Sweben und Römer - Walter Krüger - E-Book

Sweben und Römer E-Book

Walter Krüger

0,0

Beschreibung

Als die Römer in Mitteleuropa ihr Territorium bis an den Rhein und an die Donau ausdehnten, führten sie unzählige Kriege gegen die dort lebenden Völker. Diese Auseinandersetzungen dauerten auch nach der Grenzziehung an beiden Flüssen weiter an. Bekannt sind diese Ereignisse als Kriege zwischen Römern und Germanen. In der vorliegenden Buchreihe wird eine Differenzierung vorgenommen zwischen Germanen und Sweben. Der Autor möchte darauf aufmerksam machen, dass es notwendig erscheint, dem größten Volk zwischen Rhein und Weichsel, den Sweben, seinen gebührenden Platz neben den Germanen einzuräumen. Während sich der Freiheitskampf der Germanen auf den Raum am Niederrhein konzentrierte, waren die Sweben die unbezwingbaren Streiter gegen Rom entlang der riesigen Donau. Sie kämpften nicht nur an der oberen und mittleren Donau, sondern mit den Bastarnen an deren Mündung ins Schwarze Meer. Immer wieder versuchten die Römer, die Donau zu überschreiten und ihr Reich nach Norden auszudehnen. Es gelang ihnen bei den swebischen Stämmen nicht, zeitweise nur bei den Dakern. Im Zeitraum zwischen 16v.Chr. bis etwa 180n.Chr. werden die Auseinandersetzungen der Römer mit den Vindelikern, Boiern, Markomannen, Hermunduren, Quaden und Langobarden geschildert, um nur einige zu nennen. Von Augustus bis Marc Aurel wird der Bogen der Freiheitskriege gespannt. Der Widerstand gegen Rom schuf die Bedingungen, unter denen die swebischen Stämme ihren Zusammenhalt entwickelten, sich starke Stammesverbände herausbildeten und großartige Führungspersönlichkeiten auftraten. Der zweite Teil der Buchreihe behandelt die römischen Planungen und Feldzüge zur Eroberung der sogenannten Germania magna, des Raumes zwischen Weser und Elbe. Angegriffen wurde die Allianz der Elbsweben unter der Führung des Markomannen-Königs Marbod. Sie blieben erfolglos. Dargestellt werden die Kämpfe zwischen den swebischen Stämmen der Cherusker und der Markomannen, der Sturz Marbods, der Putsch Katwaldas und die Festigung der Allianz unter dem Hermunduren-König Vibilius. Besonders herausgestellt werden die neuen Stämme der Quaden und Markomannen, die an der mittleren Donau die Römer dauerhaft aufhielten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 302

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Kessel von Czarnówko - Swebenkopf

Meiner Frau Ingrid

Ingrid Krüger - Der Kampf 2021/Acryl/40x50cm

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen

Neue römische Provinzen

Eroberungen unter Augustus

Die veränderte politische Lage

Die Völker am Main zur Zeitenwende

Caesar am Oberrhein

Germanen und Sweben

Sweben als Markomannen

Die neuen Nachbarn Roms

Drusus und die Markomannen

Politische Gesichtspunkte und Fazit

Sicherung der Grenze am Mittelrhein

Rom und die Sweben im 1.Jh.v.Chr.

Drusus Tod und die Unruhen an den Grenzen

Die Cherusker und die Römer

Germanen und Sweben unter Marcus Vinicius

Augustus setzt Tiberius am Rhein ein

Die Elbsweben

Das Einzugsgebiet der Elbe

Die Langobarden

Wer sind die Langobarden?

Das Stammesgebiet

Siedlungen und Infrastruktur

Die Semnonen

Stammesgebiet und Nachbarn

Siedlungen und Infrastruktur

Wer waren die Semnonen?

Der Angriff auf die Elbsweben

Tiberius zieht in die Gallia Comata 4n.Chr.

Der Zug der Flotte und des Heeres an die Elbe

Wie reagierten die Langobarden?

Der Angriff auf die Markomannen

Die Zielsetzung

Wer waren die Markomannen?

Der neue König der Markomannen-Marbod

Marbod und Tiberius

Tiberius will Germania magna erobern

Der Vorstoß aus dem Norden

Der Vorstoß aus dem Süden

Marbod handelt einen Waffenstillstand aus

Marbod und Arminius 17n.Chr.

Marbods Herrschaft endet

Die Hermunduren unter Vilbilius

Wer sind die Hermunduren?

Das Stammesgebiet

Siedlungen und Infrastruktur

Wegeverbindungen

Lebensweise und Kultur

Vibilius vertreibt Katwalda 19n.Chr.

Die Quaden nach Marbod 20n.Chr.

Der Stamm der Quaden

Wer waren die Quaden?

Das Stammesgebiet

Vannius Herrschaft über die Quaden

Hermunduren und Chatten 58n.Chr.

Die Elb- und Donausweben um 60n.Chr.

Vorbemerkungen

Dieses Buch, in drei Teilen veröffentlicht, folgt dem bereits veröffentlichten „Roms Kriege am Rhein“. Es schildert die Fortsetzung der historischen Ereignisse in Mitteleuropa ab der Herrschaft des Princeps Augustus. Allerdings verlagert sich der geografische Operationsraum vom Rhein an die Elbe und an die Donau. Nach dem Rhein, der durch Caesars Kriege zu einem Grenzfluss der römischen Republik bestimmt und durch seinen Nachfolger Augustus als solcher durchgesetzt wurde, vollzog sich an der Donau ein ähnlicher Vorgang. Vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer wurde dieser Fluss gegen den Willen seiner Anwohner und gegen alle überlieferten historischen Prozesse zur bedeutendsten Reichsgrenze der Römer nördlich der Alpen und des Balkans. Dieser Vorstoß der Römer betraf eine Vielzahl von Völkern und Stämmen.

Der Inhalt des Buches ist diesen Völkern gewidmet. Betrachtet werden swebische Stämme, die entlang der Elbe, des Mains und der mittleren Donau lebten. Auch die anderen Völker, die Nachbarn der Sweben, erhalten eine Stimme. Dazu gehören die Sarmaten, vertreten durch die Jazygen und Roxolanen, die Pannonier und die Daker, um nur die wichtigsten zu nennen.

Durch die Begegnung mit den Römern ab 58v.Chr. unter Caesar werden swebische Stämme erstmals in die geschriebene Geschichte aufgenommen. Es folgten weitere Begegnungen. Uns wird übermittelt, dass sie manchmal friedlich, häufiger jedoch kriegerisch verliefen. Die Sweben an der Elbe, am Main, am Neckar und an der Donau bevölkerten fast ganz Mitteleuropa. Sie wurden permanent Ziel römischer Eroberungsversuche. Verschiedene Bündnisse hielten die Unabhängigkeit der Stämme bis auf die am Oberrhein und südlich der Donau lebenden aufrecht. Wechselhaft gestalteten sich die Beziehungen zu den Cäsaren. Die Donau blieb im Süden des swebischen Lebensraumes die Grenze zum römischen Reich; lediglich am Oberrhein gelang es den Römern, den Fluss zu überschreiten und bis in die Gebiete am Neckar vorzustoßen Sie mussten durch einen Limes gesichert werden. Er bestand nur vorübergehend.

Es gelang ihnen aber nicht, die Sweben zu unterwerfen. Im Gegenteil: An der Zerstörung des weströmischen Reiches hatten sie einen bedeutenden Anteil. Der erste Stamm, der 5n.Chr. an der Elbe von Tiberius bedrängt wurde, die Langobarden, ging nach Jahrhunderten der Auseinandersetzungen als Sieger hervor und errichtete auf italischem Boden das Langobardenreich. Andere Stämme zogen bis nach Spanien.

In diesem 2. Teil der Buchreihe „Sweben und Römer“ wird die Geschichte der Sweben fortgesetzt, die im Teil 1 mit der Eroberung des Voralpenlandes und der Schaffung der Provinzen Raetia und Noricum im Jahr 15v.Chr. endete. Im Mittelpunkt des Geschehens standen die Völker der Alpentäler und die Stämme der Boier in der Donauebene.

Als sich die Römer an der Donau eine neue Reichsgrenze im Norden schufen, wurden sie zu einer direkten Bedrohung aller dort lebenden Stämme. Augustus, der über das römische Reich herrschte und die Kriege am Rhein und an der Donau durch seine Söhne Tiberius und Drusus sowie engen Vertrauten führte, entwickelte nach 15v.Chr. den Plan, vom Rhein und von der Donau in das Herzland der Sweben vorzustoßen, ihren militärischen Widerstand zu brechen und sie zu Untertanen in einer neuen Provinz, die er „Germania“ nennen wollte, gefügig zu machen.

Wie diese Feldzüge geplant und schließlich durchgeführt wurden, auf welche Stämme und Anführer die Römer stießen, wie groß der Widerstand war, das soll anhand der Überlieferungen dargestellt werden. Doch geht es nicht nur darum, Bekanntes erneut anzubieten, sondern um eine differenzierte Betrachtung der Ereignisse, um die bislang noch zu wenig beachteten räumlich-politischen Zusammenhänge und um die Schließung von Wissenslücken durch die Erweiterung der Operationsräume und der in ihnen lebenden Völker.

In der teilweise angedachten Geschichte soll zugleich deutlich gemacht werden, dass die Römer, die in Mitteleuropa eine zersplitterte historische Landschaft ohne Staatsgebilde, ohne eine annähernd mit ihnen vergleichbaren Zivilisation vorfanden, den Anstoß für tief greifende Veränderungen gegeben haben. Ihre Versuche, dieses Gebiet dem Reich einzuverleiben, führten nicht nur zu einer Unterschätzung der swebischen Stämme, sondern zu einem für sie folgenschweren Strukturwandel. Stämme verbündeten sich, schufen schlagkräftige Heere, entwickelten außergewöhnlich fähige Stammes- und Heerführer.

Langsam, aber stetig festigten die Stämme rechts des Rheins und links der Donau ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Sie begannen, die römische Politik zu beeinflussen, die neuen Grenzen unsicher zu machen und schließlich über sie hinweg in die Provinzen zu ziehen, um ihre Interessen mit kriegerischen Mitteln zu untersetzen. Das gesamt 1.Jahrhundert nach Christus wird als ein Prozess dargestellt, in dem sowohl die römische Politik als auch die der swebischen Stämme in heftige Bewegungen gerieten, ehe beide Seiten innerlich und äußerlich gestärkt zur Ruhe kamen. Die Handlung des Teils 2 endet vor dem Vierkaiserjahr und dem Bataveraufstand.

Walter Krüger, Potsdam im Dezember 2020

Neue römische Provinzen

Eroberungen unter Augustus

Am Rhein

Nach Caesars Abzug aus den eroberten gallischen, belgischen und germanischen Stammesgebieten links des Rheins 50v.Chr. ließ er keine gefestigte Provinz zurück. Die germanischen und swebischen Stämme entzogen sich sofort einer römischen Verwaltung und blieben autonom. Gallia Comata nannten die Römer die Gebiete der Gallier, Aquitanier und Belger. Sie reichten noch nicht bis zum Rhein, sondern etwa bis zu dessen westlichen Wasserscheiden. Eine Ausnahme bildete das Stammesgebiet der Ubier. Deren Hauptort Ubiorum (das spätere Köln) lag links des Flusses, während sich ihre Gaue rechts bis an das Flussgebiet der Weser ausdehnten. In den Ubiern hatte Caesar Verbündete gefunden. Sie hielten der römischen Standarte während der unsicheren Zeiten nach Caesars Tod die Treue. Doch schon nach wenigen Jahren bedrängten sie die römerfeindlichen Nachbarn zunehmend. In Not geraten, riefen sie 39v.Chr. Marcus Vipsanius Agrippa um Hilfe an. In den Jahren 38 und 39v.Chr. war dieser 25jährige Mann, ein enger Freund Octavians, Statthalter des jenseitigen Galliens, d.h. der Provinz Gallia Transalpina. In dieser Funktion nahm er auch die Verwaltung der cäsarischen Gallia Comata wahr.

Nicht nur am Rhein brodelte es. Agrippa musste Legionen gegen die im Südwesten lebenden Aquitanier in Marsch setzen und einen Aufstand niederschlagen. Etwa zur gleichen Zeit rührten sich die Sweben am Rhein. Sie drängten die römischen Einflussversuche aus dem Oberrheintal zurück. Rom fühlte seine Interessen verletzt und beorderte Agrippa dorthin. Wie früher auch, wichen die Sweben einer großen Feldschlacht aus und zogen sich über den Rhein in die Täler des Schwarzwalds zurück. Angeblich überschritt er nach Caesar wieder den Rhein. Das könnte in der Sommerzeit unterhalb von Breisach möglich gewesen sein. Dort floss der Rhein weit aufgefächert und bot flache Wasserläufe und Sandbänke an. Das Gebiet, das Agrippa durchzog, wurde nicht besetzt und fiel zurück an die swebischen Stämme der Triboker, Rauriker und Neckarsweben.

Agrippa musste nach Norden zu den Ubiern, um die Stärke Roms am Niederrhein zu demonstrieren und um zu zeigen, dass er keinen Verbündeten im Stich ließ. Noch lagen keine Legionen dauerhaft am Rhein. Sie befanden sich überwiegend in den durch Caesar bekannt gewordenen Lagern im Inneren der gallischen Provinzen. Mit seinem Heer vermittelte Agrippa eine unmissverständliche Botschaft an die benachbarten germanischen Stämme. Auf der rechten Uferseite und in den Gebirgen wurden die Ubier bedrängt, sich von den Römern loszusagen. Besonderen Druck übten nach römischen Aussagen swebische Stämme an der Weser aus. Dazu gehörten die Chatten. Sie lebten an der Sieg, im Rothaargebirge und an der Lahn als Nachbarn der Ubier. Römerfreunde auf dieser Seite des Flusses mochten die Sweben nicht dulden.

Überliefert wird von den Römern die Umsiedlung der Ubier auf die linke Rheinseite. Gaben die Römer und Ubier den Angriffen der Chatten nach? Sollte dieser Rückzug durch die Entscheidung über eine Umsiedlung vertuscht werden? Solch ein Ereignis findet immer dann einen Platz in den römischen Geschichtsbüchern, wenn Schlachtensiege ausgeblieben waren.

Dass Agrippa einen vieltausendköpfigen Volksstamm aus den Gebirgen und Tälern des rheinischen Schiefergebirges in sehr kurzer Zeit umsiedelte, ist rein sachlich betrachtet unwahrscheinlich. Einmal fehlten ihm die militärische Kraft und Stärke, mit den Legionen den Rhein zu überqueren, militärische Stützpunkte und Versorgungslinien aufzubauen; zum anderen fehlte ihm die Logistik, die solch ein Umzug, der mit der Aufgabe Tausender traditioneller Existenzen verbunden war, erforderte. Wer konnte die Bewohner dieser Gebiete dazu bewegen, all ihren Besitz aufzugeben und mit eingeschränktem Hab und Gut in die Fremde zu ziehen? Was geschah mit den Menschen, die nicht wollten oder konnten? Bildeten die Römer mit ihren Soldaten Ketten wie bei einer Treibjagd und drängten die Menschen zum Rhein? Das ist mehr als unwahrscheinlich.

Man sollte die Aktion so deuten: Die Ubier gaben ihr Stammesland rechts des Rheins auf, weil sie es nicht mehr gegen die germanischen und swebischen Nachbarn verteidigen konnten. Agrippa gestattete den Menschen, die zu den Römern wollten, weil sie sonst etwas zu verlieren hätten, den Rhein zu überqueren. Um die Gegner der Ubier von weiteren Angriffen abzuhalten, ließ er Ubiorum zu einem Militärstützpunkt ausbauen. Nach römischer Sitte nannte sich die Siedlung dann Oppidum Ubiorum. Agrippa hat mit diesem Schritt begonnen, eine römische Verwaltung am Niederrhein einzusetzen. Doch noch blieben die Verhältnisse in dieser Region auf dem Niveau vor den Kriegszügen Caesars.

Erst als Octavian 27v.Chr. Princeps wurde und die militärische Gewalt über die am Rande der Republik liegenden Provinzen erhielt, veränderte sich die politische und militärische Lage am Niederrhein deutlich. Marcus Vipsanius Agrippa kehrte erneut als Statthalter nach Gallia Comata zurück. In den Jahren 20-18v.Chr. setzte er seine Bemühungen fort, der neuen Provinz eine zeitgemäße Infrastruktur zu geben. In erster Linie hieß das, Straßen zu bauen. Straßen, auf denen sich die Legionen schnell und ungehindert bewegen konnten. Da Augustus die im Entstehen begriffene Stadt Lyon (Lugdunensis) zur Hauptstadt der neuen gallischen Provinzen auserkoren hatte, entwickelte er von dort aus ein neues Verkehrsnetz. Von Lyon baute er eine Straße zum Atlantik. Dafür nutzte er den keltischen Fernweg zur Garonne, auf dem im Jahr 107v.Chr. bereits Divico mit seinen tigurinischen Heerscharen gezogen war. Er endete in Bordeaux (Burdigala). Weiter baute er den Fernweg nach Norden zu einer Reichsstraße aus. Von Lyon nach Langres, einer lingonischen Festung, und von dort über Metz und Trier nach Köln, während ein anderer Zweig an die Kanalküste, dem Hafen Boulogne-sur-Mer (Gesoriacum) führte. Über diese Straßen konnten die Legionen schnell zum Rhein und in Aufstandsgebiete marschieren

Im Jahr 17v.Chr. übernahm Marcus Lollius die Statthalterschaft in Gallia Comata. Die Maßnahmen, die Agrippa am Niederrhein eingeleitet hatte, vor allem die Aufgabe des rechtsrheinischen Ubierlandes und die Einführung der römischen Verwaltung mit allen verpflichtenden Gesetzen in den linksrheinischen Gebieten empörten die von einer Stammesteilung betroffenen Sugambrer, Usipeter und Tenkterer. Sie zogen über den Rhein, um die Stammesbrüder zu schützen. Lollius rückte daraufhin mit einem Heer über die Straße von Langres nach Köln heran und versuchte, die Germanen über den Fluss zurückzuwerfen. Das gelang ihm nicht. Im Gegenteil, er erlitt in einer Feldschlacht eine vernichtende Niederlage, verlor den Legionsadler und konnte selbst nur mit großer Mühe entkommen.

Aus diesem Ereignis zog Augustus weitreichende Konsequenzen. Er musste selbst in die neue Provinz eilen, um sie zu retten. Sein großes Heer veranlasste die Germanen zum Rückzug über den Rhein und zum Friedensschluss. Es hatte sich gezeigt, dass die Stationierung der Legionen im Landesinneren der Gallia Comata eine Verteidigung der Grenze am Niederrhein erschwerte. Nunmehr verlegte Augustus militärische Einheiten direkt an den Rhein. Es wurden Legionslager und Kastelle gebaut, so wie Nijmegen, Vetera und Neuss.

Die Römer hatten die Germanen unterschätzt, sicher als Folge der prahlerischen Überlieferungen Caesars über seinen Zug gegen die Sugambrer einschließlich der angeblichen Rheinüberquerung. Augustus erkannte, dass nicht die Germanen die gefährlichsten Feinde Roms waren, sondern die Sweben. Sie standen in den Gebieten an der Weser, an der Elbe, am Main, am Oberrhein und entlang der Donau. Gemeinsam mit seinen Söhnen und Vertrauten entwickelte er einen Kriegsplan, der die Eroberung der swebischen Stammesgebiete bis zur Elbe zum Ziel hatte. Um diese Idee zu verwirklichen, musste der Rhein endlich zu einer festen Grenze ausgebaut werden. Nach dem gleichen Muster sollte die Donau als neue Grenze bestimmt, d.h. erobert, werden. Das ermöglichte, die swebischen Stämme von zwei Seiten in die Zange zu nehmen. Die Planungen neuer Eroberungszüge wurden sofort in Angriff genommen und zügig vorangetrieben. Am Rhein bedeutete dies, endlich auch den Mittel- und Oberlauf in Besitz zu nehmen. Die Besetzung dauerte bis 10v.Chr. und wird Gegenstand eines nachfolgenden Textabschnitts. Doch vorher wenden wir uns dem anderen Schauplatz, der Donau, zu.

An der Donau

Trotz des gescheiterten Feldzugs Lollius‘ gegen die Germanen am Rhein ließ Augustus nicht von seinem Plan ab, auch bis an die Donau vorzudringen. Die daraus folgenden Kriege begannen schon ein Jahr später. Bereits 16v.Chr. war der Prokonsul von Illyrien, Publius Silius Nerva, in Kämpfe mit Stämmen des Ostalpengebiets verwickelt. Ihnen dürfte bekannt gewesen sein, dass Augustus wie am Niederrhein auch die Gebiete an der mittleren Donau unter römischer Herrschaft zwingen wollte. Von den Feldzügen der Germanen hatten sie auf verschiedenen Wegen erfahren, ebenso von der Niederlage des Statthalters Lollius. Um den römischen Absichten zuvorzukommen, verbündeten sich Boier, ein Teil der Noriker, Taurisker, Pannonier und Skordisker zu einer beeindruckenden Streitmacht und fielen über die römische Ostgrenze in Venetien und Istrien ein.

Dieses Ereignis bestätigte Augustus‘ Befürchtungen, dass die unmittelbare Nachbarschaft barbarischer Stämme an der Grenze des Kernlandes Italien zu Einfällen in die reichen Gebiete verlockte. Dringend bedurfte es einer Veränderung dieses Zustandes. Sie bestand in der Schaffung einer Pufferzone zwischen Italien und den gefährlichsten barbarischen Stämmen. Dafür bot sich der Raum zwischen der Donau und Italien an. Er sollte so schnell wie möglich erobert und in die römische Republik eingegliedert werden.

Nerva erhielt den Befehl, die Angreifer zurückzuschlagen, die Noriker noch enger an Rom zu binden und die Taurisker und andere Grenzvölker zu unterwerfen. Die Ostgrenze Illyriens blieb damals noch unbestimmt und deshalb Streitpunkt mit den Skordiskern, unter denen sich die Breuker besonders hervortaten. Es gelang Nerva, die römischen Grenzgebiete zu befreien und die Barbaren zu Verträgen über eine Waffenruhe zu bewegen. Dadurch galt der Ostalpenrand als befriedet.

Doch die Zeit drängte und Augustus war fest entschlossen, die Alpen und deren Vorland bis zur Donau in Besitz zu nehmen. Er befahl Nerva, noch im Jahr 16v.Chr. mit seinen Legionen in die westliche Po-Ebene zu ziehen und die nicht unter römischer Herrschaft lebenden Alpenstämme zu unterwerfen. Von Brescia (Brixia) aus griff er die Trumpiliner (im Val Trompia) und die Camunni (im Val Camonica) an, von Como aus die Lepontier und Vennoneten. Damit gelang es ihm, die Marschrouten der römischen Heere durch die Alpen zu sichern und die Pässe einzunehmen bzw. zu blockieren.

Diese Vorleistungen Nervas bildeten die Voraussetzungen für die eigentlichen Alpenfeldzüge. Drusus überstieg mit seinen Legionen, unterstützt von Lucius Calpurnius Piso, aus dem Etschtal kommend, die Pässe Reschen und Brenner, unterwarf die Stämme des Inntals und drang über die Pässe Fernweg und Seefelder Sattel in das Alpenvorland ein, wo er sich mit Tiberius bei Augsburg traf. Nerva zog mit seinen Legionen über die Bündner Pässe in das Alpenrheintal bis zum Bodensee. Tiberius hatte seine Streitkräfte im Raum Langres gesammelt, war über Besançon nach Basel gezogen, weiter zu den Tigurinern, unterwarf sie und begann am Bodensee gegen Vindeliker und Raeter zu kämpfen. Noch im Jahr 15v.Chr. eroberten die beiden Söhne des Augustus die Alpen und ihr Vorland für die römische Republik. Diese für die Bewohner der Donaugebiete (gemeint sind deren Einzugsgebiete) einschneidenden Feldzüge, an deren Ende sie bis auf Teile der Boier ihre Unabhängigkeit verloren, wurden im ersten Teil der Buchreihe „Sweben und Römer“ - der Freiheitskampf der Donausweben 16v.Chr. bis 9v.Chr.- ausführlich beschrieben. In diesem Buch, Teil 2, wird die Zeit danach behandelt.

Die Karten 1 und 2 zeigen den Ausgangspunkt der nachfolgenden Geschichte über die Ereignisse an den neuen Grenzen ab 10v.Chr. Der Niederrhein und der Hochrhein waren feste Grenzen Roms geworden; am Mittel- und Oberrhein standen noch keine römischen Truppen dauerhaft und die Donau schälte sich gerade erst als neuer Grenzfluss heraus. Augustus hatte seine Kriegsziele:

Festigung der gallischen Provinzen und

Sicherung Italiens durch einen Gürtel neuer Provinzen entlang der Donau

fast erreicht. Der Rhein wurde vollständig und die Donau bis zur March römische Staatsgrenze. Die swebischen Gebiete Mitteleuropas wurden im Westen und Süden durch einen Winkel eingefasst, der geradezu herausforderte, dort einzumarschieren. Tatsächlich drückte sich in dieser geografischen Form der römischen Grenzen die Idee der nächsten Kriegsziele aus. Auf der nachfolgende Karte 4 wird diese Situation noch deutlicher sichtbar.

Karte 1 Mitteleuropa zur Zeit des Prinzeps Augustus ca. 27v.Chr. bis 13v.Chr.

Augustus konnte seine Pläne, eine neue, große Provinz Germanien zu schaffen, nunmehr präziser gestalten. Er stand an der Donau und vor ihm lagen die begehrten Stammesgebiete zum Greifen nahe. Doch noch waren sie unbekannt und voller Geheimnisse.

Die veränderte politische Lage

Wie stellte sich die politische Lage am Rhein und an der oberen Donau am Ende des Jahres 15v.Chr. dar? Augustus war der Gewinner in den Auseinandersetzungen mit den Germanen und Sweben. Er hatte durch den Alpenfeldzug der Republik gewaltige territoriale Zugewinne verschafft, streitbare Stämme unterworfen und neue Ressourcen von unschätzbarem Wert erschlossen.

Der Großstamm der Boier wurde zerschlagen. Seine Angehörigen mussten nach dem Einmarsch der Römer in der Provinz Raetia und in der erweiterten Provinz Noricum als Unterworfene leben. Nördlich des neuen Grenzflusses lebten Boier in verschiedenen Gauen noch in Freiheit, wie ein Teil der Vindeliker, die Narister in den Räumen der Naab und Regen und die Quaden im Gebiet der March und zwischen den Kleinen Karpaten und dem slowakischen Erzgebirge. Auch der in Pannonien lebende Stammesteil blieb frei. Nördlich der Donau brachen die Stammesstrukturen zwar nicht vollständig auseinander, jedoch bildeten sich aus den bisherigen Gauen neue Stämme heraus, wie die der Narister und der Quaden. Unklar ist, was mit den Vindelikern geschah, die links der Donau nicht von den Römern unterworfen wurden. Sie bewahrten vorerst ihre Unabhängigkeit und Freiheit, mussten sich aber mit stärkeren Nachbarn zusammenschließen. Schließlich wusste niemand genau, ob die Römer nicht doch eines Tages über die Donau nach Norden drängen würden. Als neue Schutzmächte kamen die Neckarsweben und Hermunduren am Main infrage.

Insgesamt bot sich im Donauraum ein sehr differenziertes Bild von kleinen Stämmen und politischen Strömungen. Den Römern kam diese Entwicklung entgegen. Jedoch gab es eine Ausnahme: die Markomannen. Aus elbswebischen Stammesgruppen als dauerhaft unter Waffen stehende Kriegerkaste entstanden, bildeten die Markomannen keinen Stamm, sondern eine Art gemeinsame Schutztruppe an allen elb- und mainswebischen Grenzen, eben die Grenzmänner. Um diese Entwicklung verstehen zu können, ist eine nähere Betrachtung der Sweben am Main erforderlich. Doch zuvor sollte der Versuch unternommen werden, auf die beiden großen Völker Mitteleuropas einzugehen, auf die Germanen und die Sweben. Was unterscheidet sie, wo lebten sie?

Auf der Karte 1 ist sehr klar und deutlich zu sehen, dass die Sweben die Mehrheit der Bewohner Mitteleuropas ausmachten und die Germanen nur am Niederrhein, d.h. in französisch Flandern, im flämischen Belgien, in den Niederlanden, am deutschen Niederrhein und im Moselland siedelten.

Die Völker am Main zur Zeitenwende

Caesar am Oberrhein

Germanen und Sweben

Über den zuvor beschriebenen geografischen Raum in Mitteleuropa kann erst eine Geschichte erzählt werden, seit Caesar 58v.Chr. die Grenze der Provinz Gallia Transalpina überschritten und sich angeschickt hatte, Westeuropa zu erobern. Zu diesem Thema habe ich in den Büchern „Rom kämpft um den Rhein“, Teile I bis III, über die Kriege gegen germanische und swebische Stämme geschrieben. Des Weiteren wurden die Ereignisse vertieft in dem Buch „Roms Kämpfe am Rhein“. Abgesehen davon, dass die römischen Quellen, über andere verfügen wir nicht, keine vollständige Geschichte der von Rom überfallenen Völker am Rhein und an der Donau liefern, wird die Interpretation der Ereignisse noch dadurch erschwert, dass es keine eindeutigen ethnischen Zuordnungen gibt. Damit meine ich die Verwendung der Begriffe Germanen und Sweben.

Die ethnische Bezeichnung „Germanen“ verwendeten erstmals römische Historiker. Sie grenzten die auf ihren Feldzügen in Westeuropa erkannten andersartigen Stämme von den Galliern ab. So überliefert uns Caesar in seinen Schriften über den Gallischen Krieg, dass die Belger und Treverer großen Wert darauf legten, von Germanen abzustammen. Sie waren und wollten keine Gallier sein. Die Nachbarn der Belger am Niederrhein, z.B. die Eburonen, Aduatuker, Menapier, Ubier, Sugambrer und Usipeter, um nur einige zu nennen, wurden eindeutig als Germanen bezeichnet. Als die Gebiete links des Rheins erobert waren, die Provinzen Gallia Lugdunensis, Gallia Celtica und Gallia Belgica entstanden, wurden die ethnischen Bezeichnungen von verwaltungstechnischen abgelöst. Alle Bewohner der neuen Provinzen hießen von nun an „Gallier“.

Da Teile der unterworfenen Stämme rechts des Rheins fortbestanden, schoben die Römer die Bezeichnung Germanen über den Rhein. Alle Bewohner rechts des Flusses wurden Germanen genannt. Dass dies unkorrekt war, lässt sich auch aus den römischen Überlieferungen erkennen. Unter Domitian mussten die linksrheinischen germanischen Gebiete etwa ab 90n.Chr. wieder ihre ethnische Bezeichnung tragen. Da die Eroberung rechtsrheinischer Gebiete gescheitert war, konnten sich die Kaiser wenigstens mit einem Teil „Germaniens“ schmücken. Germania superior, das Oberrheingebiet, umfasste die Stämme der Vangionen, Nemeter und Triboker, die Tacitus eindeutig als germanische Stämme in seinem Buch „Germania“ benennt. Ob diese Stämme tatsächlich germanisch waren, lässt sich bezweifeln.

Warum? Östlich des Oberrheintals, überwiegend im Flussgebiet des Neckar, aber auch im Schwarzwald, lebten Sweben. Bis heute hat die Bezeichnung Schwaben für ihren Lebensraum überdauert. Der zweite große Gegner Caesars im Gallischen Krieg 58v.Chr. nach dem Fürsten der Haeduer, Dumnorix, war der König der Sweben, Ariovist. Eine Persönlichkeit, die trotz der ungeheuren Vorwürfe und Unterstellungen Caesars würdig war, ein „Freund Roms“ genannt zu werden und auf Augenhöhe mit dem Feldherrn verhandelte. Wir haben es nicht mit irgendeinem kleinen Gau- oder Stammesfürsten zu tun, sondern mit einem Strategen und Politiker, der seine Einflusssphäre zeitweise über das Elsass bis an die Saône ausdehnen konnte. Als er Caesar Widerstand leistete, vereinte er unter seinen Feldzeichen Haruden (Cherusker), Markomannen, Triboker, Vangionen, Nemeter, Sedusier (Eudoses) und Sweben.

Auch Caesar verwendet neben der Bezeichnung Sweben für den Stamm Ariovists den Begriff Germanen. Nun ist aber unstrittig der swebische Stamm nicht nur der größte und mächtigste am Oberrhein gewesen, sondern eng verwand mit den anderen Stämmen im Tal. Und ich wage zu behaupten, auch mit den im Aargau lebenden Tigurinern. Alle diese Sweben finden wir später wieder beieinander in der Provinz Germania superior. Dass sie eigentlich eine swebische war, belegen wenige Jahrhunderte später die Alemannen. Diese Stammesgruppe bildete sich nach dem Vorbild der Markomannen. Sie führte den Kampf der Neckarsweben gegen die bis in ihr Stammesgebiet vorgedrungenen Römer. Alle Stämme, die von den Römern unterworfen worden waren, vereinten sich unter diesem Namen Alemannen und kämpften unerbittlich um ihre

Karte 2 - Das alemannische Sprachgebiet.

Freiheit. Die alemannischen Gebiete und die noch heute dort vorherrschenden Dialekte untermauern die These, von gleicher ethnischer Abstammung zu sein. Karte 2 zeigt das alemannische Sprachgebiet, so wie es heute von den Sprachwissenschaftlern definiert wird. Es ist grün umrandet und schraffiert. Es deckt ungefähr den Raum ab, den die swebischen Stämme am Oberrhein (Triboker, Rauriker), am Hochrhein (Tiguriner), am Alpenrhein (Räter) und an der oberen Donau (Vindeliker) seit über 2000 Jahren bewohnten. Sicher gab es immer wieder kleinere Verschiebungen zwischen den Grenzen der Stämme, aber keine derartigen weiträumigen Verdrängungen, wie sie, wenn es um Germanen geht, immer wieder von Historikern ausgegraben werden.

Weiter im Norden Westeuropas gibt es ebenfalls Anlass, die Begriffe Germanen und Sweben näher zu beleuchten. Als uns Caesar über die Ubier berichtete, erwähnte er deren Erzfeinde. Er meinte damit Sweben. Caesar hielt sie für bedeutend und mächtig. Ariovist hatte ihn das gelehrt. Östlich der Ubier lebten die Chatten. Ein Stamm im Einzugsgebiet der Weser. Ebenfalls an diesem Fluss, über die Aller weit nach Osten reichend, wohnten die Cherusker. Sie müssen nach Caesars Definition ebenfalls Sweben gewesen sein. Tacitus, der uns ausführlich sein Wissen über „Germania“ ausbreitet, schreibt (Germania 38):

„...Jetzt ist über die Sweben zu sprechen, von denen es nicht wie bei den Chatten oder Tenkterern nur einen einzigen Stamm gibt; sie bewohnen nämlich den größten Teil Germaniens und sind heute noch in verschiedene Stämme mit eigenen Namen untergliedert, obwohl sie insgesamt Sweben heißen...“

Was sagt uns das? Germanen waren in der Minderzahl, obwohl die Römer beide Lebensräume, das der Germanen und das der Sweben, als „Germania magna“ bezeichneten. Germanen, und das habe ich schon in den vorangegangenen Büchern versucht darzustellen, lebten nur am Niederrhein, im heutigen Flandern, in den Niederlanden und in Nordrhein-Westfalen. Ähnlich der Entwicklung im deutschsprachigen Südwesten vollzog sich die Vereinigung der germanischen Stämme im Zuge der Bildung des fränkischen Großverbands.

An der Weser, am Main, an der Elbe, an der Oder, an der Weichsel und an der Donau lebten Sweben. Sie hatten sogar ihr eigenes Meer, das swebische, Mare Suebicum von den Römern genannt. Seit dem Mittelalter heißt es Ostsee. Verbreitet ist die von den Römern abgeleitete Auffassung, dass die Sweben zum Volk der Germanen gehören. Dieser Ansicht kann und möchte ich nicht folgen. In meinen Erzählungen werden die Sweben dort genannt, wo sie lebten. Sie werden den Germanen nicht untergeordnet. Die spätere Geschichte gab mir recht.

Beispielsweise haben die germanischen Franken alle Stämme am rechten Niederrhein im 2.Jahrhundert vereint, zogen erst in mehreren Stößen und schließlich dauerhaft über den Fluss und befreiten ihre linksseitig unter römischer Herrschaft lebenden Stammesbrüder. Die Karte 3 zeigt das Sprachgebiet der ersten Franken, das sich fast mit den Siedlungsgebieten der Belger und linksrheinischen Germanenstämme am Niederrhein deckt. Die rote Linie zeigt die südlichen Gebiete der Belger an, die unter den Römern mit Galliern besiedelt und romanisiert wurden.

Ähnlich vereinten die Alemannen alle südwestlichen Stämme im Ne- ckarbecken, zerstörten den Limes, der ihr Land teilte, drängten die Rö- mer über den Rhein und führten mehrere Vorstöße in die römischen Provinzen durch, ehe sie ihre Stammesbrüder im Oberrheintal und im Aargau befreiten. Obwohl eng miteinander verwandt, haben sich die germanischen Franken klar von den swebischen Alemannen abgegrenzt. Sie führten zeitweise Kriege gegeneinander, in denen es um die Herrschaft über gallische Stämme ging. Mit Hilfe der Alemannen befreiten sich die Sweben am obergermanischen und rätischen Limes endgültig von den Römern.

Karte 3 - Das altfränkische Sprachgebiet.

Sweben als Markomannen

In den nachfolgenden Texten sollen die Stämme behandelt werden, die in dem von den Römern „Germania magna“ genannten Gebiet lebten. Die Bezeichnung „Germania“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es tatsächlich eine überwiegend von Sweben bewohnte Region war. Es sind dies die Stämme entlang der Elbe, des Mains und der Oder.

Die römischen Eroberungskriege am Rhein und an der Donau lösten eine Kettenreaktion der Gegenwehr unter allen diesen Stämmen aus. Darunter spielten die Markomannen eine besondere, eine herausragende Rolle. Wer waren diese Krieger? Was wird überliefert?

Im Jahr 58v.Chr., am 14.September, trafen im Oberelsass, nahe Mühlhausen, römische und swebische Truppen aufeinander. Caesar konnte das Schlachtfeld behaupten und die Sweben unter König Ariovist zogen sich zurück über den Rhein in den Schwarzwald und weiter zum Neckar. Die anderen Stämme, die Triboker, Nemeter und Vangionen blieben in ihren Stammesgebieten im Oberrheintal nach der Schlacht von den Römern unbehelligt. Unter Ariovist kämpften auch Markomannen, so schrieb es Caesar nieder. Bei ihnen handelte es sich wahrscheinlich um swebische Heerscharen, die sich unterhalb der Mainmündung gesammelt hatten und dann über die östliche Rheintalstraße nach Süden gezogen waren. Treverische Adlige, die sich in das Feldlager Caesars begeben hatten, machten ihn auf diese Truppen aufmerksam und nannten ihm sogar die Namen der Anführer. Da die Treverer an das Rheintal grenzten als Nachbarn der Vangionen, und der Adel untereinander bekannt, versippt und verschwägert war, hatten sie frühzeitig von diesem Truppenaufmarsch erfahren. Vielleicht hatten die Sweben die verwandten Treverer sogar um Waffenhilfe gebeten. Leider war die Aristokratie dieses großen Stammes gespalten. Eine Gruppe hatte sich den Römern angebiedert, um möglicherweise mit deren Hilfe an die Macht zu gelangen. Die andere Gruppe verbündete sich mit den Römerfeinden rechts des Rheins.

Die Anführer der Markomannen wurden als Brüder bezeichnet, ihre Namen waren Nasua und Cimberius. Nach der Schlacht unter Ariovist mussten sich die Markomannen zurückziehen bis an die Mündung des Mains.

Diese erste Begegnung mit den Römern wird ihre Spuren hinterlassen und die Stämme am Rhein und am Main zu größter Vorsicht ermahnt haben. Auch wenn Caesar aus seinem Sieg keinen unmittelbaren Nutzen ziehen konnte außer der Gewissheit, dass er Ariovists Einflussgebiet links des Rheins beschnitten hatte, mussten sich die Stämme zur römischen Politik positionieren. Legte man sich mit diesem mächtigen Feind an oder versuchte man, sich friedlich mit ihm zu einigen? Das war die Frage, die fast alle Stämme plagte und ihre Anführer spaltete. Im Laufe des Gallischen Krieges halfen die Römer nach und zogen mit ihren Geschenken und Versprechen viele Adlige auf ihre Seite. Vorerst noch hatten die Gegner Caesars im Oberrheintal fast ein halbes Jahrhundert Ruhe.

Das traf auch für die sogenannten „helvetischen“ Stämme zu. Nachdem sich Söldnereinheiten, die auf Seiten des gallischen Fürsten der Haeduer, Dumnorix, bei Bibracte gegen Caesar kämpften, in ihre Heimat hinter dem Jura zurückgezogen hatten, mischten sie sich nicht mehr in die gallischen Angelegenheiten ein. Ihr wichtigster Stamm, die Tiguriner, der schon mit den niederrheinischen Teutonen in der Provinz Gallia Transalpina gegen die Römer gekämpft hatte, unter Divico, blieben im Aaretal und bewahrten vorerst ihre Unabhängigkeit. Aus den Ereignissen des Jahres 58v.Chr. wird ersichtlich, dass leider beide Nachbarstämme, die Tiguriner und die Neckarsweben, nicht zusammenarbeiteten. Sie hätten ein ideales Bündnis gegen Caesar schließen können; doch anscheinend konkurrierten sie in den gallischen Nachbarprovinzen miteinander. Ihre östlichen Nachbarn, die Boier, waren Verbündete der Tiguriner.

Die neuen Nachbarn Roms

Entlang des Mittel- und Oberrheins lebten wie schon gesagt swebische Stämme. Von Süden nach Norden waren das die Triboker, die Nemeter und die Vangionen. Unmittelbar am südlichen Rheinknie werden in der Überlieferung die Rauriker genannt. Ob sie Klientel der Triboker oder der an der Aare lebenden Tiguriner waren, lässt sich nicht klären. Am bedeutendsten war der Stamm der Sweben, den Caesar unter dem König Ariovist erwähnt hatte. Ich nenne ihn zur Unterscheidung von anderen Stämmen Neckarsweben.

Der Oberrhein war nach Caesars Eroberungen und nach der Schlacht bei Mühlhausen 58v.Chr. noch keine römische Grenze geworden, lediglich Einflussgebiet. Das römische Besatzungsgebiet endete auf den Kämmen des Jura, der Vogesen und des Pfälzer Waldes. Etwa auf der Höhe der Wasserscheide des Oberrheins.

Nunmehr war Augustus, der Nachfolger Caesars, am Niederrhein erschienen, fest entschlossen, die neuen Grenzen Roms am Rhein und an der Donau dauerhaft in Besitz zu nehmen und zu festigen.

Als seine Söhne Tiberius und Drusus 16v.Chr. bis 15v.Chr. die Alpen und das Vorland bis zur Donau erobert hatten, war das unbesetzte Oberrheintal eine Schwachstelle am Rande Galliens. Tiberius hatte auf seinem Zug gegen die Tiguriner sowohl die Triboker als auch die Rauriker unterworfen. Zwar gab es noch keine römische Provinz im übrigen Oberrheintal, doch den Anspruch darauf. Augustus beauftragte Drusus damit, die römische Herrschaft am mittleren Rhein zu sichern. Der Rhein wird von Gebirgen begleitet. Im Norden durch das Rheinische Schiefergebirge, das am Hunsrück linksrheinisch und am Taunus rechtsrheinisch endete. Weiter südlich fassen der Odenwald und der Schwarzwald das rechte Ufer, der Pfälzer Wald und die Vogesen das linke. Auf dieser Seite des Flusses bildet eine Ebene zwischen dem Oberrhein und der Haardt den Lebensraum der Vangionen (Kurpfalz). Auf der linken Seite zwischen Taunus und Odenwald liegt die Ebene der Wetterau und am Main die des heutigen Südhessens. In deren Mittelpunkt befindet sich die Mündung des Mains, des größten östlichen Nebenflusses des Rheins. Über dieses Mündungsgebiet bestand der leichteste Zugang zum Rheintal, ähnlich verhielt es sich mit der Wetterau.

Die Römer hatten die strategische Bedeutung dieses geografischen Raumes erkannt. Links des Rheins befanden sich die Gebiete der Treverer, die als Verbündete der Römer galten. Doch gab es immer noch römerfeindliches Potenzial in ihrem Gebiet. Die Vangionen verhielten sich neutral, sie waren eng mit den Treverern verbunden. Auf der anderen Seite war die Lage eine gänzlich andere. In der Wetterau standen die Chatten, durch und durch römerfeindlich eingestellt. Sie waren Angehörige der Weser-Sweben.

Bis an die Mündung des Mains in den Rhein, wo Vangionen lebten, hatten die Markomannen ihr Einflussgebiet ausgedehnt. Sie bildeten einen wehrhaften Teil des Großverbands der Sweben, die an der Elbe und am Main siedelten. Unter ihnen hatten die Hermunduren den größten Einfluss.

Als Folge des römischen Vorstosses auf die Donau hatten sie an der Mündung des Mains Position bezogen und beobachteten von dort aus die Entwicklung auf der römischen Seite. Doch noch waren keine römischen Truppen zu sehen. Stattdessen lagerten gegenüber Hilfskräfte aus gallischen und treverischen Kriegern. Dieser für Augustus unbefriedigende Zustand am Mittelrhein sollte durch Drusus verändert werden. Seine weitreichenden Pläne verlangten einen Legionsstützpunkt.

Als Drusus 10v.Chr., also 40 Jahre nach Caesars Heerschau bei den Treverern, mit seinen niederrheinischen Legionen in dieser Region erschien, erhob er den Anspruch auf die endgültige Besetzung des Gebiets. Er berief sich auf Caesar und Augustus. Die ortsansässige Aristokratie versammelte sich auf dem Donnersberg, um sich mit dem römischen Anspruch auseinanderzusetzen. Dieses kultische Zentrum der Vangionen sollte den Rahmen für die Auseinandersetzungen zwischen den Adligen bilden. Die umliegenden Bewohner, die nach swebischer Sitte ein Mitspracherecht auf dem Thing besaßen, wurden nicht einbezogen. Ein nicht unerheblicher Teil des Adels befürchtete einen Volksaufstand. Krieg mit den Römern zu führen, davon rieten die Vertreter des treverischen Nachbarn dringend ab. Sie empfahlen den Abschluss eines Bündnisvertrags; er könnte dem Stamm weitgehende Autonomie zusichern. Dafür stimmten die Adligen der westlichen Gaue im Einzugsgebiet der Nahe, dem stark bewaldeten Gebiet zwischen dem Hunsrück und dem Pfälzer Wald. Sie standen den Treverern am nächsten und wussten, dass ihre dünn besiedelten Gaue wenig Anziehungskraft auf die Römer ausübten. Gegen eine Unterwerfung stimmten vor allem die Gaue nördlich und östlich des Rheins. Sie hofften auf die Unterstützung der swebischen Nachbarn, der Chatten und Markomannen. Problematisch war die Lage der Gaue direkt am Rhein. Dort lagen die großen Siedlungen, dort betrieben die Schiffer ihr Handwerk auf dem Fluss, dort lebten Kaufleute mit weit reichenden Verbindungen. Einerseits konnte ohne Einwilligung der Römer auf dem Rhein nicht mehr gehandelt werden, so vermittelten das die Ubier. Andererseits würden militärische Stützpunkte in dieser friedlichen Gegend zweifellos Konflikte mit den Nachbarn befördern.

Drusus gab zu verstehen, dass er nicht bereit war, tagelang auf eine Entscheidung zu warten. Er wusste, dass unter Sweben Entscheidungsprozesse ihre Zeit brauchten, Zeit für Opfer und Wahrsagung am Altar, Zeit für kriegerische Wettkämpfe und für Festgelage. Rücksprachen mit ihm ergaben, dass es direkt um einen Stützpunkt für zwei Legionen in der Nähe der Mainmündung ging. Dafür wollte er den Standort auswählen, von den Vangionen das Land erhalten und versorgt werden. Als Gegenleistung sicherte er seinen Schutz zu.

Der Adel beugte sich, der Stammesführer und Ältestenrat stimmten dem „Friedensvertrag“ zu. Drusus erhielt freie Hand. Die Legionen wurden aus der fruchtbaren Pfälzer Niederung mit Nahrungsmitteln versorgt. Die Bewohner wurden übergangen.

Drusus Truppen zogen bis zum Rheinbogen gegenüber der Mündung des Mains. Eine leicht hügelige, überwiegend entwaldete Landschaft breitete sich nach Süden vor ihm aus. Sie war der Lebensraum vieler Bauern. Die Vangionen bewohnten den geografischen Raum zwischen dem Taunus, dem Nordpfälzer Bergland, dem Pfälzer Wald, dem Odenwald (die Sweben im Süden nannten Wotan Odin) und dem Spessart. Wie alle Stämme am Rhein siedelten auch die Vangionen auf beiden Ufern. Der Siedlungsschwerpunkt lag eindeutig im Rheintal zwischen der Alsenz und dem ersten Mainbogen nördlich von Darmstadt, sowie zwischen dem Taunus und Speyer.