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»Du wirst lächeln, sage ich – und doch, welchen außerordentlichen Rang nimmt unter dem Hausrat das Bett ein, dies metaphysische Möbelstück«: Welchen »Freund!« Thomas Mann in diesem Essay anspricht, ist nicht ermittelt – möglicherweise wendet er sich an den personifizierten Schlaf selbst. In jedem Fall wird das vielseitige Netz aus literarischen Bezügen, aus Anleihen an antike Quellen und in der Romantik populäre Theorien und Konzepte über das Wesen des Schlafs offenbar, und liefert ein aufschlussreiches Bild der Quellen, die Mann zur Vorbereitung dienten. Der Text erschien am 30. Mai 1909 in der Wiener Neuen Freien Presse und ist im Rahmen von Thomas Manns essayistischen Texten von großer Bedeutung: die beschriebenen Antinomien und Möglichkeiten einer Synthese tauchen, teilweise wörtlich übernommen, in zahlreichen Werken wieder auf.
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Seitenzahl: 16
Thomas Mann
Süßer Schlaf!
Essay/s
Fischer e-books
In der Textfassung derGroßen kommentierten Frankfurter Ausgabe(GKFA)Mit Daten zu Leben und Werk
Daß täglich die Nacht sinkt, daß über Qual und Drangsal, Leiden und Bangen sich allabendlich stillend und löschend die Gnade des Schlafes breitet, daß stets aufs neue dieser Labe- und Lethetrank unseren verdorrten Lippen bereit ist, aufs neue stets, nach dem Kampf, dies milde Bad unseren zitternden Leib umfängt, damit er, gereinigt von Schweiß, Staub und Blut, gestärkt, erneuert, verjüngt, fast unwissend wieder, fast mit der ursprünglichen Tapferkeit und Lust daraus hervorgehe – Freund! ich habe das immer als die gütigste und rührendste der großen Tatsachen empfunden und anerkannt. Wir treten, Geschöpfe des blinden Dranges, aus leidloser Nacht in den Tag und wandern. Die Sonne sengt uns, wir schreiten auf Dornen und spitzem Gestein, unsere Füße bluten, unsere Brust keucht. Entsetzen, wenn die glühende Straße der Mühsal ungeteilt, ohne vorläufiges Ziel, in greller Unabsehbarkeit vor uns läge! Wer hätte die Kraft, sie zu Ende zu gehen? Wer sänke nicht in Entmutigung und Reue dahin! Aber die heimatliche Nacht ist eingeschaltet, vielmals, vielmals, in den Passionsweg des Lebens; jeder Tag hat ein Ziel: mit Quellgemurmel und grüner Dämmerung wartet unser ein Hain, ein heiliger Hain, wo weiches Moos unsere Füße tröstet, wonnige Kühle unsere Stirn mit Heimatsfrieden umwehen wird, und mit umfangenden Armen, rückwärts sinkendem Haupt, mit offenen Lippen und selig brechenden Augen gehen wir in seinen köstlichen Schatten ein …
Man sagt mir, daß ich ein ruhiges Kind war, kein Schreihals und Störenfried, sondern dem Schlummer und Halbschlummer in einem den Wärterinnen bequemen Grade zugetan. Ich glaube es, denn ich erinnere mich, den Schlaf und das Verges{203}