STIRB LACHEND! (Retreat 3) - Joe McKinney - E-Book

STIRB LACHEND! (Retreat 3) E-Book

Joe McKinney

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Beschreibung

Der Wahnsinn beginnt … wenn die Welt lachend zugrunde geht! RETREAT - aus der Feder der bekannten Horror-Autoren Craig DiLouie, Joe McKinney und Stephen Knight! Nach wochenlangen Kämpfen quer durch ein Amerika, welches von furchtlosen, kreischenden Killern überrannt wurde, stehen Lt. Colonel Harry Lee und seine Männer vom 55. Infanterie-Regiment am Stadtrand von Philadelphia. Auf dem Weg dorthin haben sie Tausenden Flüchtlingen Schutz geboten und standen oft vor schier unlösbaren Aufgaben. Die "Stadt der Nächstenliebe" befindet sich zur Zeit unter dem Schutz von General Anthony Bell, Kommandant der berühmten 56. Stryker Brigade. Aber in einer Welt, die total verrückt geworden ist, ist nichts wie es scheint. Und während Bell Lee verhaften lässt, um ihn vor eine tödliche Wahl zu stellen, versucht dessen rechte Hand, Major Chris Walker, alles in seiner Macht Stehende, um eine Katastrophe zu verhindern. Schafft er es, Lee der Schlinge des Henkers zu entreißen? Und kann er seine Truppen und die vielen Zivilisten unbeschadet durch ein Philadelphia voller verrückter Killer führen? Oder werden sie alle lachend sterben?

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Seitenzahl: 187

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RETREAT 3

Stirb lachend!

Joe McKinney, Craig DiLouie und Stephen Knight

Aus dem Amerikanischen übersetzt von

Wolfgang Schroeder

Impressum

Deutsche Erstausgabe

Published by arrangement with Craig DiLouie, Stephen Knight & Joe McKinney Originaltitel: THE RETREAT #3: DIE LAUGHING Copyright Gesamtausgabe © 2016 LUZIFER-Verlag Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Übersetzung: Wolfgang Schroeder

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2016) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-943408-57-7

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis
RETREAT 3- Stirb lachend!
Impressum
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1

Die Stadt der Nächstenliebe verzehrte sich selbst lichterloh.

Seit fünf Monaten brannten die Feuer ohne Unterbrechung. Die Crazies tanzten in den Flammen und rannten lachend und kreischend durch den Rauch. Sie rissen North Philly in Stücke, mörderische Horden, die von Wahnsinn und Grausamkeit befeuert die geschockte Bevölkerung immer tiefer in die Schatten trieb.

Und sie lachten dabei, lachten ohne Pause.

Die meisten Überlebenden klammerten sich aneinander, wie Schafe flüchteten sie in die Sicherheit der Herde. Aber einige wenige wehrten sich: Polizisten, Feuerwehrleute und selbst ein paar Durchschnittsbürger. Zusammen stoppten sie die Crazies an der Glenwood Avenue Bahnlinie und errichteten dort eine Mauer.

Die Nationalgarde tauchte zwei Wochen später in der Stadt auf. Spezialtrupps der 56. Stryker Brigade sprengten alle Brücken, die die Amtrak-Schienen entlang der Glenwood Avenue Verteidigungslinie überquerten.

Eine durchgehende Reihe von Zügen, die man von überall her geholt hatte, blockierte die Strecke. Auf die Zugwaggons stapelte die Army alles, was sie bergen konnte, von Motorrädern und Mini-Cooper über Busse und Sattelschlepper. Die Barriere war ein endlos wirkender Autofriedhof, durchsetzt mit Stacheldraht.

Die Verteidigungslinie war stark. Sie hielt ganze fünf Monate.

2

Officer Jeff Carter vom Philadelphia Police Department stand auf seinem Posten an der Ostseite der Ridge Street Bridge und beobachtete Schattenfiguren, die in den Trümmern dessen tanzten, was einst die Nachbarschaft von Allegheny West gewesen war. Es kam ihm vor, als würde er bereits sein ganzes Leben lang kämpfen.

Geboren und aufgewachsen in Stanton, einer von Phillys rauesten Nachbarschaften, verbrachte er seine Jugend damit, Kugeln auszuweichen. Seine beiden älteren Brüder wurden auf offener Straße erschossen, noch bevor er fünfzehn war. Seine kleine Schwester verlor er ans Kokain. Mit achtzehn kapierte er, dass er nur eine Wahl hatte: entweder zur Army zu gehen oder zu sterben.

Wie sich herausstellte, war er ein richtig guter Soldat. Er absolvierte vier Jahre bei der Infanterie, bevor er bei den Rangern einstieg. Dort diente er weitere sechs Jahre.

Das Kämpfen, von dem er dachte, er hätte es in Philly zurückgelassen, verfolgte ihn die ganze Zeit über. Vier Einsätze im Irak und in Afghanistan und er war jeden einzelnen Tag davon mittendrin.

Als er wieder nach Hause kam, wurde es auch nicht viel besser.

Er versuchte einen Neustart, wollte einen guten Job finden, auf den er stolz sein konnte, und so wurde er Polizist. Gerade noch rechtzeitig, um die Unruhen und die Anticop-Welle mitzubekommen, die nach dem Rückzug der Amerikaner aus Afghanistan und dem Irak über die Nation hinwegfegten. Als schwarzer Polizist musste er feststellen, dass ihn die Gesellschaft hasste, die er zu beschützen versuchte. Und auch seine vermeintlichen Brüder in Blau begrüßten ihn nicht gerade mit offenen Armen. Er hatte seine Füße in zwei verschiedenen Welten und war doch in beiden nur ein Fremder.

Dann tauchten die Crazies auf und es gab noch mehr Kämpfe.

Die schlimmsten, die er jemals erlebt hatte.

Gelächter auf der anderen Seite der Mauer ließ seine Erinnerung verstummen, nicht aber seinen Verstand. Dieses Geräusch, dieses hysterische Kichern, jagte ihm immer noch kalte Schauer über den Rücken.

Er hörte es inzwischen sogar im Schlaf.

Wenn er schlafen konnte.

Was in diesen Tagen ziemlich selten vorkam.

Er suchte die Autowracks ab, bis er eine Gruppe von Crazies entdeckte. Sie hatten jemanden aus einem von Granaten zerschossenen Gebäude gejagt. Carter konnte nicht erkennen, ob es sich bei ihrem Opfer um einen nichtinfizierten Überlebenden oder um einen der ihren handelte, denn es blieben immer noch drei Stunden bis Sonnenaufgang und nur die während der allnächtlichen Zerstörungsorgie in Brand gesetzten Gebäude erhellten die Dunkelheit. In ihrem orangefarbenen Feuerschein sah Carter, dass das Opfer ein Schwarzer mittleren Alters war, der kein Hemd trug. Die Crazies wimmelten um ihn herum, rissen ihm die Hose herunter und hoben ihn an einem Verkehrszeichen hoch, spießten ihn durch das Rektum auf und gackerten, als er den Mast herunterrutschte.

Schreiend.

Carter wurde deswegen nicht einmal mehr übel. Zu oft hatte er in letzter Zeit Horror wie diesen gesehen.

Die Crazies feierten weiter, tanzten und kreischten dabei. Ihr Lachen erfüllte die Nacht und übertönte gelegentlich sogar die Schreie derjenigen, die das Pech hatten, von ihnen erwischt zu werden.

Carter hatte keine Ahnung, wieso die Crazies plötzlich in die Offensive gegangen waren. Auch sonst wusste keiner, warum sie es taten. Mehrere Wochen lang hatten sie sich relativ ruhig verhalten. Sie hatten gelegentlich Beutel mit infizierter Pisse und Scheiße über die Barrikaden geworfen, das übliche Zeug, aber auch nicht viel mehr als das. So war es an allen Wachtürmen entlang der Glenwood Avenue gewesen. Die Scharfschützen fanden kaum noch etwas, auf das sie schießen konnten.

Aber all das hatte sich vor vierundzwanzig Stunden geändert.

Gestern waren die Crazies bei Einbruch der Dunkelheit von Northern Philadelphia heruntergekommen und ballten sich an den Barrikaden zusammen, die die Stadt zwischen dem Schuylkill River und dem Delaware teilten.

Nach offiziellen Schätzungen lag die Anzahl der Crazies bei etwa zwanzigtausend. Aber jeder, der irgendwann und speziell in den letzten Stunden an der Glenwood Avenue Verteidigungslinie gewesen war, wusste, dass die tatsächliche Anzahl das Fünffache betrug – und mit großer Wahrscheinlichkeit sogar mehr. Carter, die Cops, sowie die Soldaten der 56. Stryker Brigade, mit denen er zusammenarbeitete, sahen sich einer Invasion gegenüber, die komplett anders war als alles, was sie seit den ersten Tagen der Auseinandersetzungen erlebt hatten.

Doch selbst nachdem sich die Crazies so massiv zusammengerottet hatten, war Carter nicht besorgt gewesen, als man ihm am Vortag befahl, auf seinem Posten zu bleiben. Das war ihm schon zweimal passiert und nichts war dabei herausgekommen. Er hatte beobachtet, wie die Soldaten auf den umliegenden Dächern ihre Schusspositionen einnahmen, und sich damit begnügt, einem Haufen anderer Leute zuzuhören, die das Schießen erledigen würden. Die meiste Zeit stand er nur gelangweilt herum, bemühte sich, wach zu bleiben, und versuchte vergeblich zu vergessen, wie hungrig er war.

Bei Einbruch der Dunkelheit hatte sich die Lage allerdings zugespitzt. Verzweifelte Rufe nach Verstärkung waren die ganze Zeit über entlang der Glenwood Avenue Linie zu hören gewesen. Hier an der Ridge Street Bridge war zwar noch nichts passiert, aber es klang so, als ob sie zumindest weiter östlich dabei waren, ihren Sold tatsächlich zu verdienen. Die ganze Nacht über waren die knatternden Schüsse von Handfeuerwaffen zu hören gewesen. Und hin und wieder hatte er in der Ferne den Lärm kleinerer Flugzeuge vernommen, die im Sturzflug in die Mauer krachten und Lücken in den Verteidigungswall sprengten. Jeder Absturz wurde von einer Explosion begleitet. Carter war überzeugt, wenn er die dunkle Linie ihrer Verteidigungsmauer absuchen würde, müsste er bald eine weitere Säule von grauem Rauch entdecken, die in den Nachthimmel aufstieg. Dann würde der Wind sie erfassen und der Rauch würde trübe Schlieren auf das Antlitz des Mondes zeichnen.

Einzelne Crazies flitzten in sein Sichtfeld und brüllten Obszönitäten über die Barrikade, griffen die Verteidigungsmauer aber nicht an. Ein paar von ihnen, die sich im Schatten der ausgehöhlten Gebäude herumtrieben, riefen um Hilfe, so als wären sie nicht infiziert. Sie flehten die Soldaten und Cops an, die auf der anderen Seite Wache hielten, sie zu retten. Einige von ihnen versuchten es sogar mit den Namen von Freunden und Angehörigen, die sie in ihrem früheren Leben gekannt hatten.

Allerdings konnten sie das nicht lange durchhalten.

Ein paar mitleiderregende Schreie, ein bisschen Gestöhne, ein Name oder zwei, und schon brachen sie wieder in Gelächter aus.

Und auch wenn er es hasste, das zugeben zu müssen, Carter fiel jedes Mal wieder darauf herein.

Zumindest ein Teil von ihm tat das, hoffte irgendwie immer noch.

Als eine Explosion östlich von seiner Position die Nacht zerriss, wandte er sich ab. Er sah einen leuchtend orangefarbenen Feuerball in den tiefschwarzen Nachthimmel aufsteigen und für einen Moment wurden alle Gebäude zwischen seinem Posten und dem Explosionsort grell hervorgehoben.

Die Schockwelle traf ihn Sekunden später.

Der Boden unter seinen Füßen bebte.

Das Fensterglas in seiner Umgebung zersprang.

Er taumelte, konnte sich aber auf den Füßen halten.

Für ein paar Sekunden war es ganz still. Dann brach auf der anderen Seite der Barrikade Jubel aus und das Funkgerät an seiner Hüfte spielte plötzlich wieder verrückt. Carter konnte die Stimmen verzweifelter Polizisten von überall entlang der Glenwood Avenue Verteidigungslinie hören.

Er suchte nach seinem Sergeant, Dave Parker und nach Lieutenant John Gantz vom 56., um herauszufinden, was sie über die Explosionen zu sagen hatten. Die Mauer mit Flugzeugen anzugreifen war eine neue Strategie der Crazies. Parker und Gantz hatten schon die ganze Nacht über ihre Funkgeräte an den Ohren kleben, und wenn irgendjemand eine halbwegs plausible Erklärung dafür hatte, was hier vor sich ging, dann wohl die beiden.

Er entdeckte sie keine zwanzig Meter entfernt, sie waren über die Motorhaube eines Polizeifahrzeugs gebeugt und studierten eine Landkarte.

Carter machte sich auf den Weg zu ihnen.

Aber er hatte gerade die Hälfte der Strecke geschafft, als drei weitere Explosionen die Nacht erschütterten.

Sie erfolgten rasend schnell hintereinander, trafen ihn wie Schläge in den Bauch. Die Detonationen dröhnten in seinen Ohren. Jede einzelne erschütterte den Boden unter seinen Füßen so stark, dass er ums Gleichgewicht kämpfen musste. Als die abschließende Explosion die Erde unter ihm erbeben ließ, torkelte er gegen ein Polizeifahrzeug und musste sich mit beiden Händen auf dem Kofferraum abstützen, um nicht zu stürzen.

Die gesamte Funkdisziplin brach zusammen.

Menschen schrien, redeten einfach durcheinander, flehten um Hilfe.

Und zu seinem Entsetzen hörte Carter mittendrin dieses schreckliche Gelächter.

Er stemmte sich vom Polizeiwagen hoch und überprüfte die Umgebung, versuchte, sich zu orientieren. Plötzlich bemerkte er, wie die Scharfschützen auf dem Dach des Philadelphia Housing Authority Gebäudes ihre Ausrüstung zusammenpackten und abzogen. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, was sie da gerade taten, und lief über die Straße, damit er besser aufs Dach sehen konnte.

»Was zur Hölle?«, murmelte er.

Aber die Lage war eindeutig. Da oben zog gerade das Scharfschützenteam ab, verließ seinen Posten. Auf der anderen Straßenseite entdeckte er Dave Parker neben einem Humvee, der auf Lieutenant Gantz einbrüllte. Parker war Ende fünfzig und fett, sein dünnes graues Haar dampfte vor Schweiß. Er war ein Cop der alten Schule, groß und ruppig, und sein Gesicht sah meistens so aus, als würde es wütend im Feuerschein einer nahen Explosion glühen. Er überragte Lieutenant Gantz, dessen blonde Haare und Sommersprossen ihn neben Parker fast wie ein Kind aussehen ließen.

»Das können wir nicht machen!«, schrie Parker.

Parker versuchte dem Lieutenant dabei ins Gesicht zu sehen, doch der junge Offizier bewegte sich unruhig hin und her. Gerade als das Scharfschützenteam das Gebäude verließ, lief er um Parker herum und gab den Soldaten Instruktionen, die Carter nicht verstehen konnte. Dann wies er in südliche Richtung.

Parker packte den jüngeren Mann bei der Schulter und wirbelte ihn herum. »Sie können das nicht machen. Wir müssen diese Verteidigungslinie halten. Da sind zigtausende Zivilisten, die wir in Sicherheit bringen müssen.«

Der Lieutenant starrte Parker zornig an. »Vorsicht, Sergeant. Ich habe meine Befehle, und Sie haben Ihre. Und jetzt machen Sie Ihren Leuten Beine.«

»Sie können das nicht tun«, wiederholte Parker. »Es leben Hunderttausende außerhalb der zweiten Sicherheitsbarrikade. Die müssen wir doch evakuieren.«

»Das ist nicht mein Problem, Sergeant.«

»Nicht Ihr … heilige Scheiße, Mann, wir sprechen hier von hunderttausenden Menschen. Wollen Sie die wirklich sterben lassen?«

»Ich habe die Befehle nicht erteilt, Sergeant. Und Sie genau so wenig. Jetzt befehlen Sie endlich Ihren Männern, abzuziehen!«

»Falls Sie das wirklich machen, schwöre ich Ihnen, dann haben Sie einen Aufstand am Hals.«

Der junge Lieutenant versuchte, entschlossen auszusehen. »Ich sagte Abmarsch!«

Carter rannte zu ihnen hinüber. »Was zur Hölle ist denn los?«

»Sie ziehen sich zurück.«

»Wohin?« Carter wartete nicht auf Parkers Antwort. »Lieutenant, wohin ziehen Sie ab?«

»Schalten Sie doch Ihr Funkgerät ein, Officer«, meinte Gantz. »Die Sicherheitsbarriere wurde durchbrochen. Wir haben den Befehl erhalten, unsere Verteidigung so schnell wie möglich am Vine Street Expressway wiederaufzubauen.«

Carter brauchte einen Moment, bis er das verarbeitet hatte. Es überraschte ihn nicht, dass die zweite Verteidigungslinie das Ziel sein sollte. Das war zu erwarten gewesen. Man hatte dort schon vor einiger Zeit umfangreiche Befestigungen errichtet, ähnlich denen hier an der Amtrak-Bahnstrecke. Und es gab Krisenpläne, die Lücken sehr schnell zu schließen, falls es erforderlich sein sollte. So ziemlich jeder hatte vermutet, wenn vielleicht auch nur unbewusst, dass die Glenwood Avenue Verteidigungslinie eines Tages fallen würde. Der innere Sicherheitsbereich am Vine Street Expressway war ihr Plan B.

Das Problem war nur, dazwischen lag die halbe Stadt. Dort lebten, wie Sergeant Parker gesagt hatte, Hunderttausende Menschen wie Bienen in einem Bienenstock. Sie waren in jedes nutzbare Haus und Apartment zwischen der Glenwood Avenue Verteidigungslinie und dem Vine Street Expressway hineingestopft worden, manchmal vier oder fünf Familien in ein Haus.

»Meine Frau und mein Sohn sind da draußen«, stellte Carter fest.

»Verdammter Mist«, antwortete Gantz. Er war immer noch fuchsteufelswild, aber er bemühte sich, ein paar Gänge runterzuschalten. »Officer, das tut mir wirklich leid. Unsere Befehle zwingen uns aber zum sofortigen Rückzug. Es ist keine Zeit mehr.«

»Ich lasse meine Familie nicht zurück.«

»Denken Sie, mir gefällt das?«, entgegnete Gantz. »Glauben Sie das wirklich? Ist nämlich nicht so. Verdammt, ich hasse es. Aber wir haben unsere Befehle.«

»Ich scheiß auf Ihre Befehle«, fluchte Carter.

»Die Barrikaden sind durchbrochen worden. Wir haben keine andere Wahl. Wenn wir retten wollen, was von dieser Stadt noch übrig ist, dann müssen wir uns jetzt zurückziehen. Ich verstehe das mit Ihrer Familie ja, aber wir haben keine Alternative.« «Einen Scheiß verstehen Sie!«

Gantz' Ausdruck wurde härter. Er tippte mit einem Finger auf Carters Brustkorb. »Wie ich es sehe, sind Sie gerade dabei, einen gewaltigen Schritt zu weit zu gehen, Officer.«

Carter winkte frustriert ab und drehte sich um. »Ach, fick dich!«

»Hey«, rief Gantz. »Was meinen Sie, wo Sie jetzt hingehen?« Dann wandte er sich an Parker. »Wo geht er hin?«

»Ich bin raus.«

Gantz lief ihm schnell hinterher, um ihn abzufangen. Er legte die Hand an seinen Pistolengriff und studierte eingehend Carters Namensschild. »Sie haben den direkten Befehl erhalten, sich mit den anderen zurückzuziehen, Officer Carter. Also … antreten!«

Carter ließ seinen Blick von der Pistole an Gantz' Hüfte zu den angsterfüllten Augen des jungen Lieutenants gleiten. »Ziehen Sie diese Pistole, Lieutenant, und ich werde Sie sauber in der Mitte durchbrechen.«

»Wenn Sie sich unerlaubt von der Truppe entfernen, dann sind Sie ein Deserteur. Dann sind Sie vollkommen auf sich alleingestellt, Sie und Ihre Familie.«

Carter war mit diesem Idioten fertig und hatte keine Lust, noch mehr Zeit mit Diskussionen zu verschwenden, also ließ er ihn links liegen.

»Ich könnte Sie jetzt erschießen!«, rief ihm Gantz hinter seinem Rücken zu.

»Tun Sie es, wenn Sie Manns genug dafür sind, Lieutenant«, antwortete Carter und rannte los.

Er hatte knapp zwei Meilen vor sich.

3

Corporal Sandra Rawlings sprang gerade vom Humvee herunter, als der nächste Molotow-Cocktail die Windschutzscheibe traf und Feuer sowie zerbrochenes Glas über die Motorhaube verteilte. Sie landete im Freien, ohne Deckung. Während das Blut in ihren Ohren hämmerte, setzte sie sich sofort in Bewegung, ihren Karabiner an den Körper gedrückt. Sie lagen noch immer unter Beschuss durch die Klowns am Ende der Straße, aber er war nur sporadisch und schlecht gezielt. Kugeln pfiffen über ihre Köpfe hinweg und schlugen mit einem gedämpften metallischen Knallen in die Seiten von Autowracks ein.

Und dennoch waren sie nicht ihr Hauptproblem.

Die Klowns, die auf der linken Seite vom Dunkin Donuts Parkplatz herandrängten, waren viel näher.

Sie waren die echte Bedrohung.

Sie warfen die Molotow-Cocktails.

Eine Kugel zischte so dicht über ihren Kopf hinweg, dass sie fast den Luftzug spürte. Sie duckte sich tief und rannte in den Schutz eines ausgebrannten Fahrzeugs. Die Wagentüren fehlten und hinter dem Steuer konnte sie die verkohlten Überreste eines Mannes erkennen, der etwas hielt, was früher vielleicht mal ein Benzinkanister gewesen war. Das gesamte Fahrzeuginnere war geschmolzen und durch die Hitze geschwärzt. Der Mann sah so aus wie einer dieser Körper, die man bei den Ausgrabungen in Pompeji gefunden hatte, durch das Feuer mitten in der letzten Aktion erstarrt.

Was auch immer das gewesen war.

Andy Muldoon tauchte an ihrer Seite auf, seine massige Gestalt passte kaum hinter den Kotflügel des Wagens.

»Was grinst du denn so?«, fragte sie ihn.

»Hatte ich dir nicht eine gute Zeit versprochen?«

»Nur ein bisschen das gute alte Rein-Raus-Spiel«, zog sie ihn auf. »Ganz schmerzlos, hast du gesagt.«

Muldoon zwinkerte ihr zu. »Ich dachte, ein böses Mädchen wie du würde Spaß am alten Rein-Raus-Spiel haben.«

»Du bist schon ein Trottel«, entgegnete sie. »Sei nicht auch noch ein Schwein.«

»Ich bin, was ich bin, Babe.«

»Sei einfach kein Arsch und nenn mich nicht Babe.«

Rawlings lehnte sich über die Motorhaube, gab einen Feuerstoß auf einen Klown ab, der einen weiteren Molotow-Cocktail nach ihnen werfen wollte, und säbelte ihm die Beine unter dem Körper weg. Er landete mit dem Gesicht nach unten im Unkraut und dem zerbrochenen Beton am Straßenrand. Der Klown schaute mit blutbeflecktem Gesicht zu Rawlings hoch und lachte sie durch abgebrochene Zähne an.

Rawlings erledigte ihn mit einem weiteren schnellen Feuerstoß.

Die Klowns am Ende der Straße fingen wieder an zu schießen, zwangen sie, erneut neben Muldoon in Deckung zu gehen. Ihr Gesicht war dick mit Staub und Dreck bedeckt und als sie lächelte, funkelten ihre Zähne im Morgenlicht.

Ein paar davon waren allerdings auch kaputt.

Rawlings schaute sich um, versuchte, ihre Situation zu erfassen.

Wolken voller Staub und Rauch trieben schwer durch die Luft. Sie befanden sich an einer Kreuzung in der Mitte von dem, was zumindest für Rawlings wie der beschissenste Teil von Philadelphia aussah.

Allerdings dachte sie das über jeden Teil Philadelphias, den sie bisher gesehen hatte, also zählte das wohl nicht.

Jedes Gebäude im Block war ein baufälliger, dreistöckiger Backsteinbau. Die meisten Fenster sahen so aus, als wären sie bereits zugenagelt worden, lange bevor die Krankheit vor drei Monaten zugeschlagen hatte. Die Narben des städtischen Verfalls, die seelenaussaugende Trostlosigkeit von Armut und Vernachlässigung verschlugen ihr den Atem. Verwilderte, überwucherte Felder neben längst verlassenen Gebäuden. Zerstörte, fensterlose Autos saßen wie Schiffswracks auf Böcken. Überall wo sie hinsah, Einschusslöcher und Rost und Unkraut, das aus den aufgerissenen Straßen wucherte.

Was hatten die Klowns auf das Ortseingangschild gemalt? Willkommen in Philadelphia, der Stadt mit der beschissenen Nächstenliebe.

Es stimmte sie traurig.

Die Klowns waren zwar wahnsinnig, aber sie lagen nicht falsch.

4

Zwei Tage zuvor waren die angeschlagenen Überreste der Zehnten Gebirgsdivision unter dem Kommando von Lieutenant Colonel Harry Lee über die Trümmer des Divine Lorraine Hotels angerollt gekommen und hatten einen ersten Blick auf Philadelphia geworfen.

Für Rawlings war das ein Moment der Hoffnung und Befreiung gewesen.

Seit ihrem Rückzug aus Boston bis hin zu der mörderisch harten Schlacht bei Fort Drum hatten sie schwere Verluste hinnehmen müssen. Es waren vielleicht noch dreihundert von ihnen übrig. Sie hatten nach dem Sieg bei Drum zwar ihren Munitionsbestand wieder auffüllen und sich mit Treibstoff und Essen eindecken können, aber das zählte nicht viel.

Ihre Luftunterstützung war bei Drum zerstört worden.

Die verbliebenen Trucks waren ramponiert und humpelten nur noch dahin.

Sie waren gezwungen gewesen, viel zu viel Material am Straßenrand zurückzulassen und mit den Klowns im Rücken hatten sie nicht einmal genug Zeit gehabt, die liegen gebliebenen Fahrzeuge auszuschlachten. Sie mussten immer in Bewegung bleiben.

Und als wäre das nicht genug, zogen sie eine Karawane von ungefähr eintausend überlebenden Zivilisten im Schlepptau mit.

Das andauernde Kämpfen und Fahren hatte jeden von ihnen die Toilette runtergespült. Die Kampfmoral war im Eimer.

Rawlings war ausgelaugt.

Sie hatte die Lichter von Philadelphia in der Dunkelheit leuchten sehen wie etwas aus einer Predigt von John Winthrop und für den winzigen Bruchteil eines Moments erlaubte sie sich die Hoffnung, dass sie in die weit ausgebreiteten Arme eines sicheren Ortes marschieren würden.

In eine Stadt auf dem Hügel.

Doch dann hatte Lee befohlen, das Lager außerhalb der Stadt im West Fairmont Park aufzuschlagen und alles war zum Stillstand gekommen. Zum ersten Mal seit dem Rückzug aus Boston hatten die überlebenden Mitglieder der Zehnten Gebirgsdivision Zeit, sich umzublicken und Bilanz zu ziehen.

Sie hatten endlich Zeit, ihre Wunden zu lecken.

Und an die zu denken, die sie verloren hatten.

Doch das wollte Rawlings gar nicht. Herumsitzen und Nichtstun brachten sie nur dazu, über das Harvard Stadium und den Horror nachzudenken, den sie dort hatte durchstehen müssen.

Und über Scott Wade, den jungen Mann, in den sie sich beinahe verliebt hätte.

An ihn zu denken war, als würde jemand mit eisiger Faust ihre Gedärme zusammendrücken.

Man konnte es ertragen, sich die Klowns anzuschauen und ihnen zuzuhören, während man durch das Zielfernrohr eines Gewehrs starrte. Aber es war etwas vollkommen anderes, wenn du einem Mann, den du als Freund betrachtest und vielleicht sogar als potenziellen Liebhaber, dabei zusehen musst, wie er in ihren gackernden Pool des Irrsinns hineingleitet.

Rawlings suchte immer noch nach einer kuscheligen Ecke, um die Erinnerung dort abzulegen.

Bisher hatte sie diese Gedanken gut auf Abstand halten können. Das ununterbrochene Fahren und Kämpfen hatten ihr dabei geholfen.

Jetzt war die Zehnte Gebirgsdivision vor den Toren Philadelphias angekommen und Rawlings hatte gehofft, dass sie direkt in die Stadt einmarschieren und sich mit den Überlebenden zusammentun würden.

Stattdessen saßen sie nur herum und warteten.