Sylt oder solo - Claudia Thesenfitz - E-Book
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Sylt oder solo E-Book

Claudia Thesenfitz

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Beschreibung

Der neue Syltroman der Bestsellerautorin Liebe, Geld, Sylt – Nina hat alles, wovon sie früher nur träumen konnte: Sie lebt zusammen mit ihrem Traummann Jan auf Deutschlands schönster Insel. Die Tage in der Surfschule und dem kleinen Strandbistro sind märchenhaft. Doch wie hält man die Liebe fest? Geht das überhaupt? Als Jan urplötzlich eine Auszeit will, Ninas Ex auftaucht und das Leben noch einige andere Überraschungen für sie parat hält, begreift sie, dass nichts selbstverständlich ist. Und sie beginnt, um ihr Glück zu kämpfen.

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Das Buch

»Sylt oder solo« ist die Fortsetzung von Claudia Thesenfitz’ erstem Roman Sylt oder Selters, der sich aber selbstverständlich auch unabhängig davon lesen lässt.

Das Buch fängt da an, wo die meisten Liebesfilme aufhören: Was passiert nach dem Abspann? Lassen sich Happy Ends im Alltag fortsetzen? Wie hält man Glück dauerhaft fest? Die Surfschule von Nina und Jan auf Sylt läuft wie geschmiert. Eigentlich ist alles toll – nur haben sie immer weniger Zeit füreinander. Erste Temperaturstürze schleichen sich in den Weich-Zeichner ihrer Beziehung. In Nina wachsen die Selbstzweifel synchron zu ihren Hüftringen. Jan ist acht Jahre jünger als sie, verhält sich in letzter Zeit seltsam distanziert, ist nicht mehr liebevoll und aufmerksam und beginnt zu allem Überfluss auch noch, unverhohlen mit seinen Surf-Schülerinnen zu flirten. Als er beschließt, sein Studium in Berlin fortzusetzen, schrillen bei Nina die Alarm-Sirenen. Der Moment, in dem die Liebe geht, ist schließlich genauso mysteriös wie der, in dem sie kommt. Ein Plan muss her – und zwar ein guter. Gar nicht so einfach, das Feuer wieder anzufachen, wenn unter der Asche kaum noch Glut ist …

Die Autorin

Claudia Thesenfitz, 1967 geboren, hat lange festangestellt als Chefreporterin bei Tempo und petra gearbeitet, bevor sie sich 2001 als freie Autorin und Journalistin selbstständig machte. Sie schreibt für alle großen Frauen-Zeitschriften und Magazine (emotion, Brigitte, petra, maxi, Für Sie, Cosmopolitan, Gala u. v. m.) und hat unter anderem die Autobiographien von und mit Nena (2005, Luebbe), Dieter Wedel (2008, Luebbe) und Uwe Ochsenknecht (2013, Luebbe) geschrieben.

Von Claudia Thesenfitz sind in unserem Hause bereits erschienen:

Sylt oder SeltersMeer Liebe auf Sylt

Claudia Thesenfitz

Sylt oder solo

Ein Glücksroman

Ullstein

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ISBN 978-3-8437-1765-6

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: Landschaft: Heinz Wohner / Getty Images, Frau: FinePic®, München

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Für Claudia

Some people feel the rain. Others just get wet.

(Bob Marley)

1

Ninas Frisur sah aus, als hätte man ihr einen Oktopus auf den Kopf gesetzt: Fingerdicke Strähnen hingen ihr wie Tentakel ins Gesicht und kräuselten sich auf ihrer Schulter. Wochenlang hatte sie ihre Haare weder gekämmt noch gewaschen, sondern alle drei Stunden mit Salzwasser übergossen und anschließend in tau-artige Stränge gedreht. Auf diese Weise sollten sie verfilzen und zu lässigen Dreadlocks werden. Doch das, was sie da jetzt im Spiegel sah, war eindeutig zu wahr, um schön zu sein: Mit diesen Kraken-Armen auf dem Kopf sah sie alles andere als cool aus – ihre »Frisur« erinnerte eher an einen selten gereinigten Riesen-Wischmopp. Oder einen verwahrlosten Bobtail.

Das Experiment war klar danebengegangen – so viel stand fest! Der hippe Rasta-Look der Sylter Surferboys war einfach nicht ihrs. Entnervt stellte sie die Dusche an und beschloss, zum ersten Mal seit sechs Wochen wieder Shampoo zu benutzen.

Mit geschlossenen Augen ließ sie das warme Wasser über Gesicht und Körper laufen und wusch sich die Haare. Was für ein Duft! Was für ein Genuss! Der Schaum rann in Zeitlupe an ihrem Körper herunter und das weiche, federleichte Wasser fühlte sich an, als würde es sie sanft streicheln. Wie immer konnte sie beim Duschen komplett entspannen. Und sich wegträumen …

Zwei Jahre war es mittlerweile her, dass Nina zum ersten Mal ihren Fuß auf die Insel der »Reichen und Schönen« gesetzt hatte. Ein mickriges Zelt auf dem Campingplatz von Kampen war damals ihre Unterkunft gewesen. Im Wohnwagen neben ihr lebte die 83-jährige Dauer-Camperin Elli. Schnell und intensiv hatten sie sich angefreundet und einen herrlichen Sommer zusammen verbracht, zu dem auch Profi-Surfer Jan gehörte, in den Nina sich auf den ersten Blick verliebt hatte.

Tieftraurig, die Insel wieder verlassen zu müssen, war Nina am Ende ihres Urlaubs zurück nach Hamburg gefahren – um ein paar Monate später aus allen Wolken zu fallen, als sie nach Ellis Tod erfuhr, dass diese schwerreich gewesen war und Nina als Alleinerbin eingesetzt hatte. Elli hinterließ Nina nicht nur zwei renditestarke Mietshäuser in Bremen, sondern auch ein stattliches Barvermögen, sodass Nina ihren Graphikerinnen-Job bei einer Frauenzeitschrift kündigen konnte, um zu Jan nach Sylt zu ziehen und dort eine Surf-Schule mit ihm zu eröffnen.

Leben, wo andere Urlaub machen. Nina hatte zwar nicht »Goodbye Deutschland« gesagt, aber immerhin »Goodbye Festland« …

Sie stellte die Dusche aus, trocknete sich ab, zog sich an, brühte eine Kanne Tee auf, schenkte sich eine Tasse ein und setzte sich mit feuchten Haaren auf die Terrasse vor ihren silbernen Airstream-Wohnwagen.

Das Licht war milchig, die Luft noch kühl und der Tag noch nicht richtig wach. Es war Mitte September, die Saison neigte sich ihrem Ende zu, und das Jahr bot seine letzten Sommer-Tage auf.

Jan war schon vor einer Stunde zur Surf-Schule aufgebrochen, weil eine Kundin unbedingt noch vor ihrem Arbeitsbeginn Wellenreiten lernen wollte. Max, Ellis kleiner, weißer Wollknäuel-Hund, der zur Erbmasse gehört hatte, schlief zufrieden vor der Wohnwagen-Tür. Seine Rasse war undefinierbar. Er musste eine Mischung aus Malteser und Terrier sein, wie Nina gegoogelt hatte, und sah – je nach Nässe-, Verdreckungsgrad und Jahreszeit – wahlweise wie eine gigantische Schneeflocke, ein explodierter Feudel oder ein überdimensionierter Wattebausch aus.

Nina nahm einen Schluck Tee aus der dampfenden Tasse, lehnte sich zurück, legte die Füße auf den Tisch und dachte an die ersten Wochen nach der überraschenden Erbschaft, die wie ein unverhoffter Lotto-Gewinn für sie gewesen war. Trauer und Freude – die beiden Gefühle hatten in diesen Tagen ständig gewechselt. Tränen der Freude und Tränen des Schmerzes. Sie weinte über Ellis Tod – und freute sich über den Geldregen, den das Testament für sie bedeutete: Die beiden Acht-Parteien-Mietshäuser in Bremen, die nun ihr gehörten, generierten komfortable monatliche Einnahmen in Höhe von rund 15 000 Euro, und auf Ellis Sparkonto hatten sich damals zudem noch über 350 000 Euro befunden.

Drei Tage nach der Testamentseröffnung war Nina in ihrem alten Mercedes zu Jan nach Berlin gerast, der dort im Winterhalbjahr Medizin studierte, und hatte ihr Glück dabei kaum fassen können. Es war, als hätte das Leben plötzlich einen goldenen Scheinwerfer auf sie gerichtet und einen Sternenregen über ihr ausgeschüttet. Alles schien möglich: Die große Liebe, der große Traum, das große Geld!

Es folgten Wochen wie im Rausch: Leidenschaftliche Nächte wechselten mit Power-Shopping-Tagen und ausschweifenden Restaurantbesuchen. Es war die totale Befriedigung ihrer Sinne und Bedürfnisse. Geradezu unverschämt exzessive Einkaufs-Touren hatte sie damals mit Jan in den beiden Friedrichstraßen (in Berlin und Westerland) unternommen: Ein paar edle Anzüge für ihn, in denen er aussah wie Brad Pitt, teure Uhren, handgefertigte Schuhe, erlesener Schmuck. Tagelang waren sie im Konsum-Flash auf Beute-Tour, mit Tüten bepackt wie Lastesel. In Berlin aßen sie im »Grill Royal« die teuersten »Dry Age«-Steaks und übernachteten anschließend in einer Suite im »Hotel du Rome« mit kinoreifem Blick über die Dächer der Stadt.

Auf Sylt deckten sie sich bei Feinkost Meyer mit Hummer und Jahrgangs-Champagner ein und logierten wahlweise im Arosa (Norden) oder Budersand (Süden) Hotel.

Nina gab Ellis Geld mit vollen Händen aus, weil sie einmal im Leben so richtig aus dem Vollen schöpfen wollte. Einmal Millionärin sein – und sich auch so fühlen.

Natürlich hatte sie bei ihren Kaufexzessen auch immer wieder ein schlechtes Gewissen, Ellis vermutlich mühsam zusammengespartes Geld derart zu verprassen. Elli selbst war schließlich sehr bescheiden gewesen und hatte ganz andere Werte im Leben für wichtig gehalten als Konsum. »Geld macht nicht reich« war ihr Leitspruch gewesen. Aber Elli hätte gewollt, dass sie sich freut, tröstete sich Nina dann. Sie hätte ihr den Spaß gegönnt, den so ein Konsumrausch eindeutig schenkte – zumindest kurzfristig.

Für den Umzug nach Sylt kaufte Nina einen dieser runden, kultigen, amerikanischen Wohnwagen aus Alu, mit dem sie Ellis Dauer-Stellplatz übernahm. Gemeinsam mit Jan hatte sie immer wieder überlegt, sich auf Sylt eine Wohnung zu mieten. Aber da sie Wohnwägen beide urgemütlich fanden und Nina die Nutzung des geerbten Dauer-Stellplatzes zudem als Tribut an Elli empfand, entschlossen sie sich zu einem Zuhause auf Rädern. Wozu brauchten sie auch eine Wohnung – sie waren eh den ganzen Tag draußen am Strand! Und wenn die Nacht anbrach, wollten sie es drinnen kuschelig und gemütlich haben – genau diesen Anspruch erfüllte der silberne Wal perfekt.

In Beton-Wänden hatten sie lange genug gelebt, darin waren Jan und Nina sich sofort einig. Es ging ja gerade darum, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben, und der Airstream-Wohnwagen bot in der »Special Edition« eh die Annehmlichkeiten einer Luxus-Wohnung: Auf sieben Metern Länge und 2,30 Metern Breite erstreckten sich zwei Schlafzimmer, ein loungiger Chill-Bereich mit coolen Ledersofas, ein großer Kleiderschrank und ein Badezimmer mit Duschkabine und WC – inklusive angenehmer Details wie beheizbare Handtuchhalter und beleuchtete Rasier- und Schminkspiegel.

Die Edelstahlküche mit einem Drei-Flammen-Herd plus Abzugshaube ließ bei Hobbyköchen keine Wünsche offen und verfügte sogar über einen großen Kühlschrank mit Gefrierfach und eine Mikrowelle.

Auch sonst war der Wohnwagen mit modernster Technik ausgestattet: Zentralheizung, Klimaanlage, Flachbild-TV und Satellitenanlage. Über ein LCD-Steuerpanel konnte man zudem die wichtigsten Funktionen wie z. B. den Pegelstand des Frischwasservorrats, den Batterieladezustand oder den Stromverbrauch kontrollieren.

Mit seinen ovalen Bullaugen-Fenstern und der 50er-Jahre-Optik war der silberne Wohnwagen Kult und wurde im Sommer massenhaft von Neugierigen umzingelt und bestaunt. Das Teil war einfach lässig!

Über der hölzernen Terrasse spendete eine orange Markise Schatten, und es gab sogar eine Außendusche für die erste Salz- und Sand-Entfernung nach den Tagen am Meer. Kurz: Nina und Jan fehlte es an nichts!

Der Wohnwagen hatte so viel wie ein Eigenheim gekostet, dennoch galten Nina und Jan auf Sylt nicht als reich, denn hier herrschte die »15-5-5«-Regel: Die Kampener Multi-Milliardäre kauften eine 15 Millionen-Villa mit Watt-Blick, renovierten sie für 5 Millionen, um sie 5 Tage im Jahr zu bewohnen. Dagegen waren sie kleine Fische.

»Guten Morgen, Nina! Wie war die Nacht?« Die fröhliche Stimme von Frau Zemke riss Nina aus ihren Tagträumen. Margit Zemke gehörte zu Ninas Hamburger »Mitbringseln«. Die 61-Jährige war Sekretärin in der Frauenzeitschriftenredaktion gewesen, in der Nina gearbeitet hatte. Als Nina von ihrem ersten Sylt-Urlaub traurig in die Redaktion zurückgekehrt war, hatte sie sich mit ihr angefreundet und sie schließlich auf die Insel importiert, wo sie nun im Surfschulen-Bistro arbeitete.

Unerwartet zügig hatte Margit sich in Campingplatzwart Sörensen verliebt und war nach nur zwei Wochen in dessen kleines Platzwart-Häuschen eingezogen.

Ihre biedere Senioren-Dutt-Frisur wandelte sich daraufhin in einen strubbeligen Kurzhaarschnitt à la Gitte oder Rod Stewart, der sie sofort zehn Jahre jünger aussehen ließ. Aber vielleicht machte das auch ihre Liebe zu Sörensen, dachte Nina. Die beiden waren unverschämt glücklich. Immer noch schossen Blitze hin und her, wenn sie sich debil grinsend ansahen – und das taten sie ziemlich oft!

Margit hatte durchgehend gute Laune. So wie heute. »Das wird ein herrlicher Tag«, zwitscherte sie, während sie Richtung Platzwarthaus tänzelte und dabei eine Brötchentüte schwenkte.

Grinsend schluckte Nina den letzten Rest Tee aus der Tasse, räumte das Geschirr in die Spüle und machte sich auf den Weg zur Surfschule. Die Arbeit rief.

3

Swusch, swusch, swusch – fasziniert beobachtete Nina, wie elegant Jan mit seinem Board auf den Wellen ritt und seine Bewegungen mit denen des Wassers verschmolzen. Wie ein guter Jockey, der eins wird mit dem Rhythmus seines Pferdes. Oder ein Skifahrer, dessen Knie wie perfekte Stoßdämpfer über die Hügel federten.

Jan war gut, sehr gut sogar, denn Surfen auf Sylt war alles andere als einfach: Die Wellen waren kurz, kamen meist arhythmisch und waren dadurch unberechenbar. Die Brandung war heftig und hatte eine starke Unterströmung. Der Schwierigkeitsgrad wurde unter Profis – je nach Windstärke – auf hoch bis sehr hoch geschätzt, und dazu musste man noch höllisch auf die Buhnen-Reste aufpassen, die die gesamte Westküste entlang spitz und scharfkantig aus dem Wasser ragten. »Wer auf Sylt surfen kann, kann es überall«, hieß es. Wer hier das Wellenreiten lernte, war für jede Brandung der Welt gewappnet. Beweis für diese These war der Erfolg der gebürtigen Sylter SUP-Legende Sonni Hönscheid, die aktuell weltweit Preise einsammelte.

Wipeout, Brechungslinie, drop, Weißwasser, duck dive, take off, kook – die hippen Surf-Vokabeln, die Nina regelmäßig von Jan und seinen Surf-Buddys, die sich gegenseitig »Dude« nannten, um die Ohren flogen, musste sie lernen wie eine neue Fremdsprache. »Hot dog surfing« nannte man zum Beispiel die schnellen, exakten Manöver, die Jan gerade auf den kleinen Wellen vollführte.

Aber auch nachdem Nina die Fachbegriffe endlich einordnen konnte, war sie noch lange kein Profi. Während ihres Fuerteventura-Urlaubs hatte sie zwar ein Intensiv-Training von Jan bekommen, dennoch gelang ihr selten der »take off«, um in den »drop« zu kommen – der Moment, von dem man aus der paddelnden Bauchlage in den Stand kam und dann aufrecht stehend die Welle absurfte bzw. »ritt«.

Die meiste Zeit planschte Nina bäuchlings auf dem Brett durch die Brandung oder wartete hinter der Brechungslinie, wo das Wasser wieder ruhiger war, auf die »perfekte Welle«.

Den lässigen Surf-Lifestyle jedoch mochte sie sehr. Ein Gespür für die Wellen und ihren Rhythmus zu entwickeln, mit dem Meer zu verschmelzen, sich eins mit der Natur zu fühlen und den ganzen Tag draußen auf dem Wasser zu sein, hatte etwas sehr Meditatives. Für viele »Dudes« war Surfen deshalb eine spirituelle Erfahrung, wurde zu einer Religion, die ihr Leben veränderte.

Und nach den Stunden in Wasser und Sonne die Muskeln zu spüren, abends am Lagerfeuer Bier zu trinken, zu chillen und zu grillen und dazu relaxte Musik der Surf-Junkies Jack Johnson oder Donovan Frankenreiter zu hören, war einfach herrlich.

Abgesehen davon sah es unglaublich cool aus, sich ein Board unter den Arm zu klemmen und zum Wasser zu rennen …

Ein Extra-Bonus war für Nina, dass sie nun endlich wusste, wozu und warum ihre geliebten UGG-Boots erfunden worden waren: Australische Surfer hatten die lammfellgefütterten Stiefel kreiert, damit ihre Füße nach dem Tag im kalten Wasser wieder warm wurden.

Unermüdlich paddelte Jan sich durch die Brandung, tauchte auf dem Board liegend unter den Wellen durch, um hinter die Brechungslinie zu kommen. Surfen war wirklich seine Leidenschaft, die ihm scheinbar niemals langweilig wurde. Würde sein Körper ihm nicht irgendwann Bedürfnisse wie Hunger, Durst oder Müdigkeit signalisieren, käme er vermutlich gar nicht mehr aus dem Wasser. 71 Prozent der Erdoberfläche waren von Wasser bedeckt, hatte Nina gelesen – da würden Jan die Surf-Möglichkeiten wohl nicht so schnell ausgehen …

Sie pfiff nach Max, der gerade mal wieder eines seiner unzähligen Meerbäder nahm. Manchmal nahm Jan ihn auch mit aufs Brett, wo er dann stolz auf dem hinteren Ende saß, während Jan sie über die Wellen bugsierte. Nina war immer wieder verzückt, wenn ihre beiden Männer gemeinsam übers Meer ritten.

Wie ein nasser Feudel mit Stummelbeinen kam der klitschnasse Max über den Strand gesprintet. Sein wolliges Fell triefte derart vor Salzwasser, das Nina kurz überlegte, ihn auszuwringen oder in den Neopren-Anzug-Trockner zu stecken. Max kam diesen drastischen Maßnahmen zuvor, indem er sich direkt vor ihren Beinen schüttelte, was eine kreisrunde Fontäne zur Folge hatte, die sogar einen kleinen Regenbogen warf.

Die nassgespritzte Nina wischte sich seufzend das Wasser aus dem Gesicht und jagte Max die lange Treppe zum Kliff hoch. Sie musste dringend einkaufen – der Wohnwagen-Kühlschrank war restlos leer und auch der nasse Feudel brauchte neues Futter.

Früher war sie mit Jan bei Sonnenuntergang oft Hand in Hand zum Grande Plage oder zum Wonnemeyer geschlendert, um den Tag bei einem Absacker mit dem Personal ausklingen zu lassen. Oder sie waren ins Kino gegangen, hatten in Gretas Open-Air-Bar einen Late-Night-Drink genommen oder waren in die Sansibar gedüst. Aber dieses Jahr war die Saison so anstrengend, dass sie fast gar nicht mehr ausgingen. Jan kam oft erst spät vom Strand, weil er entweder noch surfte, Abendkurse gab oder das Equipment aufräumte. Und dann wollte er nur noch duschen, fernsehen oder auf dem iPad daddeln.

Um sich nicht zu langweilen und ihre Kreativität gänzlich verkümmern zu lassen, hatte Nina sich aufs Kochen verlegt – bevorzugt thailändisch, vietnamesisch und indisch, denn diese Küchen gab es kaum auf der Insel. Nina liebte es, in den dicken, bunten Kochbüchern zu blättern, die sie sich hatte liefern lassen. Heute würde es grünes Curry mit Rinderfiletstreifen, Bohnen und grünem Pfeffer geben. Die Zutaten dafür kaufte sie im Bioladen oder bei Feinkost Meyer, wo es immer frischen Koriander gab – auch in der Nebensaison.

Aber erst musste Max versorgt werden. Nina hatte bei den Mädels im Wenningstedter Hundeladen »Promenadenmischung« eine Ernährungsberatung für ihn gemacht und sich einen ausgeklügelten BARF-Speiseplan erstellen lassen. BARF bedeutete Fütterung mit Frischfleisch und Gemüse – speziell auf Max abgestimmt. Teuer und aufwendig – aber Nina fühlte sich Elli gegenüber verpflichtet, es dem geerbten Hund so gut wie möglich gehen zu lassen. Während Vivien das Fleisch aus dem Lager holte, strich Ninas Blick über das »Leckerli«-Angebot: In kleinen Bastkörbchen lagen Kabeljau-Taler, Elch-Burger, getrocknete Lammohren (mit oder ohne Fell) und selbstgemachte Wellness-Frikadellen. Nina entschied sich für zwei Fischplätzchen als Belohnung für Max, weil er die Strecke von Kampen nach Wenningstedt neben ihrem Fahrrad zu Fuß gelaufen war.

»Hier, Schätzchen!« Vivien wuchtete einen prall gefüllten Plastiksack neben den Kassentresen. »Das müsste für den lütten Hasen bis Montag reichen!« Nina kaufte sein Fleisch in Wochenrationen, die sie in einer kleinen Kühltruhe lagerte und Max täglich seine Tagesportion auftaute.

Hunde in Max’ Größe verkamen auf Sylt oft zum strassbehängten Status-Accessoire, das man in der LV-Tasche mit sich herumtrug. Oder in die sauteure Pelzkragen-Pulli-Kollektion steckte, die ein Luxus-Hundeausstatter in Westerland anbot. Dort gab es sogar Hunde-Champagner und -Parfum. Nina fand das abstoßend dekadent und war wild entschlossen, Max auf keinen Fall zu verzärteln. Auch auf dem Rückweg ließ sie ihn deshalb mit hängender Zunge neben dem Fahrrad herlaufen.

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