dort verlaufenden Sehnen trotz kompetenter Wundversorgung bleibende Funktionsstörungen hinterlassen können.» Dr.Sturms Rat: Immer ein Handtuch oder einen Topflappen dazwischenlegen!

Aber wieso funktioniert nun der Trick? Erklärung Nummer eins: Die Gummidichtung des Deckels, etwa von einer Saftflasche, klebt am Rand des Glases fest. Durch den Ruck wird diese Verklebung gelöst, sodass der Deckel leichter abzudrehen ist. Das ist die Version von Tile Isensee von der Firma Schmalbach-Lubeca, Hersteller der «Wide Cap»-Drehverschlüsse. Einige Leser haben diese Erklärung noch dadurch präzisiert, dass zunächst im Füllgut Dampfblasen, Kavitationen genannt, entstehen, die dann wieder zusammenfallen und einen sogenannten Druckstoß erzeugen (hörbar als zweiter Knall nach dem Draufschlagen).

Erklärung Nummer zwei: Das Füllgut im umgedrehten Glas drückt beim Draufschlagen den Deckel nach außen, sodass Luft eindringen kann und das Vakuum zumindest teilweise aufhebt. Dadurch lastet weniger Druck von außen auf dem Deckel, und er lässt sich leichter öffnen. So erklärt es Ulrich Nehring, dessen privates Institut als Speerspitze der konserventechnischen Forschung in Deutschland gilt. Der gleichen Meinung ist Thomas Carstensen vom Deckelhersteller Pano.

Erklärung Nummer drei stammt von Burkhard Lingenberg, der beim Glashersteller Gerresheimer arbeitet. Bei seiner Version wird durch den Schlag Sauerstoff frei, der zum Beispiel im Orangensaft gelöst ist. Dadurch wird der Unterdruck im Glas geringer, und der Deckel geht leichter auf. Das sei ein ähnliches Phänomen wie beim Schütteln von Mineralwasser- oder Sektflaschen – auch dabei steigt der Innendruck im Gefäß an.

Die beiden letzten Erklärungen unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt: Bei Version zwei dringt von außen Luft ins Glas, bei Version drei nicht. Laut Lingenberg ist der Prozess auch wieder umkehrbar, sofern man das Glas nach dem Schlag nicht öffnet: So wie sich eine geschüttelte Sektflasche wieder beruhigt, kann sich auch das Vakuum im Konservenglas wiederherstellen. Wenn dagegen tatsächlich Luft eindringt, ist das Vakuum zumindest reduziert, und es besteht sogar die Gefahr, dass der Inhalt verdirbt. So soll es früher manchmal schon Probleme gegeben haben, wenn eine Palette mit Konservengläsern ein wenig unsanft vom Gabelstapler abgestellt wurde, berichtet Carstensen – ein Risiko, dem man heute begegnet, indem man ein höheres Vakuum im Glas erzeugt.

Fazit: Alle Experten sind sich einig, dass der Trick funktioniert, aber ihre Erklärungen widersprechen sich erheblich. Die Wissenschaft ist gefordert!

Wer ein alkoholisches Getränk mit einem Strohhalm trinkt, wird schneller betrunken

Stimmt nicht. In der ersten Auflage dieses Buches habe ich die Frage mit «Stimmt» beantwortet. Inzwischen haben aber viele Wissensmagazine im Fernsehen den entsprechenden Test gemacht, und generell waren die Strohhalmtrinker nicht betrunkener als die, die aus einem Glas getrunken haben.

Schauen wir uns die Argumente im Einzelnen an: Unter den Ernährungswissenschaftlern gilt die Professorin Christiane Bode von der Universität Hohenheim als ausgewiesene Expertin für die Wirkung von Alkohol auf den menschlichen Körper. Sie glaubt, dass man tatsächlich mit Strohhalm schneller betrunken wird, und hat auch gleich zwei wissenschaftliche Erklärungen dafür parat. Faktor eins: Durch den Strohhalm wird das Getränk in kleineren Mengen durch den Mund befördert, die Mundschleimhaut wird besser «bespült», ein größerer Teil des Alkohols kann schon im Mund resorbiert werden und ohne den zeitraubenden Umweg über den Verdauungstrakt ins Blut gelangen (eine ähnliche Wirkung könnte man also durch Gurgeln erzielen). Die Folge: Der Rausch tritt schneller ein.

Was ist von diesem Argument zu halten? Es stimmt prinzipiell – aber man muss sich die Größenordnungen klarmachen: Die Mundschleimhaut hat eine Oberfläche von 200Quadratzentimetern. Die Magenschleimhaut ist zehnmal so groß, und der Dünndarm schließlich hat eine Fläche von etwa 100Quadratmetern. Das ist das 5000-Fache der Mundschleimhaut! Der Anteil des Alkohols, der vom Mund aufgenommen wird, ist verschwindend klein – mit und ohne Strohhalm.

Faktor zwei: Im Magen findet ein geheimnisvoller, «präsystemische Elimination» genannter Vorgang statt. Das heißt, dort wird durch ein Enzym namens Alkoholdehydrogenase (ADH) ein gewisser Anteil des Alkohols direkt abgebaut, ohne den Umweg über Blutkreislauf und Leber zu gehen.

Wenn aber schon im Mund Alkohol resorbiert worden ist, kann weniger durch diese präsystemische Elimination unschädlich gemacht werden. Es gelangt also insgesamt mehr Sprit ins Blut, der Rausch ist stärker.

Es stimmt zwar tatsächlich, dass schon im Magen ein wenig Alkohol abgebaut wird, aber auch hier gilt: Der weitaus größte Teil wird später zerlegt, vor allem in der Leber.

Fazit also: Beide Effekte mögen theoretisch wirksam sein, aber praktisch haben sie kaum Auswirkungen.

Blumen im Krankenzimmer werden nachts auf den Flur gestellt, weil sie den Sauerstoff aus der Luft entfernen

Stimmt nicht. Allerdings ist die Antwort komplizierter, als ich zunächst gedacht hatte. In der ursprünglichen «Stimmt’s?»-Kolumne hatte ich geschrieben: «Blumen sind Pflanzen und ‹atmen› nicht wie Tiere und Menschen, die dabei bekanntlich Sauerstoff in Kohlendioxid umwandeln. Das Gegenteil ist richtig: Pflanzen wandeln mittels Fotosynthese sogar Kohlendioxid in Sauerstoff um – was erklärt, warum wir die Atemluft unseres Planeten nicht schon längst aufgebraucht haben.»

So hatte ich leichtsinnig mein biologisches Schulwissen aus den Tiefen des Gedächtnisses zitiert. Eine Flut von Leserprotesten war die Folge. Denn erstens nützt die Fotosynthese den Blumen nachts herzlich wenig, weil sie nur bei Licht funktioniert. Und zweitens atmen Blumen sehr wohl: Um aus Traubenzucker lebenswichtige Energie zu gewinnen, wandeln sie ihn in Kohlendioxid und Wasser um. Dazu benötigen sie Sauerstoff aus der Luft.

Dieser Sauerstoffverbrauch der Pflanzen ist allerdings praktisch zu vernachlässigen. Nach Berechnungen eines Lesers, Carsten Richter aus Berlin, verbrauchen selbst hundert Zimmerpflanzen weniger Sauerstoff «als beispielsweise der friedlich neben uns schlummernde Ehepartner». Die Antwort «Stimmt nicht» bleibt also trotzdem richtig.