Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Der Journalist Francesco Maria Vancelli arbeitete zu Beginn der 1960er Jahre in der Schweiz für eine Outdoor-Life-Agentur, die - so die offizielle Version - für bekannte Abenteuerreisemagazine harmlose Reiseberichte verfasste. Was dagegen weniger bekannt war, das war der Umstand, dass die Scouts dieser Agentur fast ausschließlich Regionen bereisten, die von Touristen zu jener Zeit ganz sicher nicht als Urlaubsland auserkoren worden wären. Ulrich Wegener, Chef dieser Agentur, war nämlich Sympathisant der geheimen Algerien-französischen OAS, der Organisation de l`Armée secrète, und belieferte den amerikanischen Geheimdienst CIA mit nicht selten frisierten Berichten aus den jeweiligen Krisenregionen. Von diesen Tätigkeiten seines Chefs wusste Vancelli jedoch zunächst nichts, verdankte er doch in Wirklichkeit seine Anstellung ausschließlich dem Umstand, dass er im Zweiten Weltkrieg als Kriegsberichterstatter im Afrika-Feldzug der Engländer gegen das Deutsche Afrika Corps Rommels eine Ausbildung im Wüstenkampf erhalten und mit so berühmten Sabotageeinheiten, wie der Long Range Desert Group, das lautlose Töten hinter feindlichen Linien erlernt hatte. Vancelli erhält den Auftrag, einen mit Spezial-High-Tech-Ausrüstung der Amerikaner voll gestopften Mercedes-Unimog von Algerien nach Mali zu bringen und dort einem Colonel Bergerac zu übergeben. Kein leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, wer in den Regionen, durch die die Reise gehen soll, das Sagen hat und die Fäden zieht. Dabei begleiten ihn die während des algerisch-französischen Untergrundkampfes zu Sabotage-Profis ausgebildeten, dennoch oder vielleicht gerade deshalb(?) etwas durchgeknallten, bildhübschen Schwestern Solange Zouzou Zizanie Bergerac, und Sabea Sabi Loulou Bergerac.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 796
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Roman Ludwig Lukitsch
Tanz der Aranaea
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Impressum neobooks
Die Handlung des vorliegenden Romans ist fiktiv. Die Figuren, mit Ausnahme der Personen der Zeitgeschichte, sind erfunden. Sofern die Personen der Zeitgeschichte in diesem Buch handeln wie Romanfiguren, ist auch das erfunden. Die Aktivitäten der handelnden Geheimdienste CIA, KGB, und des französischen Geheimdienst SDECE, sowie auch der algerisch-französischen Organisation OAS, Organisation de l`Armée Secrète, in Europa und Afrika, sind fiktiv, ebenso deren handelnden internen Strukturen. Die „Erinnerungen an Dresden 1945“, die der Autor als Zwischenereignisse einfügte, sind fiktiv, mit Ausnahme der allgemein bekannten Geschehnisse. Ebenso sind die „Erinnerungen an Tobruk“, als fiktiv zu sehen. Die Kampftruppe der Long Range Desert Group von Oberst Haselden hatte es gegeben, ebenso das Desaster vom 14. September 1942 in Tobruk. Der Autor ließ seinen Protagonisten Francesco Maria Vancelli fiktiv als einer der Überlebenden der Long Range Desert Group, an den Geschehnissen teilnehmen.
Prolog von Francesco Maria Vancelli.
Mein Name ist Francesco Maria Vancelli, von Beruf Journalist und Schweizer Nationalität. Zu Beginn der 60er Jahre arbeitete ich in Zürich für eine Outdoor Life Agentur. Die Autoren jener Agentur bereisten die Länder dieser Erde zur Erstellung von Reiseberichte für namhafte Abenteuer- und Reisemagazine.
Je nach Auftrag, den meine Agentur bekam, bereiste ein Teil der Mitarbeiter auch Länder, die mit Sicherheit nicht von Touristen heimgesucht wurden, denn mein Chef Wegener, Sympathisant der OAS, Organisation de l`Armée Secrète, arbeitete auch für den Amerikanischen Geheimdienst CIA. Dieses „kleine Geheimnis“ der Agentur wurde mir erst zu Teil, als ich mich im tiefsten Sumpf meines ersten Auftrags befand.
Meine Aufnahme in diese Agentur verdankte ich dem Umstand, dass ich im zweiten Weltkrieg als zwanzigjähriger Journalist und Kriegsberichterstatter im Afrika-Feldzug der Engländer gegen das Deutsche Afrika Corps Rommels eine Ausbildung im Wüstenkampf bekam und mit so berühmten Sabotageeinheiten wie der Long Range Desert Group von John Haseldens oder der Jock-Kolonne von Jock Campell das lautlose Töten hinter den feindlichen Linien erlernt hatte. Ohne mein Wissen wurde über mich ein Dossier angelegt und nebenbei fragte mich niemand nach meinen Fähigkeiten als Journalist.
In keinem Glied der Nahrungskette wurde so lautlos getötet, wie in der Welt der Aranaea, die Welt der Jagdspinnen. Es war die höchste Anerkennung - für normal denkende Menschen jedoch eine sehr zweifelhafte Anerkennung – wenn Agenten unterschiedlichster Couleur, das lautlose Töten im Detail beherrschten und von den weniger „Begabten“ als eine Aranaea bezeichnet wurde.
Im August 1963 bekam ich von meinem Chef Wegener den verhältnismäßig einfachen Auftrag die Reiseroute Marseille, Alger und Mopti in Mali zu erkunden, mit einem bestens ausgerüsteten Mercedes Unimog. Als Zeitraum wurde November 1963 bis Januar 1964 veranschlagt.
Das Ziel jedoch, dass der CIA der Agentur Wegener in Auftrag gab, hieß Katanga, die südliche Kupferprovinz von ehemals Belgisch Kongo oder Kongo-Leopoldville. Kongo-Leopoldville, die Spielwiese der beiden Supermächte USA und UdSSR und ihrer Geheimdienste sowie sonstige europäische Interessevertreter!
Zeitgleich wurde von der Agentur Wegener in Zusammenarbeit mit der OAS eine umfangreiche Waffenlieferung gesteuert. Waffen aus den Arsenalen in Deutschland, die es nach dem verlorenen Weltkrieg in diesem Lande noch in erheblichen Ausmaß gegeben hat, sowie Waffen aller Spezies aus den geheimen Depots der OAS und der ehemaligen französischen Nordafrika Armee in Algerien.
Wegener organisierte mit Hilfe seiner guten Verbindungen zum französischen Geheimdienst SDECE auch die Waffenlieferungen nach Katanga. Auftraggeber hierzu waren mächtige westeuropäische Gruben-Gesellschaften die mit aller Macht ihre Pfründe im Kupfergürtel von Katanga erhalten wollten. Zu dem Zwecke, dass ich, der ja noch völlig ahnungslos war, auf meinem Trip nach Mali respektive Katanga, worüber ich erst später erfuhr, richtig „gesteuert“ wurde, nahm Wegener Kontakt zur OAS der Organisation de l`Armée Sekrete auf. Diese Organisation verlegte ihre Hauptquartiere nach dem Zusammenbruch “ihres Algerie-Francaise“, im Jahre 1962 in die Schweiz und nach Österreich und war immer noch gut organisiert.
Die OAS wurde im Winter 1960/61 von französischen Offizieren und Generälen gegründet. Eine Organisation, die den Verbleib des französischen Departements Algerien bei Frankreich mit militärischen und auch Terroristischen Mitteln erzwingen wollte. Sie war in drei Flügel gegliedert, in einen politischen Flügel, sowie einen militärischen und in einen propagandistischen. Ihre Agenten wurden zum Teil in den französischen Geheimdienst SDECE, Service de Documentation Exterieure et de Contre-Espionnage, eingeschleust, doch mit weniger Erfolg als das es dem französischen Geheimdienst SDECE im Umkehrschluss gelang, ihre Agenten in die OAS einzuschleusen.
Zu dem Zeitpunkt im August 1963, als ich den Auftrag von Wegener bekam die Reise nach Mali anzutreten, lag die OAS bereits in ihren letzten Zügen. Jedoch verfügte die OAS noch über geheime Waffendepots in Nordafrika und besaß noch bestens geschulte Agenten. Beides konnte man haben. Für viel und gutes Geld und für jeden Geheimdienst der Welt. Diese Organisation de l`Armée Sekrete stellte für mich die beiden Schwestern Solange und Sabea Bergerac als eine Art „Reisebegleiterinnen“ zu Verfügung. Nur wusste ich davon zunächst nichts und mein Chef, Sympathisant der OAS wusste im Gegenzug nicht, dass die beiden inzwischen für den französischen Geheimdienst SDECE arbeiteten.
Solange Zouzou-Zizanie Bergerac, Algerien-Französin aus dem Departement Constantine, im Nordosten von Algerien, geboren in Philippeville, dem heutigen Skikda, war wie erwähnt eine der Schwestern und im Auftrag der OAS in den Jahren von 1960 bis 1962 in Deutschland tätig. Namentlich in Saarbrücken. Sie war ausgebildete Fliegerin, Navigator und spezialisiert auf detaillierte Luftaufnahmen.
Zu jener Zeit war Deutschland Drehpunkt des internationalen Waffenhandel und Waffeschmuggel, welches vornehmlich von Waffenkäufern der algerischen Nationalen Befreiungs-Front FLN, Front de Libération Nationale, genutzt wurde und die den Kampf gegen die Franzosen in Algerien führte.
Sabea Loulou Bergerac, ihre Schwester, die von allen nur Sabi genannt wurde, ging ein Jahr früher als Solange in den Untergrund und schloss sich 1959 der OAS in Algier, der Hauptstadt Algeriens an. Sie wurde von der OAS im Nahkampf geschult und zur Sprengstoffspezialistin ausgebildet. Ihr Auftrag war Aufspüren und Eliminieren der Bombenlegerwerkstätten, welche sich die algerische Befreiungsfront FLN in der Casbah der Stadt Algier eingerichtet haben. Die Aktivitäten von Solange und Sabea Bergerac innerhalb der OAS richteten sich zu keinem Zeitpunkt gegen das Mutterland Frankreich oder gegen Einheiten der französischen Armee in Algerien, sondern immer gegen die algerischen Befreiungsfront und im Falle Sabeas gegen die terroristischen Bombenlegerwerkstätten in der Casbah von Algier. So wurden beide noch vor der Selbstauflösung der OAS vom französischen Geheimdienst SDECE angeworben.
Ihre Betätigungen fanden sie in der Abteilung I des SDECE, in den Büros R1 für Nachrichtenauswertung und R4 für Afrika.
Doch nichts in Europa war ohne Wissen des sowjetischen Geheimdienstes KGB vernünftig zum Ende zu bringen! Janine Knöpfler, geborene Rachmanikoff aus Kiew in der Ukraine, war die Leiterin der Außenstelle Schweiz des sowjetischen KGB und bis dahin mit einem Offizier der Schweizer Armee verheiratet, mit Jean Knöpfler. Jean, ein alter Schulfreund von mir, arbeitete nebenbei für den Amerikanischen Geheimdienst CIA. Seine Frau, Janine Knöpfler-Rachmanikoff habe ich nach Ende unseres Unternehmens geheiratet.
Eine der zahlreichen Tanten von Solange und Sabea heiratete einen Cousin von Janine Knöpfler und wurde dadurch von den Bergerac Schwestern in die Geheimnisse der Bergerac Verwandtschaft eingeweiht und bekamen über die OAS Aktivitäten der beiden Schwestern und durch geschicktes Ausfragen ihres Ehegespons, einen beinahe soliden Einblick in das CIA Manöver Kongo-Katanga. Doch nur beinahe, denn dem sonst allwissenden KGB, wie auch mir, Sabea und Solange, blieb das eigentliche Ziel und die wirklichen Auftraggebern bis zum Ende dieser Mission unbekannt.
Unsere Reise führte uns von Zürich nach Marseille bis Algerien. Agadez in Niger und die Stadt Fort Lamy im Tschad waren die nächsten Stationen und schließlich gelangten wir nach Katanga, in die Südprovinz des Staates Kongo, in eine der Reichsten an Bodenschätzen der Erde geltenden Region. Und im Übrigen, das Land Mali habe ich bis zum heutigen Tag nicht bereist. Schade eigentlich.
Kaum in Algier angekommen wurden Sabea, Solange und ich von dem sowjetischen Geheimdienst KGB in „Empfang“ genommen. Der französischen Geheimdienstes SDECE hielt schützend den skrupellosen Arm seines Agenten Lefebre über uns. Lefebre war Agent der Abteilung V für Aktivitäten die etwas außerhalb jeglicher Legalität lagen, eine Abteilung der Art „Aufräumkommando“. Lefebre konnte uns aus einer misslichen Lage befreien, jedoch nicht dergestalt wie wir es uns wünschten.
Da wäre noch jemand, den ich Ihnen unbedingt vorstellen muss. Wir nannten sie "Zöpfchen", weil sie weit abstehende gebundene Haarbüschel trug, die aller Schwerkraft trotzend, ob es regnete oder der Sand stürmte, immer in waagrechter Lage von ihrem Kopf abstanden. Pleasant Magouba ihr Name und eine Angehörige eines Nomadenstammes, namens "Wodaabe". Ein Stamm, der in der Sahelzone nomadisierte. Ich habe sie in dem Küstenstädtchen Bougie, dem heutigen Bejaia in Nordalgerien kennen gelernt.
Zöpfchens Traum war die Rückkehr nach Agadez, zurück zu den Wodaabe um wie sie meinte, nach Nomadenart hinter den Kuhschwänzen her zu rennen.
In der Stadt Constantine überreichte uns der amerikanische Geheimdienst CIA ein Fahrzeug, das für den schwersten Wüsteneinsatz konzipiert war.
Als besonderes nachrichtentechnisches Bonbon hat die CIA eine Satelliten Navigation aus dem amerikanischen Weltraumprogramm „Corona“, welches zu Beginn der 60er Jahre gestartet wurde, einbauen lassen. Dieser Einsatz war uns zu Beginn unserer Exkursion allerdings nicht bekannt. Ebenso nicht dem sowjetischen Geheimdienst KGB, wobei jene zumindest wussten, dass die CIA einige gewisse Dinge in Afrika am „Laufen“ hielten. Sie wollten es sich nicht entgehen lassen dieses Gefährt in ihre Gewalt zu bringen obwohl ihnen der tatsächliche Einsatzzweck nicht bekannt war.
Prolog Ende
Zürich. Donnerstag, 1. August 1963.
Ullrich Wegeners Büro war vom Feinsten. Fünftes Stockwerk, Jugendstil, mit Blick auf den Zürichsee und auf die Promenade, welche von alten Baumalleen umsäumt waren. Das Inventar in seinem Büro schien aus den besten Auktionshäusern Europas ersteigert zu sein. Wegeners Agentur für das Outdoor Life machte gute Umsätze und die Reiseberichte die wir erstellten, neun Journalisten plus meiner Bescheidenheit, waren sehr begehrt bei Verlage für Abenteuerreisen.
Wegener reiste selbstverständlich nicht in der Weltgeschichte herum. Dafür war er schon zu alt, faul, fett und bequem geworden. Und im Übrigen stand seine katastrophale Kleiderordnung völlig konträr zu seinem Geschmack in Sachen Möbel und Einrichtungen. Dennoch war der Alte nicht unsympathisch, im Gegenteil. Wegener war ein Ausgefuchster Eisenfresser von äußerst direkter Art, aber nie unverschämt in seinen Forderungen. Freundlich und hilfsbereit und selten geizig.
Eine halbe Stunde saß ich nun schon in seinem Büro und seit dieser Zeit malträtierte der Alte das Telefon. Während des Telefonierens, trommelte er unablässig mit dem Bleistift auf seine Schreibtischunterlage.
Schwül und heiß war es an diesem Tag in Zürich und nur vom See her, wehte ab und an eine leichte kühle Prise in die weit geöffneten Fenster. Als vor etwa fünf Minuten sein Telefon klingelte und ich die weiche Stimme einer Frau noch schwach erkennen konnte, schien eine Verwandlung in Ullrich Wegener stattzufinden. Das Hirn des Alten schien geistige Pirouetten zu drehen und seine Schweinchenaugen erhielten eine nie da gewesene Größe. Madame, am anderen Ende der Leitung, musste einen köstlichen Witz zum Besten gegeben haben, denn Ullrichs Bauch hüpfte gnadenlos fröhlich auf und ab. Seine Hände streichelten die Manuskripte und Aktenordner auf dem Schreibtisch, brachten sie akribisch in militärisch exakte Ausrichtung, um sie sogleich auch wieder in das Chaos zu entlassen.
Zwei Manuskripte die Wegener ordentlich hin und her schob, erweckten mein Interesse. Kollege Markus Helmer in der portugiesischen Kolonie Guinea-Bissau?! Wer reiste schon nach Guinea-Bissau? Dachte ich, denn nur Deppen und Lebensmüde reisten nach Guinea-Bissau.
Ich wusste, dass seit letztem Jahr dort ein gnadenloser Kampf der Unabhängigkeitsfront von Amilcar Cabral gegen die Portugiesen geführt wurde. Mit Sicherheit war Guinea-Bissau kein Reiseziel für Touristen, selbst nicht für den Abenteuer-Tourismus.
Das nächste sichtbar gewordene Manuskript war geschrieben von Jacques Dupre´, der Vientiane, die Hauptstadt von Laos bereiste.
In Laos herrschte seit Jahren ein blutiger Bürgerkrieg und seit 1962 eroberten die Soldaten der kommunistischen Pathet-Lao-Bewegung eine Provinz nach der anderen. Laos war ein El Dorado für Waffenschieber, aber kein Ziel für Touristen.
Eigenartig war dies schon und mir kam mein Vorstellungsgespräch vor zwei Jahren bei Wegener in den Sinn. Da zeigte er mehr Interesse für meine Aktivitäten im letzten Krieg in Afrika bei einem englischen Sabotagetrupp gegen das Deutsche Afrika Korps von Rommel, als für meine journalistischen Fähigkeiten. Sie berührten ihn nur am Rand.
»Francesco, was ist heute für ein Tag?«, Wegener fragte dies gleichzeitig mit dem Auflegen des Telefonhörers.
»Donnerstag! Heute ist der 1. August 1963!«
»Das wir 1963 haben, weiß ich auch, Francesco. Im Übrigen, dein Reisebericht vom kanadischen Wood Buffalo National Park, - erste Sahne! Die Verlage überbieten sich um deine Geschichte zu veröffentlichen. Tourismus, wie die alten Waldläufer. Mit Kanu und Büffelknarre. Finde ich toll, hast du etwas mit meiner edlen Jagdflinte anfangen können, Francesco? Wann bringst du mir mein schönes Stück wieder zurück?«
»Gar nicht mehr, Herr Wegener!«
»Was heißt das, Francesco? Der Doppelläufer kostete mich tausend Franken. Was hast du mit der Knarre angestellt?«
»Ich habe sie einem Indianerhäuptling geschenkt. Zum Geburtstag! Er hatte am gleichen Tag Geburtstag, wie Sie. Sternzeichen Löwe! Ein kanadischer Indianer-Sternzeichen-Löwe aus Alberta und dazu ein Schweizer Käsefondue-Sternzeichen-Löwe aus Bern, bei dieser Konstellation musste es schon etwas besonderes sein.«
»Francesco, dürfte ich dich ein bisschen vergiften? Ich werde dir den Betrag von deinem Gehalt abziehen und dann vergessen wir die Sache. Ich habe einen neuen Auftrag für dich. Du checkst mir eine Reiseroute, von Zürich, Marseille, Algerien bis Mali. Was hältst du davon mein Lieber?«
»Nicht schlecht die Strecke Zürich-Marseille, Chef. Soll ich den Rest der Reise über Algerien, nach Mali mit dem Kamel abreiten?«
»Nein, du fliegst nach Algier. Mit der Eisenbahn fährst du von Algier nach Constantine im Osten Algeriens. Dort steht ein neuer Mercedes-Unimog und mit dem durchquerst du die Sahara. Alles klar, Francesco?«
»Nein, nichts ist klar, Herr Wegener! Wann soll die Reise stattfinden, wie viel Zeit habe ich, wie hoch ist mein Spesensatz? wie steht es mit Sondervergütung und mit dem obligatorischen Buschgeld?«
»Bekommst du alles, im November sollte es losgehen, Francesco. Du kannst dir drei Monate Zeit lassen. Den Unimog lieferst du bei Colonel Bergerac in Mali ab, und kommst mit dem Flugzeug zurück. Der Colonel lebt in Mopti, in Mali, die genaue Adresse bekommst du noch.«
»Wie hoch ist mein Spesensatz? wie steht es mit einer Sondervergütung und mit dem Buschgeld?«
»Zarte fünfundzwanzig Prozent mehr als du für Kanada bekommen hast! Du wirst nicht arm sein wenn diese Sache von dir ordentlich über die Bühne gezogen wird. Suche dir noch eine Reisebegleitung, Francesco. Eine Algerien-Französin wäre doch das richtige, wegen arabischer Sprachkenntnisse und so; was meinst du? Muss aber natürlich auf deine Rechnung gehen, ist doch klar, oder?»
Trotz allem Überlegen, um was sich der Alte Lustmolch so kümmerte, so konnte ich seinem listigen Blick dennoch nichts entnehmen. Letzthin fand ich die Idee von Wegener noch nicht einmal so schlecht. Die Auswahl allerdings wollte ich nach eigenen Kriterien treffen. Ich stellte nun eben gewisse Anforderungen die ich für wichtig erachtete und entsprechend sah mein Inserat aus, welches ich noch am gleichen Tag dem Zürcher Tageblatt in Auftrag gab.
Zürich, den 1. August 1963
Ich reise von November 1963 bis Januar 1964 in die Republique du Mali, und suche einen Menschen, der mich nicht nervt. Französische und Arabische Sprachkenntnisse sind Bedingung. Zürcher Tageblatt, Chiffre 4781
Einen einzigen Brief erhielt ich auf mein Angebot und war nur mit einem kleinen Satz verfasst, der dennoch meine Aufmerksamkeit fand. Die Namensverwandtschaft mit Colonel Bergerac in Mali, wo ich den Unimog abzuliefern hatte, kam mir nicht in den Sinn.
Zürich, den 9. August 1963
Sehr geehrter Monsieur Francesco Vancelli! Ich kann das alles und ich nerve nie!
Mit freundlichem Gruß, Solange Bergerac, Zürich.
Noch keine fünf Minuten später, nachdem mir der Postbote dieses kleine Schreiben einer gewissen Solange Bergerac überreichte, klingelte mein Telefon und kurze Zeit darauf sprach ich auch schon mit Madame oder Mademoiselle Bergerac. Sie kannte den Zeitpunkt meiner Postzustellung genau, doch darüber machte ich mir damals keine Gedanken.
Eine Französin am anderen Ende der Telefonleitung! Sie sprach ein akzentuiertes deutsch. Die Grammatik sprang ein bisschen von der Schaufel, aber sonst klang ihre Stimme gut.
»Monsieur, ich bin Solange Bergerac!«
»Bonjour, Madame Bergerac, je m'appelle Monsieur Vancelli! Comment allez vous?«
»Mir ist sehr schlecht, mein Herr, wenn Sie mich weiterhin als die Madame Bergerac titulieren, die ich nicht bin. Bin ich denn meine Mutti?«, antwortete sie in sanfter Stimmlage die dennoch eine Verärgerung über mein gesagtes „Madame“ nicht verhüllen ließ.
»Wie darf ich Sie denn ansprechen, Madame Bergerac?«
In provozierender Weise wiederholte ich jenes „Madame“ , und zwar derart, dass ich das „Ma“ weich und leise anklingen ließ, danach weiter mit einem kräftig gesprochenen „dam“, um dann zu enden mit einem lang gezogenen doppelt klingenden „ee“. Im Nachhinein kam ich mir doch reichlich angeblödet vor. Sie schien es überhören zu wollen.
»Sagen Sie doch einfach Zouzou Zizanie zu mich, ich bin nämlich noch die junge Frau! Wollen wir gemeinsam die Reisen fahren?«
»Ich hätte Sie gerne vorher gesehen, verehrtes Fräulein Zouzienanie!«
»Warum? Wollen Sie meine Figur mitnehmen oder die Hirn? Ich habe nicht soviel Obenrum.«
»Nein, ich hätte Sie halt gerne ein wenig persönlich gesprochen und so.«
»Passt es Ihnen morgen um fünfzehn Uhr? Wir könnten uns in Harrys Pub treffen. Ich trage eine Vichykleid und die schwarze Pumps und dazu die kleine Lackhandtasche mit die Hut. Wie erkenne ich Sie?«
»Ich habe die Zürcher Zeitung im Knopfloch.«
Es war Samstag, der 10. August 1963, dreizehn Uhr und ich hatte schon einige Martinis on the Rocks. Warum ich schon so früh hier in Harrys Pub saß, wusste ich auch nicht so genau. Eine innere Unruhe trieb mich heute Morgen schon sehr früh aus den Federn. Wahrscheinlich war Fräulein Bergerac der Grund meiner wachsenden Unruhe. Bedingt meiner umfangreichen Reise- und Autorentätigkeit lernte ich Menschen aller Schattierungen kennen. Mit diesen Kenntnissen war ich in der glücklichen Lage, mit wenig gesprochenen oder geschriebenen Sätzen ein gutes Bild zu erhalten von jeweiligen Menschen, mit denen ich es zu tun hatte. Ihre Stimme am Telefon klang gut und die schlagfertige Art ihrer Antworten gefiel mir. Dieses "Ich kann alles und nerve nie", in ihrem kleinen Antwortschreiben auf mein Inserat, ließen einige Rückschlüsse zu.
Langweilig war sie mit Sicherheit nicht. Ich war mir sicher, dass sie kein Vichykleid und keine schwarze Pumps trägt.
Eine kleine Lackhandtasche wird sie auch nicht mit sich führen. Sie wählte den Treffpunkt Harrys Pub, und dort trägt man keine Vichykleider mit schwarzen Pumps, und dort geht auch nicht jeder hin. Einen Hut könnte sie auch tragen, das passt. Auch bei Harry!
Ich war zufrieden mit meinen Rückschlüssen auf Solange Bergerac. So müsste sie sein. Und dennoch sollte ich mich gewaltig täuschen. Ein Mensch wie Fräulein Bergerac war mir in meinem schon etwas länger weilenden Aufenthalt hier auf Erden noch selten begegnet.
***
Ich saß schon eine geraume Zeit in Harrys Pub und wartete auf Solange Zouzou Zizanie Bergerac, und auf Harry. Eigentlich war sein Name Heribert Pichler. Ein Österreicher, und ausgemusterter Fremdenlegionär der für sich und für Frankreich unter anderem auch im Algerien Krieg kämpfte und sich in Zürich nach Ablauf seiner Dienstzeit ein Pub nach englischer Art eingerichtet hatte. Ich wollte ihn wegen meiner bevorstehenden Reise nach Mali um Besorgungen einiger Equipments bitten. Harrys Pub, war eine Drehscheibe des internationalen Söldnerhandwerkes, eine unter vielen!
In Harrys Pub trafen sich zwielichtige Strohmänner reicher westeuropäischer Industriestaaten sowie nicht minder zwielichtige Vertreter mächtiger Multikonzerne mit den Bluthunden vom Schlage eines Heribert Pichler, die für sie die Lage an allen Brennpunkten dieses Planeten, vornehmlich aber in Afrika, bereinigten. Harry war kein Wirt, wird auch nie einer sein. Harry besaß andere Qualitäten. Er sah es den Menschen an, ob und für welchen Job Mann oder Frau zu etwas taugte. Für meine Arbeit hatte Harry nur ein leichtes Lächeln übrig. Afrikatourismus konnte er dem Anschein nach nicht leiden. Harry akzeptierte mich dennoch, denn die Art meiner Schreibfeder gefiel ihm. Mein letzter Reisebericht aus Kanada hatte ihn sehr stark berührt. Ich war zuletzt im Wood Buffalo National Park in den Wäldern Albertas und British Columbia und reiste lediglich mit Kanu, Rucksack und Büffelflinte. Abenteuertourismus pur, dass gefiel ihm gerade noch.
Sein Pub führte seine traumhafte Freundin Sabi Loulou, die ich heimlich verehrte, ich liebte sie sogar, meistens jedenfalls, doch sie wusste es nicht und außerdem machte sie die besten Longdrinks und von mir bevorzugte Martinis im Umkreis von hundert Kilometern. Unzählige Male hatte ich nächtens von ihr geträumt und immer wurde ich von ihr geküsst. Dies wusste sie aber nicht. Mir fehlte einfach der Mut es ihr zu gestehen. Auf jeden Fall sollten ihr die Stadtväter Zürichs ein Denkmal setzen. Dank der schönen Sabi Loulou war ich schon fast blau und das um vierzehn Uhr.
»Sabi Loulou, wann kommt Harry, war er gestern wieder besoffen?«, fragte ich sie.
»Ja! Wie immer«, antwortete Sabi Loulou, »aber er kommt gleich, ich habe seinen Wagen gehört.«
Noch keine fünf Minuten später stand Heribert Pichler im Türrahmen, strahlte über das ganze Gesicht und rief schon von weitem seine Begrüßung.
»Hallo Harry, alter österreichischer Germschädel, wie geht’s?« erwiderte ich seine Begrüßung.
»Glänzend Almöhi, ich habe alles im Griff. Hat sich Zouzou Zizanie schon gemeldet?«
»Zouzou Zizanie?«, fragte ich und erstaunte. Mein Erstaunen musste reichlich dämlich ausgesehen haben. Schildkrötenhaft sozusagen.
»Ja, Solange Zouzou Zizanie Bergerac! Stell dich nicht so dämlich an. Du triffst dich doch mit ihr.«
»Ja, natürlich, aber woher weißt du das?« antwortete ich weiterhin wohl Schildkrötenhaft dämlich aussehend.
»Sabi Loulou, bringst du mir bitte ein Hefeweizen?«
Harry bat Sabi Loulou lautstark um ein Hefeweizen, während sie eifrig hinter den Tresen hantierte.
»Sag mal Harry, wieso guckt Francesco so dämlich wie eine alte Schildkröte?«
»So guckt er doch immer, Sabi Loulou.«
»Du, Harry, ich brauche Navigationsmaterial und…« Harry ließ mich nicht zu Ende reden.
»Weiß ich, Francesco, habe eine Chiffreanzeige gelesen und wie ich richtig vermute, dann kannst nur du dahinter stecken. Nur Deppen reisen nach Mali. Gewisse Leute fliegen gewöhnlich in diese Länder und blasen die Regierungspaläste in die Luft!«
»Ein Angeber bist du aber wirklich nicht. Bekomme ich jetzt das Material oder muss ich es mir schnitzen?«
»Du brauchst nichts, Francesco! Solange besitzt alles, was man für Afrika braucht. Solange ist ein Top als Navigator. Die Beste zwischen dem nördlichen und südlichen Wendekreis!«
»Gibt es viele Frauen als Navigator in Afrika, Harry? Außerdem wie kommst du drauf, dass ich sie mit nach Afrika nehme?«
»Sie ist die Beste, Francesco! Ganz klar, dass du sie mitnimmst. Sie hat von mir schon alles bekommen, was ihr so für die Reise braucht. Ich habe ihr auch einen Revolver besorgt, belgisches Fabrikat, 14-Schuß. Sie braucht diese Zimmerflak, weil sie noch Jungfrau ist und das soll auch so bleiben. Also, lass die Finger von ihr, wir brauchen sie noch im Kongo. Wir leihen sie dir nur aus!«
»Harry, bist du besoffen? Sabi Loulou, wie hältst es nur mit diesem Blindgänger aus?«
»Weiß ich auch nicht Francnollo, es wird immer schlimmer mit ihm! Eines Tages lasse ich ihn aufhängen und brenne mit dir durch.«
Sabi verdrehte oft meinen Vornamen in unmögliche Formen, oft bin ich für sie einfach nur der Cnollo, oder Francescnollo oder Francnollo oder Knöllchen.
»Ich bin dabei Sabi Loulou, sag mir wann es losgeht! Und dir Harry sag ich noch eines, merk dir es, ich brauche keinen Revolverengel, ich will nur eine Reisebegleiterin die nicht nervt und zwar für meine Reise nach Mali, sonst nichts und nirgends hin! Wenn du die Dame für den Kongo brauchst, dann schick sie jetzt dort hin. Ich lasse dir den Vortritt. Es gibt noch keinen Vertrag zwischen mir und ihr, außerdem, was geht dich das?«
»Du nimmst Solange mit, Francesco. Sie ist die Schwester von Sabi Loulou und sie macht dir den besten Longdrink und Martini weit und breit. Willst du auf so etwas verzichten?«
»Die Schwester? Sabi Loulou, du hast mir nie etwas von einer Schwester erzählt.«
»Du hast mich nie gefragt Cello, ich müsste mich doch daran erinnern.«
»Wir sind doch einmal so verblieben, dass wir beide keine Geheimnisse voreinander haben, oder?«
»Herr Gott, Cello, bist du so schwierig. Viele Frauen haben eine Schwester, ich will halt auch eine!«
»Harry, ich nehme Solange mit, und nach meiner Reise brenne ich mit deiner Freundin Sabi Loulou durch, und vorher wirst du von Sabi Loulou um dein Vermögen gebracht, auf dass es ihr und mir gut geht auf Erden. Sabi Loulou Bergerac, ich liebe dich, du machst die besten Martinis. Lass dich umarmen. Ich nehme dich mit nach Alergien und nach Schmopti in Mali. Machst du mit?«
»Francescollo, hör auf mit dem Gesülze, dass vertrage ich nicht am frühen Morgen.«
Ich sah zum Fenster hinaus auf den seitlich angelegten Parkplatz, als ein kleiner knallroter englischer Sportwagen über die Bordsteinkante stolperte. Solange Bergerac stieg aus. Es musste Solange sein, eine gewisse Ähnlichkeit mit Sabi Loulou war nicht zu übersehen. Sie trug ein kleines knallrotes Beret Basque, auf dem Kopf und kein Vichykleid mit schwarzen Pumps, und keine Lacktasche.
»Coucou, c´est moi, Monsieur Vancelli! Ich bin Solange Bergerac aber Sie dürfen Zouzou Zizanie zu mich sagen!«
Mit einem kleinen angedeuteten Hofknicks reichte sie mir die Hand und gab mir links und rechts auf die Wangen je ein Bisou. Sie roch sehr gut und ich glotzte sie nur blöde an und brachte kein Wort hervor.
»Das mit dem Zouzou Zizanie müssen Sie mir genau erklären, denn...«
Sie ließ mich nicht zu Ende reden und ging sofort zu Sabi Loulou und Harry, der wieder aus seinem Arbeitszimmer gekommen war und ein freudiges Abknutschen fand seinen Anfang. Das also war Solange Bergerac. Mit diesem Menschen werde ich, wenn ich will, von Zürich via Algier nach Mopti in Mali reisen. Ich war zufrieden. Ich durfte nur nicht die Fassung verlieren, sonst würde ich erschossen mit dem belgischen Revolver, und von Sabi Loulou gäbe es keine Martinis mehr. Spät in der Nacht, brachten sie mich nach Hause. Harry hatte seinen Pub um Mitternacht abgeschlossen. Harry am Lenkrad seines Land Rover, den er sich als Beutestück aus seinem letzten Einsatz als Legionär in Gabun, mitbrachte. Er hielt sich an die heimischen Gesetze obwohl er für meine Begriffe nicht ganz dicht im Schädel war. Harry musste wohl zulange im Busch gelebt haben.
Als Österreicher besaß er seltsamerweise mehr preußische Disziplin in seinen Knochen als mancher Preußengeneral; nur so konnte Harry die französische Legion mit höchsten Auszeichnungen verlassen und eine der Drehscheiben für das internationale Söldnertum werden.
Ich saß Sturz betrunken im Fond des Wagens, gemeinsam mit Sabi Loulou und Zouzou Zizanie. Harry steuerte den Wagen.
»Sabi, hast du die Martinis von Francesco auch richtig gemixt, Francesco kommt mir so besoffen vor?«
»Klar Harry wie immer, ich weiß doch wie der Cnollo seine Martinis liebt! Die ersten zehn Glas, Martini pur mit Eis und Zitrone und danach mit einem Schuss Wodka ohne Zitrone. Der Francescollo ist halt auch nicht mehr der Jüngste!« Dies sagte die schöne Sabi Loulou mit den schönen Beinen, und ich sagte nichts mehr. Mein Haupt ist aus Gründen der Schwerkraft auf ihr Knie gesunken und ich konnte hautnah feststellen, dass ein Knie so schön gebaut war, wie das andere.
»Ich weiß nicht Harry, meinst du das Zouzou mit Cnollo nach dem Kongo reisen soll?«
»Sabi Loulou hat recht Harry. Der Monsieur bringt es nicht. Wenn Monsieur einer Horde Bakongo Krieger gegenüber steht, dann macht sich der Herr in die Hosen!«
»Nicht so laut, er reist doch nach Mali. Mit der Sache im Kongo können wir ihn noch später konfrontieren. Verlasst euch auf meinen Instinkt. Francesco ist die beste Tarnung, die wir uns nur wünschen können. Ich kenne seine Arbeit und die macht er verdammt gut. Seine Reiseberichte sind international bekannt. Wenn Vancelli auf Tour ist, schöpft niemand einen Verdacht. Seine Agentur arbeitet auch für unsere Sache, und hat die Mali-Tour extra für Vancelli gestrickt. Jetzt ist die beste Reisezeit und wenn die französischen Söldner von Oberst Roger Trinkquier im nächsten Jahr in Katanga, im Kongo zuschlagen, besitzen sie die bestellten Waffen. Zouzou, hast du dein Navigationszeug und die Luftaufnahmen von Katanga?«
»Klar Harry, ist alles schon in die Auto in Algerie, in Constantine.«
»Sehr gut Sabi Loulou, hast du die Antwortschreiben an Francesco gemäß seiner Zeitungsanounce vernichtet? Ich meine die der anderen Frauen die mit Francesco die Reise nach Mali antreten wollten?«
»Ja habe ich Harry, und ich fühle mich Francesco gegenüber nicht gerade wohl. Das war eine linke Tour von dir Harry, kann ich dir schriftlich geben, wenn du willst. Fünfzehn Briefe abfangen und verbrennen, die zum Teil ganz schön eindeutig war, also ehrlich. Wie soll ich das vor dem Cnollo verantworten?«
»Musste sein Sabi, Francesco hätte sonst vielleicht nicht unsere Zouzou genommen!«
»Du hast wohl eine Pipi in die Hirn drin, Harry. Wenn mich die Francesco gesehen hätte, dann hätte er nie eine andere Frau genommen als mich!«
»Es heißt Pieps-Vögelchen, Zouzou. Oder, Harry hat ne Meise im Hirn oder besser, Harry hat sie nicht alle! Das stimmt in jedem Fall,« sagte Sabi Loulou.
»Regt euch ab Kinder! Ihr übernehmt also den Unimog in der algerischen Stadt Constantine, und meldet euch dort bei unserem amerikanischen Freund Fitzgerald. Er wird dort ein kleines Büro einrichten, dass nach euere Weiterreise wieder aufgelöst wird. Die genaue Adresse gebe ich euch noch bekannt. Es sind noch einige technische Raffinessen von spezieller nachrichtenspezifischer Natur eingebaut. Passt mir also gut auf dieses Auto auf. Zouzou, du sorgst dafür, dass die Tickets nach Algier zum ersten November gebucht werden. Bringe ihm bei, dass er für nichts mehr zu sorgen hat. Sabi Loulou wird in Marseille auf euch stoßen, aber Francesco wird erst in Marseille davon erfahren, klar? Er muss nicht über allen Bescheid wissen. Das mit dem Kongo bringt ihr ihm schonend bei. Unterschätzt mir den Jungen nicht Mädels. Er war im Krieg bei einer englischen Spezialeinheit, im Afrika-Feldzug. Der fürchtet keine Tuareg und keine Bakongo oder was sonst dort unten herum läuft, er tut nur so und redet nicht viel über sich. Vancelli ist ein „Lautlos Töter“, wie die Söldner sagen, eine Jagdspinne, eine Aranaea! Ein Grund, weshalb Wegener ihn eingestellt hat!«
Das Gespräch verstummte, und mein umnebeltes Hirn konnte zuvor keine Laute umsetzen. Das letzte Glas mit Martini von Sabi Loulou serviert, musste schlecht gewesen sein, doch ich glaubte nicht, dass Sabi Loulou, die meine ganze Verehrung besaß, und sich deren bestimmt auch bewusst war, die Martinis mit unkeuschem Zeug kreuzte, um mich nicht an gewissen Gesprächen teilnehmen zu lassen.
»Hier ist die Wohnung von Francesco«, sagte Harry.
»Ich bleibe bei ihm heute Nacht, Harry. Morgen packe ich den ganzen Trödel von mir zusammen und ziehe bei dem Francesco ein«, sagte die zauberhafte Zouzou.
»Gut Zouzou, mach es so. Ihr habt noch ein paar Wochen Zeit und könnt euch beschnuppern. Du musst noch deinen Job im Sprachlabor kündigen. Nächste Woche bekommst du die vereinbarten zwanzigtausend Schweizer Franken!«
»Es waren vierzigtausend Fränkli ausgemacht, Harry. Zwanzigtausend für mich und zwanzigtausend für Sabi Loulou, die in die spätere Zeit noch mitkommt. Wir werden die hohen Spesen haben und ich will die kleine Hotel in die Stadt von Geneve mit meiner Schwester zusammen kaufen. Mach mir nicht die Schwierigkeiten Harry, du kennst mich und die große Schwester Sabi Loulou von mich – äh - mir. Leg dich nicht mit uns an, Harry.«
»Zouzou hat recht Harry. Es waren vierzigtausend Stutz ausgemacht, und wenn du die Vereinbarung nicht einhältst, dann bekommst du Schwierigkeiten mit uns, auch wenn ich theoretisch mit dir verlobt bin. Ich nagele dich mit deinen Blumenkohlohren an das Fensterkreuz, verlasse dich darauf!«
»Zwanzigtausend bekommt ihr sofort und den Rest überweise ich auf euer Konto hier in Zürich, wenn ihr das Fahrzeug den Amis in Katanga übergeben habt, im Frühjahr, OK?«
»Gut Harry! Halte dich daran, in deinem eigenen Interesse!«
Ich lag auf meinem Sofa und hörte Zouzou Zizanie in der Küche ein kleines Liedchen trällern. Es roch nach frischem Kaffee. Die Tür zur Küche stand auf und ich blinzelte nach ihr. Sie war noch sehr jung, vielleicht zwanzig oder zweiundzwanzig Jahre, mehr nicht. In etwa wie Sabi Loulou. Die Unterhaltung in Harrys Land Rover hatte ich nur sehr schemenhaft und auch nur zum Teil verstanden und ich fragte mich, dass so junge Frauen, wie Zouzou Zizanie und Sabi Loulou, in diese Kreise geraten konnten. Sie mussten Top, sein wenn man ihnen vierzigtausend Fränkli zahlte.
»Bonjour, mon ami Francesco, mein Kaffee hat sich gebraut! Aufstehen, du fauler Pelz.« Wie sollte ich diesem charmanten Wesen nur widerstehen können, und diese Art wie sie redete. Und sie duzte mich. »Komm schon, mon cher, es gibt frische aufgebackte Croissants!«
Ich dachte, noch faul und bequem unter den Federn liegend, dass es ein Glück sei, dass Harry ihr eine belgische Flak kaufte. Mit 14-Schuß! Für mich alleine! Ich war gerührt. Groß war sie, und schöne Beine hatte sie. Wie ihre schöne Schwester Sabi Loulou. Oben herum, wie sie sagte, war nicht so viel. Da hatte sie Recht. Musste auch nicht sein. Intelligent war sie ohne Zweifel und einen Gang legte sie an den Tag wie ein Jaguar. Nicht provozierend, nein, aber doch so zielstrebig. Bevor sie einen Wüstenfuchs wie mich an das Kreuz nageln würde, würde sie bestimmt gesagt haben, mit allergrößtem Charme und süß lächelnd und mit angedeutetem Hofknicks: “Tut mir leid, meinlieber süßer Francesco, aber ich lebe nach der Evolution Theorie und das heißt für mich, dass ich aus einem wertlosen Loser einen toten Losermache!“ Und dann würde sie mir bestimmt vierzehn Patronen aus der belgischen Zimmerflak verpasst haben. Und sicherlich Dumdum Geschosse verwand haben, oder sogar Explosivgeschosse. Aber Charisma hat sie und wie.
»Ich lege mein Haupt in deine Hände«, sagte ich laut.
»Hast du was gesagt, Frantschi?«
»Nein Zouzou, Frantschi ergibt sich seinem Karma und wird deinen Kaffee testen!«
»Pf - komischer Frantschi!«
»Zouzou Zizanie?«
»Ja - Frantschi?«
»Komm doch mal bitte!«
»Hier bin ich!«
»Wieso nennt man dich Zouzou Zizanie?«
»Zouzou Zizanie? warte mal. Es war schon immer mein Spitzname. Es war einmal eine Kindersendung in die Radio, da war ein Frosch, grün, mit einem Vichykleid in rosa/weiß und die Sendung hieß la maison de Toutou. Toutou war mal ein Hund, so sagt man bei uns so wie man hier sagt, Mieze für Katze, so sagen wir Toutou zu eine Hund. Es war lauter Stofftieren, wie Marionetten, aber mit Klamotten. So ist es! So, und jetzt zu die Erklärungen. Meine Eltern, Brüder und Schwester haben alle solche Spitzname. Daniel ist Nanou; Micheline ist Michou; Sabi ist Loulou, die kennst du ja, und Phillipe ist Pilou; Frederick ist Kickou und ich, na ja, mein Opa, der von meinem Vater sagte immer, ach die Manie mit Spitznamen in "ou"-Form und irgendwann mal war ich auf seine Schoß und er sagt zu mir "oh ma Zouzou" wie die Frosch in Toutou heißt. Du kannst dir vorstellen Frantschi, wie die alle gelacht haben und sich lustig über Opa waren. War es das?«
»Ja, Zouzou. Hast du wirklich so viele Geschwister und wie war das mit Zizanie?«
»Zizanie, es ist bei uns in Frankreich, „durcheinander, verstreut“ sein. Man sagt Zizanie zu mir, weil ich verstreut bin.«
»Du meinst „zerstreut“ sein!«
»Sage ich doch. Du wirst es noch erleben, ich bin ein verstreutes Mädchen!«
»Ein zerstreutes Mädchen - Zouzou!«
»Kannst du dir jetzt alles vorstellen?«
»Natürlich, aber verstehen tue ich jetzt gar nichts mehr.«
Zouzou Zizanie stand auf und mit strahlendem lächeln drehte sie seitwärts eines Knicks und ging wieder in die Küche um die frischen aufgetauten, ausgebackenen Croissants aus dem Backofen zu holen.
»Man muss nicht alles verstehen, mon ami.«
Ihr braunes Haar, das etwa um fünf Zentimeter ihr Genick freigab und seitlich weit über ihre Ohren hing, ließ sie dabei kräftig wehen. Ihre fast schwarzen Augen und die kerzengerade große Nase gaben ihr ein meditteranes Aussehen. Sie war eine seltsame Schönheit. Nicht wie die Mädchen auf den Glamourseiten der Schönheitsmagazine und dennoch unübersehbar und mit unwiderstehlichem Charisma. Ähnlich ihrer Schwester Sabi Loulou, doch diese schien mehr das normannische Blut der Nordwestfranzosen zu besitzen.
»Zouzou, bleibst du bei mir, bis wir abreisen?« Ich wusste, dass sie hier bleiben würde um meine Amme spielen. Aus Harrys Gespräch letzte Nacht im Auto. Soviel habe dann doch noch mitbekommen und ich spielte das Spiel mit.
»Ja, Frantschi, ich fahre noch in meine Wohnung, löse alles auf und verkaufe meine Aquarium mit Harry und Loulou.«
»Verstehe ich nicht, dass mit Harry und Loulou!«
»Das sind meine Fische, Cheri Francesco!«
»Glaubst du, dass irgendjemand in Zürich deine Heringe kauft?«
»Beleidige meine Harry und Loulou nicht! Böser Frantschi! Und dann kündige ich noch meine Job und verkaufe meinen Schlitzer.«
»Du verkaufst deinen ... was?«
»Meinen knallroten Schlitzer, den Engländer!«
»Du meinst deinen Flitzer, den englischen Sportwagen!«
Ich lag fast unter dem Tisch vor lachen und Zouzou warf mit blitzenden Augen und zornigem Gesicht die etwas zu hart gewordenen Croissants nach mir.
Wie eine Wildgewordene Imme rauschte sie zur Türe hinaus. Die Wände bebten und ich bekam einen erneuten Lachkrampf. Ich hatte meine kleine Burg wieder für mich, und legte mir eine Scheibe der Beatles auf. Ein warmes Bad braucht der Mensch, dachte ich, und ich suhlte mich im Schaume wie ein übernächtigtes Trüffelschwein. Sollten sie doch alles organisieren, es war mir auch recht. Ich mache Urlaub, dachte ich, bis zu unserem Abflug, um mich dann nach Mopti treiben zu lassen. Keine Meile weiter. Nicht nach dem Kongo, nicht nach Katanga, nur nach Mali!
Es wäre ein schöner Urlaub bis zu unserem Abflug nach Algier geworden. Wenn nicht, ja wenn nicht Willy gewesen wäre! Einige Stunden später stand sie wieder freudestrahlend in der Tür, mit Willy.
»Coucou, Frantschi, ich bin’s, ich habe meinen Willy mitgebracht!«
»Du hast was - wen?«
Ich legte das Tagesblatt zur Seite und sah Willy. Willy schaute mich mit treuherzigem Blick an und kam Schwanz wedelnd auf mich zu.
»W I L L Y ist hier«, rief vergnügt sie mir zu.
»Du hast einen eigenen Köter?«
»Willy ist keine Köter. Sie ist sehr lieb und gebadet ist sie auch! Der Hund ist eine liebe Toutou! Willy ist ein sehr großer, alter französischer Dackelherr, keine Köter! Willy ist ein Grandseigneur mit dem blauen Blut! Du gehst jetzt mit Willy zu dem Gassi. Willy liebt den Weg durch die Altstadt hinunter zu dem See. In die See lässt du Willy aber nicht schwimmen, er wird sonst zu bitter kalt. Wenn du bei Madame Berninger vorbei kommst, dann kaufe noch Nudeln ein. Ich mache eine Nudelgratin für uns drei.« Ich ging mit Willy durch die Züricher Altstadt hinunter zum See. Unterwegs rief ich Markus Helmer an, einen Kollegen aus der Agentur Wegener und verabredete mich mit ihm zum Abendessen. Ich wollte ihn ein wenig ausquetschen. Vielleicht um mehr zu Erfahren, was es mit seiner dubiosen Reise nach der portugiesischen Kolonie Guinea-Bissau auf sich hatte. Im Jahr zuvor gab es einen gnadenlosen geführten Kampf zwischen der Unabhängigkeitsfront von Amilcar Cabral gegen die Portugiesen. Nach allen Ungereimtheiten die ich letzte Nacht undeutlich vernommen hatte, war mir ein Bedarf an Information von Nöten.
Auf das Nudelgratin von Zouzou Zizanie, hatte ich keinen Appetit. Willy und ich unternahmen einen derart großen Gassi, so dass wir bei Madame Berningers Geschäft für Spezereien vor verschlossener Tür standen.
Metzger Lange hatte auch schon seinen Laden dicht gemacht und somit musste Willy auf seine herrlich eklig fetten Schweinswürste verzichten. Jedenfalls, wir hatten soviel Zeit vertrödelt, dass es sich nicht mehr lohnte nach Hause zu gehen. Ehrlich gesagt traute ich mich nicht mehr nach Hause. Keine Nudeln! Stunden zu spät! Und Zouzou Zizanie kannte ich noch zu wenig! Wer konnte schon erahnen, was sie mit uns anstellen würde, oder besser gesagt mit mir, denn was konnte Willy schon passieren? Vielleicht war sie von der Sorte Frau, wie sie in Witze beschrieben werden; hinter den Türen stehend und mit erhobener Hand Nudelhölzer schwingend.
Es war spät geworden und Willy, ich und Markus Helmer saßen nun im Restaurant Seeblick. Willy unter dem Tisch bei einer Bratwurst, die freundlicherweise von Victor dem Oberkellner spendiert wurde, und ich mit Markus Helmer bei frittierten Zucchiniblüten als Vorspeise und Bohnensalat mit mariniertem Lachs. Nicht unter dem Tisch, sondern davor! Es lebe halt doch noch der kleine Unterschied. Willy war auch so zufrieden. Ein Stück Aprikosenkuchen mit heißer Schokolade rundete die süße Angelegenheit ab.
Markus Helmer, etwa dreißig Jahre alt und wie gesagt ein Kollege von mir und Mitarbeiter der Agentur von Ullrich Wegener, war bester Laune und genoss sichtlich das von mir ausgewählte Menü.
»Einen Gruß von Heribert Pichler soll ich dir ausrichten Markus.« Stimmte zwar nicht, aber ich wollte Helmer provozieren. Vielleicht war ein Nerv bei Markus zu treffen, dachte ich.
»Heribert Pichler? Kenne ich nicht. Wer ist denn das, Francesco?«
»Na, Harry, von Harrys Pub, gegenüber der Zunft der Schneider! Du gehst am Großmünster vorbei, zum Stüssihofstatt. Ist leicht zu finden.«
Markus Helmer wurde etwas verlegen und seine Stimmbänder klangen belegt. Sein zuvor etwas käsiger Teint bekam farbliche Unterstützung und sah aus wie sein feuerrotes Haar. Als er wieder die Fassung erlangte und zu sprechen begann, gesellten sich noch die Ohren dazu und leuchteten wie überreife Erdbeeren.
»Ach so, Harry! Ja - Danke. Natürlich - Harry! Du meinst diesen Harry. Woher kennst du denn diesen Harry, Francesco?«
»Harry besorgte mir immer Equipments für meine Exkursionen. Für meinen Trip in den kanadischen Wood Buffalo National Park, bekam ich von ihm ein Kanu, ein Leckerbissen, sage ich dir. Wegener hat mir seine zweiläufige Büffelknarre dazu ausgeliehen. Mit der könntest du glatt eine ganze Elefantenherde massakrieren. Ich habe sie einem Indianerhäuptling in Alberta geschenkt, zum Geburtstag. Wegener hat ne Krise bekommen. Was ich ihm nicht erzählt habe ist, dass der Indianer auch eine Tochter hat, der Alte wollte mich mit ihr vermählen, ein wunderschönes Wild Child. “Tanzende Feder“ nannte man sie. Sie waren alle nicht sehr glücklich, als ich dankend ablehnte. Das Geschenk, eine Nacht mit Tanzender Feder nahm ich..., eigentlich geht dich das wiederum gar nichts an, Markus, jedenfalls waren alle zufrieden. Ich natürlich auch, Markus! Jaja, der Harry! Er meint es halt manchmal zu gut mit dem Equipment!«
»Ein sehr interessanter Typ dieser Harry«, meinte Markus Helmer.
»Oh ja, das ist er! Von ihm bekommst du alles was du brauchst, vom Kanu bis zum Schnellboot und von den Maschinenpistole bis zum Minenwerfer. Einsatzfahrzeuge, logistisches Gerät, Luftaufnahmen vom Kongo. Alles kannst du haben Markus. Willst du so etwas? Ich rede mal mit ihm.«
»Das musst du nicht, Francesco. Was soll ich mit diesem Unfug anfangen. Ich will keine Menschen im Busch erschrecken!«
»Du, vielleicht nicht, Markus aber es gibt ja noch gewisse Auftraggeber, die dieses Zeug brauchen können. Ich denke dabei an Zentralafrika, Belgisch Kongo oder noch präziser, an Katanga.«
»Wie kommst du mir vor, Francesco, willst du mir den Abend und das lukullische Essen verhageln?«
»Entschuldige Markus, ich wollte dir ja nur ein wenig über Harry Bescheid sagen. Du fragtest mich doch, ob ich diesen Typ kenne und ich habe dir ein wenig von ihm erzählt!«
»Du hast mich gefragt, ob ich Harry kenne, nicht umgekehrt Francesco!«
Solange Zouzou Zizanie Bergerac, erwähnte ich mit keinem Wort. Ich kannte ihren Standpunkt nicht und ich wusste auch nicht genau, welche Gemeinsamkeiten sie mit Harry dem Waffenschieber und Ex-Legionär verband.
Ich würde ihr alles verziehen haben. Auch wenn sie mit einem Granatwerfer in der Hand einen afrikanischen Präsidentenpalast knacken würde. Dass meine heimliche Liebe Sabi Loulou mit so einer windigen Knackwurst wie Harry zusammenlebte, verzieh ich meiner Sabi Loulou selbstverständlich auch.
Markus Helmer erzählte mir noch einige belanglose Dinge und dann verabschiedeten wir uns. Ich ging mit Willy durch die nicht sehr gut beleuchteten Gassen der Altstadt nach Hause. In Gedanken war ich wieder bei Zouzou und stellte mir vor, wie sie in meinen zweimal zwei Quadratmeterbetten lag und zufrieden schnarchte.
Bei unserem gemeinsamen Nachhause gehen, dachte ich an meine Zeit in Ägypten. Ägypten vor zwanzig Jahren! Seltsam, dachte ich, da gehst du mit Helmer zum Essen, legst ihm Fußangeln, scheiterst fast, lasse Willy an jede Laterne pinkeln und mir fiel das schöne Ägypten ein. Kein Resümee aus Helmers Verhalten? Nein, nur Ägypten! Auf dem Nachhauseweg träumte ich vor mich hin.
Erinnerungen an Ägypten im Sommer 1942.
Alexandrien war eine bezaubernde Stadt und der Königliche Jachtclub setzte sein Tüpfelchen oben auf mit all den schönen und eleganten Damen mit ihren reichen alten Herren und den Jachten auf dem blauen Mittelmeer.
Besonders schön war es, wenn überall in der Welt Bomben explodierten und ich an einem heißen Augustnachmittag des Jahres 1942 im kühlen Schatten saß und mein geeistes Bier schlürfte. Die verrückten Engländer tranken es warm. Ich schrieb für ein englisches Wochen-Magazin Berichte über ihre glorreiche Armee oder besser, über das glückliche Leben ihrer Offiziere und deren Gattinnen in der Etappe, weitab von dem Gemetzel in der Libyschen Wüste. Ich erhielt durch diese kleinen Gefälligkeiten das Entree in die bessere Gesellschaft, die allesamt auch einmal in Matt Wolters Magazin erwähnt sein wollten. Zu Ostern brachte mich mein Flieger von London nach Kairo. Just zur Zeit des beginnenden Frühlingsfest „Schamm al Nassim“, welches als "Das Riechen der frischen Luft" übersetzt werden kann und das Muslime und Christen am Ostermontag beginnen. Unzählige Menschen, ich war sicher das sogar alle Ägypter auf den Beinen waren um an diesem größten Feiertag der Ägypter mit ihren Verwandten und Freunden ins Grüne zu spazieren und Picknicks veranstalteten.
Die Ufer des Nils, die Parkanlagen, der Zoologische Garten und das Pyramidenplateau von Gizeh waren überfüllt von sich drängenden Menschen und ich befand mich inmitten dieser glücklichen Masse. Frauen küssten mich auf offener Straße und glückselig beduselte Männer reichten mir hart gekochte Eier, grüne Zwiebeln und "Fissih", gesalzene und gepökelte Fische.
Die Engländer warnten mich vor dem Genus von "Fissih", denn die hiesigen Händler besäßen nicht den geringsten Skrupel auch Fische aus den Abwässerkanälen zu verkaufen, um den ungeheueren Bedarf an Fissih zu decken. Ich verspeiste sie dennoch kiloweise und begab mich zur Folge abends in ein gewisses Gemach, um mich dem Wirken meiner Innereien hinzubegeben. Es waren die Zwiebeln und nicht die Fische, dessen war ich mir ganz sicher.
Ein wunderbares Fest, dieses „Schamm al Nassim“. Inmitten dieser sympathischen Ägypter, und oft genug wünschte ich mir dass es nie enden sollte. Selbst die Zeit danach kann ich nur als "Jung, Frei, Glücklich und Vollgefressen" bezeichnen und wie so oft im Leben den Mensch schneller degeneriert lässt; schneller als es ihm lieb ist. Überdrüssig des süßen Nichtstun und auf der Suche nach Abwechslung, stürzt sich ein auf solche Art Degenerierter in äußerst zweifelhafte Abenteuer. Mir ist es jedenfalls so ergangen.
Am 22 . August 1942 sprach mich Oberst John Haselden, Chef der Long Range Desert Group im Jachtclub von Alexandrien an und offerierte mir die Teilnahme an einem kleinen Wüstenritt gegen Rommel.
Ich sollte nur pressetaugliche Berichte mit Fotos erstellen, für die High Society von Alexandrien. Zu jener Zeit war ich satt bis Unterkante Oberlippe, und konnte elegante Damen mit ihren reichen, alten Knackern und die schniegligen Etappen-Offiziere nicht mehr sehen. Ich sagte zu und die Boys der Long Range Desert Group verpassten mir eine Ausbildung im Wüstenkampf, der sich gewaschen hatte. Ich lernte wie man mit Dolch und Drahtschlinge tötet. Wie man Warane fängt und frisst, und wie man aus eigenem Urin einen köstlichen durstlöschenden Cocktail zubereitet. Nach drei Wochen Ausbildung sehnte ich mich wieder zurück zu den exquisite duftenden Damen von Alexandrien und meinem geeisten Bier. Pressetaugliche Berichte mit Fotos wollte kein Aas. Sie nahmen meinen Schweizer Pass in Verwahrung, und gaben mir dafür ein englisches Soldbuch mit dem intelligenten Namen John Walker. Ich habe es den Engländer bis zum heutigen Tag nicht verziehen, ich meine das mit dem John Walker.
Gemeinsam mit der Long Range Deserts Group erlebte ich am 14. September 1942 bei dem Unternehmen "Agreement" in Tobruk eine Katastrophe ohne Maße. Wir fuhren mit 90 Mann auf Lastwagen von Kairo zunächst nach Süden, dem Nil entlang bis Assiut. Vorbei an der Oase Charga zum Kebir Plateau, weit im Süden Ägyptens. Hier befand sich an der Grenze zu Libyen ein englisches Benzinlager. Von da an fuhren wir in nördliche Richtung. Vorbei an den Oasen von Kufra und Gialo bis nach Tobruk. Oberst Haselden versprach mir einen kleinen Wüstenritt gegen Rommel. Ich hatte ihn auf unserer 2500 Kilometer langen Geisterfahrt durch die Wüste nicht gesehen, den Herrn Feldmarschall Rommel; nur Sand und Dreck, Hunger und Durst, Hitze und Kälte, Läuse und Sandflöhe.
Am Nachmittag des 14. September war alles vorbei. Tobruk lag weit hinter der Kampflinie und es war uns nicht gelungen, ein Brückenkopf zu bilden.
Dutzende abgeschossene britische Bomber. Der Zerstörer "Sikh" mit Schlagseite vor der Küste. Der Zerstörer "Zulu" wurde versenkt. Oberst Haselden und 84 Mann der Long Range Desert Group lagen zerschossen, zerrissen von MP-Salven und Handgranaten in einer kleinen Bucht. Mit vier überlebenden Soldaten der Group zogen wir uns aus der Stadt zurück und erreichten einen Djebel, einen kleineren Berg, vor Tobruk. Dort gerieten wir in eine italienische Lazarettanlage, und glaubten in einem Militärlager zu sein. Wir schossen in unserer Panik auf alles was Beine hatte.
Als wir erkannten, das wir Verwundete massakrierten, rannten wir wie von Furien gehetzt in die Wüste.
Wir geisterten vier Wochen durch die Libysche Wüste. Eine Patrouille aus Jock Campbells Kampfkolonne, die von einem Partisaneneinsatz gegen deutsche Nachschubwege zurückkam, brachte uns zu den Kufra-Oasen, in Sicherheit. Das Oberkommando in Alexandrien wollte unser Desaster nicht publizieren. Aus diesem Grund, schrieb ich auch keinen Bericht an meinen Auftraggeber in London.
***
Ich hing meinen Erinnerungen nach und wie automatisch bewegten sich meine Beine. Nichts um mich herum nahm ich wahr und erst kurz vor Erreichen meines Zuhauses wurde ich mir wieder meiner Realität bewusst. Ein Traum von Realität im Vergleich zu meinen Erinnerungen, die einmal grausige Realität war.
»Willy, wir haben es geschafft, wir sind zu Hause! Trinken wir beide noch ein Gläschen miteinander? Zouzou schläft bestimmt schon. Willy, ich mache uns noch ein Fläschchen auf.«
Toutou Willy, französischer Grandseigneur mit dem blauen Blut gab mir keine Antwort, und ich schlich auf Zehenspitzen in das Schlafzimmer. Zouzou Zizanie schlief fest und atmete ruhig. Ihre Bettdecke war verrutscht.
Sie trug nur ein wunderschönes, verziertes Kettchen aus Silber, das nach Art und filigraner Verarbeitung auf arabische Handwerkskunst schließen ließ. Diese Arbeiten vollbrachten nur die Meister in den arabischen Souks. Ein Silberkettchen, das sie um ihre Taille anlegte. Zouzou schien mir volles Vertrauen zu schenken, denn sie ließ die Schlafzimmertür geöffnet. Sie fühlte sich bei mir mopsig wie ein Tiger im Hasenkäfig, und nahm bedenkenlos mein Schlafzimmer in Anspruch, und ich tat nichts was dieses Vertrauen gefährden konnte.
Ich deckte sie wieder richtig zu und streichelte ihr über den Kopf, was sie leise grunzend quittierte und verließ danach wieder das Schlafzimmer. Wie ein kleines Kind lag sie in ihrem, meinem Bett. Danach begab mich in mein Arbeitszimmer und kramte in meinem Archiv nach Zeitungen und Magazinen, die in den vorangegangenen fünf Jahren über die Wirrungen in Afrika berichteten. Ich las alle Nachrichten und Kommentare über gewisse Aktivitäten von irgendwelchen Söldnern. Ich hoffte etwas über Markus Helmer in Erfahrung zu bringen. Harry, wie ich wusste, war 1954 in Indochina und danach in Algerien als Fremdenlegionär der Franzosen aktiv, und kam als Söldner, der sich irgendwo in Schwarz Afrika die Hände besudelte, weniger in Betracht. Harry lernte schnell und wusste wahrscheinlich, dass man als Söldner und Kanonenfutter nur ewiger Verlierer ist. Er widmete sich nach seiner Tätigkeit als Söldner, dem internationalen Waffenhandel und verdiente sich eine goldene Nase in diesem Geschäft. Er lebte nach außen hin dennoch nicht aufwendiger, als ein gewöhnlicher Gastwirt. Markus Helmer, obwohl gelernter Journalist, war um einige IQ ärmer als Heribert Pichler.
Mittlerweile war es schon zwei Uhr nachts geworden, als Zouzou in mein Arbeitszimmer kam. Ich las den Leitartikel einer englischen Zeitung vom 15. März 1963 über Guinea - Bissau.
„Mit Anfang des Jahres 1962 begann ein Guerillakrieg in der portugiesischen Kolonie Guinea-Bissau in Westafrika, der von der PAIGC - Partido Africano da Independencia de Guinea` Bissao e Cabo Verde - gegen die Portugiesen im Lande geführt wurde. Ihr Anführer ist Amilcar Cabral. Trotz militärischer Überlegenheit Portugals kontrolliert die Befreiungsfront PAIGC einen großen Teil des Gebietes."
Eine Fotografie zeigte ein Flugzeug der SAS Fluggesellschaft auf dem Flughafen von Bissau. Amilcar Cabral stand auf der Gangway. Eine große Menschenmenge befand sich am Ende
der Gangway. In dieser Menge konnte ich eine Gruppe von Europäern ausfindig machen und in dieser Gruppe sah ich Markus Helmer.
»Frantschi, was machst du um diese gottlose Uhrzeit?«, sie sagte es müde und kuschelte sich fröstelnd in das fast durchsichtige lange Nachtkleid. Sehr viel verdeckte dieser Hauch an Stoff nicht und ich versuchte krampfhaft, nicht nach ihr zu sehen. Es gelang mir aber nicht so recht, denn ihr arabisches Silberkettchen, welches sie um den Bauch trug, strahlte mich fast unverschämt an.
»Ich blättere nach gottlosen Söldnern, Zouzou!«
»Hast du welche gefunden?«
»Ich weiß es noch nicht. Hier ist ein Bericht über Guinea-Bissau mit einer Fotografie von Amilcar Cabral. Markus Helmer, mein Kollege ist auch mit drauf. Was hältst du davon, Zouzou?«
»Gar nichts, sag mir lieber ob du noch Milch im Kühlschrank hast und du schleichst dich auch nicht nachts in meinem Schlafzimmer herum. Ich mag nicht, wenn du mich spionierst und heimlich streichelst!«
»Wie sich das anhört Zouzou, „heimlich streichelst“, als wenn ich ein alter Lustbock wäre! Ich habe dich nur richtig zugedeckt, auf deinen Bauch mit Silberkettchen geklotzt und ein wenig über dein Haar gestrichelt.«
»Du kennst meinen Standpunkt, Frantschi. Du spionierst mich nicht und du machst keinen Strich über meine Frisur! d'accord? Und nach dem Bauch glotzen tust du auch nicht! Jawohl, mein Herr! Vielleicht später, wenn ich will, und ob ich später will kann ich jetzt noch nicht sagen, Monsieur.«
»Qui, gnädige Mamsell, gehen Sie eine Milch trinken und träumen sie weiter. Ich steige mit Willy, dem französischen Grandseigneur in die Hängematte und lege mich links und ein wenig in die Mitte, und Willy bekommt die rechte Seite. Ihren Willy werde ich nicht abknutschen, weil er so arg haarig ums Maul ist.«
»Frantschi«, sagte sie sanft, »sei nicht so böse. Ich habe dich doch lieb. Ich will ja nur, dass du meine Hirn liebst, und nicht die Körper von mir, weil ich auch nicht soviel Obenherum habe.«
»Was glaubst du Zouzou, warum ich dein Haar streichelte? - doch nur weil ich dein Gehirn verehre! Andere Männer hätten was anderes gestreichelt!«
»Frantschi, du bist eine große Filou und eine große Kindskopf! Ich bin erst zwanzig Jahre und ein paar Jahre dazu und ich denke wie eine vierzigjährige Madame, und du bist vierzig und denkst wie eine zwanzigjährige!«
»Ich wünsche Ihnen eine Gute Nacht, Grand-mère.«
Für Zouzou war das nächtliche Gespräch zu ende und sie ging in das Schlafzimmer. Ich hörte sie noch ein wenig Grummeln. Unverständlich für mich. Ich spendierte mir ein Glas Cognac, und während ich mein Glas füllte, überlegte ich, was Markus Helmer in Guinea-Bissau zu suchen hatte. Welche Rolle spielte Zouzou Zizanie? Weshalb sagte Harry damals im Pub zu mir: „Wir brauchen sie noch im Kongo. Wir leihen sie dir nur aus!“ Oder später in seinem Land Rover, als er zu Sabi Loulou und Zouzou sagte: „Die Sache im Kongo läuft im Frühjahr an.“
Was musste sie tun oder besser, was musste sie noch tun, um ihre vereinbarten vierzigtausend Franken zu bekommen? Für welche unbekannte Schweinerei war ich die beste Tarnung? - nur für Mali oder auch für den Kongo? Von Zouzou war im Moment keine befriedigende Antwort zu erhalten. Unsere Wellenlänge war gestört.
Es war Mitte September und bis zum Beginn der Abreise im November hatten wir noch genug Zeit, um uns aneinander zu gewöhnen. Ich wollte Zouzou auf gar keinen Fall verlieren.
Ich sagte mir: Fahre mit ihr zusammen nach Mali und spule deinen Auftrag ab, schreibe einen schönen Reisebericht, und ob je einer mit diesem Know How nach Mopti reist, soll mir auch egal sein.
Ich unterbrach meine Recherchen und beschloss meinen ehemaligen Schulfreund in Genf, Jean Knöpfler zu besuchen. Jean war in Genf Kommandant eines Pionier-Bataillons. Manchesmal schon war ich bei ihm in Klausur, wie wir es nannten, und ich durfte für die Dauer von zwei Wochen in seiner Kaserne leben. Jean wusste von meinen Einsatz bei der Long Range Desert Group in der Libyschen Wüste im Afrika Krieg. Er war der einzige, dem ich es erzählte. Seltsam war nur, dass Harry auch davon wusste, er erwähnte es jedenfalls als er mich abends mit Sabi Loulou und Zouzou im Land Rover nach Hause brachte. Wegener wusste es ebenso.
Jean war von dieser Gruppe, den Long Range Deserts, derart begeistert, dass ich ihm helfen musste, in seinem Bataillon eine Gruppe in diesem Stil zu installieren. Die Einheit, zwölf Mann stark, war vollauf begeistert über diese Abwechslung obwohl sie wussten, dass das Schweizer Militär niemals ihren Einsatz in Erwägung ziehen würde. Es war einfach ein kleines Bonbon im eintönigen Soldatenalltag.
In meinen Klausurwochen schloss ich mich der Einheit an, bekam ihre Kleidung und benutzte ihre Unterkunft und tat einiges für meine persönliche Fitness. Bei den Jungs und meinem Freund Jean Knöpfler war ich immer ein willkommener Gast. Ich telefonierte nach Genf und kündigte meinen Besuch an.
Mittlerweile war sechs Uhr morgens geworden und ich hatte keinen Schlaf gefunden. Ich nahm noch ein heißes Bad und richtete meine Utensilien zusammen. Danach schrieb ich Zouzou noch einen kleinen Zettel, mit dem Inhalt, dass ich für zwei Wochen auf Tauchstation ginge. Wohin schrieb ich ihr nicht. Weiter schrieb ich noch, dass ich Willy auch mitnehme und sie sich um den fahrbaren Panzer kümmern möge, den wir in Algerien übernehmen sollen. Ich bestellte mir ein Taxi und fuhr zum Hauptbahnhof und nahm die Eisenbahn nach Nyon, am Genfer See gelegen.
Nyon, am Genfer See.
Jean Knöpfler und seine Frau Janine erwarteten mich am Bahnhof von Nyon, am Genfer See. Das Wiedersehen mit den beiden tat richtig gut und war mehr als herzlich. Sie freuten sich aufrichtig auf meinen Besuch und Janine protestierte heftig als sie erfuhr, dass ich in der grässlichen Kaserne von Jean Quartier nehmen wollte. Ihr Haus hätte genügend Platz um mich für lange Zeit zu ertragen, wie sie schmunzelnd meinte. Wenigstens das gemeinsame Wochenende in ihrem Hause, musste ich Janine versprechen. Jean unterstützte sie dabei kräftig. Ich konnte natürlich nicht nein sagen, allein schon wegen Janine' exquisiten Kochkünsten. Und um einiges mehr! Das Anwesen der beiden war im Stil eines italienischen Herrenhauses erbaut und befand sich in einer etwas abgeschiedenen Lage direkt am Ufer zum Genfer See. Im Hintergrund sieht man die Berge der Französischen Jura und von der Terrasse aus über den See hinweg, die Berge der Chablais. Sie kauften dieses alte Herrenhaus in arg ramponierten Zustand und renovierten es mit liebevoller Hand. Es wurde ein wahres Kleinod. Jean wollte an diesem späten Nachmittag in seinem Arbeitszimmer noch einige Arbeiten erledigen, um dann den Abend gemeinsam in einem Restaurant zu verbringen. Die Küche sollte für Janine zur Erleichterungen kalt bleiben. Bis es soweit war, spazierten Janine und ich durch ihren kleinen angelegten Park hinunter zum See.
Janine kuschelte sich in meinem Arm und wir gingen wie ein altes, aber noch immer ineinander verliebtes Ehepaar durch die engen Pfade. Wir redeten über alles, was uns so in den Sinn kam und waren total ausgelassen.
»Francesco, warum bist du eigentlich noch nicht unter der Haube, du warst doch einmal verheiratet mit dieser - na, wie heißt sie denn noch gleich? Und verlobt warst du doch auch schon mal, oder?«
»Mit Bijou war ich ein halbes Jahr verheiratet aber dann ist sie mit einem Algerier durchgebrannt. Mit Chiara war ich verlobt. Sie hat jetzt Bambinos mit einem Italiener.«
»Jaja, Chiara - fünf Jahre verlobt. Das bringst auch nur du fertig. Filou! Tut sich wieder etwas Neues in diese Richtung und deine liebe Janine weiß noch nichts davon?« Sie sagte es sehr keck, und zog schmollend ihren tiefroten Kirschmund zusammen. Ich tätschelte ihre Wange.
»Du bist die erste, Janine, die etwas von meinem Liebesleben erfährt, dass weißt du doch! Seit ich dich das erste Mal sah, da gab es einen Knacks bei mir und seit dem kann ich keine andere mehr lieben, das verstehst du doch, oder?«
Janine gab mir einen Klaps auf den Hinterkopf und meinte lachend, dass ich noch immer der alte Gauner sei.