Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten Nordamerikas - Friedrich Gerstäcker - E-Book

Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten Nordamerikas E-Book

Friedrich Gerstäcker

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Beschreibung

Als Friedrich Gerstäcker im Jahre 1837 nach Amerika reiste, konnte niemand ahnen, dass dieser sechsjährige Aufenthalt von Abenteuern geprägt wurde, die sein gesamtes späteres Leben und Schaffen beeinflussen sollten. Lebensgefährlich wurde es häufig für ihn in der amerikanischen Wildnis. Ob bei der Bärenjagd in Höhlen, im Kampf mit dem Messer gegen einen Bären oder beim Erlegen eines Panthers in der Nacht. Seine oft atemberaubenden Erlebnisse flossen in zahlreiche Romane und Erzählungen ein und beeinflussten zahlreiche Epigonen, darunter besonders stark auch Karl May. Die authentischen Schilderungen von Land und Leuten und der Nachweis, das man auf seinen Spuren auch noch heute in Arkansas reisen kann, führte schließlich dazu, dass Friedrich Gerstäcker posthum die Ehrenbürgerschaft des Staates Arkansas verliehen wurde. Hier ist sein ungekürzter Reisebericht nach der von ihm selbst durchgesehenen Ausgabe letzter Hand.

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Friedrich Gerstäcker

Streif- und Jagdzüge

durch die

Vereinigten Staaten Nordamerikas.

Volks- und Familien-Ausgabe, Band Achtzehn

der Ausgabe Hermann Costenoble, Jena

Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft e.V., Braunschweig

Ungekürzte Ausgabe nach der von Friedrich Gerstäcker für die Gesammelten Schriften, H. Costenoble Verlag, Jena, eingerichteten Ausgabe „letzter Hand“, herausgegeben von Thomas Ostwald für die Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft e.V., Braunschweig.

Hinweis: Die im 19. Jahrhundert verfassten Texte Friedrich Gerstäckers enthalten Bezeichnungen, die heute nicht mehr in dieser Form verwendet werden.

In dieser unbearbeiteten Werkausgabe wurden sie unverändert übernommen.

Ausgabe letzter Hand, ungekürzt, mit den Seitenzahlen der Vorlage

Gefördert durch die Richard-Borek-Stiftung und Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz

Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft e.V. und Edition Corsar, Braunschweig, 2024

Geschäftsstelle: Am Uhlenbusch 17, 38108 Braunschweig

Alle Rechte vorbehalten! © 2016 / © 2024

Vorwort zur zweiten Auflage.

Es sind nun fast zwölf Jahre verflossen, daß ich, aus den Vereinigten Staaten zurückgekehrt, meine dortigen Erlebnisse niederschrieb. Damals, frisch aus dem Wald heraus, war es die erste literarische Arbeit, die ich je unternahm, und ich bat deshalb auch schon damals den Leser, Rücksicht auf den etwas rohen Styl, auf die ungebundene, regellose Art der Rede zu nehmen. Ich wußte weit besser mit der Büchse als mit der Feder umzugehen — weiß es vielleicht jetzt noch.

Das Buch ist trotzdem freundlich aufgenommen, und eine jetzt nöthig gewordene zweite Auflage habe ich allerdings tüchtig durchgearbeitet und Manches darin abgeschliffen und geändert. Das ursprünglich Einfache im Styl mußte ich aber doch lassen, wollte ich nicht ein ganz anderes Buch daraus schaffen und den ersten Zweck verfehlen: die Sitten und Lebensweise der dortigen Hinterwäldler, wie das Land selber so zu schildern, als sein erster ungeschwächter Eindruck auf mich gewesen.

Die Jagdschilderungen gehören freilich einer vergangenen /6/ Zeit an. Das Wild ist in den langen Jahren verfolgt und aufgerieben, und manche der Stellen, die ich damals besuchte, und die mir noch frisch und freundlich in der Erinnerung liegen, möchte ich selber kaum mehr wieder erkennen - doch die Menschen sind dieselben geblieben.

Hat auch die Civilisation von Osten her mehr und mehr gedrückt und den „Westen" weiter und weiter zurückgeschoben, existirt er deshalb doch noch gerade so wild und walddurchwachsen als damals. Die Backwoodsmen sind noch die nämlichen, ihre Lebensart und Weise ist dieselbe, und Tausende von Europäern treiben sich auch jetzt noch, wenn auch nicht gerade eben so wild und zwecklos wie ich, doch eben so unstät in dem weiten Land umher.

Von solchem Leben wollte ich dem freundlichen Leser ein Bild hier geben; ob es mir gelungen, mag er selber sagen.

1. Die Seereise.

„Um neun Uhr geht der Kahn ab. - Gewiß?" - „Ja, kommen Sie ja nicht später!"

Das war die Warnung, die ich empfing, als ich im Frühjahr 18371 mit dem Eberführer sprach, der mich und mein Gepäck nach dem Schifte Constitution bringen sollte. Die Constitution war nach New-York bestimmt, und lag auf der Rhede vor Bremerhaven, ungefähr neun Meilen von Bremen, wo sie nur noch auf die beiden Lichter, oder, wie sie in Bremen genannt werden, Kähne wartete, um ihre Deckpassagiere und deren Güter einzunehmen.

Um neun Uhr war ich an Ort und Stelle, fand aber bald, daß ich mich nicht so hätte zu übereilen brauchen, denn noch wurde keine Anstalt zum Abfahren gemacht. Ich nahm mir daher Zeit, alle meine kleinen Habseligkeiten durchzusehen, um mich zu überzeugen, ob auch alles Nothwendige da sei, wo nicht, das Fehlende noch nachzuholen.

In eine große Kiste, aber so, daß ich sie leicht öffnen und schließen konnte, hatte ich rothen Wein in Flaschen, ein Fäßchen Sardellen, ein Fäßchen Häringe, einen westphälischen Schinken (oh! daß es sechs gewesen wären), eine bedeutende Menge Citronen, etwas Rum, Pfeffer, Zucker und mehrere zinnerne Gefäße, theils zum Tischgebrauch, theils zum Aufbewahren von eßbaren Gegenständen bestimmt, sowie Löffel, Gabel und Messer eingepackt. - Ich fand Alles, schlenderte noch recht behaglich an der Weser umher, den Abgang des /8/ Kahnes nicht zu verfehlen, und wunderte mich sehr über die immer zahlreicher ankommenden Reisegefährten. Als ich aber die Unmasse von Menschen, die alle in dem erbärmlich kleinen Fahrzeuge transportirt werden sollten, sah, schien es mir im Anfange ganz unmöglich, daß es die Leute sämmtlich aufnehmen könne, - doch was leistet nicht ein Bremer Kahnführer in dieser Hinsicht?!

Wie ich so, an eine Kiste gelehnt, da stand und dem Allen zusah, kam plötzlich ein junger Mann mit einem blauen Mantel, einer etwas militärischen Mütze und einer Brille, eine lange Pfeife in der einen Hand, einen Tornister in der andern, auf mich zu, betrachtete mich einen Augenblick und begrüßte mich dann mit dem vertraulichen Du. Sein Gesicht war mir bekannt, doch erst, als er sich nannte, erinnerte ich mich seiner. Es war H........, ein früherer Schulkamerad2 von mir, der mit mir auf demselben Schiffe die Reise nach dem Orte meiner Sehnsucht machen wollte. - Sein Anblick brachte zum ersten Mal, seit ich von Allem, was mir lieb und theuer war, Abschied genommen hatte, ein Gefühl in meine Brust zurück, als ob ich doch noch nicht so ganz verlassen in der weiten Welt sei. Ich begrüßte ihn auf das Herzlichste, und daß wir Beide von nun an unzertrennlich waren, versteht sich wohl von selbst.

Wir wanderten jetzt noch eine Weile in der Stadt herum und erfuhren, als wir zum Kahne zurückkehrten, mit Bestimmtheit, daß derselbe erst am Morgen des nächsten Tages abgehen würde. Die meisten der Passagiere kehrten den Abend noch einmal an Land zurück, ich blieb mit H. an Bord bei unseren Sachen, und am nächsten Morgen, am ersten Pfingstfeiertage, lichteten wir den Anker, d. h. banden den Kahn vom Ufer los, und gingen mit der Ebbe und einem nicht be¬sonders guten Winde unter Segel, sobald als möglich unser Schiff zu erreichen. Aber nur Der, welcher eine solche Reise, aus einem solchen Fahrzeuge, mit einer solchen Anzahl von Passagieren gemacht hat, kann sich das Leben und Treiben vorstellen, das wir an Bord unseres Kahnes führten.

Nöthig möchte es hier sein, eine kurze Beschreibung desselben zu geben, da diese Kähne noch immer gebräuchlich sind /9/ und wohl noch Tausende von Auswanderern in solchen Trauerbüchsen aus der Heimath fortgeschafft werden.

Es sind einmastige Fahrzeuge mit einem großen Schonersegel, das am Hauptmast durch große hölzerne Ringe befestigt ist, und ein lateinisches, eben so eingerichtetes Segel am Bugspriet trägt. Die ganze Länge des Fahrzeugs beträgt ungefähr 15 Schritt, seine Breite vielleicht 5 - 6 Schritt; im Hintertheil ist es mit einer Art Kajüte versehen, wenn man überhaupt ein kleines viereckiges Loch, mit zwei Schlafstellen an der einen Seite und einem kleinen Schranke an der andern, etwa 6 Fuß in's Gevierte, so nennen darf.

Man denke sich nun in diesem Kahne (die Kajüte stand blos zur Verfügung des Kahnführers oder Capitains, wie er sich gern nennen hörte) 60 Passagiere, sage sechzig lebendige Passagiere, mit ihren Koffern, Kisten, Hutschachteln, Tüchern voll Proviant, Mänteln, Decken, Matratzen etc. sitzend, gelagert, stehend, und zwar nicht allein junge Männer, nein, alte und junge Frauen, Greise und Knaben, junge hübsche Mädchen und alte Jungfern, Alles wild und bunt durcheinander geworfen, in dem engen, dunkeln, dunstigen Raume und man hat immer nur ein schwaches Bild von dem, was die Wirklichkeit in der That bot. - Als sich Alles gelagert und weggepackt hatte, und ich fest überzeugt war, daß es nicht möglich gewesen wäre, auch nur noch einen einzigen Menschen unterzubringen, wir hätten ihn denn unter das Deck gehangen, kamen noch ein Paar Beine durch die Luken, ihnen folgte eine blaue Jacke und dann das dicke, rothe Gesicht unseres fidelen Capitains. Nachdem er eine Weile mit den Füßen nach einem harten Punkte zum Feststehen gefühlt hatte, ließ er die Hände los und landete glücklich auf den Hühneraugen eines langen Schneiders, der sich zwischen zwei Kisten hineingeklemmt hatte und dort stehend eingeschlafen war. Dieser zog die langen Beine vor Schmerz in die Höhe, war aber so verdutzt (der arme Teufel war noch halb im Schlafe), daß er den guten Capitain oder Theerjack, wie wir ihn nannten, höflich um Verzeihung bat.

Was aber wollte um Gottes willen der gute Mensch da /10/ unten? Nichts, als die hübschen Mädchen, die wir unter unseren Passagieren zählten, in Augenschein nehmen. Deshalb stieg und kletterte er sehr freundlich von einer zur andern und versuchte sein Bestes, sich angenehm zu machen. Wind und Wetter aber, Ort und Zeit, alles war gegen ihn, und er bekam nur schnöde Worte von dem einen und ein Hohnlächeln vom andern Teil der Passagiere zum Lohne. Als er sah, daß das schöne Geschlecht nichts von ihm wissen wollte, machte er sich an das andere und fing an mit verschiedenen Schnapsflaschen zu liebäugeln. Diese zeigten sich ihm denn auch bedeutend günstiger als die jungen Damen, denn hier und da wurde eine derselben von unserem Kahnführer entstöpselt und genau untersucht.

Als es zu dunkeln anfing, mußten wir Anker werfen, denn wir hatten die aufkommende Flut jetzt gegen uns. Der kleine Anker flog über Bord, die Segel fielen nieder, und für die Nacht wenigstens waren wir in Ruhestand versetzt. – Ruhestand, ja; ich saß die ganze Nacht hindurch auf der Ecke eines Koffers mit dem Kopfe an eine große Kiste lehnend, mit deren Vorhängeschloß ich mir die Schläfe wundscheuerte.

Welch ein Anblick am nächsten Morgen, als die aufgehende Sonne die schlafenden und schlaftrunkenen Gruppen des engen Zwischendecks beleuchtete! Es war wirklich, um seekrank zu werden, trotz des ruhigen Wassers. Das Wetter besserte sich übrigens, und unser Kahn zog langsam den Strom hinunter. Es mochte acht Uhr sein,, als uns ein kleines Fischerboot, ein Schellfischfänger, begegnete. Ich kaufte für wenige Grote einige herrliche Schellfische, die uns unser Kapitano von seinem dienstbaren Geiste zum Feuer setzen ließ. Natürlich aß er, als sie zubereitet waren, auch mit. Mit eintretender Flut ankerten wir von neuem, und H. und ich fuhren mit dem einzigen Matrosen, den wir hatten, an Land, wieder einige Lebensmittel einzunehmen. Unsere Wasserfahrt drohte etwas langwierig zu werden. Nachmittags lichteten wir mit der Ebbe den Anker und kamen bis an ein kleines Städtchen, ich glaube, es heißt Brake, von wo uns fröhliche Tanzmusik entgegenschallte. /11/

Unser Teerjack wäre aber da nicht vorbeigefahren, und wenn die ganze Bremer Admiralität daneben Schildwacht gestanden hätte. Trotz des günstigen Windes und der Ebbe wurde geankert, und der kleine Handkahn, den er, hinten angebunden, immer mit sich führt, brachte wenigstens den jüngeren Teil der Passagiere, einige ganz junge Schreihälse ausgenommen, ans Ufer.

Dort drehten sich viele Stunden lang, vielleicht zum letztenmal, die jungen Leute auf vaterländischem Boden lustig nach dem Takt der Violinen und Klarinette. Mir aber war freilich nicht wie Tanzen zu Mute, und in eine Ecke gedrückt, sah ich dem wilden Schwarme der Ausgelassenen zu. Mancher von ihnen hätte sich auch vielleicht lieber in irgendeinem stillen Winkel recht herzlich ausgeweint, als hier die Beine im Takt herumzuwerfen, aber die Musik betäubte, was ihnen im Herzen brannte, und einmal in den Strudel hineingerissen, gaben sie sich ihm nun so viel williger hin.

Die einbrechende Nacht rüttelte da endlich das sonst eben nicht sehr zarte Kahnführergewissen unseres „Kapitäns“ empor. Der Wind war zur Ausfahrt günstig, und er wußte, daß das Schiff auf der Reede seiner wartete. Er trommelte daher seine Ladung zusammen, und bald ließen wir die sich in der Ferne recht gut ausnehmenden Klänge der Tanzmusik weit zurück.

Einen Spaß hatten wir übrigens, wenn auch auf Unkosten anderer, der uns die Zeit wenigstens etwas verkürzte. In Vegesack, einem kleinen Städtchen an der Weser, hatten wir noch drei Passagiere eingenommen, die ebenfalls mit unserem Schiffe fahren wollten, einen älteren Mann, vielleicht 45 bis 50, seine Ehehälfte, vielleicht 38 bis 39, und ihren hoffnungsvollen Sohn, ungefähr 18 Jahre alt. Da in dem Zwischendeck unseres Kahnes aber keine drei Personen mehr untergebracht werden konnten, so hatte ihnen Teerjack, natürlich gegen eine verhältnismäßige Vergütung, seine ‚Kajüte‘ abgetreten. Mit nicht geringer Schwierigkeit war es dabei gelungen, die beiden alten, etwas unbeholfenen Leute hinunter zu schaffen, während Wilhelm, der hoffnungsvolle Sohn, mit desto größerer Schnelle unten an/12/langte. Als er sich nämlich überzeugen wollte, ob seine Eltern glücklich unten wären, rutschten ihm die Füße aus, und wie ein Blitz aus heiterem Himmel fuhr er zwischen den zum Tode Erschrockenen nieder, im Vorbeigehen noch seiner Mutter, die bald in Ohnmacht gefallen wäre, den Hut abreißend. - Als es schon fast Abend geworden war, fiel es unserem Führer noch ein, daß er Theer brauche. Derselbe stand in eben dieser Kajüte, und zwar unter dem Fußboden, in den ein viereckiges Loch mit hineingepaßtem Deckel eingeschnitten war.

Der Matrose, der, beiläufig gesagt, in Brake zu viel geladen und dabei die Grundregel bei dem Befrachten eines Schiffes vergessen hatte, die schwersten Sachen nie in den obern Raum zu stauen, taumelte in die enge Oeffnung hinein und machte dem Kleeblatt da unten begreiflich, daß er das viereckige Loch in der Mitte aufmachen müsse und sie sich daher, so gut es ginge, an die Wand drücken möchten. Gesagt, gethan. Die Aufforderung, sich an die Wand zu drücken, war übrigens leichter ausgesprochen, als in Ausführung gebracht, da schmale Bänke an den niederen Wänden hinliefen. Der Verschlag wurde jedoch geöffnet, der eiserne Topf hervorgezogen und mit dem einen scharfen Fuße gerade auf Wilhelm's Zehe niedergesetzt, der den Fuß zurück und die Ferse hinten gegen die Wand schlug. Aber sein Leidenskelch war noch nicht vorüber. Mit himmlischer Geduld erwartete er den Abzug des Matrosen, der den Topf mit beiden Händen in die Höhe hob, ihn dem obenstehenden, schon die Hände danach ausstreckenden Kahnführer zuzureichen. So glücklich sollte die Sache aber nicht abgehen; der ziemlich schwere Topf mit dem flüssigen Theer drehte sich in des Taumelnden Hand - Wilhelm bekam den Theer und der Capitain den Topf, und während der Letztere oben wie ein Heide oder, viel besser, wie ein christlicher Seemann wetterte und fluchte, stand Wilhelm unten wie Butter an der Sonne, mochte sich nicht einmal anfassen und schnitt ein höchst unglückseliges Gesicht.

Auch noch Spott mußte er dabei erdulden, denn ein /13/ langer Schneider, der mit an Bord war, meinte unter dem Hohnlachen der gefühllosen Mitpassagiere, daß Wilhelm eine sehr glückliche Reise haben müsse, wenn nur irgend Wahrheit in dem alten Sprüchwort läge: „Wer gut schmeert, der gut fährt."

Noch eine ganze Nacht mußten wir in dem erschrecklichen Kasten zubringen, und es würde Bogen füllen, alle die komischen und ernsthaften Geschichten zu erzählen, die da vorfielen. So etwas aber muß wirklich mit erlebt sein, es läßt sich nicht mit Worten beschreiben und würde den Leser zuletzt gar ermüden.

Am nächsten Morgen sahen wir das nächste Ziel unserer Bestimmung, die Barke Constitution mit aufgehißter Signalflagge vor Anker liegen. Wir liefen an sie hinan, warfen unsere Taue hinüber und sprangen an Bord.

Noch unmöglicher wäre es aber, dem Leser auch nur eine Idee der Unordnung und Verwirrung zu geben, die bei unserer Ankunft an Bord entstand. Einer der Kähne war schon vor zwei Tagen mit der Hälfte der Passagiere angelangt. Diese hatten den dadurch erlangten Vortheil benutzt, sich die besten Kojen oder Schlafstellen auszusuchen und alle ihre Sachen in Ordnung zu bringen, was in dem engen Raume gewiß keine Kleinigkeit war. Man denke sich einen von Ballen und Brettern begrenzten Raum, 18 Schritt lang, 9 Schritt breit und 8 Fuß hoch, in der Mitte mit hölzernen Balken versehen, die das Verdeck stützen und zugleich dazu dienen, das Gepäck zu halten. In diesem Raume nun denke man sich ferner an jeder Seite eine doppelte Reihe von Schlafstellen, d. h. eine über der andern, jede ungefähr 6 Fuß lang und 6 Fuß breit, für 5 Mann eine jede eingerichtet, oder vielmehr nicht eingerichtet.

Rechnet man also von einer Breite von 9 Schritt oder 18 Fuß die an beiden Seiten befindlichen Schlafstellen, jede zu 6 Fuß, ab, so bleiben 6 Fuß Zwischenraum. Da in diesem Raume nun wieder die Kisten und Kästen mit Wäsche und Proviant von allen Passagieren aufgehäuft und mit Seilen und Stricken an die Balken in der Mitte befestigt waren, um das Umherrutschen derselben bei unruhigem Wet/14/ter zu verhindern, so blieb kein größerer Raum übrig als 12 bis 14 Zoll an jeder Seite in einer Länge von 36 Fuß für 118, sage 118 Passagiere! - Als ich den düstern, dunstigen Raum, die darin herumkriechenden und kletternden Gestalten zuerst vom Deck aus mit einer leicht verzeihlichen Scheu betrachtete, kamen mir so sonderbare Ahnungen von dem Wälzen und Schaukeln des Schiffes, von dem Losgehen der Seile, welche die Kisten und Koffer hielten, von dem Umherfliegen des Gepäcks, von Seekrankheit und Erbrechen (auf das die in einer wahren Unzahl vorhandenen zinnernen Geschirre noch dazu gar wehmüthig zu deuten schienen) vor die Seele, daß ich mich im Anfang gar nicht hinabgetraute. Ich mußte auch wirklich nur nach und nach lernen, in dem furchtbar dunstigen Raum auszuhalten; doch der Mensch ist ein Gewohnheitsthier und findet sich nach und nach in alle Verhältnisse.

Die Constitution war eine Barke, d. h. ein dreimastiges Schiff, nur mit dem Unterschiede, daß die Querraaen am hintersten oder Besanmaste fehlten und dieser ein großes Besansegel und Besantopsegel hatte; die Seeleute nennen solche Fahrzeuge „Zweieinhalb-Master". Fast war das Verdeck ziemlich geräumig, wenn es durch das viele Gepäck auch noch wild und unordentlich genug aussah. Obgleich wir nun noch vor Anker lagen, schwankte das Schiff doch ziemlich stark, wie es mir wenigstens im Anfang vorkam, da ich das Schaukeln noch nicht recht gewohnt war. Endlich wurde es dunkel, und ich kroch in das Zwischendeck hinunter, mir noch vor einbrechender Finsterniß meinen Schlafplatz ein wenig zu beschauen.

Wir waren unserer Fünf, die das Schicksal und unser eigener Wille vermocht hatte, in einen 6 Fuß breiten und 6 Fuß langen Raum hineinzukriechen, und zwar mit der kühnen Idee, dort dem Schlummergotte zusammen in die Arme zu sinken. (Einzeln hätte er uns, beiläufig gesagt, auch gar nicht in die Arme nehmen können, denn wir lagen so dicht beisammen, daß er entweder nur alle Fünf in Bausch und Bogen oder gar Keinen in Schlaf wiegen konnte.)

Unsere Matratzen (Jeder hatte eine Matratze und eine /15/ Decke) wurden unten hineingelegt, und wir krochen, Einer neben den Andern, darauf. Als Vier darin lagen (zwei von unseren Schlafkameraden wogen circa 230 Pfund das Stück), war der Raum ausgefüllt, und nun entstand die Frage: „wo soll der Fünfte hin?" Quer über? dagegen protestirte die Unterlage; unter die Köpfe? das wäre für H., den fünften Mann, nicht sehr angenehm gewesen, und dann war dieser auch so eckig und knochig, daß ich nicht weiß, ob sich unsere Schädel gut dabei befunden hätten. Wir legten uns endlich sämmtlich auf die Seite, und H. schob sich noch ein. Er paßte gerade in die Lücke; an ein Umdrehen war aber nun nicht mehr zu denken, und so verbrachten wir die erste Nacht auf dem so lang' ersehnten Schiffe. - Als ich wenigstens auf der linken Seite, denn die rechte war und blieb fest eingeschlafen, am nächsten Morgen aufwachte, schienen mir alle Glieder wie zerschlagen und zerstoßen. Es fehlte nicht viel, so hätt' ich das Heimweh bebekommen.

Ein Eimer voll Weserwasser, das hier schon halb salzig ist, diente mir an dem Morgen, wie später auf der ganzen Reise, zum Waschbecken. Der Wind pfiff recht kalt und unfreundlich durch das Tauwerk, und die ganze Sache wollte mir eigentlich gar nicht so besonders gefallen. Das war der Anfang der Prosa, wo ich mir gleich vom Anfang an nur Poesie geträumt, lieber Gott! Ich schämte mich übrigens irgend einem Andern ein Wort davon zu sagen - wenn mir auch später eingefallen ist, daß den Anderen vielleicht an dem Morgen ebenso zu Muthe war - und verbiß meine Gedanken mit einem soviel als möglich gleichgültigen Gesicht.

Jetzt fing es auch unten an lebendig zu werden, und als ich durch die enge Oeffnung in das Zwischendeck hinunterschaute, fiel mir Schiller's Taucher recht lebhaft ein, „wie's von Salamandern, Molchen und Drachen sich regt in dem furchtbaren Höllenrachen". Lachen, Singen, Toben, Kinderschreien, Weinen, Beten, Fluchen, - Alles, Alles tönte von da unten herauf, und bald kletterte ein verschlafenes Gesicht nach dem andern die steile Leiter herauf und blin/16/zelte mit den an die Dunkelheit gewöhnten Augen der hier und da durch dünne, graue Wolken blinkenden Morgensonne entgegen. - Als das wohl eine Stunde gedauert hatte, in der die Leute oben versuchten, sich den Schlaf aus den Augen zu waschen, rief plötzlich eine kräftige Stimme im Vordertheil des Schiffes: „Schaffen!" - und gleich darauf kam Leben in den Theil unserer Schiffsmannschaft, welcher schon einige Tage an Bord war und das geheimnißvolle Wort verstand. Aber auch uns sollte es bald erklärt werden, denn es erwies sich als eins der wichtigsten Worte für die ganze Reise, es hieß nämlich „Frühstück, Mittagessen, Abendbrod" - Alles, es war gewissermaßen eine Schiffshieroglyphe. Wir bekamen Kaffee, Schiffszwieback und Schwarzbrod, Alles ziemlich gut; Jeder mußte aber mit seinem Kaffeetopfe oder Kessel, oder was er sonst hatte, hingehen und es sich selber holen.

Jetzt hatte ich erst Zeit, mir meine Reisegefährten ein wenig genauer zu betrachten. H's. habe ich schon erwähnt, die anderen drei waren ein Tischler Mlhr., ein Doctor Tsmr. und ein Apotheker Vgl., die beiden Letzteren ein paar kolossale Gestalten, die füglich eine Koje für sich allein hätten haben sollen. Alles übrigens, was sich von den Leuten nach dem ersten Eindruck beurtheilen ließ, schien mir angenehme Gesellschaft zu versprechen. - Die Unordnung, die jetzt noch auf dem Schiffe herrschte, war wirklich grenzenlos; Keiner wußte, wo er hingehörte, und ein Jeder fragte nach seinen Sachen, nach dem und dem Koffer, nach der und der Kiste. Die Frauen und Mädchen insbesondere (und wir zählten deren ungefähr 20 bis 25 an Bord) schienen zu gar keinem Resultat zu kommen, und wenigstens sprachen immer acht auf einmal.

Leid thaten mir in dem Gewirr und Lärm einige Damen, die, wahrscheinlich durch Vermögensumstände gezwungen, die billigere Ueberfahrt im Zwischendeck der sehr theuren in der Kajüte vorgezogen hatten, und sich nun, alle die kleinen Bequemlichkeiten, an die sie von Kindheit auf gewöhnt waren, entbehrend, höchst unglücklich zu fühlen schienen. Für einen /17/ einzelnen Mann geht es schon, sich im Deck durchzuschlagen, ja es ist sogar höchst interessant, all' dies Leben und Treiben einmal mitzumachen. Ich selber möchte um Alles in der Welt nicht in der Kajüte gereist sein; für eine Frau jedoch ist das eine ganz andere Sache, denn was dem Manne zum Spaß und zur Unterhaltung dient, kann die Frau nur verletzen und zurückschrecken.

Nicht so ängstlich dachten übrigens einige Oldenburger Mädchen über das Leben im Zwischendeck. Diese schienen ganz in ihrem Fahrwasser zu sein, und je toller, je wilder, je lärmender es zuging, desto mehr lachten und tobten sie selber mit. Auch Israels Stamm hatte einige 60 Repräsentanten und Repräsentantinnen im Zwischendeck der Constitution. - Schon ein paar Tage hatte dies wilde Leben so gedauert, als endlich der Lootse an Bord kam und die Anker gelichtet wurden.

Jetzt ward Leben im Schiffe, Alles drängte froh und jubelnd durcheinander, Niemand wollte unten im Raume bleiben, und das Verdeck wimmelte.

Mit ziemlich gutem Winde segelten wir aus und erreichten in kurzer Zeit die Nordsee. Der Landstreifen, den wir noch sahen, wurde schmäler und schmäler, der Lootse stieg in seinen kleinen Kutter und verließ uns. Auch dies Fahrzeug wurde kleiner und kleiner. Jetzt schaute nur noch ein dünner, blauer Streifen mit einem schwarzen Punkt darauf hervor: es war der Kirchthurm von Wangeroog, und auch dieser wurde endlich immer nebliger und unbestimmter.

Dort schwand die Heimath - das verlassene Vaterland. - In der blauen Ferne, dort hinter jenen dünnen Wolken, die sich auf dem Wasser lagerten, lebte Alles, was mir auf dieser Welt lieb und theuer war, Alles - und ich hatte nicht einmal eine Thräne, als das Letzte vom heimischen Strande im Nebel zerfloß, - keine Thräne. Es war, als ob der Quell versiegt sei, und mit trockenen Augen starrte ich noch lange, lange nach der theuern Himmelsgegend.

Es dunkelte, und ich ging früh zu Bett. Ich sehnte mich heute danach, ruhig und ungestört meinen Gedanken nachhängen /18/ zu können. Auch im übrigen Zwischendeck war es heut weit stiller als die früheren Tage. Der Abschied von der Heimath mochte doch auch Manchem an's Herz gerückt sein, und die weite öde Wasserwüste, die uns umgab, hatte überhaupt etwas Bewältigendes, geheimnißvoll Großartiges, das den leichten Scherz und Spott eben nicht aufkommen ließ.

Das Schiff fing jetzt an, von günstigem Winde geschaukelt, ziemlich unruhig zu gehen, und ein unerträgliches Gefühl weckte mich in der Nacht. Ich erwachte und fühlte, daß ich mit dem Kopf viel niedriger als mit den Füßen lag. Wir lagen nämlich auf der Steuerbordseite3 des Schiffes, mit dem Kopfe, der frischeren Luft wegen, dem offenen Gangweg zu; der Wind aber kam jetzt aus Nordost, und das Schiff lag ziemlich schräg auf die Backbord- oder linke Seite hinüber, wodurch unsere Beine natürlich in die Höhe kamen. Unter Lachen und Fluchen und nicht ohne bedeutende Schwierigkeiten veränderten wir unsere Lage und befanden uns dann etwas behaglicher - wenn man das eben behaglich nennen kann, daß wir jetzt mit den Köpfen in dem engen, dunstigen Raum an der Schiffswand lagen und kaum athmen konnten.

Die nächste Morgensonne beschien manches leichenblasse, ellenlange Gesicht. Die See ging hoch, das Schiff schwankte und schaukelte furchtbar und hatte die unangenehmste Bewegung, die es haben kann, indem es von den Wellen vorn hoch emporgehoben wurde und dann wieder tief in sie hineinschlug, und zwar so reißend schnell, daß Einem der Athem bei manchen Sprüngen verging. Diese Bewegung blieb nicht ohne Folgen. Der Magen der meisten unserer lieben Unglücksgefährten, zwar an eine anständige Bewegung, aber keineswegs an dieses Herumwerfen und Auf- und Abschütteln gewöhnt, revoltirte, und fürchterlich war das Resultat.

Wie ich schon erwähnt habe, hatten wir eine sehr große Menge Juden, mit wenigen Ausnahmen aus der niedrigsten Klasse, an Bord. Diesen Leuten war nun von ihrem Rabbiner das Speckessen während der Reise erlaubt (so behaupteten sie /19/ wenigstens), und den meisten hatte der schöne, süße Speck, den wir bekommen, so gut gemundet, daß sie sich die Magen, wenn nicht überladen, doch wenigstens vollgefüllt hatten. Die Strafe folgte auf dem Fuße - da war kein Winkel auf dem ganzen Schiffe, in dem nicht ein Seekranker mit seinem zinnernen Eimerchen saß, oder sich verzweifelnd über Bord lehnte und kläglich der See sein Opfer brachte.

Glücklicher Weise blieb ich selber, mit H. und dem Doctor, vollkommen von der Seekrankheit frei, und gewöhnte mich auch sogar bald daran, das Elend um mich her ruhig und ungerührt mit ansehen zu können. Auf Mitleid darf überhaupt kein Seekranker Anspruch machen; man weiß, daß die Krankheit nicht lebensgefährlich ist und bald wieder vorübergeht, und eher gewinnt bei den Gesunden eine gewisse Schadenfreude die Oberhand.

Angenehm war die Lage der Gesunden an Bord übrigens auch nicht - wenn auch immer noch beneidenswerth gegen die der Kranken. Der Regen kam nämlich in Strömen nieder, und so fatal die Nässe sein mochte, war es doch in dem untern Raum, mit all' den Kranken, gar nicht auszuhalten.

Ein paar Tage vergingen so in wirklich trauriger Art, und nur der rege Wellentanz draußen in See entschädigte mich in etwas für das verzweifelte Leben an Bord. Die See fing auch nach und nach an sich wieder etwas zu beruhigen, und am Sonntag Nachmittag fanden sich zuerst wieder einige Gruppen hier und da zusammen. Die Leute fühlten, daß sie verzweifeln müßten, wenn sie nicht gesellig würden, dennoch störte ein plötzlicher Ausbruch der Seekrankheit gar oft ganz fröhlich begonnene Unterhaltungen. Die Herzhafteren wagten nun auch schon, wieder ein wenig auf's Verdeck zu gehen, mußten aber manchmal ihre Kühnheit theuer büßen, wenn eine etwas außer gewöhnlich große Welle, vom Schiff gebrochen, über das Deck fegte und alle in ihrem Bereich Befindliche bis auf die Haut durchnäßte. Gegen Abend heiterte es sich etwas auf, und ich mischte mich vorn unter die Matrosen, ihren Erzählungen und Liedern und See-Anekdoten lauschend.

Den nächsten Tag war es wieder dasselbe Spiel, die See rauher und wilder denn je, und die Seekrankheit auf dem /20/ höchsten Punkte. .Die Sache begann mich anzuekeln, und ich kletterte in die Marsen (Mastkorb) hinauf, um wenigstens außer dem Bereiche der Kranken zu sein. Ich kam auch nicht eher wieder auf's Verdeck, bis das „Schaffen" des Kochs etwas Warmes für den innern Menschen verkündete, das übrigens diesen Mittag nur von dem kleinsten Theil der Passagiere beachtet wurde.

Hier wäre es nun wohl am Platze, auch etwas über die Kocherei und Art der Bewirthung auf den Schiffen, die sich auf den meisten gleich ist, zu sagen. Die Küche selber ist ein kleines Bretterhaus, auf dem Verdeck aufgerichtet und mit Klammern und Tauen so befestigt, daß ihm die über das Schiff schlagenden Wellen nichts anhaben können. Der Verschlag besteht aus zwei Theilen; in dem einen ist ein großer Kochofen für die Kajüte, in dem andern ein gemauerter Herd mit einigen ungeheuern Kesseln für die Zwischendecks-Passagiere.

Morgens giebt es Kaffee, der reichlich und dünn ausgetheilt wird; man muß aber zu viel Wasser trinken, um eine Taffe Kaffee zu bekommen, und die einzige Rettung war, ihn so heiß wie möglich zu verschlucken. Es gehört dann wirklich ein Feinschmecker dazu, starken von schwachem zu unterscheiden. Zu diesem Gebräu verarbeiteten wir eine braune bimssteinartige Masse, die „Schiffszwieback" genannt, aber erst, in heißem Kaffee aufgeweicht und mit Butter gestrichen, genießbarer wird, als sie auf den ersten Anblick und Versuch verspricht; Butter wird übrigens alle Sonnabende, nach dem Schiffsausdruck „gefaßt", und es war daher nöthig, ein Gefäß mit Deckel dafür zu haben, wie auch eine eigene Kaffeekanne. Die Butter, die wir bekamen, war gut und auch reichlich, daß man, wenn man nicht gar zu dick aufstrich, wohl eine Woche damit auskommen konnte; doch wird sie nicht jedem Manne einzeln, sondern immer für Fünf gegeben, wobei es wieder ein Glück war, daß wir uns unsere Gesellschaft vorher ausgesucht hatten und jetzt nicht verpflichtet waren, mit Krethi und Plethi Haus zu halten. Sehr gut kam es uns auch zu statten, daß wir Zucker mitgenommen hatten, denn außer etwas Syrup zum Pudding, der Sonntags ausgetheilt wird, /21/ giebt es weiter nichts Süßes. Der Zerbrechlichkeit der Kaffeetassen wegen hatten wir uns mit Zinnbechern versehen, die auch den Dienst sehr gut verrichten; doch schmeckt der Kaffee und Thee schlecht aus diesen blechernen Gefäßen. - Am Mittag hatten wir gelbe Erbsen und Speck, das gewöhnliche Montagsessen, Dienstags Bohnen und Pökelfleisch, Mittwochs graue Erbsen und Speck, Donnerstags Erbsen und Pökelfleisch, Freitags Sauerkraut und Speck, Sonnabends Pflaumen und Reis mit Fleisch, und Sonntags Pudding und Pökelfleisch. Der Speck und das Pökelfleisch, da beide sehr gesalzen sind, werden den Abend vorher in Seewasser gelegt, das, obgleich selbst salzig, doch den größten Theil des im Fleische enthaltenen Salzes herauszieht, worauf sie, mit den Hülsenfrüchten zusammengekocht, ein ganz schmackhaftes Essen liefern, - besonders wenn man hungrig ist. Den Pudding aber, den wir uns selber zurechtmachen mußten, will ich etwas näher beschreiben.

Der Steuermann gab uns schon am Sonnabend den Wink, uns einen Sack zu nähen, in welchem wir unsern Pudding kochen könnten; wir möchten ihn aber nicht zu klein machen, damit für fünf Mann hineinginge. Der Engländer sagt: a wink is as good as a nod to a blind horse4, und wir ließen uns das nicht zweimal sagen, so daß, als wir am nächsten Morgen mit unserem Sack ankamen, der Steuermann laut auflachte und meinte, da ginge für fünfundzwanzig Mann hinein. Wir bekamen übrigens reichlich Mehl und Pflaumen. Eine große Schwierigkeit war, jetzt eine Art Trog zu bekommen, in dem wir die Masse ankneten konnten; aber auch das wurde zuletzt ermöglicht. Mlhr. und Vgl. streiften ihre Aermel in die Höhe und fingen an, die Masse aus Leibeskräften mit Wasser und Butter zusammenzukneten; zu der ganzen Mischung gossen wir noch etwas von unserem Rum, taten dann das Ganze in den Sack, der eine 12 -14 und 6 - 7 Zoll im Durchmesser haltende Wurst bildete, banden ihn oben recht fest zu und übergaben das Ganze nun seinem Schicksal und dem Koch, welcher letztere /22/ es in einen ungeheuern Kessel zu den anderen Würsten hineinwarf. Um ihn später wieder zu erkennen, mußten wir übrigens ein Zeichen daran machen, das in einem darangehängten Stückchen Holz mit der Kojennummer bestand. Auf ähnliche Weise wurde auch unser Fleisch gezeichnet.

Als wir am ersten Sonntag Mittag unser Gebäck auseinander schnitten, wozu wir per Doppelkoje, d. h. auf zehn Mann, eine Flasche Syrup bekamen, war das Innere noch ein weißer Brei; das verschlug uns aber nicht das Geringste. Die nicht gare Masse wurde mit einem Löffel herausgenommen, wieder in den Sack gethan, zugebunden und dann noch einmal dem kochenden Wasser übergeben, und mit der größten Behaglichkeit wurde dann dieses „erste Kind unserer Laune" verzehrt. Am Abend giebt's Thee und Schiffszwieback, und den Thee ebenfalls dünn genug. Doch genug jetzt über Essen und Trinken; ich habe dies auch nur hier angeführt, dem Leser wenigstens ein kleines Bild von der Haushaltung auf einem mit Auswanderern beladenen Schiffe zu geben.

Wir waren jetzt der französischen Küste nahe, die, erst als blauer Streifen auftauchend, immer größer und deutlicher wurde. Noch vor Dunkelwerden liefen wir nahe genug an Calais vorbei, die Thürme und Häuser zu erkennen, und nach England hinüberschneidend, bekamen wir auch Albions Küste vor Nacht zu sehen. Deutlich erkennen ließ sich aber nichts mehr, nur glänzten hellstrahlend Dovers beide Leuchtthürme nach kurzer Zeit durch die Nacht, während auch noch die französischen Leuchtfeuer sichtbar waren. Am nächsten Tage jedoch kamen wir ziemlich nahe am englischen Ufer vorbei, und majestätisch dehnten sich die weißen Kreidefelsen an unserer Rechten hin, von der glühenden Morgensonne mit rosenfarbenem Schimmer übergössen. Gegen Abend passirten wir die Insel Wight, und leider drehte sich der Wind, so daß wir nur durch Laviren höchst langsam vorwärts kamen. Ueberhaupt ist der Canal bei ungünstigem Winde einer der fatalsten und sogar gefährlichsten Plätze. Das Fahrwasser ist sehr schmal und gestattet nur wenig Raum zum Kreuzen, während die südlich gelegenen Ufer von Frankreich und Holland meist seicht sind, und selbst an der englischen Küste, nahe der Themse/23/mündung die Godwin sands liegen, an denen schon unzählige Schiffe strandeten.

Bis zum 27. Mai trieben wir uns im Canal herum und ließen dann erst die Insel Scilly, das letzte englische Land, zurück, somit der alten Welt ein ernstfreundliches Lebewohl bietend.

Fahr denn wohl, du neblige Küste,

Fahr denn wohl, du nördlich Land!

2. Der Atlantische Ocean.

Wir segelten nun im Weltmeere, das uns mit seinem gewaltigen Wassercirkel umzog. Einen lieblichen Anblick bot die ungeheure Anzahl von Fischerbooten, die sich auf dem keineswegs ruhigen Wasser schaukelten und sich mit ihren bald gelben, bald weißen, bald rothen, bald ganz schwarzen Segeln gar malerisch ausnahmen. Das Wasser war übrigens hier noch grün, und diese seegrüne Farbe, besonders vorn am Bugspriet oder hinten am Steuerruder, wirklich wundervoll. Noch lebendiger wurde das Gemälde durch eine Masse von Braun- und Schweinefischen, die sich in Schaaren in den herumjagten. Auch schwammen viele fremdartige, sonderbar aussehende Sachen im Meer herum, die ich aber nicht näher betrachten konnte, da es mir an einem Netze, sie herauf zu ziehen, fehlte. Ich beschloß daher, mir ehester Tage eins zu machen.

Einige Tage ging die Sache so recht gut; das Wetter wurdebesser und alle Seekranken, selbst die Frauen, erholten . und zeigeten sich wieder auf dem Verdeck. Ich hatte mir ein eines Netz gestrickt, das ich an eine lange Stange befestigen und stets in Bereitschaft hielt, wenn etwas Merkwür/24/diges am Schiffe vorbeischwimmen sollte. Und in der That war für mich Alles, was im Wasser schwamm, merkwürdig, oder doch wenigstens Untersuchungswerth. So fing ich denn eine Masse gallertartiger, lebender Wesen (Quallen), die, wie es schien, willenlos im Wasser trieben, aber doch sinken und steigen und, wie ich fast glaube, auch sich willkürlich bewegen konnten. Eine Art derselben war mir besonders merkwürdig; sie waren einzeln ungefähr 5 bis 6 Zoll lang und 1 ½ bis 2 Zoll dick und inwendig hohl, und schienen nur eine Art Magen zu haben, der, der einzige compacte Körper im ganzen Thiere, einen dunkeln Fleck bildete. Alles Andere war ein gallertartiger Stoff, der, wenn man ihn aus dem Wasser zog und ein paar Stunden auf einem trockenen Brette liegen ließ, sich in Seewasser auflöste und nur den Magen, eine schleimige, undurchsichtige Masse und eine sehr dünne, äußerst feine Haut zurückließ. So häufig ich nun auch diese Thierchen einzeln herumschwimmen sah, so waren sie doch auch in Unmassen aneinander gereiht zu sehen, und zwar immer mit der breiten Seite zusammen geklebt, daß die dunkeln Flecke des Körpers alle regelmäßig an einer Seite saßen. Solcher Art bildeten sie, aus Hunderten von einzelnen Thieren bestehend, schlangenartige Körper, die sich ringelten und fortbewegten, und ganz hübsch in dem kristallhellen Seewasser aussahen. Auch fing ich einige Schnecken, die vollkommen unseren Landschnecken glichen. In ihren Häusern enthielten sie aber einen tief indigoblauen Saft, der eine herrliche Farbe geben muß, denn ich schrieb mir einige Zeilen mit diesem Safte auf, um zu sehen, wie er die Farbe halten würde, und er veränderte sich auch nicht im Mindesten. Außerdem schwamm noch eine große Anzahl solcher gallertartiger Wesen in allen möglichen Formen und Gestalten herum, manche athmenden Geldbeuteln frappant ähnlich etc. Das schönste aber von allen diesen Geschöpfen ist unstreitig eine Blasenqualle, fälschlich der Nautilus, und von den Engländern „das portugiesische Kriegsschiff" genannt. Von dem Umfange einer großen Karpfenblase, in blauen, grünen und rothen Farben spielend, ragt er ungefähr 3 ½ Zoll über das Wasser hervor, kann nach Gefallen seinen Cours steuern und taucht /25/ bei Sturmwind unter. Zahlreiche zwei, drei und vier Fuß lange Fühlfäden gehen von dem Hauptkörper aus, hängen gerade hinunter in's Wasser, und müssen wohl die besondere Eigenschaft besitzen, dem Thiere seine Nahrung zu erhaschen. Ich fing ein solches mit dem Netze und brachte diese polypenartigen Fasern zufällig auf den obern Theil meiner Hand, wo sie einen Schmerz verursachten, der dem von Brennnesseln hervorgebrachten gleichkommt. Bei Nacht glühen diese Thiere wie Phosphor.

Wir flogen nun mit günstigem Winde der neuen Heimath zu, und der Anblick der See und des Himmels war wahrhaft wundervoll. Der Ocean hatte jetzt seine eigenthümliche Farbe, ein so wunderbar schönes Blau angenommen, daß mich ordentlich eine Sehnsucht erfaßte, hinein zu springen und mich von diesem klaren, azurnen Wasser tragen zu lassen. Derartigen Wünschen machte aber rasch die obere Flosse eines Haifisches ein Ende, der, als er das Schiff sah, ruhig hielt und es an sich vorbeistreichen ließ. Der Gedanke, zwischen die sechs Reihen Zähne einer solchen Bestie zu kommen, hatte doch etwas gar zu Unpoetisches.

Meine Aufmerksamkeit wurde jedoch bald auf etwas Anderes gelenkt. Es war ein schwarzer Punkt auf dem Wasser, dem wir näher und näher kamen; erst glaubte ich, daß es eine Klippe sei, und fragte den Steuermann danach, doch meinte dieser, daß keine Klippe dort herum sein könne, sondern daß es etwas Schwimmendes sein müsse. Und so war es; es kam näher, und als wir an ihm vorbei segelten, erkannten wir es als die zerrissenen Ueberreste eines Schiffes. Nun giebt es auf der ganzen Welt nichts Geeigneteres, die gute Laune einer in sich selbst vergnügten Schiffs-gesellschaft, als solch ein kleines memonto mori, das sich der fröhlichen Menschenseele, so ganz wie aus dem Himmel herabgefallen, präsentirt. Oft sehr zur rechten Zeit mag es uns an jene lange Reise erinnern, die uns Allen ja bevorsteht, und wo dann so ein Wrack den Posthof, von dem wir ausfuhren, und der eben gesehene Haifisch recht gut die erste Station vorstellen könnten.

Am 30. Mai war der Wind wieder ungünstig und die /26/ See ging hohl. Die meisten Passagiere wurden auch richtig wieder seekrank, die Zahl der „Tapferen" hatte sich aber doch auch verstärkt, und wir hielten wacker aus. Eine andere Freude stand uns aber trotzdem bevor. Eines schönen Morgens kam unser Doctor mit einem sehr blassen und bedenklichen Gesichte zu uns und erzählte, daß die Blattern an Bord ausgebrochen wären. Eins der Mädchen hatte sie, wie sich bald nachher zeigte, sehr heftig und bösartig. Der Zimmermann mußte nun vor allen Dingen einen Verschlag vorn im Schiffe, wo bis jetzt Taue und Stricke aufbewahrt worden waren, zur Krankenstube einrichten, damit, wenn es irgend möglich wäre, keiner der anderen Passagiere angesteckt würde. Dahin wurde die Kranke transpirt, und die Gemüther beruhigten sich wieder in etwas.

Als wir noch ruhig auf dem Verdeck standen, gab es auf einmal einen Mordspectakel im Zwischendeck; Flüche von Männern, Kreischen von Frauen und Schreien von Kinderstimmen schallte in einem ohrzerreißenden Chor von unten herauf. Rasch war ich unten, und hier bot sich ein allerdings höchst komisches Schauspiel meinen Blicken. Alles, was nur klettern konnte, hatte sich in die obersten Kojen, auf Kisten und Koffer oder auf sonst irgend einen hohen Gegenstand geflüchtet, um nur vom Boden entfernt zu sein, den ein kleiner weißer Spitz ganz allein einnahm. Dieser knurrte dabei und biß um sich, daß ihm der Schaum vor dem Maule stand, und Alles schrie, als ich die Leiter hinuntersprang: „Ein toller Hund, ein toller Hund!" Das Thier biß indeß nach den ihm zunächst liegenden Sachen, taumelte im Deck herum und gerieth endlich zwischen zwei kleine Kisten, wo ich es, ehe es sich daraus wieder befreien konnte, hinten im Genick erwischte und aushob. Machtlos schnappte und zappelte es dabei, aber nie werde ich den Schrei vergessen, den die Frauen in der Koje gerade über mir ausstießen, als ich den Hund emporhob und ihnen denselben dadurch etwas näher brachte. Ich ließ das arme Geschöpf jedoch nicht los, trug es die Leiter hinauf und warf es über Bord.

Es war der einzige Hund, den wir auf dem Schiffe hatten, und er gehörte dem guten Wilhelm, der in Bremerhaven /27/ mit Theer begossen wurde. Er schien die Sache aber sehr kühl zu nehmen und meinte, „es wäre recht gut, daß das Thier fort sei, es wäre ihm doch immer mit den Pfoten in's Essen gefahren". Sein Vater und er blieben noch lange auf dem Verdeck, und als sie zuletzt wieder hinuntergingen, bekamen sie einen nicht eben freundlichen Empfang von der alten Frau, die seekrank im Bette lag. „Wilhelm - Du - und - Dein - Vater - Ihr - seid - recht - dumme - Jungen, - laßt - mich - arme - alte - kranke - Frau - hier - unten - allein - liegen, - und - lauft - auf - dem - Verdeck - herum." Wilhelm, der größte Tolpatsch, der mir in meinem ganzen Leben vorgekommen, führte seine Vertheidigungsrede aber mit vielem Eifer auf Plattdeutsch und setzte sich dabei auf die Hutschachtel seiner Mutter, die, ehe es jene bemerkte, zusammenbrach und den ganz verdutzten Jungen in ihren Schooß aufnahm. Wilhelm bekam darauf verschiedene Ohrfeigen. - Bis zum 4. Juni hatte sich der Wind ganz gelegt und die See glich einem Spiegel, der nur durch die stete Bewegung und das Wogen der ungeheuern Wasserfläche hier und da gestört, aber nicht unterbrochen wurde. Das Schiff stand ganz ruhig, und wieder packte mich eine unwiderstehliche Lust zum Baden. Der Capitain hatte das freilich der vielen Haifische wegen streng verboten; H. und ich aber sprangen früh am Morgen, als jener noch schlief, über Bord und wälzten uns, von dem lauen Salzwasser leicht getragen, mit unbeschreiblicher Wonne in dem klaren Elemente herum. Eine ungeheure Müdigkeit, wie ich sie nie nach einem Flußbade gespürt habe, erfaßte mich jedoch nach dieser Seewasserpartie, bei der ich auch wohl ein wenig zu viel von dem salzigen Elemente geschluckt hatte. – Ich verschlief den Mittag, und als ich um zwei Uhr wieder auf´s Verdeck kam, wurde flott getanzt. Das Schiff lag aber keineswegs ganz ruhig, denn wenn es auch nicht durch das Wasser zog, machte doch das fortwährende Wogen der See, daß es oft gar bedeutend von einer Seite zur andern schwankte. Da war denn nichts possirlicher anzusehen, als wenn sich eine Partie Tänzer, vielleicht fünf oder sechs Paare, auf der /28/ einen Seite schwenkte, und das Schiff sich plötzlich schwerfällig auf die andere wälzte. Die Walzenden suchten dann wohl mit übergebeugtem Körper einen Augenblick das Gleichgewicht zu halten, rollten aber doch bald, den Gesetzen der Schwerkraft nachgebend, in einem Knäuel auf die andere Seite.

Als es dunkel wurde, hörte das Tanzen auf, aber desto schöner und wunderbarer wurde die See, da sich eine kleine Brise gerade mit Sonnenuntergang erhoben hatte, welche die ruhige Oberfläche kräuselte und uns leise vor sich her trieb.

Die dunkle See schien dabei wie mit Myriaden Funken und Sternen besäet, und besonders da, wo das Schiff die Wogen durchschnitt und den weißen Schaum zurückwarf, glühte Alles, als ob die Wellen in Feuer standen. Jede Woge, die am Bug des Schiffes emporspritzte, leuchtete so, daß ich die Buchstaben in einem Buche genau erkennen konnte; auch hinten am Steuerruder war der Anblick herrlich. Obgleich es Deckpassagieren nicht erlaubt ist, die Grenzen des Zwischendecks zu überschreiten, war doch Capitain Volkmann5, der sich überhaupt höchst liebenswürdig und freundlich gegen die Passagiere benahm, nicht sehr streng in der Ueberwachung dieser Regel, und oft habe ich Stunden lang dem Funkeln und Strahlen am Steuerruder zugesehen.

Als ich noch so da stand, die einzelnen auftauchenden und versinkenden Sterne betrachtend, hörte ich ein Brausen und Schnauben, ich sah auf, und ein ungeheurer Braunfisch von 18-20 Fuß Länge schnitt mit seinem dunkeln Körper durch das von ihm aufgeregte blitzende und leuchtende Wasser, so daß er im Feuer zu schwimmen schien. Dicht unter mir, nahe am Steuerruder verschwand er.

Am nächsten Tage begegneten wir einem Schiffe und fuhren keine fünfzig Schritt weit an ihm vorüber. Die Capitaine riefen sich die Längen- und Breitengrade zu, unter /20/

denen sie sich befanden, ihre eigenen Berechnungen damit zu vergleichen; ebenso den Ort ihrer Bestimmung und ihrer Abfahrt. Von unserem Schiffe stieg dabei die Bremer Flagge, von dem andern die der Vereinigten Staaten von Nordamerika empor. Der Amerikaner war nach Oporto in Portugal bestimmt.

Ein eigenes Gefühl ist es, auf dem ungeheuern Ocean ein anderes Schiff, gewissermaßen eine andere kleine Welt, herankommen zu sehen, es anzurufen und bald darauf das gewaltige Gebäude zu beobachten, bis es, nur noch ein kleiner weißer Punkt, am fernen Horizonte verschwindet. Nur noch verlassener kommt dann dem armen Auswanderer die Wasserwüste vor.

Am 7. Juni liefen wir 11 deutsche Meilen die Wache (4 Stunden); das Schiff flog durch die Wellen, und dabei ging die See gar nicht so hoch, so daß nur sehr Wenige von uns sich unwohl befanden. Die Meisten hatten sich aus dem Verdeck gesammelt, wo sie in malerischen Gruppen umhergelagert waren. Hier lagen Einige auf den Planken und spielten Karten, dort hatte sich eine fromme alte Frau mit einem Gebetbuch in die Ecke gesetzt; ein paar Mädchen strickten und lasen. Gar häufig konnte man auch, abgesondert von den Uebrigen, hier und da eine Gestalt sehen, welche, die Stirne kraus gezogen und mit dem Munde allerlei sonderbare Laute nachahmend, emsig beschäftigt war, sich aus einem kleinen Buche englische Redensarten einzuprägen.

Diese ruhigen, angenehmen Tage haben wir untereinander Fricandellentage genannt, und zwar aus folgender Ursache. Das viele salzige Fleisch und den Speck, den wir bekamen, konnten wir nicht ganz verzehren, thaten es also an ruhigen, freundlichen Tagen zusammen (versteht sich, nur wir Fünf) und hackten mit Messern, Beilen und Hirschfängern das Ganze so klein, wie nur irgend möglich, rührten es dann mit ein paar Eiern an, formten Fricandellen daraus, wobei nicht vergessen ward, noch etwas kleingestoßenen Schiffszwieback unter die Masse zu thun, und buken das Ganze mit Butter; probatum est. Daher der Name Fricandellen/30/tage, denn bei häßlichem Wetter läßt sich so etwas gar nicht vornehmen.

Häufig zeigten sich jetzt auch die Schweinefische, die wohl ihren Namen von ihrer spitzen, rüsselförmigen Schnauze bekommen haben. In Heerden spielten sie vorn um das Schiff herum und sprangen einander jagend, oft mit dem ganzen, wohl 5- 8 Fuß langen Körper aus dem Wasser, was einen wunderhübschen Anblick gewährte.

Schon fing ich an (des fortwährend ruhigen Wetters wegen) besorgt zu werden, daß wir gar keinen Sturm bekommen und auf diese Art den wahren Reiz der Seereise verlieren würden; solche Angst war aber nutzlos gewesen. Am 16. fing der Wind schon gewaltig an zu blasen, die Wellen wurden höher und höher, die Gesichter länger und länger, und um Mitternacht hatte Boreas alle Säcke offen. Das Schiff fuhr, ganz auf einer Seite liegend, blos unter dem Sturm, doppelt gereeften großen und Vorstengenstag-Segel pfeilschnell durch die wie mit Sternen und Leuchtkugeln durchflochtenen Wogen, und der Schaum zischte kochend vorbei. Dabei pfiff der Wind durch das Takelwerk, wie durch einen entblätterten Wald, und melancholisch klappten die Taue an die Masten. Mir war wohl in diesem Aufruhr der Elemente, und über Bord gelehnt, sah ich dem Toben und Stürmen der rastlosen Wogen mehrere Stunden lang zu. Erst gegen Morgen ging ich wieder auf meine Matratze (die ich mir aus der Koje gezogen hatte, da es eine reine Unmöglichkeit war, zu Fünfen darin zu schlafen), wenigstens noch ein oder zwei Stunden zu ruhen.

Der nächste Tag beleuchtete ein wildes, herrliches Schauspiel. Hochauf bäumten und wälzten sich die ungeheuren dunkelblauen Wellen, mit durchsichtig grünem Kamm und weißem Silberschaume gekrönt, hoben sich einen Augenblick in ihrer vergänglichen Herrlichkeit, und schienen dann in sich selber zu versinken, einer andern, noch gewaltigeren Woge Platz zu machen.

Mitten in diesen himmelanspritzenden und züngelnden Wellen kam jetzt eine Schaar ungeheurer schwarzer Braunfische geschwommen, die sich mit toller Lust in dem brausen/31/den, kochenden Ocean herumtummelten. In die höchsten Wellen stürzten sie sich, diese 15 - 20 Fuß langen Kolosse, ließen sich von ihnen auf den höchsten Gipfel heben, und stürzten sich dann, ihnen voraus, spielend und schnaubend in den blauen Abgrund. Es war ein großartiger Anblick. Die Seeleute wollen auch aus dem Zuge, den diese Thiere nehmen, die kommende Richtung des Windes prophezeien, sind aber noch nicht ganz einig darüber, indem einige behaupten, der Wind werde daher kommen, wohin sie ziehen, andere hingegen, daß der Wind ihnen folge; also blos eine kleine Meinungsverschiedenheit über das Hin und Her. - Der Sturm wurde jetzt so heftig, daß das Steuerruder festgebunden werden mußte6 und das Schiff, ein Spiel der Wellen und Winde, auf den Wogen einhertanzte. Als diese eben am tollsten sprangen, sahen wir ein Fahrzeug, das mit nur wenigen Segeln pfeilgeschwind vor dem Sturme daherjagte ; wir selber aber wurden von den Wassern so umhergeworfen, daß wir nur dann und wann das andere Segel erblicken konnten, welches in diesem Augenblick, auf den höchsten Gipfel einer Riesenwelle gehoben, auf einem Berge zu stehen schien, während im nächsten Augenblicke nicht einmal mehr die höchsten Mastspitzen desselben sichtbar waren. Es schoß schnell an uns vorbei und war in kurzer Zeit verschwunden. Sich an Deck aufzuhalten, wurde indessen eine höchst mißliche Sache, denn die Wellen schlugen mit Macht vorn und an der Seite über Bord, und wer ihnen trotzen wollte, konnte wenigstens fest darauf rechnen, bis auf die Haut durchnäßt zu werden.

Am 19. Juni Morgens ließ der Sturm etwas nach, fing aber gegen Abend wieder mit verdoppelter Kraft an. In unserem Zwischendeck sah es jetzt greulich aus - die Seekrankheit hatte ihren Gipfel erreicht, und mit wenigen Ausnahmen war Alles krank. Hauptspaß machten mir einige junge Leute, die unten im Deck mit leichenblassen Gesichtern, das zinnerne /32/ Töpfchen zwischen den Knieen haltend, da saßen und, das Näherkommen der Krankheit fühlend, mit ruhiger Ergebung Den Ausgang abwarteten. H. und ich legten ein Stück recht fetten Speck in eine Schüssel, deckten sie zu, gingen hinunter zu den Leidenden und fragten sie mitleidig, wie es ihnen ginge. Sie schüttelten, statt aller Antwort, traurig mit dem Kopfe. „Wollen Sie nicht etwas zu sich nehmen?" fragte H. mit der liebevollsten, sanftesten Stimme. Schon der Gedanke an etwas Eßbares verursachte ihnen Ekel, und mit den sauersten Gesichtern von der Welt winkten sie uns, nicht davon zu reden; aber wir waren hiermit noch nicht befriedigt. Ich nahm den Deckel ab, und H. fragte wieder, indem er die fette Speckscheibe in die Höhe hob, liebreich und außerordentlich theilnehmend: „Vielleicht ein bischen Speck essen?" Als ob dies das Stichwort gewesen wäre, auf das die Seekrankheit gewartet hätte, so wirkte, wie mit einem wunderbaren Zauber, diese einzige Frage, und wir Beide zogen uns, fast erschrocken über das so plötzliche Gelingen unseres Planes, wieder auf's Verdeck zurück.

Zu Mittag bekamen wir Erbsensuppe. Ich halte mir eben einen Teller voll hinuntergenommen, wozu nicht wenig Geschicklichkeit gehörte, dieselbe auch schon fast verzehrt, als H, fluchend und schimpfend die Leiter herunterkam, an deren Fuße, gerade unter der Oeffnung, er stehen blieb. Hier erzählte er, wie ihn einer von den Oldenburgern ganz mit Erbsensuppe begossen habe, und zeigte uns, noch ganz roth vor Zorn, den begossenen Ueberrock. Ich lehnte etwas weiter zurück gegen unsere Koje, als in demselben Augenblick eine zinnerne Schüssel mit eben solcher Erbsensuppe durch die Oeffnung herabflog und sich auf den armen, vom Schicksal verfolgten H. wiederum so vollständig ausleerte, daß ihm davon die Augen ganz bedeckt wurden. Das war aber noch nicht Alles, die Suppe war blos das Vorspiel, oder der Anfang der Mahlzeit. Ihr folgte nämlich auf dem Fuße - wer anders als unser unglücklicher Wilhelm, der, mit dem Kopfe voran, seiner Suppe, wie ein ächter Ritter in Glück und Unglück, folgte, übrigens auch bei dem gefährlichen Sprunge den Hals brechen konnte, hätte nicht H. sowohl /33/ Suppe als Jüngling auf seine Schultern genommen. Beide stürzten nun zusammen in die Brühe, und vergebens würde es sein, auch nur einen Versuch zu machen, H's. Wuth zu beschreiben. Wir mußten hinzuspringen und den armen Wilhelm aus seinen Klauen befreien, er hätte ihn sonst erwürgt. Bände könnte man überhaupt mit all' den Scenen und Anekdoten füllen, die während des Sturms im Zwischendeck und auch wohl in der Kajüte Schlag auf Schlag folgten; leider lassen sich aber eben die besten davon nicht gut erzählen, denn die Natur hilft sich da oft auf wenn auch nicht geheimnißvolle, doch wunderbare Weise.

Am 2. Juli brach sich der Sturm, und obgleich die See noch ungeheuer hoch ging, das Schiff noch bedeutend schwankte und wenig Friede und Ruhe an Bord zu finden war, so löste man doch das Steuerruder wieder, die Reefs wurden aus dem großen Mastsegel genommen, das Focksegel, Vortop-, große Top-, Besansegel und der Klüver gesetzt, und wir fuhren, zwar nicht unsern Cours, denn wir mußten mit Nordwestwind segeln, fuhren aber doch wieder einmal, und das war ein Trost.

Denselben Nachmittag begegneten wir wieder einem Schiffe unter Bremer Flagge. Die Capitaine tauschten durch das Sprachrohr ihre Mittheilungen aus und zogen, als sie sich trennten, zum Abschiedsgruß ihre Flaggen dreimal auf und nieder. Wir eilten dem fremden Lande, das andere Schiff mit vollen Segeln der Heimath zu, und mit gar wehmüthigen Gefühlen sah ich die schneeigen Segel weiter und weiter fliegen, bis das Auge ihre Spur am fernen Horizont verlor. - Nachgerade fing uns aber denn doch die Zeit an lang zu werden, und immer noch war keine Aussicht, mit solch' ungünstigem Wind die ersehnte ferne Küste so bald zu erreichen. Wir näherten uns jetzt der Bank von Newfoundland, über deren Südspitze wir weggingen, und dichter Nebel fing an, die See zu bedecken. Da gegen Abend wieder ein Schiff gesehen wurde, und gleich darauf der Nebel dicker und dicker wurde, so mußte ein Mann fortwährend vorn auf dem Verdeck die Glocke läuten, oder in ein langes, blechernes Horn stoßen, das weit auf dem Wasser hinschallte, ein Zu/34/sammenrennen mit einem andern Fahrzeuge zu verhindern. Auch schien unser Capitain bedeutende Angst vor Eisbergen zu hegen, von denen ihm das andere Schiff gesagt hatte. Häufig wurde das Thermometer in die See hinabgelassen, die Temperatur des Seewassers zu erfahren, da dasselbe bei sich nähernden Eisbergen sogleich bedeutend fällt.

Der Nebel lag feucht und dick auf dem Wasser, und die Luft war recht kühl, so daß uns unsere Mäntel sehr zu statten kamen; der Wind aber wehte immer noch aus Nordwest. Die Blattern schienen uns auch noch nicht verlosten zu wollen: ein Matrose hatte sie bekommen und war ebenfalls in das Krankenzimmer gebracht worden. Am 28. Juni war die Kälte so stark wie bei uns im December, und wenn drei Viertheile der Passagiere nicht mit Gewalt und Schwefelräucherungen auf das Verdeck in die freie Luft getrieben worden wären, so hätte sich keiner von ihnen aus seiner Dunsthöhle hinausgewagt. Es wundert mich nur heute noch, daß wir nicht mehr Kranke an Bord hatten, denn reine Lust ist doch die Hauptstütze der Gesundheit, und diese fehlte im Zwischendeck gänzlich.

In dieser Nacht drehte sich der Wind zu unseren Gunsten, wobei es ziemlich stark zu regnen anfing, und da ich mit meiner Matratze gerade unter der Oeffnung lag, wurde ich durch und durch naß, ehe ich aufwachte.

Der 4. Juli, das Freiheitsfest der Amerikaner, rückte jetzt heran, und der Capitain sagte uns, daß er das Fest feiern und allen Passagieren einen Punsch geben wolle, und auch wir beschlossen jetzt, etwas dazu vorzubereiten. Ein junger Mann, Namens Zllr., der schon einmal in Amerika gewesen war, entwarf den Plan.

Erstlich wurde ein Transparent mit dem amerikanischen Wappen gemalt, den Streifen und Sternen mit dem aufsteigenden Adler, und den Namen der vier Revolutionshelden: Washington, Lafayette, Franklin und Kosciuszlo als Unterschrift. Dann traf es sich, daß einer der Passagiere zufällig Schwärmer und anderes Feuerwerk bei sich führte, die er bei dieser Gelegenheit zum Besten gab. Um zwölf Uhr in der Nacht vom 3. auf den 4. Juli begann die Feierlichkeit. /35/ - Das Transparent wurde zuerst angezündet, und dabei ein für dieses Fest eigens verfertigtes Lied zur Melodie: God save the King abgesungen, dann das Feuerwerk abgebrannt und die Schwärmer aus unseren Flinten geschossen. Die Nacht war ruhig, und herrlich nahmen sich die dahinsausenden Feuerstrahlen im Wiederscheine der dunkeln Wasserfläche aus.

Der Capitain rief jetzt unsere Koje mit noch einigen anderen der Zwischendecks-Passagiere in die Kajüte, wo Punsch herumgereicht wurde, und unterdessen theilte der Steuermann den anderen Passagieren und Matrosen ihren Punsch auf dem Verdecke aus, und nöthigte besonders den weiblichen Theil der Auswanderer fortwährend zum Trinken. Die Folgen hiervon blieben nicht aus.

Wir hatten ungefähr anderthalb Stunden ruhig in der Kajüte gesessen, getrunken und gelacht. Ich brauchte indeß dabei die Vorsicht, nicht mehr als ein Glas zu trinken, da mir der Punsch ungeheuer stark vorkam, und überhaupt für meinen Geschmack zu süß war, als ich zu meiner Verwunderung bemerkte, daß besonders der Doctor und noch einige Andere recht sonderbar glänzende Augen bekamen und äußerst lustig wurden. Ich stand auf, die Anderen folgten, und wir traten hinaus auf's Verdeck, dem Spectakel ein wenig zuzusehen, der da oben mit jedem Augenblicke toller und tobender wurde.

Allmächtiger! wie sah es da aus. Die Matrosen waren auf den Mast und die Raaen hinausgestiegen und ließen von dort Schwärmer in die dunkle Nacht hinauszischen, die Schiffsglocke vorn wurde geläutet wie zu Feuerlärm, und aus allen nur irgend brauchbaren Flinten wurden Schwärmer und blinde Ladungen geschossen (Zllr's. Doppelflinte sprang bei dieser Gelegenheit, ohne jedoch Jemand zu beschädigen); aber auf dem Mittelpunkte des Schiffs, gerade hinter dem großen Maste, war der Haupttummelplatz, und der Anblick wahrhaft wunderbar.

Herr Ol., ein ausgezeichneter Violinspieler, hatte sich im Anfange freundlich dazu hergegeben, dem Volke ein wenig aufzuspielen; als es aber zu toll wurde, zog er sich zurück, /36/ und ein Anderer, vor Eifer brennend, seine Kunstfertigkeit zu zeigen, setzte sich auf die Winde und fing nun an, so jämmerlich auf seiner Violine herumzukratzen, daß nur der furchtbare Spectakel, der fast Alles übertäubte, diesen schlimmeren Lärm erträglich sein ließ. Nichtsdestoweniger drehte sich Alles wie toll um ihn im Kreise, und jubelnd und jauchzend kehrte sich Keiner an das Schwanken und Schaukeln des Schiffes, das oft ganze Reihen der Tänzer auf einmal, wie mit einem Zauberschlage, nach einem Bord zu kehrte. Der Mann auf der Winde spielte indessen wie von einem bösen Geist besessen unausgesetzt fort, und behauptete dabei durch eine mir unbegreifliche Geschicklichkeit seinen Sitz, das Gesicht zugleich dem Steuerruder zugekehrt. Nur wenn die Tänzer durch das Umlegen des Schiffs auf eine Seite gewälzt wurden und dort eine Weile wie Kraut und Rüben untereinander lagen, drehte er sich mit dem ganzen Leibe dem an Boden liegenden Knäuel zu und spielte, ohne jedoch eine Miene zu verziehen, ruhig weiter.7

Als ich heraufkam, fiel mir Wilhelm's Mutter, eine Frau, die sonst nur immer kränklich und mürrisch an Deck herumschlich und, des langen Schneiders Behauptung nach, „wie sieben Meilen schlechter Weg" aussah, um den Hals und bat mich um Gottes willen, ich möchte mit ihr tanzen. Dicht neben ihr stand ein alter Seiler, der, so lange wir auf dem Schiffe waren, Leibschmerzen gehabt hatte, auf einem Beine und drehte sich, während er selbst dazu pfiff, hopsend um seine eigene Achse. Nur der arme Schneider lag, Arme und Beine wie ein Telegraph ausgestreckt, auf dem Boden und mußte durch doppelten Vorspann vom Schauplatze gezogen werden. Kurz, von den hundertachztehn Passagieren waren nicht sechs mehr nüchtern. Ein einzelnes betrunkenes Frauenzimmer zu sehen, ist ekelhaft, hier waren es aber einige dreißig, und das wurde interessant. Das ganze Leben und Treiben also aus sicherer Entfernung (ich kletterte in das vor dem Mast liegende kleine Boot) betrachtend, lag ich wohl eine Stunde lang da oben und weiß mich in der That der Zeit nicht zu erinnern, daß ich so viel gelacht hätte. Müde zuletzt ging ich zu Koje und erfuhr nun später, daß es der Steuermann /37/ wirklich darauf angelegt hatte, Alle betrunken zu machen, indem er fast gar kein Wasser unter den Punsch gethan. Der Rum war nur heiß gemacht und tüchtig gesüßt worden.