Teslas irrsinnig böse und atemberaubend revolutionäre Verschwörung (Band 2) - Neal Shusterman - E-Book + Hörbuch

Teslas irrsinnig böse und atemberaubend revolutionäre Verschwörung (Band 2) E-Book und Hörbuch

Neal Shusterman

4,9

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Beschreibung

Nick und seine Freunde versuchen, die Erfindungen von Nikola Tesla zurückzubekommen, um sie endlich zu einer einzigen Maschine zusammenzusetzen. Doch die Gegenstände üben immer mehr Macht auf ihre Besitzer aus und Nick ist geradezu besessen von seiner Aufgabe. Bald ist sich niemand mehr so ganz sicher, ob Tesla tatsächlich nur gute Absichten verfolgt hat ... Teslas Verschwörung ist der zweite Band einer rasanten Trilogie für Jungen und Mädchen ab 11 Jahren. Unglaubliche Erfindungen des Genies Nikola Tesla spielen eine entscheidende Rolle in dieser temporeichen Abenteuergeschichte, die alle Eigenschaften eines Lieblingsbuches aufweist: Spannung, Humor, sympathische Protagonisten und gefährliche Verschwörungen.

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Seitenzahl: 365

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Zeit:9 Std. 1 min

Sprecher:Tim Schwarzmaier
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Für all die Lehrer und Bibliotheksmitarbeiter, die den Kindern da draußen ein besseres Leben schenken. – N.S  

1.  Alles ist relativ, auch die Höhe von Tieren

Dr. Alan Jorgenson, der unangefochtene Anführer und Boss der Accelerati, klingelte an der Tür des alten Hauses und wappnete sich für die Begegnung mit seinem Vorgesetzten – denn in unserer Welt hat selbst der Chef einen Chef. Selbst der, der sich für ein unglaublich hohes Tier hält, muss zu einem noch höheren, noch monströseren Tier aufblicken.

Das Tier, das Dr.Alan Jorgenson seine Marschbefehle erteilte, schwebte in erstaunlich übel riechenden Sphären, die jedem anderen die Luft zum Atmen genommen hätten.

Die Haushälterin öffnete Jorgenson die Tür und lächelte strahlend, als er eintrat. »Is mir eine Freude, Sie bei uns zu begrüßen, MrJorgenson.«

»Doktor Jorgenson«, verbesserte er sie.

»Ja, ja, wie dumm von mir.«

Jorgenson blickte sich um. Im Haus hatte sich seit Jahren nichts verändert, es veränderte sich nie etwas. Jorgenson, der den Wandel der Welt nach Kräften vorantrieb, fand es tröstlich, dass manches dennoch ewig währte. Es gab ihm einen gewissen Halt.

»Er hat Sie schon erwartet. Oh ja, das hat er«, sagte die Haushälterin in breitem Dialekt, als hätte man sie aus der Gosse des industrialisierten Englands gezogen.

Soweit Jorgenson wusste, war die Haushälterin nie in England gewesen und ihre Wurzeln lagen keineswegs in Großbritannien. Wenn überhaupt, hätte sie germanische Züge haben müssen, denn ihr Zahnradgetriebe stammte aus einer Düsseldorfer Uhrenmanufaktur. Doch ihr Besitzer, der selbst Amerikaner war, bevorzugte in seinem häuslichen Umfeld das gewisse britische Etwas. Selbst die Luft roch nach dem muffigen Geist des viktorianischen Zeitalters.

»Er is im Salon. Wie wär’s mit einem Teechen, mein Lieber? Ich hätte einen hübschen OoLongLife da, oder lieber einen englischen Schwarztee?«

»Ein einfaches Wasser reicht, MrsHiggenbotham.«

»Hätten Sie lieber transdimensional gefiltertes Wasser oder tut’s auch Leitungswasser?«

»Gerne Leitungswasser. Danke.«

»Quantengekühlt oder …«

»Bringen Sie’s einfach her!«

»Stets zu Diensten, Boss.«

Im Salon war es dunkel – wie immer. Und der greise Herr, der in dem roten Ledersessel mit der hohen Lehne saß, hüllte sich wie immer in eine ewige Wolke aus Zigarrenrauch. »Guten Abend, Al«, sagte er.

Jorgenson setzte sich. »Ebenso, Al.«

Dies war ihre übliche Begrüßung.

Instinktiv wartete Jorgenson darauf, dass sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen würden. Dabei war ihm doch klar, dass er darauf lange warten konnte – es war schlicht zu düster. Welch eine Ironie, dachte er, dass dieser Mann, diese Lichtgestalt, einen solchen Hass auf das Licht entwickelt hat. Oder ertrug er es bloß nicht, zu sehen, dass andere Lichtgestalten noch heller strahlten?

»Ich schätze, ich muss Ihnen gratulieren«, sagte der alte Mann. »Dazu, dass die Unfähigkeit Ihres Teams am Ende doch nicht zum Weltuntergang geführt hat.«

Jorgenson schnitt eine Grimasse. Er erinnerte sich leider noch zu gut an den gewaltigen Asteroiden, der nur ein paar Wochen zuvor um ein Haar alles Leben auf Erden ausgelöscht hätte. »Für dieses Debakel übernehme ich die volle Verantwortung.«

»Sehr nobel von Ihnen«, drang die Stimme des alten Mannes aus der Rauchwolke, »doch hier waren von Beginn an andere Kräfte im Spiel. Sie hatten nie die Kontrolle über das Geschehen.«

Die Vorstellung, irgendetwas könnte außerhalb seiner Kontrolle liegen, schmerzte Jorgenson wie eine Ohrfeige. Doch der alte Mann hatte recht: Jorgenson hatte keinerlei Einfluss auf den Verlauf des Felicity-Bonk-Vorfalls nehmen können, trotz all der Technologie, all des Geldes und all des Einflusses, die er angehäuft hatte. »Wir haben Nick Slate unterschätzt. Der Junge und seine Freunde sind cleverer als gedacht.«

»Ja, der Junge«, antwortete der Greis mit einem Seufzen. »Um den Jungen kümmern wir uns, wenn es so weit ist. Diese Ehre überlasse ich dann gerne Ihnen.«

Jorgenson lächelte. »Es wird mir eine Freude sein, das kann ich Ihnen versichern.«

»Aber erst, wenn es so weit ist. Bis dahin müssen wir uns anderen Dingen wid-«

Als eine Holzdiele knarrte, drehte Jorgenson sich um. MrsHiggenbotham war eingetreten, in der Hand ein Glas Wasser, das zu gletscherblauem Eis gefroren war. »Das Quantenkühler-Dingsbums is grad ein bisschen ungezogen«, sagte sie. »Aber wie heißt es so schön? Wär die Welt perfekt, würden die Eichhörnchen singen. Und wer will denn bitte Eichhörnchen singen hören?« Sie tätschelte Jorgensons Schulter. »Früher oder später wird’s schon auftauen.«

»Finden Sie es nicht erstaunlich«, fragte der alte Mann, sobald die Haushälterin wieder verschwunden war, »dass der Bonk-Asteroid eine Umlaufbahn eingenommen hat, die genauso stabil ist wie die des Mondes?«

Jorgenson wusste schon, worauf sein Gastgeber hinauswollte, doch er ließ ihm den Spaß. »Pures Glück, sagen manche. Andere behaupten, Gott hätte seine Finger im Spiel geha-«

Bei der Erwähnung Gottes winkte der alte Mann sofort ab. Der Rauch verwirbelte zu einem trägen Strudel. »Wie Sie wissen, ist das eine so unsinnig wie das andere. Der Asteroid ist Teil eines Plans, eines sehr menschlichen Plans, der von einem großen Geist ersonnen wurde. Doch bedauerlicherweise war dieser große Geist zu klein, um zu wissen, wie man für sich selbst sorgt.« Der alte Mann lächelte. »Deshalb werden wir die Früchte von Teslas kühnstem Vorhaben ernten.« Er deutete mit der Zigarre auf Jorgenson. »Aber auf kurze Sicht werden allein Ihre Bemühungen den entscheidenden Unterschied ausmachen.«

Der Greis stieß den Rauch derart kraftvoll aus, dass die Dunstschwaden den Abstand zwischen den beiden Männern überbrückten. Sie schossen in Jorgensons Nasenlöcher und brannten ihm in den Augen.

»Von Ihnen, dem Oberhaupt der Accelerati«, fuhr der alte Mann mit einer unverhohlenen Drohung in der Stimme fort, »erwarte ich nichts Geringeres als eine wahrlich beeindruckende Vorstellung.«

Jorgenson klammerte sich an die Armlehnen, als könnte sich sein Sessel jeden Moment verselbstständigen. »Und auf lange Sicht?«, fragte er. »Ich schätze, Sie verfolgen einen eigenen Plan?«

»In der Tat.« Zum ersten Mal beugte sich der alte Mann vor. »Einen spektakulären Plan.«

2.  Der federleichte Fettwanst

Die Welt war nicht untergegangen … und das war äußerst unpraktisch.

Der Himmelskörper Felicity Bonk – ein irgendwie unpassender Name für den gewaltigen Asteroiden, der sich bis vor Kurzem auf Kollisionskurs mit der Erde befunden hatte – hatte dem Leben, wie wir es kennen, doch nicht den Garaus gemacht. Stattdessen leuchtete er nun am Nachthimmel. Natürlich war er nicht annähernd so groß wie der Mond, aber er wirkte größer als jeder Stern.

Nach den Feierlichkeiten, die nur eine knappe Woche angedauert hatten, war die Welt wieder in den alten Trott der Zeiten vor Bonk verfallen. Ein gezielter Asteroideneinschlag hätte dem Grauen des Krieges, der Unterdrückung und des Reality-TV ein Ende setzen können, doch jetzt kehrte all das in alter Frische zurück. Und zu allem Überfluss stand Nick Slate nun vor der Aufgabe, den gigantischen Schlamassel, der beinahe zum globalen Massenaussterben geführt hatte, zu ent-masseln. Er war sich seiner Verantwortung bewusst.

Langsam, aber sicher sammelten Nick und seine Freunde die vielen seltsamen Objekte ein, die Nick ein paar Wochen zuvor bei seinem Privatflohmarkt verscherbelt hatte, und nach und nach landete alles wieder auf dem Dachboden. Doch die heutige Bergungsaktion war eine besondere Herausforderung – Nick und Caitlin würden ihre vereinte Überzeugungskraft aufbringen müssen, ihren eisernen Willen und wahrscheinlich auch noch einen Batzen Geld, den sie nicht hatten.

»Wie sicher bist du dir, dass der Typ bei deinem Flohmarkt war?«, fragte Caitlin, während sie sich einem Haus näherten, das beinahe hinter ungestutzten Hecken und ungestört wuchernden Bäumen verschwand.

»Nicht hundertprozentig«, meinte Nick. »Aber ich weiß noch, dass da ein Fettwanst war, der dauernd rumgeschrien hat, und auf die Beschreibung passt der Kerl perfekt.«

Caitlin starrte ihn verärgert an. »›Fettwanst‹!? Das ist gemein und gefühllos. Schon mal was von krankhafter Fettleibigkeit gehört? Ein Onkel von mir leidet darunter, und ich kann dir sagen, das ist ein hartes Los.«

»Tut mir leid«, meinte Nick. Wenn er sich Caitlin so ansah, konnte er sich kaum vorstellen, dass sie Verwandte hatte, die nicht schlank und wunderschön waren. Oder zumindest gepflegt und gut gebaut. »Aber was hätte ich denn sagen sollen? Da war so ein ›beleibter Gentleman‹? Er ist halt kein Gentleman. Selbst wenn der Typ spindeldürr wär, er wäre immer noch ein Widerling.«

Caitlin nickte seufzend. »Ja, Widerlinge gibt es in allen Größen und Formen.«

Nick war ihm im Supermarkt begegnet – der dicke Mann und der Geschäftsführer hatten sich einen erbitterten Streit um den Preis einer Zuckermelone geliefert. Zuvor hatte Nick beobachtet, wie der Mann den Strichcode-Aufkleber der Melone gegen den Aufkleber einer günstigeren Frucht ausgetauscht hatte. Er hätte ihn anschwärzen können, doch stattdessen hatte er den Dingen ihren Lauf gelassen und über die Dreistigkeit des Typen gestaunt, und auch darüber, dass es menschliche Wesen gab, die ernsthaft über Melonenpreise diskutierten. Und auf einmal hatte ihn die gehässige Art des Mannes an einen Typen erinnert, der bei Nicks denkwürdigem Flohmarkt extrem aggressiv um den Preis einer Erfindung gefeilscht hatte. Wenn das nicht derselbe kratzbürstige Kerl war …

»Weißt du noch, was er gekauft hat?«, fragte Caitlin. Nick und sie zögerten beide, als sie das Grundstück betraten und langsam auf die Haustür zugingen.

»Ich bin mir nicht sicher«, meinte er. »Aber ich glaube, es war eine Kraftmaschine. Mit Gewichten und so.«

Wenn man einen Privatflohmarkt veranstaltet und ahnungslosen Nachbarn seinen alten Schrott andreht, hofft man eigentlich, der Kram würde auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Doch wenn es sich bei diesem »Schrott« zufälligerweise um die verschollenen Erfindungen des größten Wissenschaftlers aller Zeiten handelt, denkt man sich hinterher: »Upps.«

Vielleicht hätte Tesla seine Erfindungen lieber nicht als stinknormales Zeug tarnen und auf dem Dachboden verstauen sollen; dann hätte Nick eventuell eine Chance gehabt, zu erkennen, dass jeder dieser Gegenstände einem höheren Ziel diente. Inzwischen wusste Nick, dass Tesla durch seine Heimlichtuerei hatte verhindern wollen, dass sein Erbe einer wissenschaftlichen Geheimgesellschaft in die Hände fiel – den Accelerati. Aber damals hatte er es noch nicht gewusst, und nun waren die Erfindungen in aller Welt verstreut, wo jede Einzelne ihr spezielles Unheil anrichten könnte.

Doch trotz der unübersehbaren akuten Bedrohung, die von den Erfindungen ausging, musste Nick sich fragen, ob der ganze Wahnsinn nicht womöglich Methode hatte. Vielleicht gehörte alles zum Masterplan des Meistererfinders.

Zum Beispiel das mit dem Baseball. Ohne es zu wissen, hatte Nicks Bruder mit einem kosmischen Attraktor, der als Baseballhandschuh getarnt war, einen Asteroiden auf Kollisionskurs mit der Erde gelenkt. Konnte es da wirklich ein Zufall sein, dass Nicks Vater den Asteroiden später abgewehrt hatte, indem er einen himmlischen Deflektor geschwungen hatte, der als Baseballschläger getarnt war?

Nick war überzeugt, dass er jede einzelne Erfindung zurückerobern musste. Doch gleichzeitig hatte er den Verdacht, dass die Erfindungen zumindest für kurze Zeit draußen unter den Leuten herumschwirren mussten – denn auch die Menschen, deren Leben von den eigenartigen Objekten beeinflusst wurde, waren ein Teil von Teslas großem Mechanismus. Auf der einen Seite fand Nick es irritierend, von einem längst verstorbenen Genie manipuliert zu werden. Auf der anderen Seite tröstete es ihn ein wenig, dass er offenbar das zentrale Rädchen einer Maschinerie war, die etwas wirklich Lohnenswertes hervorbringen könnte.

Caitlin und er hatten herausgefunden, dass die vielen Erfindungen zu einer einzigen riesigen Apparatur zusammengesetzt werden konnten: zum Far Range Energy Emitter, kurz F.R.E.E., dem Lebenswerk Nikola Teslas. Bisher war niemand sonst darauf gekommen. Aber auch sie konnten bloß raten, wozu dieser »Langstrecken-Energiesender« gut sein sollte, wenn er einsatzbereit war. Nick wusste nur eines: Er verspürte einen starken Drang, die Maschine fertigzustellen.

Als sie sich dem Haus des Zuckermelonenmannes näherten, hörte Nick ein rhythmisches Scheppern – Metall auf Metall. Jeder, der schon mal im Fitnessstudio war, weiß, welches Geräusch gemeint ist.

»Er ist zu Hause«, sagte Nick. »Und er trainiert an seiner Kraftmaschine.«

Bevor Nick der Tür zu nahe kommen konnte, packte Caitlin ihn am Arm. Ein Schatten der Angst glitt über ihr Gesicht. »Was denkst du, was die Maschine macht?«

Hätte Nick jetzt angefangen, darüber nachzudenken, hätte er sich wohl gar nicht mehr ins Haus getraut. »Das sehen wir dann schon«, antwortete er deswegen schnell.

Statt an der Tür zu klingeln, sondierten sie lieber erst mal die Lage. Auf leisen Sohlen huschten sie durch das dichte Unkrautgestrüpp an der Mauer, und als sie sich einem Fenster näherten, spürten sie, wie sich ihre Haare aufstellten. Was einen guten Grund hatte, wie sich noch zeigen sollte.

»Mach mir mal eine Räuberleiter, dann kann ich reinschauen«, sagte Caitlin. Nick verschränkte die Finger ineinander, ließ Caitlin auf seine Hände steigen und hievte sie nach oben.

Er hatte sich auf Caitlins geschätztes Gewicht gefasst gemacht – aber anscheinend hatte er sich stark verschätzt. Caitlin war verblüffend leicht. Was ebenfalls einen guten Grund hatte, wie sich noch herausstellen sollte.

»Siehst du irgendwas?«, fragte er.

»Ja, die Kraftmaschine«, erwiderte sie. »Sie steht mitten im Zimmer. Aber …«

»Aber was?«

»Aber da ist keiner.«

»Wie, da ist keiner? Ich hör doch, wie der Typ Gewichte stemmt.«

»Das meine ich ja. Die Maschine stemmt ganz alleine Gewichte.«

Plötzlich flog das Fenster auf und Caitlin wurde aus Nicks Händen in das Haus gezerrt.

»Caitlin!«, schrie Nick.

Die massige Pranke des massigen Hausbewohners schoss hervor und fasste Nick an den Haaren, und im nächsten Moment wurde auch er mit scheinbar übermenschlicher Kraft in die Luft gerissen und durch das Fenster gezogen.

Zuerst spürte Nick nichts als eine enorme Orientierungslosigkeit. Der Zuckermelonenmann, Caitlin und er taumelten gemeinsam ins Innere, fielen aber irgendwie nicht auf den Boden. Und als Nick gegen eine Wand torkelte und dabei ein gerahmtes Foto herunterriss, fiel auch der Rahmen nicht herunter, sondern drehte sich fröhlich um die eigene Achse, stieß gegen die Decke und prallte wieder zurück.

Mit einem Schlag begriff Nick, was hier los war. Als er nach oben blickte, was eigentlich unten war, sah er die altmodische Kraftmaschine. Ihre Kolben arbeiteten, ihre Drahtseile ächzten. Es war eine Kraftmaschine im wahrsten Sinne des Wortes – ein Gerät, das die Schwerkraft aufhob und die direkte Umgebung in Schwerelosigkeit hüllte. Deshalb hatte Caitlin sich so leicht angefühlt, als Nick sie am äußersten Rand des Antigravitationsfelds hochgehievt hatte. Deshalb hatten sich vorhin ihre Haare aufgestellt. Jedes metallische Scheppern erzeugte eine neue Kraftwelle. Sehen konnte man die Energie nicht, doch sie pulsierte in Nicks Eingeweiden, in seinen Augen und Ohren.

»Denkt ihr, ich weiß nicht, wer ihr seid? Und dass ihr mir schon die ganze Zeit hinterherspioniert?« Die Stimme des Mannes dröhnte genauso zornig wie neulich, als er sich mit dem Supermarkt-Geschäftsführer gezofft hatte. Der Mann war tatsächlich sehr beleibt, ja, losgelöst von den Fesseln der Schwerkraft wirkte er sogar noch beleibter als zuvor. Als er Nick schubste, flogen sie beide in entgegengesetzte Richtungen auseinander, doch Nick flog deutlich schneller.

Caitlin versuchte, den Mann zu packen, griff aber daneben. Sie schwebte hilflos an ihm vorüber und ruderte dabei verzweifelt mit Armen und Beinen, als wollte sie durch die leere Luft schwimmen.

Als Nick gegen einen Balken unter der Gewölbedecke knallte, schrie er auf – er hatte so viel Schwung gehabt, dass es trotz Schwerelosigkeit ordentlich wehtat. Zugleich schmiss Caitlin sich wieder ins Geschehen: Sie zielte auf den Mann in der Mitte des Zimmers und stieß sich von der Wand ab wie ein menschliches Projektil. Doch der Mann hatte viel mehr Übung darin, im gravitationsfreien Raum zu manövrieren. Mit einer einzigen Handbewegung verlagerte er seinen riesigen Körper zur Seite, um Caitlin auszuweichen, flog in die andere Ecke und starrte auf sie herab – beziehungsweise herauf – wie eine Spinne in ihrem Netz.

»Ihr kriegt sie nicht!«, schrie er. »Sie gehört mir!«

Der Mann bot einen beängstigenden Anblick, wie er da im Herzen seines Reichs schwebte. Er hielt sich an einem Haltegriff fest, der an einen Deckenbalken geschraubt war. Nick entdeckte noch viele andere Griffe an strategisch günstigen Positionen an Wänden und Decke. Dadurch konnte sich der Mann ohne Probleme durch sein schwereloses Haus hangeln.

»Habt ihr eine Ahnung, wie es ist, das ganze Leben lang gegen die Kilos zu kämpfen – und auf einmal ist man sie alle los? Ihr habt doch gar keine Vorstellung davon, wie befreiend das ist. Das dürft ihr mir nicht wegnehmen. Das lasse ich nicht zu!« Erneut zischte der Mann auf Nick zu, packte ihn und schleuderte ihn quer durch das Zimmer.

Nick trudelte durch die Luft, stieß mit der Schulter gegen die Kraftmaschine, was schon wieder richtig wehtat, prallte ab und donnerte durch einen glücklichen Zufall auf ein Sofa, das mit dem Boden verschraubt war. Dort wäre er gerne liegen geblieben, doch das Sofa katapultierte ihn hoch wie ein Trampolin, sodass er wieder Richtung Decke segelte.

»Bitte«, rief Caitlin, »hören Sie sich wenigstens an, was wir zu sagen haben!«

»Auch Worte haben hier kein Gewicht«, erwiderte der Mann. »Vor allem eure nicht!«

Zum x-ten Mal kollidierte Nick mit der Decke. Aber diesmal erwischte er einen Haltegriff und konnte sich stabilisieren.

»Wir wollen Ihnen nichts vormachen«, sagte Nick. »Wir müssen die Maschine mitnehmen.«

»Wir bezahlen auch dafür«, fügte Caitlin hinzu.

Darüber lachte der Mann bloß. »Für wie blöd haltet ihr mich? Das Ding ist mehr wert als alles Geld der Welt!«

»Das wissen wir.« Nick beschloss, ein kleines Risiko einzugehen. »Aber was wird dabei aus Ihnen? Lassen Sie mich raten – seit Sie die Maschine zum ersten Mal eingeschaltet haben, fällt es Ihnen immer schwerer, ohne das Ding auszukommen.«

Die Lippen des Mannes gefroren zu einem harten Strich. »Was weißt du schon.«

»Wenn die Maschine abgeschaltet ist, wiegen Sie noch mehr als früher«, fuhr Nick fort. »Ihre Arme fühlen sich schwach an und Ihre Beine noch schwächer. Sie können sich kaum noch bewegen. Deshalb flippen Sie draußen in der echten Welt so schnell aus. Weil Sie sich ständig überanstrengen müssen … und deswegen gehen Sie kaum noch raus.«

»Das hat nicht das Geringste mit der Maschine zu tun!«, brüllte der Mann. Er sah nicht mehr aus wie eine Spinne im Netz, sondern wie ein in die Enge getriebener Hund.

Nick konnte sich relativ leicht ausrechnen, was mit dem Mann geschah: In der Schwerelosigkeit strengt man die Muskeln nicht an, und strengt man die Muskeln nicht an, verbrennt man keine Kalorien. Der Kerl nahm immer mehr zu, und das beängstigend schnell.

»Die Maschine bringt Sie langsam um«, sagte Nick. »Sie wollen es nicht wahrhaben, aber Sie wissen es genauso gut wie ich.« Er schwang sich zu einem anderen Haltegriff, etwas näher an den Mann heran. Jetzt hing Caitlin im Rücken des Kerls, wo er sie nicht sehen konnte. Hoffentlich wusste sie, was zu tun war.

Nick hielt den Blickkontakt aufrecht. Er beobachtete, wie sich das Gesicht des Mannes rötete. Tränen quollen aus seinen Augen und schwebten davon.

»Was ist das für eine Freiheit, wenn man süchtig nach einer Maschine ist?«, meinte Nick.

»Aber ich kann nicht mehr aufhören. Kapiert ihr das nicht? Ich kann die Maschine nicht abschalten. Denn dann … dann …«

Nick streckte die Hand aus und klopfte ihm auf die Schulter. »Ich weiß. Ohne die Maschine fällt alles in sich zusammen.« Er drehte sich zu Caitlin um. »Jetzt!«

Caitlin hatte sich unbemerkt zur Kraftmaschine gehangelt. Jetzt griff sie in den Mechanismus und zog den Stift aus der Halterung der Gewichte – die prompt in die Tiefe krachten. Die Maschine stand still.

Und exakt gleichzeitig plumpste alles herunter, was nicht niet- und nagelfest war. Alles, jede und jeder. Die Schwerkraft fand es gar nicht nett, dass ihre Gesetze so lange grob missachtet worden waren, und Strafe musste sein. Nick und der beleibte Herr klatschten auf den Boden, lediglich abgefedert von einem dünnen, zerschlissenen Teppich. Beide hätten sich mit Leichtigkeit das Genick, den Rücken oder irgendein anderes Körperteil brechen können, doch das Schicksal beließ es freundlicherweise bei blauen Flecken.

Nick schnitt eine Grimasse und stemmte sich hoch. Es war erstaunlich, wie schlapp man sich schon nach einer fünfminütigen Auszeit von der Schwerkraft fühlte.

Caitlin war sowieso ziemlich nah am Boden gewesen und hatte sich deswegen nicht wehgetan. Sobald sie wieder wusste, wo oben und unten war, erkannte sie, dass der kurze Kampf mit dem Hausbewohner einiges durcheinandergewirbelt hatte, etwa die Sofakissen und ein gerahmtes Foto. Das Glas des Rahmens war beim Sturz zerbrochen und lag nun in Scherben auf dem Teppich. Würde die Schwerelosigkeit zurückkehren, dachte Caitlin, wären die Splitter verdammt gefährlich.

Als sie zu Nick eilte und sein schmerzverzerrtes Gesicht sah, rechnete sie schon mit dem Schlimmsten. »Alles okay mit dir?«, fragte Caitlin.

»Denke schon«, ächzte Nick.

Dann warf sie einen Blick auf den Mann, der wie ein großer Haufen Elend auf dem Boden lag und von Schluchzern geschüttelt wurde. Caitlin wusste, dass er nicht nur wegen des unsanften Aufpralls heulte.

Während Nick sich langsam aufrappelte, ging Caitlin zu dem weinenden Mann. Eigentlich war er nicht der Besitzer der Maschine – er war ihr Opfer.

Auch der Mann wollte sich aufrichten, aber er konnte nicht. Er erinnerte Caitlin an einen Astronauten, der nach der Rückkehr von einem langen Aufenthalt im All kaum noch laufen kann, weil sich seine Muskulatur in der Schwerelosigkeit rapide abgebaut hat. Nicht zu fassen, dass Nick diesen Zusammenhang bereits erkannt hatte, als sie noch oben unter der Decke gehangen hatten.

Nick verhielt sich oft genug himmelschreiend taktlos oder einfach nur dumm, doch er machte es jedes Mal wieder wett, indem er sich kurz darauf von seiner brillanten und einfühlsamen Seite zeigte. Caitlin war klar, dass sie ihn gar nicht leiden könnte, wenn er nur brillant und einfühlsam gewesen wäre, und genauso wenig, wenn er nur gefühllos und dumm gewesen wäre. Doch Nick wandelte beständig auf einem schmalen Grat zwischen beiden Extremen und das fand Caitlin sehr interessant.

»Wie konnte das alles nur so schiefgehen!«, jammerte der schwergewichtige Mann.

Caitlin kniete sich neben ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Vielleicht musste es schiefgehen«, sagte sie leise. »Damit Sie diesen Moment erleben können.«

Er hob den Kopf und betrachtete sie fragend.

Irgendwo zwischen den Trümmern des Wohnzimmers lag ein Kugelschreiber. Caitlin suchte sich einen Fetzen Papier und notierte einen Namen und eine Telefonnummer. »Mein Onkel leidet auch unter Fettleibigkeit und langsamem Stoffwechsel. Er leitet eine Praxis für Leute, die die Nase voll haben von Mode-Diäten.« Ihre Augen zuckten zur Kraftmaschine. »Und, äh, von anderen Wundermitteln.«

Der Mann nahm den Zettel entgegen und starrte ihn an.

»Er kann Ihnen helfen, wieder … wieder auf die Beine zu kommen, wenn man so will«, sagte Caitlin voller Mitgefühl. »Wenn Sie bereit dafür sind.«

Als Nick und Caitlin die Maschine mitnahmen, leistete der Mann keinen Widerstand – was hoffentlich bedeutete, dass er wirklich bereit war.

3.  Teslanoide Objekte

Selbst die schlummernde, unvollständige Tesla-Apparatur verströmte eine Aura der Energie.

Wann immer Nick auf seinem Dachbodenzimmer vor der zusammengesetzten Erfindung stand, spürte er ohne jeden Zweifel, dass er ein Teil der Maschine war, er und seine Freunde und sein Vater und sein Bruder und alle anderen, die eines der Objekte erhalten hatten.

Nicks Dad und Danny hatten ihre Rolle im Plan des Meistererfinders schon gespielt. Der zerbrochene Baseballschläger lag noch als Andenken auf dem Dachboden, doch seine Energie war verbraucht, genau wie die des Baseballhandschuhs. Nick fühlte, dass ihre Verbindung zu den anderen Objekten abgebrochen war. Außerdem passten sie gar nicht in die Maschine. Und auch das Klappe! Zuhören!, eine gruselige Abwandlung eines Kinderspielzeugs, hatte seine Funktion erfüllt – es hatte Nicks Freund Mitch vorübergehend die Fähigkeit verliehen, die passende Antwort auf Fragen zu geben, die noch niemand ausgesprochen hatte.

Der Handschuh, der Schläger und das Spielzeug waren nur noch völlig normale Gegenstände. Sie hatten ihre Schuldigkeit getan. Aber mit den anderen Erfindungen, die noch in der ganzen Stadt verteilt waren, hatten Nick und seine Freunde noch mehr als genug zu tun.

Vor dem Beinahe-Asteroideneinschlag hatten sie zwölf »Teslanoide Objekte« zusammengetragen gehabt – so nannten sie die Erfindungen inzwischen –, und in den drei Wochen, die seitdem vergangen waren, konnte Nick noch vier weitere einsammeln. Manche Leute standen urplötzlich vor seiner Tür und flehten ihn an, sie von ihrer Last zu befreien. Andere musste er ausfindig machen, indem er wilden Gerüchten nachging.

Teslanoides Objekt Nr.13. Der Asteroid war erst vor drei Tagen in den Erdorbit eingeschwenkt, als eine übermüdete Frau an der Tür klingelte, um ihren Flohmarktkauf bei Nick abzuliefern. Sie wollte nicht mal ihr Geld zurück.

»Das war der größte Reinfall aller Zeiten«, sagte sie.

Damit meinte sie ein Spielzeug, genauer gesagt einen Springteufel, der mit einem derart sinneszerfetzenden Radau aus dem Kasten schnellte, dass das nichts ahnende Opfer für mehrere Stunden in Ohnmacht fiel. Das reinste Narkosegerät. Die Frau hatte es »Narkoseteufel« getauft und benutzt, um ihre verwilderten Kinder ins Bett zu bringen.

»Aber die Kleinen sind mir auf die Schliche gekommen«, erzählte die Frau. »Und dann haben sie den Spieß umgedreht, damit sie die ganze Nacht aufbleiben und Süßigkeiten essen und fernschauen konnten. Kannst du dir vorstellen, wie unser Haus jeden Morgen aussah? Ich glaube kaum.« Sie stöhnte. »Hier, nimm’s einfach! Ich will es nie mehr wiedersehen.«

Teslanoides Objekt Nr.14. In der Schule sprach sich herum, dass sich irgendein kleiner Bruder in einem Wirbelsturm den Arm gebrochen hatte. Was Nick merkwürdig fand, da es in letzter Zeit nicht besonders windig gewesen war.

Durch einen nützlichen Hinweis entdeckten Nick und Mitch ein leer stehendes Grundstück, auf dem sich ein Rudel Kinder mit einem Blasebalg von Nicks Flohmarkt vergnügte. Der Clou war, dass der Blasebalg kleine Windhosen erzeugte. Die Kids rannten in die Mini-Tornados hinein und ließen sich unter lautem Gelächter mehrere Meter weit durch die Luft schleudern. Wäre eine Mutter anwesend gewesen, hätte sie gesagt: »Klar, das ist alles sehr lustig – bis sich irgendwer den Arm bricht.«

Nick und Mitch tauschten einige sehr wertvolle Videospiele ein, um den Blasebalg zurückzukaufen, damit die Kleinen nicht unter schweren Verletzungen leiden mussten. Höchstens unter dem Karpaltunnelsyndrom, weil sie ununterbrochen einen Videospielcontroller in der Hand hielten.

Teslanoides Objekt Nr.15. Mitch hatte zufällig mitbekommen, wie sich zwei Englischlehrer über einen sonderbaren Fall unterhalten hatten. Es ging um die Mutter eines Mathematiklehrers. Offenbar fand die Familie, dass es langsam an der Zeit war, die liebe alte Mom, die nun ja schon auf die neunzig zuging, ins Altersheim zu stecken. Doch die Greisin hatte überhaupt keine Lust, aus dem Haus auszuziehen, in dem sie ihr ganzes Leben verbracht hatte.

»Und Beth, die die Geschichte von Alice hat, hat gesagt«, tratschte der eine Lehrer, »dass sie gar nicht mehr an die alte Dame herankommen. Eineinhalb Meter vor ihr ist jedes Mal Schluss. Als stünde sie unter einem Schutzzauber!«

Natürlich hatten die beiden herzhaft über die Story gelacht. Hexerei, Voodoo, Zauberkunst, das war doch alles alberner Hokuspokus.

Aber nie da gewesene Technik war kein Hokuspokus.

Ein bisschen Detektivarbeit führte Nick, Mitch und Caitlin zu der alten Dame, und mit vereinten Kräften konnten sie schließlich ein Tauschgeschäft mit ihr aushandeln und das elektrische Mehlsieb zurückerobern. Es war ein besonderes Sieb – betätigte man den seitlichen Hebel mit der Hand, erzeugte es ein Kraftfeld mit einem Durchmesser von etwa drei Metern. Nicht auszudenken, wie groß und mächtig das Feld sein würde, wenn man das Sieb an die Energiequelle anschloss, die eigentlich dafür vorgesehen war. Nur dass Nick und Co. leider keine Ahnung hatten, was für eine Energiequelle das sein könnte.

Um den Handel zu besiegeln, musste Caitlin versprechen, dass ihr Vater die alte Dame im Kampf gegen ihre Familie als Gratis-Rechtsbeistand vertreten würde. Caitlins Vater war Anwalt.

Teslanoides Objekt Nr.16. Eines Tages tauchte ein Mann mit Wattebällchen in den Ohren vor Nicks Tür auf und hielt ihm eine Erfindung hin, die Nick schon völlig vergessen hatte: eine Klarinette aus einem getrübten, eisengrauen Material.

»Versetz dich mal in meine Lage«, zischte der Mann zornig. »Du schaust zu, wie sich deine Tochter bei der Schulaufführung ihre arme kleine Lunge aus dem Leib pustet – und das ganze Publikum rennt schreiend aus dem Saal! Und dann stell dir vor«, rief er, »du musst dir noch Tage nach dem traumatischen Erlebnis Watte in die Ohren stopfen, weil sich der grässliche Lärm immer weiter in deinen Gehörgang bohrt!«

Nick nahm ihm die Klarinette ab. »Ich war schon bei vielen Schulaufführungen. Ich weiß, wie schmerzhaft das ist.«

Als er das Instrument auf den Dachboden brachte, sah er gleich, dass die Klarinette vor dem Toaster eingehängt werden musste und zwischen ihnen noch ein verbindendes Element fehlte – welches auch immer das sein mochte. Wie es aussah, war es doch nicht die wahre Bestimmung der »Quälinette«, seelenzerstörerisch schlimme Musik erklingen zu lassen. Das war bloß eine Nebenwirkung.

Nun, da auch noch die Kraftmaschine in die Sammlung wanderte, hatten sie insgesamt siebzehn Objekte zurückerobert. Damit fehlten noch fünfzehn.

Normalerweise wäre es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, die schwere Kraftmaschine zu zweit nach Hause zu tragen. Doch Nick hatte herausgefunden, dass man das Gerät auch auf einer niedrigen Stufe einschalten konnte – man musste nur den Stift in das niedrigste Gewicht stecken, und plötzlich war die Maschine leicht genug, um sie ohne fremde Hilfe durch die Straßen und auf Nicks Zimmer zu schleppen.

Im Schatten der geheimnisvollen Apparatur, die in der Mitte des Dachbodens Gestalt annahm, wirkten Nicks Möbel winzig klein. Die vielen einzelnen Objekte griffen ineinander wie Puzzleteile, und Nick benötigte nur ein paar Sekunden, um zu erkennen, wohin die Kraftmaschine gehörte: Sie ließ sich passgenau hinter die Lampe schieben, und in ihrem Gestell befanden sich außerdem sechs kleine Löcher, die genau die richtige Größe für die sechs lockenwicklerartigen Miniatur-Teslaspulen hatten.

Caitlin verschränkte die Arme und zog die Stirn kraus. »Wie machst du das nur?«

»Was mache ich denn?«, fragte Nick.

»Wieso weißt du immer sofort, wie alles zusammenpasst? Ich bin hier die Künstlerin. Ich sollte hier das überlegene räumliche Vorstellungsvermögen besitzen.«

Nick zuckte mit den Schultern. »Ich stelle es mir einfach bildlich vor und dann weiß ich Bescheid.«

»Vorsicht«, sagte Caitlin mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln. »Wenn du so weitermachst, halten dich die Leute noch für ein Genie.«

»Na ja. Höchstens für ein verrücktes Genie.«

Caitlin grinste immer breiter. »Oder einfach nur für verrückt.«

»Wäre nicht das erste Mal«, antwortete Nick.

Nick betrachtete die Apparatur und musste zugeben, dass er immer ein wenig stolz war, wenn er ein weiteres Puzzleteil hinzufügte. Er fühlte sich jedes Mal, als wäre er dem brillanten Erfinder einen Schritt näher gekommen. Vielleicht hatte Caitlin ja recht. Vielleicht hatte ein klitzekleines bisschen Genialität auf ihn abgefärbt.

»Was sagt dein Dad eigentlich dazu, dass du den ganzen Kram wieder hier oben rumstehen hast?«, fragte Caitlin. »Dazu hat er doch sicher eine Meinung?«

»Hätte er bestimmt«, erwiderte Nick. »Wenn er davon wüsste.«

»Wie … soll das heißen, dass er …«

»Mein Dad hat Knieprobleme. Keine besonders schlimmen, aber schlimm genug, dass er lieber unten bleibt«, erklärte Nick mit einem Blick auf die steile Klappleiter, die hinunter ins Obergeschoss führte. »Solange ich meine Schmutzwäsche in den Keller bringe, das Zimmer sauber halte und kein Essen vergammeln lasse, hat er keinen Grund, sich hier raufzuquälen.«

»Aber wenn er sich trotzdem irgendwann hier raufquält?«

Nick seufzte. »Dann werde ich es schon irgendwie regeln.« Hinter der Sache mit seinem Vater steckte noch ein bisschen mehr, aber darüber wollte er jetzt nicht sprechen.

Nachdem die Kraftmaschine installiert war, konnten Nick und Caitlin in die Küche gehen und sich mit zwei Champagnergläsern voll sprudelndem Dr Pepper belohnen.

»Und als Nächstes?«, fragte Caitlin nach dem dritten Schluck.

Das, was Nick als Nächstes bevorstand, hatte nichts mit Teslas Erfindungen zu tun – aber noch wollte er Caitlin nicht damit überfallen.

»Ich hab im Netz gesehen, dass jemand in der Stadt einen antiken Karteischrank verkauft«, sagte Nick. »Ich glaube, es ist der vom Dachboden.«

»Hmm«, machte Caitlin. »Wenn sie ihn verkaufen wollen, wissen sie nicht, dass er verborgene Talente hat.«

»Oder sie wissen es sehr wohl und wollen ihn gerade deswegen loswerden.«

»Wie auch immer.« Caitlin nahm einen weiteren Schluck Dr Pepper. »Ich schätze, irgendwer sollte sich darum kümmern.«

Mit »irgendwer« meinte Caitlin wahrscheinlich »nicht ich«, aber das konnte Nick ihr nicht verübeln. Obwohl Mitch und sogar Petula genauso mit drinhingen wie sie, schienen Nick und Caitlin die ganze Schwerstarbeit zu leisten, und zwar meistens ohne verringerte Schwerkraft. Und dann war da auch noch Vince, aber der hatte wenigstens eine gute Ausrede, wieso er sich in letzter Zeit kaum beteiligte.

Als Nick nicht antwortete, entstand eine peinliche Stille.

Caitlin rutschte auf ihrem Stuhl herum, als würde sie jeden Moment aufstehen. »Ich hab noch Hausaufgaben«, murmelte sie.

Doch Nick hielt sie auf. »Caitlin«, sagte er. »Ich hab mir vorhin gedacht …« Krampfhaft versuchte er, ihr in die Augen zu blicken. Beim schwerelosen Zuckermelonenmann war es ihm irgendwie leichter gefallen. »Also, ich hab mir gedacht …«

Caitlin betrachtete ihn abwartend.

»Wenn wir dieses Wochenende keinen Kram mehr suchen müssen … keinen Kram vom Dachboden, meine ich … du weißt schon, keinen Tesla-Kram … also nicht, dass mir das keinen Spaß macht … na ja, eigentlich nicht, aber mit dir macht es mir schon ein bisschen Spaß …«

»Nick«, sagte Caitlin sanft. »Du plapperst unsinniges Zeug.«

Die Unterbrechung brachte Nicks Gedankengang ins Straucheln. Wobei es sowieso eher ein Gedankentorkeln war. »Also, ich wollte eigentlich nur sagen, dass du doch total auf ausländische Komödien mit traurigem Ende stehst, und in der Stadt läuft gerade My Big Swedish Funeral.«

»Willst du mich zu einem Date einladen?«, fragte Caitlin. Manchmal konnte sie unerträglich direkt sein.

»Äh … ja. Denke schon.«

»Denkstdu nur? Oder bist du dir sicher?«

Nick atmete tief durch. »Ich bin mir sicher.«

»Ah«, sagte Caitlin. »Okay.«

»Okay, du kommst mit? Oder okay, hiermit nehme ich zur Kenntnis, dass du mich zu einem Date einladen willst?«

»Das zweite, denke ich.«

»Denkstdu nur? Oder bist du dir sicher?«

Caitlin atmete tief durch – kein gutes Zeichen. »Nick. Wir stecken da gerade mitten in einer extrem wichtigen Sache, und jetzt miteinander auszugehen, das … das würde doch nur alles verkomplizieren. Verstehst du das?«

Nick spürte, wie seine Ohren rot anliefen, und er hoffte, dass wenigstens seine Wangen blass blieben. »Also ich finde kompliziert gut.«

Caitlins Schultern sackten herab.

»Außer«, fügte Nick in vielleicht etwas zu vorwurfsvollem Tonfall hinzu, »außer du hängst immer noch an Theo.«

Sie starrte ihn an, als hätte er ihr eine Ohrfeige verpasst. »Das ist es nicht. Das weißt du doch.«

»Weiß ich das wirklich?«

Er sah, wie sie um Worte rang. Gut so, dachte er, soll sie ruhig ein bisschen mit sich ringen. Wenn sie mich schon abblitzen lässt, soll sie sich wenigstens genauso quälen wie ich mich, als ich sie gefragt habe.

»Ich weiß einfach im Moment nicht, wie es mir damit geht«, antwortete Caitlin.

Nick stand so abrupt auf, dass sein Stuhl rückwärts über den Boden schlitterte und gegen die Wand knallte. Am liebsten wäre er erbost aus der Küche gestürmt, doch ihm fiel noch rechtzeitig auf, dass er bei sich zu Hause war – es wäre komisch rübergekommen, irgendwohin zu stürmen. Deshalb blieb er einfach stehen.

»Wenn das so ist«, sagte er, »solltest du vielleicht Teslas Tonbandgerät fragen, wie es dir damit geht.«

Caitlin erhob sich von ihrem Stuhl. »Das musste jetzt wirklich nicht sein.«

Sie drehte sich auf dem Absatz um und stürmte viel effektvoller aus der Küche, als Nick es jemals gekonnt hätte.

Aber Nick nahm sich vor, kein schlechtes Gewissen zu haben, nur weil er das Tonbandgerät erwähnt hatte. Er bereute es auch nicht, Caitlin ins Kino eingeladen zu haben. Seit der heiklen Anfangsphase hatte ihre Beziehung große Fortschritte gemacht, sie hatte sogar einen Beinahe-Weltuntergang überlebt. Was war so falsch daran, dass er ihr langsam eine neue Dimension verleihen wollte?

Da Caitlin verschwunden war, ging Nick wieder auf den Dachboden und stellte sich vor Teslas Maschine.

Natürlich hatte ihn Caitlins Nein verletzt, doch in der Gesellschaft der Maschine ging es ihm gleich wieder ein bisschen besser. Er konnte sich nicht erklären, was das Ding mit ihm anstellte. Sobald er ihm zu nahe kam, wollte er fast schon hineinkriechen und selbst zu einem Teil der Apparatur werden. Die Maschine stand direkt auf dem rätselhaften Gravitationsstrudel in der Mitte des Dachbodens, genau dort, wo Nick sich immer ausgeruht hatte, als das Zimmer noch weitgehend leer gewesen war. Dort hatte er sich gefühlt wie im Zentrum der Welt – und als hätte er sein eigenes Zentrum gefunden, was fast noch wichtiger war. Aber diesen Platz nahm nun die Maschine ein. Nick konnte nur noch der Maschine nahe sein. Er empfand ein immer stärkeres Bedürfnis, sich um sie zu kümmern.

Sie fertigzustellen.

Kurz bevor Caitlin ihm eine eiskalte Abfuhr erteilt hatte, hatte sie eine gute Beobachtung gemacht: Nick wusste wirklich instinktiv, wie die einzelnen Erfindungen in das große Ganze passten; obwohl er gar keine Ahnung hatte, welche Funktion sie jeweils erfüllten. Und mit jedem Teil, das er hinzufügte, wuchs sein unterbewusster Drang, den Mechanismus zu komplettieren. Je näher er dem Ziel kam, Teslas Far Range Energy Emitter zu vollenden, desto dringender wollte die Maschine selbst vollendet werden.

Aber diese innere Unruhe war Nick viel lieber als das Gefühl der Erniedrigung, das Caitlin ihm hinterlassen hatte. Er war allein und unbeobachtet. Nick stellte sich dicht vor die Maschine, so dicht, wie es nur ging, als könnte er dadurch ihre rätselhaften Schwingungen spüren. Er sehnte sich nach dem Tag, an dem er sie anwerfen könnte. Dann würde er endlich erfahren, was sie draufhatte.

Später erinnerte Caitlin sich kaum noch an den Heimweg, so sehr brodelte ihr Inneres vor Wut und Frust. Doch lange bevor sie zu Hause ankam, wurde ihr klar, dass sie nicht auf Nick sauer war, sondern auf sich selbst.

Es war nicht sehr einfühlsam von Nick, das Tonbandgerät zu erwähnen. Doch seit Caitlin gehört hatte, was das Gerät über sie zu sagen hatte, war ihr bewusst, dass Nick sich aus guten Gründen über sie ärgerte. Ja, vielleicht waren sie allmählich wirklich mehr als Freunde. Aber Caitlin hielt Nick nicht zum Spaß hin. Sie hatte längst zugegeben, dass sie ihn gut leiden konnte – okay, sie hatte es nur sich selbst eingestanden und niemandem erzählt –, doch sie hatten schon genug Lasten zu schultern. Sie mussten sich jetzt keine Beziehung aufhalsen.

Caitlins Erfahrung nach lief es immer gleich ab: Am Anfang denkt man, man findet den Typen absolut super, aber wenn man ihn dann besser kennenlernt, sucht man nur noch nach einem Fluchtweg. Auf die Art würde es wahrscheinlich immer weitergehen, bis sie endlich den Bogen raushatte und wusste, wie Beziehungen funktionierten. Erst dann würde sich die wahre Liebe melden, erst dann würde sie ihren Seelenverwandten entdecken.

Sie hatte zwar den Verdacht, dass Nick schon ein guter Kandidat für einen Seelenverwandten sein könnte, aber sollte sie ihn in einen Theo verwandeln, wäre es aus und vorbei. Oder hatte sie einen Schaden, weil sie immer noch mit einem Typen zusammen war, den sie eigentlich nicht riechen konnte? Während sie ständig mit einem anderen Typen herumhing, mit dem sie nicht zusammen sein wollte, weil sie Angst davor hatte?

»Hallo, liebste Tochter«, sagte ihre Mutter, als Caitlin das Haus betrat. »Theo ist da.«

Er wartete schon in der Wohnzimmertür: Caitlins Ex-aber-nicht-wirklich-Ex-Freund.

Caitlin seufzte. »War ja klar.«

»Hast du vergessen, dass wir heute für Physik lernen wollten?«, fragte Theo.

»Sorry«, sagte sie. »Hatte noch was zu erledigen.«

Sie setzten sich an den Tisch, schlugen ihre Physikbücher auf und machten sich an die Arbeit.

Oh ja, dachte Caitlin, ich habe zweifellos einen Schaden. Ob es wohl irgendwo auf der großen, weiten Welt ein Pärchen gab, das noch schlechter zusammenpasste als Theo und sie?

Aber selbstverständlich.

4.  Das epische Spektakel der menschlichen Tollpatschigkeit

Während Petula Grabowski-Jones in gespannter Vorfreude abwartete, schluckte Mitch Murló ein Seufzen hinunter.

»Okay, gleich kommt sie raus«, sagte Petula. »Pass auf, das wird der Hammer.«

Mitch konnte nicht behaupten, dass er gerade einen Hammerspaß hatte, aber Petula wirkte überglücklich, und deshalb stellte er seine eigenen Bedürfnisse gerne zurück. Er wollte unbedingt, dass sie glücklich war und blieb – schließlich befanden sie sich auf ihrem ersten Date außerhalb der herrlichen Stille eines Kinosaals. Zum ersten Mal mussten sie sich über einen längeren Zeitraum hinweg gegenseitig wahrnehmen und sich ernsthaft miteinander unterhalten, und das war alles andere als leicht. Sie hatten eine Weile gebraucht, um sich überhaupt auf eine Nicht-Kino-Verabredung zu einigen, mit der sie beide zurechtkamen. Die Bowlingbahn war Petula zu primitiv und ein Dinner in einem vornehmen Restaurant war ausgeschlossen, da Mitch ihrer Meinung nach »die Tischmanieren eines hirngeschädigten Lemuren« hatte.

Als Mitch darüber nachgedacht hatte, was er wohl noch alles mit Lemuren gemeinsam hatte, war er auf die Idee mit dem Zoo gekommen. Und Petula hatte eingewilligt, allerdings wie üblich aus sehr ungewöhnlichen Gründen.

Mitch hätte nicht sagen können, was er eigentlich an Petula fand. Vielleicht mochte er ihre charmant-irritierende Art, sich vorzustellen (»PÄTTula wie PAPPrika und nicht PeTUUla wie PeTUUnie«)? Oder mochte er ihren mathematisch exakten Mittelscheitel und ihre beiden altmodischen, aber mit furchterregender Präzision geflochtenen Zöpfe, die sicher mit voller Absicht immer leicht schief wirkten? Oder mochte er Petula nur, weil Petula ihn mochte? Aber im Grunde war das alles egal. Jetzt saßen sie jedenfalls an einem Tisch neben einer Imbissbude im Zoo von Colorado Springs, hielten Händchen und beobachteten das am höchsten entwickelte Säugetier des Planeten. Das Säugetier, das sich nicht in einem Käfig verstecken konnte, um Petula zu entkommen.

»Du erinnerst dich doch, wie dunkel es im Reptilienpavillon war?«, fragte sie.

»Ja, schon …«, meinte Mitch.

»Und du siehst, wie hell der Marmorboden gleich hinter dem Ausgang strahlt?«

»Ja …«

»Und du siehst diese eine Stufe, mit der kein Mensch rechnet?«

»Ja, klar …«

Petula machte eine weit ausholende Geste, als würde sie ihm ein atemberaubendes Panorama präsentieren. »Siehe und staune.«

Eine Frau verließ den Reptilienpavillon und steuerte in bedenklicher Geschwindigkeit auf die unsichtbare Stufe zu.

»Äh … sollten wir sie nicht warnen?«, fragte Mitch.

Petula strafte ihn mit einem bösen Blick. »Geht’s dir nicht gut, Mitch?«

Der blendend weiße Marmor ließ der armen Frau keine Chance. Sie übersah die Stufe, und im Gegensatz zu anderen, die beim Verlassen des Reptilienpavillons bloß ein paar mäßig belustigende Stolperschritte eingelegt hatten, schlug sie der Länge nach hin – eine Slapstick-Einlage für die Ewigkeit. Die Handtasche flog aus ihren Händen und deren Inhalt verteilte sich über mehrere Quadratmeter Marmorboden. Es sah aus wie nach einem Flugzeugabsturz.

Ein halbes Dutzend Leute eilten zu Hilfe, während die Frau auf dem Boden lag, als würde sie einen Gott mit sehr eigenwilligen Erwartungen anbeten. Sie zerrten sie auf die Beine und sammelten alle Habseligkeiten ein, die noch nicht von den Tauben davongetragen worden waren.

»Das war ja … heftig«, sagte Mitch.

Petula kuschelte sich auf überraschend liebevolle Weise an ihn. »Es gibt Momente, die sind so schön, dass man sie einfach mit jemandem teilen muss.«

»Aber ich finde wirklich, wir sollten der Frau helfen. Schau sie dir doch an.«

Trotz der Unterstützung mehrerer Passanten wirkte die Arme noch extrem desorientiert.

Petula stieß einen leicht entnervten Seufzer aus. »Wir können ihr nicht helfen, weil wir ihr nicht geholfen haben.«

»Hä?«

Zögerlich griff Petula in ihre Handtasche. »Ich wollte sie dir nicht zeigen, um dir nicht die Überraschung zu verderben. Aber es ist wohl besser, wenn du Bescheid weißt.«

Sie breitete eine Reihe von Schwarz-Weiß-Fotografien vor ihm aus, die genau an diesem Ort aufgenommen worden waren. Auf einem Foto war die Szene zu sehen, die sich derzeit vor ihnen abspielte, als wäre es erst vor zwei oder drei Sekunden geschossen worden. Auf einem anderen war ein Mann zu sehen, den es genauso schmerzhaft auf den Boden gelegt hatte wie die Frau, und auf dem dritten eine ganze Familie, die gemeinsam in einem Hundehaufen gelandet war.

Mitch begriff schnell. »Die Boxkamera.«

Petula nickte. »Ich war gestern schon hier. Ich habe die Kamera auf vierundzwanzig Stunden eingestellt und drauflos geknipst. Ich komme öfter her, um mich am epischen Spektakel der menschlichen Tollpatschigkeit zu erfreuen – aber früher wusste ich nie, wann die sensationellsten Stürze passieren würden. Mit der Kamera kann ich sie auf die Minute genau voraussagen. Der nächste Sturz wird sich um 15.17Uhr ereignen und der hier um 15.32Uhr. Ich bin schon gespannt, wie die Familie das hinkriegt.«

Mitch war noch damit beschäftigt, das zu verdauen. Die Funktionsweise von Teslas Zukunftskamera überstieg einfach seinen Horizont. »Aber wenn wir wissen, was passieren wird, und wir verhindern es …«