Strandsteine - Frank Rudolph - E-Book

Strandsteine E-Book

Frank Rudolph

0,0

Beschreibung

Der Faszination des Steinesammelns kann sich kaum jemand entziehen. Deshalb sind unsere Strandsteine auch für jeden Strandspaziergang unentbehrlich. Jetzt ist der praktische Strandführer bereits in der 12. Auflage erschienen. Woher kommen die bunten Steine, die man nach einem Strandspaziergang oft in seiner Jackentasche hat und welche Geschichten haben sie zu erzählen? Jede Ader, jede Färbung, jeder Riss hat etwas zu berichten - von Vulkanausbrüchen, Erdbeben und Eiszeiten, von immensen Kräften und imposanten Ereignissen der Natur. Entstehung, Herkunft, Alter, Zusammensetzung und auch die besten Fundorte - das alles erklärt der Geologe und passionierte Steinesammler Dr. Frank Rudolph in diesem Buch. Es ist gezielt für den ahnungslosen Strandspaziergänger geschrieben, klar strukturiert und verlangt keine Vorkenntnisse.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 87

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Strandsteine

Sammeln und Bestimmenan der Ostseeküste

Frank Rudolph

© 2016 Wachholtz Verlag – Murmann Publishers, Kiel/Hamburg

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1.Auflage 2018

Gesamtherstellung: Wachholtz Verlag

E-ISBN 978-3-529-09266-4

Besuchen Sie uns im Internet:

www.wachholtz-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Ein Wort vorweg

Einführung

Grundlagen

Wie man mit Hamburgern und Cola die Eiszeit erklärt

Die Kraft des Eises

Die Einteilung der Gesteine

Grundlagen der Gesteinsbestimmung

Bestimmungsmerkmale

Geologisches

Das Sammeln

Magmatite: Plutonite

Magmatite: Vulkanite

Metamorphite

Sedimentite

Fossilien

Verschiedenes

Anhang

Ein Wort vorweg

Norddeutschland wurde durch mehrere Eiszeiten geformt. Bis zu 1000 Meter mächtige Gletscher transportierten gewaltige Mengen an Gesteinen aus Skandinavien, die sie aus ihrem natürlichen Verband (dem Anstehenden) herausgerissen hatten, südwärts. Beim Abschmelzen der letzten Gletscher vor etwa 10 000 Jahren blieben diese sogenannten Geschiebe zurück. Die Steine, die sich an Steilküsten, auf Lesesteinhaufen oder in Kiesgruben finden, zeugen also von dem letzten großen erdgeschichtlichen Ereignis – der Eiszeit.

Am Strand kann man Steine aller Erdzeitalter finden. Sie stammen aus Norwegen, Schweden, Finnland, vom Grund der Ostsee oder aus Estland. Hier in Norddeutschland kann man eine Wanderung durch zwei Milliarden Jahre Erdgeschichte und durch alle Gegenden Skandinaviens unternehmen, ohne weit zu reisen. Sogar Fossilien, Überreste einstiger Lebewesen, lassen sich am Strand relativ leicht finden.

Für das Buch wurden solche Steine ausgewählt, die besonders häufig, typisch oder leicht ansprechbar, also bestimmbar, sind, damit der interessierte Laie die Unterschiede erkennen und die Gesteine unterscheiden lernt. Schon nach kurzer Zeit sollte der Leser rund ein Dutzend verschiedener Gesteine bestimmen können. Mit ein wenig Übung werden es schnell mehr. Das Buch soll anregen, selbst einmal auf die Suche zu gehen und einzutauchen in die Geschichte unseres Planeten. Alle Fotos wurden an den Ostseestränden Schleswig-Holsteins aufgenommen. Die gezeigten Objekte entstammen also nicht einem Museumskeller, sondern können überall entdeckt werden – auch heute noch. Jede Küste hat dabei ihre Besonderheiten. In Weißenhaus kommen sehr viele Kinne-Diabase vor. In Johannistal gibt es viele Småland-Porphyre. Am Brodtener Ufer sind kleine Schieferstückchen und schöne Granatamphibolite zu finden. Am Schönberger Strand und bei Heidkate sind Feuersteine mit Druckmarken nicht selten. Um Heiligenhafen gibt es neben dem Heiligenhafener Gestein viele Kalke mit Gletscherschrammen. Donnerkeile sind besonders häufig an den Steilküsten Wagriens und auf Fehmarn. An der nördlichen Eckernförder Bucht wird man besonders rote und braune Ostseequarz-Porphyre und Åland-Rapakivi-Granite entdecken. An den Küsten der Flensburger Förde trifft man vielfach auf dunkle Gesteine wie Basalte und Amphibolite. Und je weiter man nach Norden kommt, umso häufiger werden Rhombenporphyre und Larvikite.

Jede Küste ist eine wahre Schatzkiste für Steinesammler. Oftmals erkennt man Gesteine besser, wenn sie nass sind, aber nicht immer. Steine im Wasser sind häufig von Algen bewachsen; kommen sie frisch aus der Steilküste, sind sie oft lehmverkrustet. Bernstein findet man dort, wo kleine Holzstückchen und Seetang angespült sind. Donnerkeile liegen im groben Kies. Jeder mag selbst entscheiden, wo er am liebsten sammelt.

Aber Vorsicht! Wen einmal der Steinesammel-Virus gepackt hat, der kommt so schnell nicht mehr davon los.

Einführung

Schleswig-Holstein ist eines der schönsten Bundesländer – und es ist das einzige, das zwischen zwei Meeren liegt. Auf der einen Seite die Nordseeküste mit dem Wattenmeer, kilometerlangen breiten Sandstränden mit zahllosen Muschelschalen, mit den Gezeiten und den kleinen Halligen. Auf der anderen Seite die teils schroffen Steilküsten der Ostsee, die sich mehr als zehn Meter erheben, davor der steinige und recht schmale Strand, der angespülte Seetang und die herabgestürzten Bäume.

Es sind die großen Gegensätze zwischen der flachen Marschlandschaft und dem ostholsteinischen Hügelland, die Schleswig-Holstein so reizvoll machen. Wir dürfen – den Gletschern sei dank – diese Landschaft genießen. Richtig: Ohne Gletscher, ohne die Eiszeit, würde es Schleswig-Holstein gar nicht geben. Lediglich einige wenige winzige Inseln würden aus dem vereinigten Nord-Ostsee-Meer herausschauen. Denn was uns noch von anderen Ländern unterscheidet: Bei uns gibt es keinen gewachsenen Felsen (mit winzigen Ausnahmen). Sand und Kies und Schotter, das ist Schleswig-Holstein, ein Erbe der Eiszeiten, aufgebaut aus Milliarden von meist zerriebenen Gesteinen. Und dieses Material gehört uns nicht einmal – fremdes Land, das bei uns eine neue Heimat gefunden hat.

Die Gletscher rissen aus dem gewachsenen Felsen der nordischen Länder riesige Brocken heraus, transportierten gewaltige Schuttmengen von Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, vom Grund der Ostsee, aus Estland und dem restlichen Baltikum zu uns. Dieser Schutt blieb nach dem Abschmelzen des Eises liegen – und deswegen müssen sich nicht 2,7 Millionen Schleswig-Holsteiner auf dem Segeberger Gipsberg drängeln, auch wenn es bei einigen Musik-Veranstaltungen und den Karl-May-Festspielen in der Kalkberg-Arena manchmal fast den Anschein hat. Die Vielfalt der Gesteine am Strand, in Kiesgruben, auf Lesesteinhaufen oder sogar auf den Kieswegen ist fantastisch. Ein Strandspaziergang eröffnet den Blick in die gesamte Geologie des baltoskandinavischen Raumes.

Steine aus dem Oslo-Gebiet liegen neben solchen von den Åland-Inseln oder von Bornholm. Einige Geschiebe sind 1000 Kilometer weit transportiert worden, andere stammen aus dem unmittelbaren Untergrund des Fundortes. Es gibt Gesteine mit einem Alter von über zwei Milliarden Jahren (das ist fast halb so alt wie die Erde!), andere sind zur Zeit der Dinosaurier entstanden und wieder andere sind „nur“ wenige Millionen Jahre alt. Die ältesten Fossilien, die wir am Strand finden können, sind fast 550 Millionen Jahre alt und zeugen vom Beginn des Lebens und der kambrischen Explosion. Funde von versteinerten Lebewesen aus fast allen erdgeschichtlichen Epochen und aus allen Tiergruppen sind möglich. Und diese Vielfalt, die uns die Hinterlassenschaften der Eiszeiten bieten, ist großartig. Nirgendwo kann man so vielfältigen geologischen Fragestellungen nachgehen wie an den Stränden der Ostsee zwischen Dänemark und Mecklenburg-Vorpommern. Das vorliegende Buch möge dazu Anleitung und Anregung zugleich sein.

Grundlagen

Wie man mit Hamburgern und Cola die Eiszeit erklärt

Vor 115 000 Jahren begann es im Norden zu schneien. Zuerst nur ein wenig, dann immer mehr. Der Schnee taute auch im Sommer nicht mehr ab. Die Schneedecke wurde immer dicker, immer schwerer. Jeder von uns hat schon einmal eine Schneeballschlacht gemacht. Wenn man den Schneeball lange drückt, wird er zu Eis. Durch Druck wird aus Schnee also Eis. Auch Gletschereis entsteht durch Umkristallisation von Schnee. Die hexagonalen, sternförmigen Schneekristalle werden durch Alterung, speziell durch Schmelzen, zu rundlichen Körnchen umgebildet. Die zahlreichen Spitzen des Schneekristalls brechen ab. Aus einem riesigen Schneekristall wird ein winziges Eiskörnchen. Aus achtzig Zentimetern Schnee wird ein Zentimer Gletschereis!

Es schneite immer mehr. Die Schneelast wurde so groß, dass das Eis an der Basis plastisch wurde und zu fließen begann. Ein Beispiel aus dem alltäglichen Leben: Wenn man in einen Hamburger beißt, spritzt hinten Ketchup heraus. Warum? Der Druck wird vorne zu groß, die Tomatensoße beginnt zu fließen, dorthin, wo der Widerstand am geringsten ist. Ähnlich verhält es sich mit dem Gletschereis. Es schneit weiter, der Druck wird größer und der Gletscher schiebt sich langsam vorwärts.

Die Gletscher über Schleswig-Holstein waren 300 Meter mächtig, d. h. es waren 24 Kilometer Schnee (übereinandergetürmt!) notwendig, um diese Gletscher zu bilden. Und die Gletscher über Skandinavien waren drei Kilometer mächtig, das bedeutet eine theoretische Schneedecke von 240 Kilometern Dicke! Die Folge: Alles Wasser der Nordsee (die Ostsee gab es zu der Zeit noch nicht) war im Gletscher gebunden, man konnte zu Fuß nach England gehen. Übrigens, eine 3000 Meter hohe Eissäule übt einen Druck von 2700 Tonnen pro Quadratmeter aus, das entspricht etwa 850 Elefanten pro Quadratmeter (= 2500 Pkw oder 90 Millionen Mäuse, die sich nur leider sehr schlecht stapeln lassen).

Die Gletscher der Eiszeit haben Steine aus den nordischen Ländern zu uns gebracht. In dem gewachsenen Felsen Baltoskandiens gab es kleine Risse. In diese Risse drang Wasser ein. Das Wasser gefror. Was passiert, wenn man eine Cola-Flasche in den Eisschrank legt? Sie platzt, weil das Eis sich ausdehnt. Und genauso platzten riesige Steinblöcke aus dem Felsen heraus, froren im Eis fest und wurden mitgeschleppt. In dem gefrorenen Boden befanden sich viele kleine Steinchen. Das Eis und die großen Felsblöcke schoben langsam über diese Steine hinweg. Die riesigen Blöcke wurden wie mit Schmirgelpapier abgeschliffen. Feiner Sand polierte die Oberfläche, grobe und harte Partikel erzeugten Schrammen auf den Steinen. Einige Felsen wurden dabei zu Sand zerrieben, andere liegen heute fern der Heimat und total zerkratzt am Strand. Sie können wahrhaft spannende Geschichten von ihrer beschwerlichen Reise erzählen – wir müssen nur genau hinhören.

Die Kraft des Eises

Betrachtet man die Strandsteine genau, so kann man häufig Spuren erkennen, die von den gewaltigen Kräften der eiszeitlichen Gletscher zeugen. Da gibt es geschrammte und gekritzte Geschiebe, Druckmarken auf der Oberfläche, zerbrochene und wieder verkittete Steine, Sichelsprünge und Parabelrisse, im Schmelzwasserstrom abgerollte Steine und vieles mehr.

Große und kleine Gesteinspartikel, die im basalen Eis des Gletschers festgefroren waren, wurden über den Untergrund geschoben. Dabei wurden das Grundgebirge geglättet und die Gesteinsbrocken im Eis geschliffen, zerkleinert, kantengerundet, geschrammt und gekritzt. Auf diese Weise entstanden die Gletscherschrammen. Sie zeigen an, in welcher Richtung das Geschiebe vom Gletschereis transportiert wurde. Häufig ist dabei eine wechselnde Transportrichtung, erkennbar an gekreuzten Gletscherschrammen, zu beobachten.

Auch Parabelrisse weisen auf die Beanspruchung von Felsflächen durch den Gletscher hin. Parabelrisse zeigen mit der konkaven Seite in Richtung der Gletscherbewegung. Sie haben keine Ausbrüche. Ähnlich, aber meist deutlich größer sind Sichelbrüche, die sich gelegentlich auf Findlingen, vor allem aber auf dem kristallinen Grundgebirge in Skandinavien finden. Sichelbrüche besitzen einen keilförmigen Ausbruch. Sie zeigen mit der konvexen Seite in Richtung der Gletscherbewegung. Sichelbrüche und Parabelrisse entstehen, wenn Gesteinsblöcke ruckartig über den Untergrund geschoben werden.

Druckmarken und Ausbrüche entstehen durch starken Druck, den der Gletscher auf das Gestein ausübt, oder wenn im Eis zwei Steine gegeneinander oder auf felsigen Untergrund gepresst werden.

Manche, meist relativ weiche Gesteine sind von dem Gewicht der Gletscher regelrecht zerquetscht worden. Später wurden die Risse im Gestein durch Kalk oder Kieselsäure wieder verkittet.

Im Schmelzwasser des Gletschers können durch die gewaltigen Strömungen tonnenschwere Felsblöcke wie Spielbälle mitgerissen werden. Viele kleinere Gesteine schlagen immer wieder gegeneinander, runden sich ab. Solche im Schmelzwasserstrom abgerollten Gesteine kann man in vielen Kiesgruben finden, in denen sich Schmelzwassersande abgelagert haben. Am Strand sind diese Steine leicht mit solchen Steinen zu verwechseln, die von den Wellen der Ostsee abgerundet wurden.

Windkanter entstehen, wenn sandbeladener Wind in vegetationsarmen Gegenden über lange Zeit hinweg ungestört über freiliegende Steine weht. Durch den Windschliff erhält der Stein eine oder mehrere Kanten. Windkanter entstanden in Norddeutschland während der Periglazialzeiten, in Tundren oder Polarwüsten.