Stürmisches Happy End in Irland - Maggie Cox - E-Book

Stürmisches Happy End in Irland E-Book

Maggie Cox

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Beschreibung

Raue See, Sturm über den Klippen, Schreie der Möwen: Caitlin ist wieder in Irland! Hier ist ihr Zuhause, hier hat sie einst bei Flynn MacCormack die Liebe gefunden. Und plötzlich steht der irische Traummann vor ihr. Er will wissen, warum sie ihn damals verlassen hat …

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Seitenzahl: 164

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IMPRESSUM

Stürmisches Happy End in Irland erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2008 by Maggie Cox Originaltitel: „The Rich Man’s Love-Child“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA, Band 293 Übersetzung: Marion Koppelmann

Umschlagsmotive: NYS444, keiko takamatsu / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2023

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751521758

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Oh, was für ein wunderschönes Haus!“

„Ja, Darling.“

„Und sieh nur … die hübschen Pferde, Mummy!“

„Ja … die sind auch toll.“

„Können wir sie reiten?“

„Nein, Süße.“

„Wieso nicht?“

„Weil sie uns nicht gehören.“

Caitlin drückte die Hand ihrer kleinen Tochter und genoss die davon ausgehende Wärme. Sie saßen im Taxi von Mick Malone, der sie auch vom Flughafen abgeholt hatte, und fuhren zum Dorf, in dem Caitlin aufgewachsen war. Draußen vorm Fenster zogen rasch die sonst so grünen, jetzt aber schneebedeckten Koppeln vorbei – alle Teil eines riesigen Landsitzes.

Hinter den Koppeln erspähte Caitlin nun die Dächer eines Herrenhauses im georgianischen Stil. Die lange, gewundene Auffahrt wurde von zwei massiven Steinsäulen begrenzt, die ihrerseits ein riesiges schmiedeeisernes Tor flankierten. Dessen vergoldete Endstücke glänzten im Zwielicht des kalten Januarnachmittags mit den raureifüberzogenen immergrünen Hecken um die Wette. Zweifellos musste dieser Anblick einem kleinen Mädchen, das in einem engen Reihenhaus im betriebsamen Süden Londons aufwuchs, geradezu märchenhaft vorkommen. Besonders als jetzt auch noch die Wintersonne mit ihrem sanften Orange die Landschaft warm erglühen ließ.

„Wem gehören die Pferde denn?“, fragte die Kleine und lehnte sich über den Schoß ihrer Mutter, um besser sehen zu können. Dabei waren ihre sanften, moosgrünen Augen teils enttäuscht, teils hoffnungsvoll auf die herrlichen Geschöpfe gerichtet. Vielleicht versprach ihre Mummy ihr ja doch noch einen Ritt.

„Sie gehören der Familie MacCormac“, antwortete Caitlin, und ihr Blick begegnete dem des rotgesichtigen Fahrers, der bei dem Nachnamen interessiert in den Rückspiegel gesehen hatte. Unwillkürlich überlief es Caitlin heiß, und sie rutschte ein wenig verlegen auf ihrem Sitz hin und her.

„Bestimmt sind es sehr nette Leute“, plapperte das kleine Mädchen weiter, „wenn sie so hübsche Pferde haben. Vielleicht, wenn wir sie ganz lieb bitten, lassen sie uns darauf reiten. Was denkst du, Mummy?“

„Ich denke, dass du im Augenblick zu viele Fragen stellst, Sorcha“, antwortete Caitlin – aber durchaus liebevoll. Ob die MacCormacs „nette“ Leute waren, wollte sie jetzt lieber nicht ergründen … auch wenn allein der Klang dieses Namens genügte, um ihr ein Gefühl zu vermitteln, als flögen Schmetterlinge in ihrem Bauch. Und das, obwohl sie eigentlich nach Hause zurückkehrte, um an der Beerdigung ihres Vaters teilzunehmen.

„Kinder können einen verrückt machen“, stellte Mick Malone jetzt aufgeräumt fest, „aber man möchte nie mehr ohne sie sein.“ Diesmal suchte er regelrecht Caitlins Blick im Rückspiegel. „Bestimmt ist dir die Kleine jetzt auch ein großer Trost, nachdem du beide Eltern – Gott hab sie selig! – verloren hast.“

„Ja, das ist sie“, murmelte Caitlin und wünschte, der Mann, der ein alter Freund ihres Vaters war, würde jetzt nicht versuchen, sie in ein Gespräch zu verwickeln, bis sie zu Hause im Cottage ankamen. Sie war viel zu betrübt, um sich zu unterhalten und auf die höflichen und gut gemeinten Nettigkeiten zu antworten. Jetzt waren tatsächlich ihre beiden Eltern tot … eigentlich unvorstellbar.

Caitlin wandte den Blick ab und fuhr ihrem Kind nachdenklich durchs weizenblonde Haar. Dabei wünschte sie sehnlichst, sie möge die Stärke haben, mit all dem klarzukommen, was ihr in den nächsten Tagen bevorstand. Denn ihr setzte nicht nur die Trauer um ihren Vater zu. Da gab es noch etwas anderes, womit sie sich wohl oder übel würde auseinandersetzen müssen. Seit viereinhalb Jahren lastete ihr dieses Problem nun auf der Seele und versetzte ihr tagtäglich einen kleinen Stich.

Flynn saß im Dorfpub vor einem Bier und machte sich Gedanken über sein neuestes Buch zum Thema altirische Mythen, wobei es um die Winkelzüge des Schlachtplans eines legendären Stammesführers ging. Da hörte er zufällig die Bemerkung eines Landwirts an der Theke und war sofort ganz Ohr, was die Unterhaltung der beiden Männer betraf, die da bei den Zapfhähnen saßen.

„Wie ich gehört habe, ist Tommy Burns Tochter zu seiner Beerdigung nach Hause gekommen. Sie war ein hübsches Mädchen und ist jetzt sicher eine richtige junge Dame geworden.“

„Hat ihm wohl das Herz gebrochen, dass sie einfach so weggegangen ist. Bestimmt hätte er sie lieber hier irgendwo verheiratet gesehen. Schließlich war sie sein einziges Kind.“

„Gab es da nicht mal so’n Gerücht, dass sie was mit dem jungen MacCormac gehabt hat? Du weißt schon, der, dem das Anwesen und praktisch die halbe Grafschaft gehört.“

„Ja, ja, da ist irgendwas gewesen.“

Flynn erstarrte und spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Doch im nächsten Moment wurde ihm eiskalt, sodass er beinah zu zittern begann. Caitlin war wieder da, und ihr Vater war tot? Wie gebannt sah er zu den beleibten Männern an der Bar, die jetzt beide einen großen Schluck Bier tranken. Offensichtlich hatten sie keine Ahnung, dass er in der kleinen Nische gleich neben dem Eingang saß. Er schnitt ein Gesicht und schüttelte den Kopf. Bestimmt wussten sie auch nicht, was sie mit ihrer Bemerkung bei ihm ausgelöst hatten.

Die Lust auf Bier war ihm vergangen. Er stand auf, schlug den Kragen seiner gefütterten Lederjacke hoch und schritt aus dem fast leeren Pub in den bitterkalten Winternachmittag hinaus. Dabei wirkte sein fein geschnittenes, schmales Gesicht nachdenklich und düster – als sei er gerade mit seinem ganz eigenen Schlachtplan beschäftigt.

Während Flynn durch den Schnee zu seinem Geländewagen stapfte, fragte er sich, wieso er weder von Tom Burns Tod gehört hatte, noch dass Caitlin zur Beerdigung angereist war. Normalerweise machten Neuigkeiten im Dorf rasch die Runde. Gab es da etwa eine Art Verschwörung der Menschen, die ihm nahestanden?

Nach allem, was passiert war, barg Caitlins Rückkehr eine Menge Zündstoff, auch wenn er die lang gehegte Hoffnung, sie überhaupt wiederzusehen, längst begraben hatte – zur Freude seiner Familie. In deren Augen kam Caitlin aus ärmlichen Verhältnissen und passte nicht in ihre Welt der Reichen und Mächtigen. Deshalb waren seine Angehörigen natürlich wenig erfreut gewesen, als er die Affäre mit Caitlin begonnen hatte.

Doch Flynn ließ sich da weder von seiner Mutter oder seinen Onkeln noch von seinem Bruder oder dessen Frau hineinreden. Immerhin hatte er schon einmal dem familiären Druck nachgegeben und ein Mädchen aus der „richtigen“ sozialen Schicht geheiratet. Am Schluss ließ sie sich dann von einem anderen schwängern. Doch das Schlimmste war gewesen, dass sie ihm erst sechs Monate nach der Geburt des Kindes gesagt hatte, dass Danny nicht sein Sohn war und sie lieber mit ihrem Liebhaber leben wollte. Sie wäre nur wegen des Lebensstandards geblieben, den Flynn ihr bieten konnte.

Er fühlte sich unendlich gedemütigt und war ganz verzweifelt, da er das Baby längst lieb gewonnen hatte. Aber natürlich gab er Isabels Wunsch nach und willigte in eine Scheidung ein. Ihre Ehe war ohnehin nur noch eine Farce gewesen. Doch das Kind vermisste er furchtbar und schwor sich, dass er sich niemals wieder so von jemandem täuschen lassen würde wie von seiner Ex-Frau.

Nach dieser schmerzlichen Lebensphase war es herrlich erfrischend, ein süßes und unkompliziertes Mädchen wie Caitlin kennenzulernen. Ja, sie war jung – erst achtzehn –, aber er verliebte sich trotzdem bis über beide Ohren in sie. Bei ihrer Schönheit und Unschuld hegte er nicht den leisesten Verdacht, dass sie ihn am Ende auch enttäuschen könnte, doch das tat sie. Nicht, indem sie ebenfalls mit einem anderen durchbrannte. Nein, sie verließ ihn einfach so, als er gerade dachte, aus ihrer Beziehung könnte etwas für die Ewigkeit werden. Er war am Boden zerstört gewesen und hätte alles gegeben, damit sie zu ihm zurückkehrte. Aber er bekam nicht einmal die Chance, es ihr zu sagen.

Dass ihr Vater ihn hasste, machte alles nur noch schlimmer. Tom Burns verhöhnte Flynn bei jeder Gelegenheit. Einmal sagte er sogar, Flynn sei nicht gut genug für seine Tochter und was ihm überhaupt einfalle, seine gesellschaftliche Stellung zu missbrauchen, um Caitlin den Kopf zu verdrehen. Zweifellos hatte Tom seine Tochter ermutigt, das Dorf zu verlassen. Zumal er sich danach beharrlich weigerte, ihren Aufenthaltsort preiszugeben, während die MacCormacs erleichtert aufatmeten.

Flynn kam jetzt bei seinem Wagen an und war auf hundertachtzig. Sagte man nicht, die Zeit heilte alle Wunden? Da konnte er nur lachen. Viereinhalb Jahre waren seitdem vergangen, und ihm kam es vor, als hätte ihn Caitlin erst gestern verlassen.

Zwei Tage nach der Beerdigung traf Caitlin zum ersten Mal wieder auf Flynn.

Sorcha wurde von einer Nachbarin beaufsichtigt, sodass Caitlin in Ruhe einkaufen konnte und auch mal etwas Zeit für sich hatte – außerhalb des von Trauer und bedrückenden Erinnerungen belasteten Aufenthalts im Cottage. Doch ihre Einkaufstour dauerte länger als beabsichtigt, nicht nur wegen des Schnees, sondern auch wegen der vielen Beileidsbekundungen der Bekannten, die sie unterwegs traf. Offenbar hatte man sie im Dorf trotz ihres Wegzugs nicht vergessen.

Dann überkam sie urplötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Ihr Herz schlug wie wild, und als sie schließlich den Kopf wandte, sah sie Flynn MacCormac auf der anderen Straßenseite stehen. Für einen Augenblick schien sich ihre Welt aus den Angeln zu heben, und dann – für den Bruchteil einer Sekunde – war es mucksmäuschenstill, als hielte alles und jeder den Atem an.

Schließlich entrang sich Caitlins Lippen ein Seufzer, den allerdings nur sie hören konnte. Sofort bemerkte sie eine beunruhigende Veränderung an Flynn – nicht was sein Äußeres betraf, sondern seine Haltung ihr gegenüber. Er wirkte noch verschlossener als sonst, als umgäbe ihn eine Glasglocke, die ihn und seine Gefühle abschirmte.

Er war schon immer zurückhaltend gewesen und hatte seine Gedanken für sich behalten. Aber er sah so gut aus, dass sie sich von ihm angezogen fühlte wie eine Motte vom Licht. Er brauchte nur im selben Raum mit ihr zu sein, und sie geriet in helle Aufregung, wobei sie auch so etwas wie den Reiz des Verbotenen verspürte.

Jetzt brannten Tränen in Caitlins Augen, wobei sich die Trauer über das, was sie und Flynn verloren hatten, mit Wiedersehensfreude mischte. Als er die Straße überquerte, wagte Caitlin kaum, sich zu rühren. Groß und breitschultrig kam er auf sie zu und bewegte sich dabei mit der Anmut eines Raubtiers auf Beutezug, sodass sie den Blick einfach nicht von ihm wenden konnte.

„Ich habe schon gehört, dass du wieder da bist.“ Seine Stimme klang ein wenig rau, als sei auch er von Gefühlen überwältigt.

Caitlins Mund war so trocken, dass sie kaum ein Wort herausbrachte. „Mein Vater ist gestorben“, stammelte sie, während Flynns Blick aus jadegrünen Augen sie zu durchdringen schien. „Ich bin wegen der Beerdigung hergekommen.“

Er biss die Zähne zusammen, was sein Kinn noch kantiger wirken ließ. Aber es kam keine Beileidsbekundung. Die hatte sie auch nicht erwartet, trotzdem schmerzte es.

„Ich verstehe“, sagte er nur. „Ich frage gar nicht erst, wie es dir ergangen ist, denn du siehst gut aus. Aber vielleicht verrätst du mir, wo du die ganze Zeit gesteckt hast.“

Caitlin fuhr sich mit leicht zitternder Hand durchs Haar. „In London … ich wohne in London bei meiner Tante.“

„Bist du gleich, nachdem du von hier weg warst, dahin gegangen?“

„Ja.“ Unter seinem prüfenden Blick kam sich Caitlin vor wie eine Kriminelle.

„Dann bist du also weder urplötzlich unheilbar krank geworden, noch wurdest du von Außerirdischen entführt und hast auch nicht dein Gedächtnis verloren?“

„Wie bitte?“

„Ich habe mir alles Mögliche ausgemalt, weil du ohne ein Wort der Erklärung verschwunden bist.“

Sie zuckte zurück, als hätte er sie geohrfeigt. „Müssen wir das in aller Öffentlichkeit besprechen? Wenn du darüber reden willst, gern … aber nicht hier.“ Caitlin blickte an Flynn vorbei auf die schneebedeckten Gehwege. Hier und da waren an diesem späten Vormittag trotz der Kälte noch andere Menschen unterwegs, um ihre Einkäufe zu machen.

Plötzlich fühlte sich Caitlin unheimlich verletzlich. Dass sie nicht vergessen worden war, hatte sie ja schon erfahren. Zweifellos würde man sich auch daran erinnern, dass sie damals ein Verhältnis mit Flynn gehabt hatte. Bei der Vorstellung, jetzt wieder mit ihm beobachtet zu werden, überlief sie eine Gänsehaut. Damals hatte alles gegen eine Beziehung zwischen ihnen gesprochen. Keiner wollte, dass sie ein Paar waren. Aber das wäre alles nicht wichtig gewesen, wenn Flynn sie nur in sein Herz gelassen hätte … und wenn sie sich gestattet hätte, ihm zu vertrauen.

„Wärst du überhaupt zu mir gekommen, wenn wir uns hier nicht zufällig getroffen hätten?“, wollte er jetzt wissen.

„Doch … das hatte ich vor.“

„Ich frage mich nur, wann, Caitlin. Schließlich scheinst du immer wahnsinnig beschäftigt zu sein, sodass dir in der Vergangenheit nicht einmal die Zeit blieb, einen Telefonhörer in die Hand zu nehmen, um mich anzurufen. Kein einziges Lebenszeichen in viereinhalb Jahren!“

„Ich weiß, dass dir mein Verhalten herzlos vorkommen muss, aber …“

„Herzlos?“, wiederholte er spöttisch. „Sweetheart, das trifft es nicht im Mindesten!“

„Ich meine doch nur …“ Caitlins Herz klopfte wie wild. „Offensichtlich erwartest du eine Erklärung, und die steht dir auch zu. Aber hier ist dafür wohl kaum der richtige Ort.“ Bestimmt sah man in ihren Augen, wie schuldig sie sich fühlte. „Glaub mir, es tut mir leid, dass alles am Ende so gekommen ist.“

„Tatsächlich?“ Flynn ließ sie nicht vom Haken. „Und wieso ist es dazu gekommen, Caitlin?“ Doch er wartete ihre Antwort erst gar nicht ab, sondern fuhr fort: „Weil du davongelaufen bist. Und zwar ohne wenigstens so viel Anstand zu besitzen, es mir zu sagen!“

Zitternd senkte Caitlin den Blick. Was sollte sie darauf erwidern? Zweifellos glaubte Flynn, ihr Vater habe sie dazu gebracht, die Beziehung zu ihm zu beenden. Tom Burns hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er den jungen MacCormac und dessen Familie nicht leiden konnte. Aber Caitlin hatte Flynn nicht wegen ihres Vaters verlassen. Die Sache war viel komplizierter gewesen.

Zufällig hörte sie damals eine Unterhaltung zwischen Flynn und seiner Mutter Estelle mit an, während der diese ihr ganz gemeine Beweggründe für die Beziehung zu ihrem Sohn unterstellte. „Sie schläft nur mit dir, weil sie sich davon Vorteile für sich und ihren furchtbaren Vater erhofft! Mach dir doch nichts vor, Junge! Ein Mädchen wie sie schert sich einen Teufel um dich. Bei der nächsten Gelegenheit wird sie versuchen, dich in eine Ehe zu zwingen, indem sie dir erzählt, sie sei schwanger.“

Obwohl Flynn immer sehr leidenschaftlich gewesen war und Caitlin damit gezeigt hatte, dass er mit ihr zusammen sein wollte, waren niemals Liebesschwüre über seine Lippen gekommen. Was seine Gefühle betraf, war er ohnehin meist sehr schweigsam gewesen. Folglich wagte Caitlin nicht, sich ihm mit all ihren Zweifeln und Befürchtungen anzuvertrauen. Stattdessen flüchtete sie nach London.

Total in Anspruch genommen von ihrer neuen Verantwortung als Alleinerziehende, hatte sie schließlich keine andere Wahl, als dort zu bleiben und das Beste daraus zu machen. Doch jeden Tag, den sie in der Fremde und ohne Flynn verbrachte, ließ ihr das Herz schwerer werden. Aber wie konnte sie zu ihm zurückkehren, wenn ihre Neuigkeiten doch nur die Befürchtungen seiner Mutter bestätigt hätten?

Während die Jahre vergingen und Caitlin den Lebensunterhalt für sich und Sorcha selbst verdiente, wurde es für sie immer schwerer vorstellbar, wieder nach Hause zu ziehen. Dabei war ihr klar, dass Flynn sie inzwischen hassen musste, und es brach ihr das Herz, wenn sie daran dachte, dass er ihr bei einem Wiedersehen wohl nur noch Verachtung entgegenbringen würde – so wie jetzt. Dabei wusste er nicht einmal von ihrem gemeinsamen Kind …

„Was hast du jetzt vor?“ Caitlins tiefer Seufzer wurde in der winterlichen Luft sichtbar. Schließlich hob sie den Kopf, um Flynn wieder in die Augen zu sehen. Die Eiseskälte in seinem Blick war immer noch da.

„Was ich jetzt vorhabe?“ Seine grünen Augen wurden schmal. „Am liebsten würde ich wieder auf die andere Straßenseite gehen und so tun, als hätte ich dich nicht gesehen. Warum bist du nicht einfach in London geblieben, sondern musstest herkommen und mich mit deinem Anblick quälen?“

So verbittert hatte sie ihn noch nie erlebt, und es machte ihr Angst. Seine Worte waren wie Peitschenhiebe, die ihr die Knie weich werden ließen und ihr fast den Boden unter den Füßen wegzogen. Dabei füllten sich ihre Augen erneut mit Tränen. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass mein Vater gestorben ist. Ich bin nur wegen seiner Beerdigung zurückgekehrt.“

„Ich will mit dir reden, und zwar so schnell wie möglich“, erklärte Flynn jetzt überraschend. „Du hast verdammt recht, dass du mir eine Erklärung schuldest, und ohne die lasse ich dich kein zweites Mal davonlaufen!“, stieß er daraufhin hervor, als bereitete ihm jedes Wort körperliche Schmerzen.

„Bei der Steinformation oben auf dem ‚Maiden’s Hill‘, dem Jungfrauenhügel“, sagte Caitlin schließlich kleinlaut. „Ich warte dort morgen Nachmittag um drei auf dich. Am Vormittag möchte ich gern die Habseligkeiten meines Vaters durchsehen und mir überlegen, wohin ich sie gebe.“

„Morgen um drei dann. Und noch eins, Caitlin!“ Wieder maß er sie mit diesem durchdringenden Blick, als wollte er sie davor warnen, auch nur daran zu denken, die Verabredung nicht einzuhalten.

„Ja?“ Ihr Herz klopfte wie wild.

„Enttäusch mich nicht noch einmal, sonst komme ich dich holen.“ Mit diesen Worten ließ er sie stehen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich beruhigt hatte und wieder in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen. Doch zu diesem Zeitpunkt war sie längst so durchgefroren, dass sie unbedingt etwas Warmes zu trinken brauchte.

Als sie das kleine blau-gelbe Schild entdeckte, das vom Wind über Mrs. O’Callaghans Bäckerei hin- und hergeweht wurde, lenkte sie ihre Schritte dorthin und freute sich auf einen schönen Milchkaffee, der ihr die Kälte und den Schrecken aus den Gliedern vertreiben würde.

2. KAPITEL

Caitlin erschien früher als verabredet bei der Steinformation und hatte sich warm angezogen. Unter dem Dufflecoat trug sie eine dicke Cordhose und einen grob gestrickten Pullover, um sich gegen den gnadenlos pfeifenden Wind zu schützen. Sie stand am Rand der Klippe mit den Menhiren im Rücken. Bis auf einen, der auf dem Boden lag, ragten alle anderen mannshohen, roh behauenen Steinquader gen Himmel und bildeten einen Kreis.

Wie gebannt sah Caitlin auf die offene Irische See hinaus, deren Wellen sich vierzig, fünfzig Meter unterhalb von ihr tosend an der Steilküste brachen. Dabei verspürte sie ein lang vermisstes Hochgefühl. Von hier aus hatte man einen atemberaubenden Blick, und oft – wenn sie sich wieder einmal durch die vollen Londoner Straßen quälen musste – hatte sie sich hierher zurückgewünscht.

Diese Stelle auf dem Maiden‘s Hill hatte einfach etwas Magisches, ob man nun die zahlreichen Legenden, die um den Jungfrauenhügel rankten, mit einbezog oder nicht. Für Caitlin gewann dieser Ort noch dadurch, dass sie oft mit Flynn hier gewesen war. Einmal hatten sie sich hier oben sogar geliebt – in einer warmen Sommernacht. Dabei tauchte sie der Vollmond in ein silbriges Licht, als wollte er damit bekunden, dass er mit ihrer Verbindung einverstanden sei.