T wie Tessa (Band 2) - Codewort Lotusblüte - Frauke Scheunemann - E-Book

T wie Tessa (Band 2) - Codewort Lotusblüte E-Book

Frauke Scheunemann

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Beschreibung

Tessa topsecret! Die Mädchen von Gimme Four sind wahre Legenden. Sie haben eine Million Follower, dürfen während der Schulzeit auf Tournee gehen und ich, ich würde töten, nur um irgendwie dazuzugehören! Seit Tessa Mitglied der Girl Group Gimme Four und damit versehentlich Geheimagentin geworden ist, hat sie alle Hände voll zu tun. Und ausgerechnet jetzt interessiert sich auch noch ihr heimlicher Schwarm für sie. Perfektes Timing sieht anders aus! Aber: Keine Zeit zum Trübsal blasen – ab zum Hamburger Hafen. Hier hat die Polizei mit 20 Tonnen Rauschgift den größten Fang aller Zeiten gemacht! Doch Tessa, ihre Bandkolleginnen und Hector finden heraus, dass die wahren Hintermänner in Rotterdam sind. In dem größten Hafen Europas beginnt ein gnadenloses Katz-und-Maus-Spiel … Band 2 der coolen Agentenreihe! T wie Tessa und topsecret! In dem zweiten Band der Agenten-Reihe kombiniert Bestseller-AutorinFrauke Scheunemann gekonnt Coolness, Herzklopfen, Schwärmereien und ganz viel Witz. Chaos-Queen Tessa stolpert in ihren ersten spannenden Kriminalfall – eine unverkennbar humorvolle und unterhaltsameKinderbuch-Reihe für Jungs und Mädchen ab 11 Jahren. Suchtpotenzial ist bei diesem Abenteuer garantiert! Ob in der Schule, in Hamburg oder Rotterdam – das Böse lauert in diesem Kinder-Krimi überall. Mit modernen und coolen Schwarz-Weiß-Vignetten. Dieser Titel ist auf Antolin gelistet.

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Seitenzahl: 203

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Inhalt

PrologIn tödlicher Gefahr

1Keine Zeit für freie Zeit!

2Master of Disaster

3Alte Freunde, neue Abenteuer

4Alles eine Frage der Vorbereitung

5Work-Life-Balance

6Anfangsverdacht!

7Auf eigene Faust

8Neue Pläne und alte Stars

9Hafenrundfahrt

10Betriebsausflug

11Retter in der Not

12Welkom in Rotterdam!

13Maus über Bord

14Billigheimer!

15Eine tierische Überraschung

16Codewort: Lotusblüte

17

»Verlieren Sie genauso elegant, wie Sie gewinnen?«

»Das weiß ich nicht. Ich habe noch nie verloren.«

(Maximilian Largo und James Bond in »Sag niemals nie«)

»Wieso kann bei mir nicht ein einziges Mal etwas nach Plan laufen?«

»Da habe ich gute Nachrichten. Ich werde dich bei deinem nächsten Einsatz wieder unterstützen!«

(Tessa Neumann und Dschingisiin Hector in »Codewort Lotusblüte«)

PROLOG

In tödlicher Gefahr

»Verdammt, lasst uns endlich raus«, schreie ich und haue mit den Handflächen auf die Containertür. Die bewegt sich allerdings keinen Millimeter, auch nicht, als ich mit voller Wucht dagegentrete. Ich hole mit beiden Fäusten aus und trommle auf ihr herum, bis mir die Hände wehtun und ich sie erschöpft sinken lasse. Neben mir rumpeln Kim, Mia und Alex im Container herum und suchen ebenfalls nach einer Möglichkeit herauszukommen. Aber da es hier drinnen stockdunkel ist und uns bei unserer Gefangennahme die Handys abgenommen wurden, ist die Chance, irgendetwas zu finden, gleich null.

Verzweifelt trete ich ein letztes Mal gegen die Tür, dann lehne ich mich mit dem Rücken an die Containerwand und rutsche an ihr hinunter. Am Boden angekommen, bleibe ich sitzen und lege den Kopf auf meine Knie. Wie konnten wir hier bloß reingeraten? Und, viel wichtiger: Wie kommen wir hier bloß wieder raus?

Eine ganze Weile lehne ich so an der Wand, bis mich ein zischendes Geräusch direkt neben mir zusammenzucken lässt. Was, zur Hölle, ist das?

»Hört ihr das auch?«, rufe ich in die Dunkelheit.

»Was denn? Ich hör nichts.« Das ist eindeutig Kims Stimme. Ja, die Stimme unserer Leadsängerin würde ich inzwischen überall erkennen. Selbst wenn sie nur vier, fünf Worte sagt, hat das so einen tollen Sound, dass ich fast vergessen könnte, in welcher Lage wir uns befinden. Aber eben nur fast – denn natürlich ist mir schmerzlich bewusst, dass wir gerade nicht in unserem Probenraum, sondern in einem alten Schiffscontainer stecken.

Es zischt wieder. Ungefähr einen Meter von mir entfernt.

»Doch, da ist ein Zischen«, wiederhole ich also. »Kommt hier irgendwo vom Boden her.«

»Moment, ich bin gleich bei dir.« Das ist jetzt Mia. Ich höre, wie sie mit vorsichtigen Schritten auf mich zugeht. Schließlich stößt sie mit ihren Fußspitzen an mein Bein.

»’tschuldigung«, murmelt sie.

»Alles gut. Aber hör mal!«

Wir schweigen beide und lauschen angestrengt in die Finsternis hinein.

»Ja, es zischt tatsächlich. Das kommt aus der Dichtung um die Türen«, stellt Mia fest. »Verdammt. Jetzt haben wir aber ein richtiges Problem.«

Jetzt? Wie meint sie das denn? Ich würde sagen, wir haben schon die ganze Zeit ein richtiges Problem, denn drei bewaffnete Kriminelle haben uns in einen Schiffscontainer gesperrt! Oder … oder meint sie etwa, es könnte noch schlimmer kommen?

»Was ist denn los?«, frage ich und merke, dass meine Stimme leicht zittert.

»Das Zischen«, sagt Mia knapp. »Der Container wird begast. Schädlingsbekämpfung, Standardprozedere. Wenn wir hier nicht ganz schnell rauskommen, sind wir bald tot.«

»Tot?«, rufe ich entsetzt. »Aber … aber …« Mir versagt die Stimme. Das darf doch alles nicht wahr sein!

»Ja, natürlich«, bestätigt Mia. »Und falls die hier mit Blausäure begasen, würde ich sogar sagen: toter als tot.«

Toter als tot ist wirklich nicht das, was ich mir als Ergebnis des heutigen Tages vorgestellt hatte. Dabei fing unser neuer Einsatz eigentlich nicht besonders gefährlich an. Eigentlich …

1

Keine Zeit für freie Zeit!

Early Bird. Early Bird? Was meint Marianne denn bloß damit? Verwirrt blicke ich auf meinen Trainingsplan. Da steht es schwarz auf weiß: Early Bird. Danach kommt noch Schule, Lunch und Karate, nicht zu vergessen Hausaufgaben und Krafttraining. Bei allen anderen Aktivitäten hat Marianne eine Uhrzeit an den Rand gekritzelt, nur bei Early Bird steht nichts. Weder Uhrzeit, noch, worum es geht.

»Sag mal, Beyza, was muss ich mir denn unter Early Bird vorstellen?«, flüstere ich.

Meine Freundin guckt keine Sekunde von ihrem Buch auf, sondern murmelt nur: »Sehr früh aufstehen, Tessa.«

»Ja, klar. Aber wie früh und vor allem: wofür?«

Beyza seufzt, dann legt sie ihr Buch vor sich auf den Tisch. Wir sitzen beide im Leseraum unserer Schulbibliothek und Beyza hat mir den neuen Plan gerade in einem verschlossenen Umschlag rübergeschoben.

»Early Bird ist ein Platzhalter für alle Trainingseinheiten, die in den nächsten Wochen schon vor der Schule stattfinden«, erklärt sie mir dann und flüstert dabei ebenfalls, weil Frau Schramm, unsere nette, aber geräuschempfindliche Schulbibliothekarin, uns schon einen tadelnden Blick zuwirft. »Deshalb kann da auch keine Uhrzeit stehen. Je nachdem, was ihr trainiert, fängt es mal früh an und mal noch früher.«

Aha. Früh und früher. Für eine Langschläferin wie mich sind das keine guten Nachrichten.

»Und woher weiß ich, was genau morgen drankommt?«, flüstere ich zurück.

»Nachricht nach dem Krafttraining«, antwortet Beyza knapp. Anscheinend will sie noch etwas sagen, verstummt aber, als Frau Schramm plötzlich an unserem Tisch auftaucht und tadelnd den Zeigefinger auf die Lippen legt.

»Psssst«, sagt sie und dreht sich zum nächsten Tisch um, an dem Lara Krullmann beim Nägellackieren gerade das Fläschchen umgekippt ist und sich ein blaumetallicfarbiger See auf der Tischplatte bildet.

»Lara, also wirklich!«, schimpft Frau Schramm. »Wir sind hier doch nicht im Schönheitssalon! Nun sieh dir die Schweinerei an!«

»Hab ich ja nicht extra gemacht«, kommt es patzig von Lara zurück. Genauso kenne ich sie. Zickig, arrogant und unfreundlich – und besonders auf mich richtig sauer, weil ich ihr den Platz als Gitarristin bei Gimme Four weggeschnappt habe. Gimme Four ist die angesagteste deutsche Schülerinnenband und jeder wäre da gern an Bord gekommen, als ein Platz frei wurde. Genommen haben sie nach dem Vorspielen aber mich und das hat Lara mir immer noch nicht verziehen. Fairerweise muss man sagen, dass erstens ich als Einzige vorgespielt habe, weil meine Konkurrenz Probleme hatte, überhaupt in den Probenraum zu kommen – aber das ist eine andere Geschichte. Zweitens ist Gimme Four in Wirklichkeit keine Girl Group, sondern Teil eines international operierenden Agentenrings namens RING. RING, kurz für Rescue by International Non-Goverment Agents, ist ein Geheimdienst, der gegen das organisierte Verbrechen kämpft. Ich bin mir nicht mal sicher, dass ich mich beworben hätte, wenn mir das vorher klar gewesen wäre. Damit verbunden ist nämlich eine Menge Aufwand, unter anderem ebenjener Trainingsplan. Vermutlich fände Lara es gar nicht witzig, wenn sie ihre sorgfältig manikürten Nägel beim nächsten Intensiv-Work-out an der Kletterwand ruinieren würde. Aber das weiß sie natürlich nicht und ich werde es ihr nicht sagen, schließlich ist Tarnung alles im Agentenleben. Im Grunde genommen habe ich ihr aber einen Gefallen getan und das mache ich auch jetzt wieder, indem ich nämlich ein Taschentuch aus meinem Rucksack krame, aufstehe und zu ihrem Tisch rübergehe.

»Hier«, sage ich und drücke es ihr in die Hand. Lara guckt erstaunt, dann wischt sie damit den blauen Lackfleck von der Tischoberfläche.

»Danke.« Frau Schramm nickt mir freundlich zu, nimmt Lara das zerknüllte Tuch ab und verschwindet damit in Richtung Papierkorb, der neben ihrem Schreibtisch vorne am Empfang steht.

Lara mustert mich, dann schnaubt sie abfällig.

»Nerd!«, murmelt sie und besieht sich wieder ihre Fingernägel. Mir es das reichlich egal. Während mich so eine Bemerkung vor ein paar Wochen noch getroffen hätte, kann ich heute drüber lachen. Aber seitdem ich Mitglied von Gimme Four bin, hat sich mein Leben komplett geändert. Ich habe lebensgefährliche Verfolgungsjagden überstanden, echten Kriminellen das Handwerk gelegt und, noch viel wichtiger: festgestellt, dass man nicht cool sein muss, um wirklich cool zu sein. Alles eine Frage der inneren Einstellung. Na ja, meistens ist das jedenfalls so, immer klappt es natürlich noch nicht bei mir.

Ich setze mich wieder zu Beyza an den Tisch und gucke noch mal auf den Plan. Ab morgen nach dem Mittagessen also Karate. Find ich gut! Bei der Geschichte in Berlin konnte ich mich zwar einigermaßen gegen die Typen zur Wehr setzen, die Kim, Mia, Alex und mich überfallen hatten, um uns ein Säckchen mit Diamanten abzuknöpfen. Aber das war eher Freestyle unter Zuhilfenahme einer Dachlatte. Wohler wäre mir schon, wenn ich mich im Ernstfall nicht erst um Material für meine Selbstverteidigung kümmern müsste.

»Bist du fertig?«, Beyza zeigt auf mein aufgeschlagenes Matheheft.

Ich nicke.

»Ja, bin ich.«

»Okay, dann mal los. Das Training startet gleich.«

Ich werfe einen Blick auf die Uhr, die über der Eingangstür in die Bibliothek hängt. 16:30Uhr. Tatsächlich ist die Hausaufgabenzeit hier gleich zu Ende und noch vor Kurzem wäre ich jetzt ganz gemütlich nach Hause geradelt und hätte dort eine Runde gechillt oder mich mit Freundinnen im Einkaufszentrum getroffen. Stattdessen jetzt Gewichtestemmen und Crosstrainer. Aber klar – als Agentin muss ich wirklich fit sein. Das hat mir Marianne, die offiziell die Managerin von Gimme Four, in Wirklichkeit aber vor allem unsere Verbindungsoffizierin ist, gleich zu Beginn unmissverständlich klargemacht. Denn nur ein fitter Agent ist auf Dauer ein lebender Agent. Alle anderen sind leichte Beute für das organisierte Verbrechen.

Beyza hat schon ihre Sachen zusammengeräumt und wartet an der Tür zum Gang auf mich, der in die Eingangshalle unserer Schule führt. Wir kennen uns schon seit dem Kindergarten, aber nie hätte ich vermutet, dass ausgerechnet Beyza Aktan gewissermaßen die Technik-Chefin einer Agentenzelle ist. Okay, sie ist schon seit der fünften Klasse Mitglied der Veranstaltungs-AG und kennt sich mit allem aus, was einen Stecker hat. Aber dass sie so kaltblütig und verschwiegen ist, wie sie es für ihren »Nebenjob« sein muss, hätte ich ihr nicht zugetraut. Sie selbst behauptet zwar von sich, sie sei nur das gut sortierte Bodenpersonal unseres Agentenrings, aber das ist eindeutig tiefgestapelt. Räume mit Wanzen ausstatten, Funkgeräte auf dieselbe Sendefrequenz bringen und Überwachungskameras installieren, die wirklich niemand findet – für Beyza alles kein Problem. Kurz: Was Q für James Bond ist, ist Beyza für Gimme Four.

Und genauso wenig wie Q vermutlich am Fitnesstraining von Herrn Bond teilnimmt, muss sich Beyza heute noch die Turnschuhe anziehen. Kaum haben wir das Schulgebäude verlassen, klopft sie mir auf die Schulter und geht in Richtung S-Bahn. Die hat jetzt Feierabend, die Glückliche! Ich hingegen werde bei tollstem Sommerwetter in die finstere Muckibude radeln.

An den Fahrradständern angekommen, stelle ich fest, dass jemand versucht hat, mein Fahrrad zu klauen. Das Schloss ist ziemlich ramponiert und am Hinterrad, durch das das Schloss geschoben ist, sind alle Speichen verbogen. So ein Mist! Wie komm ich denn jetzt zum Training?

»Probleme?« Ich fahre herum – hinter mir steht Timo Erhard und schon allein beim bloßen Herumstehen sieht er so cool und lässig aus, dass mein Herz einen kleinen Sprung macht.

»Hallo, Timo!«, rufe ich und hoffe, ich klinge nicht zu begeistert, sondern auch einigermaßen cool und lässig. »Ja, irgendein Vollhonk hat mein Rad geschrottet und ich muss eigentlich dringend los.«

Timo kommt einen Schritt näher und betrachtet mein Fahrrad.

»Mann, sieht echt übel aus! Ich fürchte, das musst du in die Werkstatt bringen. Fahren kannst du damit nicht mehr. Wo willst du denn hin?«

»Ins Fitnessstudio, nach Bahrenfeld. Wir müssen für den nächsten Videodreh trainieren.« Das ist zwar Quatsch, aber mir fällt gerade kein besserer Grund ein, warum nun gerade eine Achtklässlerin wie ich dringend in ein Fitnessstudio müsste.

Timo grinst.

»Soso, Fitness? Jogg doch hin, dann hast du gleich auch ein bisschen Lauftraining.«

»Theoretisch eine gute Idee. Aber auch wirklich nur theoretisch, denn ich muss da in einer Viertelstunde aufschlagen. Das schaffe ich selbst mit einem Weltrekord-Sprint nicht.«

Dass ich diese halbwegs schlagfertige Antwort überhaupt vor die Tür kriege, verdanke ich übrigens auch meiner Karriere als Agentin. Noch vor Kurzem hätte es mich in regelrechte Schockstarre versetzt, von Timo-ich-bin-schon-in-der-zehnten-Klasse-Erhard angesprochen zu werden. Ich finde ihn nämlich schon seit der fünften Klasse gut. Das ist drei Jahre her. Aber erst nachdem er mir bei meinem ersten Einsatz bei einer Verfolgungsjagd geholfen hat, bin ich nicht mehr ganz so aufgeregt, wenn ich mit ihm spreche. Apropos Verfolgungsjagd – ob Timo seine Vespa hier hat, mit der wir die Verbrecher dingfest gemacht haben? Da passen wir locker zu zweit drauf und das würde den Weg ins Fitnessstudio natürlich extrem entspannt gestalten.

»Soll ich dich vielleicht rumfahren? Die Vespa steht da drüben«, schlägt Timo in diesem Moment vor.

Ich muss laut lachen.

»Was ist daran so witzig?«, will Timo wissen.

»Zwei Doofe, ein Gedanke«, erkläre ich, immer noch lachend. »Ich wollte dich das auch gerade fragen.«

»Na, dann nichts wie los. Bitte sehr, Mademoiselle!« Er macht eine übertriebene Verbeugung und eine Handbewegung in die Richtung, in der tatsächlich die Vespa steht: knallrot, bildschön, ein heißes Gefährt!

»Hast du einen zweiten Helm?«, frage ich.

»Aber natürlich. Du kennst doch mein Motto, oder?«

Ich schüttle den Kopf.

»Nee, welches Motto?«

Timo grinst.

»Allzeit bereit! Schau mal genauer hin – der zweite Helm ist hinterm Sitz eingehakt. Kann sofort losgehen.«

***

Ich habe das Visier geöffnet und spüre den Fahrtwind im Gesicht. Gleichzeitig halte ich mich an Timo fest – natürlich zu meiner eigenen Sicherheit, aber es ist ein tolles Gefühl und ich könnte noch ewig so weiterfahren. Leider sind wir mit der Vespa so schnell, dass wir schon gute fünf Minuten später vor dem alten Fabrikgebäude stehen, in dem sich das Fitnessstudio befindet.

Timo stoppt den Roller, ich steige ab und ziehe mir den Helm vom Kopf.

»Vielen Dank!«, sage ich.

»Kein Problem! Wie lange trainierst du? Ich könnte dich auch wieder einsammeln und wir gehen bei dem tollen Wetter noch ein Eis essen.«

»Oh, das ist eine super Idee …«, flöte ich und will gerade erklären, dass ich hier bestimmt in zwei Stunden fertig bin, als plötzlich Marianne neben mir auftaucht.

»Daraus wird leider nichts«, erklärt sie freundlich, aber bestimmt. Och nö! Was soll das denn?

»Hallo, Frau Atlee«, grüßt Timo sie höflich. »Ich kann Tessa auch später abholen.«

»Sehr nett von dir, Timo, aber ich fürchte, unser Zeitplan ist heute so eng, dass da keine Verabredung mehr drin ist. Am besten, ihr sucht euch einen anderen Tag aus. Vielleicht nächste Woche? Diese Woche sind wir wegen unserer Proben richtig im Stress.«

»Ach so«, Timo klingt genauso enttäuscht, wie ich mich gerade fühle. Nächste Woche?

»Aber Tessas Fahrrad ist kaputt, ich muss sie sowieso abholen«, unternimmt Timo einen letzten Versuch.

»Wirklich sehr nett von dir, aber nicht nötig«, bügelt ihn Marianne ab. »Wenn wir hier fertig sind, fahre ich Tessa nach Hause. Dann können wir auch gleich ihr Rad einsammeln und es bei der Werkstatt abstellen. Das ist doch mit dem Roller eher etwas schwieriger.«

»Na gut«, murmelt mein So-gut-wie-Date. »Dann ein anderes Mal. Tschüss, Tessa!«

Er will sich gerade umdrehen und wieder auf seinen Roller steigen, da strecke ich meinen Arm aus und tippe ihm auf die Schulter.

»Hey, lass uns morgen in der Schule noch mal sprechen, okay?«

Er nickt mir zu.

»Ja, machen wir.« Dann grinst er. »Vielleicht finden wir ja doch noch eine Lücke im Terminkalender von Fräulein Neumann.« Er winkt mir und Marianne zu, setzt seinen Helm auf, steigt auf die Vespa und braust davon. Ich schaue ihm wehmütig hinterher. Ein leckeres Spaghettieis in Begleitung von Timo, das wäre die perfekte Abendgestaltung gewesen!

»Tessa, warum schleppst du den denn hier an?«, tadelt mich Marianne. »Je weniger Leute von deinem Training mitbekommen, desto besser.«

»Ja, aber mein Fahrrad war kaputt«, verteidige ich mich. »Ich hätte es ohne Timo überhaupt nicht rechtzeitig hierher geschafft. Außerdem habe ich ihm erzählt, dass wir für unser nächstes Tanzvideo trainieren. Was ist daran verdächtig?«

Marianne seufzt.

»Versteh doch, Tessa – es ist am besten, wenn alle um dich herum möglichst wenig davon wissen, was du neben der Schule und unseren Auftritten so machst. Immer schön den Ball flach halten, das ist unsere Devise!«

»Sollte ich deswegen später kein Eis mit Timo essen gehen?«

»Nein, dagegen habe ich gar nichts. Aber du hast schlicht keine Zeit dafür. Wir trainieren jetzt bis 19Uhr, dann haben wir eine Einsatzbesprechung oder, besser gesagt, eine Taktik- und Strategieschulung.«

»Taktik und Strategie?«

Marianne nickt.

»Natürlich. Unsere Einsatzplanungen machen wir schließlich nicht nach Gefühl. Nein, es gibt Standardoperationen und Prozedere, die ihr kennen solltet und die euch helfen werden, bei euren Einsätzen erfolgreich zu sein.«

Klingt langweilig, aber ich traue mich nicht, das zu sagen. Macht nichts, Marianne redet auch so weiter.

»Vor 21Uhr bist du also nicht zu Hause. Und dann würde ich dir dringend empfehlen, ins Bett zu gehen, damit du morgen früh ausgeruht und fit bist.«

»Das hat mir Beyza schon gesagt – Early Bird. Wie early ist das denn?«

»Wir starten um 5Uhr. Also bitte um 4:15Uhr startklar vor der Tür stehen, ein Fahrer holt dich ab.«

Wie bitte? Da habe ich mich doch hoffentlich verhört!

»4:15Uhr?«

»Genau.«

Okay, doch nicht verhört. Selbst wenn ich mir nur die Zähne putze und auf so überflüssiges Zeug wie Duschen, Kämmen und Föhnen verzichte, muss ich dafür spätestens um 4Uhr aufstehen. Ist das der richtige Moment, um zu erwähnen, dass ich mindestens acht Stunden Schlaf brauche?

»Aber wohin wollen wir denn so früh?«

»Morgen ist Fahrtraining. Und da du noch nicht Auto fahren kannst, geht es erst mal auf die Teststrecke. Die liegt nun mal etwas außerhalb. Um sieben sind wir fertig, dann bist du pünktlich zur ersten Stunde wieder in der Schule. Schätze mal, ein, zwei Wochen, dann haben wir dich einigermaßen fit am Steuer. Karate dauert vermutlich deutlich länger, aber auch da bleiben wir dran.«

Bitte? Ich soll die nächsten zwei Wochen jeden Morgen um Viertel nach vier startklar vor der Haustür stehen? Das ist ja wohl nicht Mariannes Ernst!

»Was ist denn mit Kim, Alex und Mia?«, will ich wissen. »Dürfen die etwa ausschlafen?«

»Die sind alle drei ausgezeichnete Autofahrerinnen, also starten sie tatsächlich etwas später in den Tag.« Marianne lächelt. »Kein Grund, sich aufzuregen. Übung macht den Meister. Und du brauchst eben noch viel Übung.«

Schönen Dank auch! Good bye, Privatleben – hallo, Bootcamp. Aber auf ein Eis mit Timo werde ich mich trotzdem treffen. Wenn es heute nicht klappt, dann eben morgen. Das kann mir Marianne wirklich nicht verbieten. Und wenn ich mir Streichhölzer zwischen die Lider stecken muss, um meine Augen aufzuhalten!

2

Master of Disaster

Ich habe einen sehr schlimmen Traum: Obwohl es draußen noch dunkel ist, klingelt mein Wecker unbarmherzig. Ich bin unfassbar müde, aber ich darf den Wecker nicht ausstellen, sondern muss mich aus dem Bett quälen und ins Badezimmer schleppen. Es ist wirklich ein böser Albtraum, aber das Schlimmste daran ist, dass mein Wecker so lange weiterklingelt, bis mir klar wird, dass dies kein Traum ist, sondern ich tatsächlich aus den Federn muss. Im Badezimmer entdecke ich im Spiegel als Erstes einen sehr unschönen Pickel, der ziemlich genau auf der Mitte meiner Nasenspitze wächst. Wie ätzend! Ich sehe aus wie ein Rhinozeros! Ob Mum irgendwo Abdeckstift oder Puder hat? So kann ich unmöglich das Haus verlassen.

Im Badezimmerschrank finde ich nichts dergleichen, auch nicht in Mums Schminktäschchen, das im Regal neben der Dusche steht. Meine Schwester hat ihr gesamtes Make-up mit nach Australien geschleppt, wo sie ein Jahr als Austauschschülerin verbringt, und andere Quellen für Schminksachen haben wir bei uns im Haus nicht. Wenn es jetzt nicht 4Uhr wäre, könne ich mir einfach etwas im Drogeriemarkt kaufen, aber einen Notdienst werden die kaum haben. Was mache ich jetzt bloß? Ich bin völlig entstellt.

»Morgen, Schatz, was bist du denn schon dermaßen früh unterwegs?« Offenbar habe ich bei meiner Suche so laut geklappert, dass ich meinen Vater geweckt habe. Mit zerknautschtem Gesicht und eingewickelt in seinen gestreiften Frotteebademantel lehnt er im Türrahmen und sieht mindestens so müde aus, wie ich mich fühle.

»Morgen, Paps! Wir haben heute früh noch vor der Schule eine Probe für unseren nächsten Auftritt«, mogle ich. Meine Eltern wissen natürlich nicht, dass ich mittlerweile Geheimagentin bin. Sie denken, ihre jüngste Tochter sei aufgrund ihrer unglaublichen Gitarrenkünste Mitglied in einer berühmten Band geworden. Wäre es anders, würde mich meine Mum vermutlich nicht mehr aus dem Haus lassen, denn alles, was ihr im Ansatz gefährlich erscheint – Radfahren ohne Helm, Bungee-Jumping oder Gleitschirmfliegen –, steht auf der roten Liste der Dinge, die unbedingt zu vermeiden sind. Ich bin mir sehr sicher, dass Tätigkeiten für internationale Geheimdienste auch darauf landen würden, wenn meine Eltern auch nur den Hauch einer Ahnung von RING hätten.

»Oje, mein armes Mädchen, das ist ja wirklich hart!«, bedauert mich mein Vater völlig zu Recht. »Soll ich dir eine heiße Schokolade machen?«

»Danke, nicht nötig, Paps. Geh mal lieber wieder ins Bett. Ich werde auch gleich abgeholt.«

Mein Vater gähnt und nickt.

»Na gut, Papuschel. Das mach ich jetzt tatsächlich.«

Er verschwindet Richtung Schlafzimmer. Ich putze die Zähne, schlüpfe in Jeans und T-Shirt und binde meine braunen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Dann lächle ich mir selbst im Spiegel aufmunternd zu, schnappe mir Jacke und Rucksack und stehe tatsächlich um 4:14Uhr abholbereit vor unserer Haustür.

Kurz darauf hält dort eine schwarze Limousine mit getönten Scheiben und ein junger Mann steigt aus. Groß, blonde, volle Haare, eigentlich ziemlich gut aussehend. Und ausgerechnet jetzt bin ich ein Nashorn! Wie unangenehm!

»Tessa?«, ruft er mir zu.

»Ja, das bin ich«, antworte ich ihm. Er mustert mich kurz und scheint etwas überrascht zu sein. Hatte er jemanden erwartet, der älter ist als ich? Oder irgendwie professioneller aussieht?

»Ich bin Max. Vorne oder hinten?«

Hä? Was meint er denn damit?

»Willst du vorn oder hinten einsteigen«, erläutert er seine Frage und grinst. Ach so. Ich bin aber auch zu blöd.

»Gern vorn«, antworte ich. »Hinten wird mir ziemlich schnell schlecht.«

»Das sind ja beste Voraussetzungen für ein Fahrtraining«, erwidert der Blonde spöttisch und ich merke, dass ich ein bisschen rot werde.

»So schlimm wird es doch nicht werden, oder?«, nuschle ich, ohne den Typen anzusehen. Der zuckt nur mit den Schultern, geht ums Auto herum und öffnet mir die Beifahrertür.

***

Es wird ziemlich schlimm. Wenn ich gewusst hätte, wie schlimm, hätte ich mir Reisekaugummi eingesteckt. Allerdings machen die immer ziemlich müde und dann wäre ich wohl auf der Stelle wieder eingeschlafen.

So bin ich jetzt wach und klammere mich so sehr an das Lenkrad, dass meine Fingerknöchel schon weiß hervorstechen.

»Gegensteuern«, brüllt mich Max an, der, wie ich jetzt weiß, nicht nur mein Chauffeur, sondern auch mein Fahrlehrer ist. Offenbar hält er mich für die unbegabteste Schülerin, die er jemals hatte. Ich reiße das Steuer nach rechts, knalle dabei mit dem rechten Vorderrad gegen den Kantstein, sodass das Auto einen regelrechten Sprung macht. Dann bleibt es mit einem scharfen Ruck stehen, was ich sehr begrüße, denn kurz hinter dem Kantstein ist ein Mast. Ich glaube, Max hat eine Vollbremsung gemacht.

»Alter Falter, bist du vorher wirklich noch nie Auto gefahren? Das ist ja dramatisch!«, ranzt er mich an. »Nur gut, dass das hier ein Wagen mit Fahrschulausstattung ist und es Gas und Bremse auch auf der Beifahrerseite gibt! Wenn du da rübergebrettert wärst, hättest du glatt das Flutlicht umgefahren!«

»’tschuldigung«, seufze ich, »ich bin aber tatsächlich noch nie Auto gefahren.«

»Also ich weiß jedenfalls nicht, ob ich dir das innerhalb einer Woche beibringen kann«, sagt Max und klingt dabei fast vorwurfsvoll. »Als mich Marianne angefunkt hat, dachte ich, das sei leicht verdientes Geld. Aber da habe ich mich eindeutig getäuscht.«

Langsam werde ich sauer. Was kann ich denn dafür, dass ich das noch nie gemacht habe? Dann bin ich eben kein Naturtalent am Steuer, na und?

»Du, dann sag Marianne doch einfach, dass du es nicht hinkriegst mit mir«, erwidere ich schnippisch. Max schüttelt den Kopf.

»Auf gar keinen Fall. Ich habe das Autofahren bisher noch jedem Vollidioten beigebracht. Du wirst da keine Ausnahme sein.«

Vollidiot? Schönen Dank auch! Am liebsten würde ich jetzt aussteigen und zu Fuß nach Hause laufen, aber nachdem wir fast eine Dreiviertelstunde mit dem Auto hierher gebraucht haben, bin ich ohne fahrbaren Untersatz vermutlich eher zwei Tage unterwegs.

Also atme ich tief durch und versuche, mich nicht weiter provozieren zu lassen.

»Gut. Dann probiere ich es jetzt noch mal. Was soll ich tun?«

»Als Erstes: Hör mal auf, dich so am Lenkrad festzuklammern, als würdest du im Atlantik ertrinken und das sei ein vorbeischwimmendes Stück Holz.«

Jetzt muss ich tatsächlich lachen, denn genau so fühlt sich das für mich gerade an.