Tess Carlisle (Band 1): Jägerseele - Nicole Schuhmacher - E-Book + Hörbuch

Tess Carlisle (Band 1): Jägerseele E-Book und Hörbuch

Nicole Schuhmacher

5,0

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Beschreibung

Na? Lust auf ein Abenteuer? Mein Name ist Tess Carlisle und diese Geschichte erzählt von meinem verrückten Leben als Kautionsdetektivin im guten alten und magischen New Orleans. Puh, mein Alltag ist nicht immer einfach. Versteht mich nicht falsch, ich liebe diese Stadt! Aber meine tägliche Routine besteht leider allzu oft aus unschönen Begegnungen mit stinkenden Trollen, pöbelnden Kleinganoven und unkooperativen Nymphen. Von unheimlichen Voodoo-Shop-Besitzern und ständig Streiche spielenden Mitbewohnern will ich erst gar nicht anfangen. Und oh, die nächste Miete ist auch schon wieder fällig. Da kommt ein gut bezahlter Auftrag für diesen reichen Schnösel … also … den selbst ernannten Wohltäter der Stadt … doch gerade recht, oder? Hätte ich doch nur vorher gewusst, dass ein unerwartetes Ereignis plötzlich das nächste jagt und irgendwann auch vom Ende der Welt die Rede sein wird. Aber schließlich zeigt sich mir einmal mehr, wie wichtig es ist, Freunde zu haben. Auch wenn diese nicht immer menschlich sind.

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Zeit:8 Std. 35 min

Sprecher:Dagmar Bittner
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Man kann sich nicht von der Lektüre losreißen

Sehr witzig und unterhaltsam
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Beliebtheit




Inhaltsverzeichnis

Titel

Informationen zum Buch

Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Dank

Weitere humorvolle Urban Fantasy

 

Nicole Schuhmacher

 

 

Jägerseele

Tess Carlisle (Band 1)

 

 

Fantasy

 

Tess Carlisle (Band 1): Jägerseele

Na? Lust auf ein Abenteuer?

Mein Name ist Tess Carlisle und diese Geschichte erzählt von meinem verrückten Leben als Kautionsdetektivin im guten alten und magischen New Orleans. Puh, mein Alltag ist nicht immer einfach. Versteht mich nicht falsch, ich liebe diese Stadt! Aber meine tägliche Routine besteht leider allzu oft aus unschönen Begegnungen mit stinkenden Trollen, pöbelnden Kleinganoven und unkooperativen Nymphen. Von unheimlichen Voodoo-Shop-Besitzern und ständig Streiche spielenden Mitbewohnern will ich erst gar nicht anfangen. Und oh, die nächste Miete ist auch schon wieder fällig.

Da kommt ein gut bezahlter Auftrag für diesen reichen Schnösel … also … den selbst ernannten Wohltäter der Stadt … doch gerade recht, oder? Hätte ich doch nur vorher gewusst, dass ein unerwartetes Ereignis plötzlich das nächste jagt und irgendwann auch vom Ende der Welt die Rede sein wird. Aber schließlich zeigt sich mir einmal mehr, wie wichtig es ist, Freunde zu haben. Auch wenn diese nicht immer menschlich sind.

 

Die Autorin

Nicole Schuhmacher, geboren im Mai 1987 in der wunderschönen Sächsischen Schweiz, lebt und arbeitet auch noch heute in einem kleinen Ort in Ostsachsen. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie im Teenageralter und frönte dieser Leidenschaft jahrelang als exzessive Verfasserin von Fanfictions. Nicole ist außerdem Cosplayerin, Disney-Verehrerin, Musical-Gängerin und Hunde-Mama. Sie bezeichnet sich selbst als Fangirl, Superhelden-Süchtling und Vampir-Lady. Die bekennende Tagträumerin mag außerdem: Meerjungfrauen, Comics, Zombies und völlig unnütze glitzernde Sachen (PINK! Sie müssen PINK sein!!!1!!11!!!). Sie liebt ihre Playstation, Mangas und Animes, Uniformen, Knoblauch, die Ich-Erzählperspektive, ausgefallene Haarfarben und natürlich Bücher!!! Übrigens ist sie als Baby einmal ganz unglücklich vom Wickeltisch gefallen und hält eigentlich überhaupt nichts von diesen übermäßig seriös wirkenden Autorenporträts … ;D ›Jägerseele‹ ist ihr Debütroman.

www.sternensand-verlag.ch

[email protected]

 

1. Auflage, November 2021

© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2021

Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski

Lektorat: Sternensand Verlag GmbH | Martina König

Korrektorat Druckfahne: Jennifer Papendick

Satz: Sternensand Verlag GmbH

Druck und Bindung: Smilkov Print Ltd.

 

 

ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-231-1

ISBN (epub): 978-3-906829-80-7

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

Für Sära,

immer noch Best B**** in Town

 

 

Kapitel 1

 

Ich knalle die Kaffeetasse auf die Arbeitsfläche meines abgenutzten Schreibtisches und stürze zum offenen Fenster, durch welches soeben ein herbstlicher Luftzug fegt, der die Arbeit der letzten Wochen komplett durcheinanderbringt. Mit einem weiteren Knall fliegt das Holzfenster zurück in seine Angeln und ich sehe mich, eine dunkle Haarsträhne hinter mein Ohr streichend, in dem Büro um.

Es ist klein, spärlich eingerichtet und auf das Nötigste reduziert. Dokumente sind vom Tisch gefallen und Akten liegen derangiert neben losen Notizzetteln in Neonpink, während einzelne Papierblätter aufgrund des plötzlich fehlenden Luftzuges langsam zu Boden segeln.

Ich verziehe augenblicklich mein Gesicht, als sich ein dumpfer Schmerz in meinem Zeigefinger einstellt. Mit verzerrter Miene betrachte ich ihn.

Toll.

Ich versuche, einen gemeinen Splitter aus der Haut meiner Fingerspitze zu pulen. Mein Blick fällt dabei auf den halb abgebröckelten roten Nagellack und mir wird klar, dass ich mal wieder eine Maniküre vertragen könnte.

Ich seufze leise. Das Leben ist schon eines der härtesten.

»Hast du mein Gehirn gesehen?«, durchbricht meine Stimme die aufgekommene Stille und ich lächele triumphierend, als ich das lackierte Stück Holz endlich zu fassen bekomme und aus meinem Finger ziehe. Sogleich schnippe ich es achtlos davon und reiße den Schreibtischstuhl nach hinten, der dabei ein protestierendes Quietschen von sich gibt. Anschließend krabbele ich auf allen vieren über den Dielenboden unterhalb des Schreibtisches und pflücke wahllos irgendwelche Papiere auf.

Erneut verziehe ich das Gesicht. Diesmal ist dieser Ausdruck jedoch fragender Natur. Ich warte noch immer auf eine Antwort.

»Fin?«

Was treibt die bloß schon wieder?

Ich will aufstehen und fluche laut, als ich mir den Hinterkopf an der Tischplatte stoße. Die betroffene Stelle reibend, lasse ich die gesammelten Papiere vor lauter Frust wieder fallen, hieve mich auf den Bürostuhl und beobachte, wie sich die Tür öffnet und meine Assistentin den Raum betritt.

Fin zählt zur Spezies der Katzenmenschen, welche nur einen kleinen Teil der Erdbevölkerung einnehmen. Auch in dieser Stadt trifft man Trolle, Kobolde und Feen viel eher an als die durchschnittlich etwa eins sechzig großen und auf zwei Beinen gehenden Katzenartigen, die uns Menschen viel ähnlicher sind, als man vielleicht denken mag.

»Nein, habe ich nicht«, sagt sie, noch ehe sie die Tür mit Milchglasfenster vollends aufgestoßen hat, und rollt dabei genervt mit den geschlitzten Katzenaugen.

Mist. Ich frage mich ernsthaft, wo zum Henker ich das Teil schon wieder liegen gelassen habe. Ohne mein Gehirn bin ich verloren.

»Verdammt«, murmele ich, lasse mich im Stuhl nach hinten fallen und drapiere meine Füße geschickt auf einer freien Ecke der Tischplatte.

Fin beobachtet dies missmutig und rümpft ihre Spitznase, wobei ihre Schnurrhaare anmutig auf und ab wippen. Ich betrachte das junge Katzenmädchen, welches aufrecht gehend langsam näher kommt und, am Schreibtisch angekommen, versucht, meine Unordnung ein wenig zu ordnen.

»Möchtest du noch eine heiße Schokolade?«, fragt Fin und mein Blick huscht zu ihren spitzen Eckzähnen, die bei jedem Wort hervorblitzen.

»Nein danke«, bemühe ich mich, zu sagen, und reibe die aufkommende Beule an meinem Hinterkopf noch einmal kräftig.

Fin fährt eine Kralle aus, nimmt einen meiner angekauten Bleistifte an sich und geht ihn über dem randvollen Mülleimer neben der Tür spitzen – der nur steht, wo er steht, damit ich hin und wieder ein paar Körbe mit Papierkugeln werfen kann.

Schließlich erinnere ich mich an meine guten Manieren, setze mich aufrecht hin und schalte nebenbei den Bildschirm meines PCs aus, auf dem noch das letzte Spielergebnis von Solitaire munter vor sich hin blinkt. Danach schiebe ich planlos irgendwelche Unterlagen hin und her.

Nach was suche ich hier eigentlich?

»Hast du zufällig …« Ich unterbreche mich selbst und schaue auf, als Papier raschelt. Fins große Katzenaugen sehen mich unter langen Wimpern wissend an, während sie mir eine abgegriffene rote Akte mit zahlreichen Eselsohren und heraushängenden Seiten unter die Nase hält und mein Antlitz sich in dem dunklen Grüngelb ihrer Augen spiegelt. »Danke.«

Ihre Antwort ist ein leises Schnurren, als sie es sich mit ihrer zierlichen Gestalt auf einer Kante des Tisches bequem macht, ich das Datensammelsurium an mich nehme und darin herumblättere, ohne wirklich etwas zu lesen.

Fin ist die gute Seele meiner kleinen Agentur und auch deren einzige Mitarbeiterin. Neben mir natürlich. Ohne das junge Katzenmädchen wäre ich schon längst im Durcheinander meiner wirren Terminkoordination untergegangen.

Ich lehne mich erneut im Stuhl zurück, lege die Beine wieder auf die Tischplatte – so viel übrigens zu meinen guten Manieren – und versuche, mich dem Fall zu widmen, den ich mir für heute Abend ausgesucht habe.

Ich werde abgelenkt, als Fin lautlos vom Tisch gleitet und ihre eins fünfzig zum Goldfischglas in der Ecke bewegt. Der lilafarbene Schleierschwanzfisch zieht sich schnell in das sichere Halbdunkel seiner griechisch-römischen Säulenanordnung zurück und wird nicht einmal mehr gesehen, als Fin buntes Fischfutter aus einer Dose auf die Wasseroberfläche bröselt und sich anschließend die krallenbestückten Pfoten leckt.

Ich muss schmunzeln, als ich die Szene über den oberen Rand der Akte hinweg beobachte. Bob kann Fin einfach nicht ausstehen und sie fragt sich jedes Mal, weshalb der Fisch Angst vor ihr hat. Dennoch versucht sie immer wieder, sich bei ihm beliebt zu machen. Bis jetzt jedoch ohne merklichen Erfolg.

»Hast du dir schon eine Vorgehensweise überlegt?«, fragt sie, vom Fischthema ablenkend, und stellt die angerissene Futterdose zurück auf die alte Kommode neben das Goldfischglas.

Ich fühle mich wieder an meine Arbeit erinnert, fege das Schmunzeln aus meinem Gesicht und blicke zu der Akte in meinen Händen zurück. Der Name meines Ziels ist Frank Miller. Drogendealer in Mid City. Menschlich. Sollte eigentlich ein Leichtes werden. Wenn er ein Zentaur, Ghul oder Riese wäre, würde die Sache schon ganz anders aussehen. Dann würde ich heute Nacht nämlich lieber den Schwanz einziehen und ›I’ve been looking for freedom‹-singend nach Hause fahren, denn diese Spezies machen mir meine Arbeit immer ganz besonders schwer.

»Ich fahre zu seiner Adresse, klingele an seiner Haustür, trete ihm tierisch in den Arsch und übergebe das, was von ihm übrig geblieben ist, der örtlichen Polizeidienststelle.«

Fin legt ihre Stirn in Falten, wobei ihre spitzen Ohren wackeln, und ich spüre, dass sie dem Drang, sich über die Pfoten zu lecken, nur schwer widerstehen kann. Ihre Schnurrhaare zucken. »Ich muss schon sagen, dein Plan ist so simpel, dass ich ihn automatisch auf den Müll werfen würde.« Ihre zarte Stimme zeigt dabei einen Hauch Ironie.

»So arbeite ich am liebsten.« Einfach und pragmatisch. In einer einstudierten Geste schaue ich auf meine nicht vorhandene Armbanduhr. Eine dämliche Angewohnheit, die ich hin und wieder einfach nicht unterdrücken kann. »Ich mache mich auf die Socken.«

»Versprich mir, dass du dieses Mal nichts Blödes anstellst«, bittet Fin und sucht auf meinem Schreibtisch nach weiteren Bleistiften, um sie zum Mülleimer tragen zu können. Natürlich wird sie zwischen losen Papieren und beschmierten Notizzetteln sofort fündig.

Seit dem Vorfall im Rathaus kommt sie mir ständig mit diesem Spruch. Und dabei war ich am allerwenigsten daran schuld, dass der Bürgermeister in die unschöne Geschichte mit der Banshee hineingezogen worden war. Ein dort arbeitender Leprechaun – dürre kleine Kobolde mit wirklich fiesen Gesichtern – war viel maßgeblicher an der Sache beteiligt gewesen. Aber mir wollte im Nachhinein ja wieder niemand glauben. Tz.

»Du kennst mich doch.« Ich schwinge mich aus dem Stuhl und greife nach meiner schwarzen Lederjacke, die immer griffbereit über der Rückenlehne hängt, um in einer fließenden Bewegung hineinzuschlüpfen. Millers Akte klemme ich mir unter den Arm und stöckele in braunen Absatzstiefeln durch den Raum. Die Dielen knarren.

»Eben!«, ruft mir meine Assistentin hinterher, gerade als ich meine Umhängetasche vom Kleiderständer neben der Tür zerre.

»Geh nach Hause, Fin«, bitte ich, ohne mich noch einmal umzusehen.

»Ich mache hier nur noch ein bisschen sauber«, ruft sie im Gegenzug. Ihre schnurrende Stimme ist nur noch gedämpft zu hören, da ich bereits den Empfangsraum durchquert habe und die dünne Holztür zum Flur hinter mir zuziehe.

Fins Empfangsraum ist viel sauberer als mein Büro und auch nur halb so groß. Er hat die gefühlte Größe einer Sardinendose. Und dennoch gibt es bei Fin Pflanzen, die noch nicht eingegangen sind, Gardinen, beruhigende Landschaftsbilder hängen an den hellen Holzwänden und der Teppichboden sorgt für zusätzliche Schalldämmung.

Ich will auch so et… Obwohl … Nein. Das ist Schnickschnack. Und so etwas brauche ich nicht.

Ich gebe mein Bestes, um so lautlos wie möglich aus der ersten Etage ins Erdgeschoss zu schleichen. Direkt unter der Agentur gibt es einen Voodoo-Shop, der mir leichtes Unbehagen bereitet. Hin und wieder hört man seltsame Geräusche und sogar kleine Explosionen dringen dann durch die dünne Decke zu uns empor. Sehr suspekt, das Ganze. Ich versuche, jeglichen Kontakt mit dem Inhaber zu vermeiden, schrecke des Nachts manchmal aus Albträumen auf und sehe dann Schrumpfköpfe vor meinem inneren Auge. Okay, das ist übertrieben, aber ich bin eben die geborene Dramaturgin.

Da die Tür zu Sheldon’s Magical Pigment Shop immer sperrangelweit offen steht, komme ich nie darum herum, einen neugierigen Blick ins Innere des Ladens zu werfen. Neugier ist wohl meine Berufskrankheit.

Hastig versuche ich auch dieses Mal, alles aufzunehmen, was sich in meinem Blickfeld befindet, als ich an der Tür vorbeihusche. Der glitzernde blaue Schmetterling in einem Einwegglas auf der Theke des abgedunkelten und mit Kerzen beleuchteten Raumes scheint mir noch das Normalste zu sein. Räucherstäbchen verleihen dem Raum zusätzlich eine magische Atmosphäre. Aber das Zeug stinkt wie Hölle und tränt in den Augen.

»Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie eine dunkle Aura besitzen?«

Ich erschrecke, als wie aus dem Nichts Sheldon vor mir steht und ich beinahe gegen ihn laufe.

Wo kommt er so plötzlich her? Hat er sich hergebeamt?

»Äh, nein«, stammele ich und versuche, mich an ihm vorbeizuschieben. Dabei kann ich den Blick jedoch nicht von seinen unzähligen Tattoos reißen. Er trägt nur ein Tanktop und die unter die dunkle Haut gestochene stilistische Hexe auf seinem rechten Oberarm scheint mich geradezu anzustarren.

»Sie sollten barfuß laufen, damit die negative Energie abfließen kann«, teilt er mir mit und seine langen schwarzen Dreadlocks wippen bei jeder Bewegung seines Kopfes.

Ich bemerke seine blutunterlaufenen Augen und beschließe, schleunigst das Weite zu suchen, bevor ich noch irgendwie damit in Verbindung gebracht werden kann.

»Danke«, verabschiede ich mich artig und stürze förmlich durch die alte Holztür hinaus auf den feuchten Bürgersteig. Ich habe es plötzlich schrecklich eilig und suche die Straße hastig nach meinem alten Honda Accord EX Sedan ab.

Wo zum Teufel habe ich heute gleich noch einmal geparkt?

Als ich das dunkle Blau meiner Rostlaube auf der gegenüberliegenden Straßenseite erkenne, krame ich den Zündschlüssel aus meiner Jackentasche und überquere die Straße, ohne nach rechts oder links zu schauen. Fahrzeuge hupen wie wild, als ich nur knapp vor ihrer Motorhaube über die Fahrbahn husche und hektisch die Fahrertür des Hondas aufschließe.

Ich schiebe mich hinter das Lenkrad, lasse meine Tasche und Frank Millers Akte auf den Beifahrersitz fallen und sehe aus dem Seitenfenster, nachdem ich die Tür hinter mir zugezogen habe und sie mich mit einem protestierenden metallischen Kreischen von der Außenwelt abschirmt.

Sheldon steht noch immer in der Tür, von welcher bereits die dunkelrote Farbe abblättert, und scheint Selbstgespräche zu führen, während er zu mir herübersieht und immer wieder vehement den Kopf schüttelt, als habe er einen uneinsichtigen Gesprächspartner. Dann nickt er abschließend, wendet sich langsam um und verschwindet wieder im Inneren des heruntergekommenen Gebäudes.

Gruselig.

Erst jetzt wird mir klar, dass ich die Luft angehalten habe. Ich atme normal weiter und mein Blick huscht zu dem selbst gebastelten Schild von Sheldon’s Magical Pigment Shop. Ob ich ihm irgendwann einmal sagen werde, dass es grottenhässlich ist? Wird er mich verfluchen, wenn ich es tue?

Okay. Ich gebe es hiermit offiziell zu: Der Kerl macht mir Angst. Mein Blick gleitet noch weiter nach oben und bleibt an meinem eigenen Schild hängen. Eigentlich ist es vielmehr eine neonfarbene Leuchtreklame, die den Schriftzug Rent a Hunter zeigt, wenn nicht ständig irgendein Buchstabe kaputtgehen würde. Momentan ist da nur ent unte zu lesen.

Schrecklich.

Ob es vielleicht an der schäbigen Präsentation liegt, dass das Geschäft gerade nicht so richtig läuft?

Ich nehme mir vor, später etwas genauer darüber nachzudenken, denn gerade driften meine Gedanken zu dem Spottpreis ab, für welchen ich den Laden übernommen habe. Und Fin gab es sogar gratis dazu.

Der Vorbesitzer der Agentur hieß Harlow Florish und war irgend so ein schmieriger Kerl, der Probleme mit zahlreichen Untergrundorganisationen und der hiesigen Vampirgesellschaft hatte. Eines Tages war er einfach spurlos verschwunden. Fin ist der felsenfesten Überzeugung, er habe sich abgesetzt, um irgendwo in der Südsee ein neues Leben zu beginnen und in aller Ruhe Bahama Mamas zu schlürfen. Ich hingegen frage mich, ob Sheldon da vielleicht seine knochigen Finger im Spiel hatte. Voodoo und so …

Mir war das Verschwinden von Harlow Florish nur recht. Als ich vor ein paar Jahren mein Studium der paranormalen Aktivitäten hingeschmissen habe, um Personenschützer zu werden – meine Mutter schürzt noch heute missbilligend die Lippen, wenn sie auch nur daran denkt –, hatte ja keiner ahnen können, dass ich durch eine unglückliche Aneinanderreihung von Ereignissen die Ausbildung ebenfalls abbrechen muss. Also beschloss ich, Individuenbeschaffer zu werden. Kautionsdetektiv. Jäger. Wie auch immer man es nennen will.

Und jetzt sitze ich hier, tippe mit dem Zeigefinger meiner rechten Hand an den kleinen selbst gebastelten Anhänger an meinem Rückspiegel, sodass dieser sachte vor und zurück baumelt, und starte Jimmy. Jimmy ist mein Wagen. Er muckt anfangs herum, wie jedes Mal, aber nachdem ich mehrmals das Gaspedal beim Starten der Zündung betätige, springt der Motor heulend an und wir fädeln uns schließlich in den Verkehr ein.

Die digitale Anzeige am Armaturenbrett verrät mir, dass es kurz nach acht Uhr abends ist. Um diese Uhrzeit herrscht in New Orleans immer ein reges Treiben, was dazu führt, dass es fast neun ist, als ich in Mid City eintreffe, am Rand einer unbeleuchteten Nebenstraße parke und den Motor abstelle.

Ich werfe einen Blick in die heruntergekommene Nachbarschaft und erkenne nur ein Irrlicht, welches wie wild durch die Gegend fliegt und dabei einen leuchtenden Streifen Staub verliert. Hat sich wohl verirrt, das arme Ding.

Ich finde kaum Zeit, über die Komik der Situation zu lachen, denn ich erschrecke, als jemand gegen meine Fensterscheibe klopft. Ich lasse mir nichts anmerken, wende den Kopf zur Seite und erblicke eine Gruppe halbstarker Trolle, die sich in mir wohl leichte Beute erhoffen.

Scheint eine nette Gegend zu sein.

Ich greife gelangweilt unter den Fahrersitz.

»Hey, Lady«, grunzt der Anführer der Bande mit tiefer und donnernder Stimme, die sogar durchs geschlossene Fenster klar zu verstehen ist, während seine drei Kameraden sich drohend die Fäuste reiben. »Aussteigen, oder wir verarbeiten dein hübsches Köpfchen mit einem Händedruck zu Brei.«

Lady? Hat der Kerl mich gerade tatsächlich Lady genannt? Ich hasse es, wenn man mich Lady nennt. Sehe ich wirklich aus wie eine Lady?

In mir beginnt es zu brodeln.

Lady am Arsch.

Mit ausdrucksloser Miene kurbele ich das Fenster auf der Fahrerseite herunter und hole in einer fließenden Bewegung die abgesägte Schrotflinte unter dem Sitz hervor. Der Troll blinzelt überrascht, als ich ihm den Lauf der Waffe direkt unter die hässliche verkrustete Nase halte und seine Kumpel vorsichtshalber ein paar Schritte nach hinten gehen. Der Anführer schielt in dem vergeblichen Versuch, den Lauf der Waffe im Auge zu behalten.

»Verschwindet«, verlange ich. »Oder meine Freundin hier verteilt eure Erbsengehirne auf dem Asphalt.«

Unwilliges Grunzen ist die Antwort und der Wortführer verzieht das unschöne Gesicht, als er in einem gedanklichen Kraftakt das Für und Wider abwägt.

»Wird’s bald?«, hake ich nach und unterstreiche meine Absicht, indem ich den Lauf der Waffe noch fester gegen seine Knollennase drücke.

Dies scheint Wirkung zu zeigen, denn ich kann die Räder hinter der flachen Stirn des jungen Trolls förmlich rattern hören. Er schnaubt noch einmal verächtlich, gibt seinen Kumpanen ein Zeichen und die trotteligen Trolle machen sich daraufhin vom Acker und verschwinden in der Nacht, um sich ein anderes Opfer zu suchen.

Ich kichere in mich hinein, während ich die Fensterscheibe wieder nach oben kurbele und das Gewehr an seinen Platz zurücklege. Das Ding ist nicht einmal echt. Als ob man mir eine funktionierende Waffe anvertrauen würde.

Tz, Trolle. So hässlich wie dämlich.

Ich halte inne, als meine Finger unter dem Fahrersitz gegen etwas stoßen, das da normalerweise nicht hingehört. Meine Miene erhellt sich, als ich fester zupacke und begreife, was sich die ganze Zeit da unten versteckt. Ich hole es hervor und betrachte den Briefbeschwerer im dämmrigen Licht der Herbstnacht, so gut es eben geht. Dann werfe ich das schwere Teil in meine Tasche und krame ein pinkfarbenes Mobiltelefon aus der Gesäßtasche meiner engen dunklen Lederhose. Ja, in Bezug auf pinkfarbene Sachen bin ich eben doch ein echtes Mädchen.

Ich habe mein Gehirn gefunden, tippe ich schnell eine Nachricht in das Klapptelefon und versende diese sogleich an Fin.

Ich überfliege Millers Akte, während ich auf Antwort warte.

Frank Miller. Wegen eines Drogendeliktes nicht vor Gericht erschienen. Zahlreiche Vorstrafen wegen sexueller Belästigung, versuchter Vergewaltigung, Raubüberfalles und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Eine arme Frau namens Renee Warren verlor sogar ihren Job bei einem ansässigen Tankstellenbetreiber, nachdem sie Miller angezeigt hatte.

Ich werfe einen kurzen Blick auf sein Fahndungsfoto und befördere die Akte achtlos auf den Rücksitz. Der Mann ist schmächtig und nur eins siebzig groß. Der wird mir nicht viel Widerstand leisten. Mein Glück, dass er mich nie persönlich zu Gesicht bekommen hat, sondern wir die Sache mit seiner Kaution telefonisch geregelt haben. Wie auch immer. Wenn er sich binnen drei Tagen nicht bei Gericht meldet, geht meine gestellte Kaution an den Staat und ich sehe von meinen hart verdienten Moneten nicht einmal mehr einen Cent. Doch das weiß ich zu verhindern.

Mein Telefon gibt ein Geräusch von sich, das mich an eine kalbende Kuh erinnert, und ich verdächtige sofort meinen Vermieter und Mitbewohner, die Einstellungen meines Telefons verstellt zu haben. Schon wieder!

»Rache ist Blutwurst, Puck«, murmele ich vor mich hin und lese rasch die angekommene Nachricht.

Halleluja!, steht auf dem Display und ich packe lächelnd alles zusammen, um mich auf die Suche nach Hausnummer sechs zu begeben.

Ich schleiche durch die verlassene Straße, betrete schäbige Vorgärten und wecke schlafende Hunde, als ich versuche, Hausnummern an den teils verbarrikadierten Häusern zu erkennen. Über einem der Eingänge hängen Symbole irgendeines Hexenkultes, am verrotteten Gartenzaun des übernächsten Hauses prangen lateinische Symbole auf einer aufgespannten Haut. Ich kann nur hoffen, dass diese tierischen Ursprungs ist.

Ja, nette Gegend, denke ich, während ein kühler Schauer meinen Rücken hinunterjagt. Kann ich nur immer wieder bestätigen.

Das Häuschen mit der Nummer sechs ist eine Bruchbude. Nur ein Licht im Obergeschoss verrät mir, dass hier tatsächlich noch jemand haust.

Ich rücke meine schwer gewordene Umhängetasche zurecht, zupfe am Saum meiner Lederjacke und hämmere mit der Faust dreimal gegen die marode Haustür. Ein Wunder, dass sie nicht einfach unter meinen Schlägen nachgibt.

Ein paar Sekunden passiert gar nichts und ich stehe nur abwartend auf der obersten Treppe, die zur Eingangstür führt. Dann höre ich Gezeter aus dem obersten Stockwerk und schließlich poltert jemand eine Treppe hinunter. Ich halte mich bereit, Frank Miller in den Schwitzkasten zu nehmen.

Wo sind eigentlich meine Handschellen?

Ich betaste suchend all meine Taschen, als die Tür geöffnet wird und ich augenblicklich in den doppelten Lauf einer Schrotflinte blinzele. Und diese hier ist eindeutig echt.

Okay, damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet.

Ich reiße sofort beide Arme nach oben, blicke am Lauf der Waffe vorbei und sehe am anderen Ende einen Greis stehen, der nur ein dreckiges geripptes Unterhemd und zerschlissene Boxershorts trägt. Durch Brillengläser so dick wie Flaschenböden sieht er mich grimmig an.

Menschlich. Zumindest auf den ersten Blick.

»Was wollen Sie?«, fragt er mit knarziger Stimme und ich bemerke, dass er lustigerweise zwei Köpfe kleiner ist als ich und die Waffe nach oben richten muss, um sie mir direkt ins Gesicht zu halten.

Vielleicht waren seine Vorfahren ja doch Zwerge.

»Äh«, beginne ich und drücke den Lauf der Flinte mit zwei Fingern zur Seite. Äußerst mutig von mir, wie ich finde, jedoch erfolglos, da der Herr vor mir sie sofort wieder in die richtige Bahn bringt. »Mein Name ist Tess Carlisle. Ich bin auf der Suche nach Frank Miller. Er soll hier wohnen.«

Ich bin verwirrt. Von hier lebenden rigorosen Rentnern steht nichts in Millers Akte.

Dieser besagte Rentner kneift gerade die Augen zusammen und sieht dabei aus wie ein Maulwurf auf einem Speedboot. Fast lache ich über den Vergleich, kann mich aber in einer heldenhaften Anstrengung gerade noch so beherrschen.

»Miller?«, quakt der bewaffnete Bewohner und ich nicke eifrig, wobei mir eine dunkle Locke in die Stirn fällt. »Millers wohnen da drüben«, vertraut mir mein Gesprächspartner an und deutet mit dem Kinn auf die gegenüberliegende Straßenseite.

Ich lege fragend die Stirn in Falten und deute mit einem Finger auf die angelaufene Hausnummer, die früher sicher einmal bronzefarben oder so war. Erst jetzt bemerke ich meinen Fehler und schlage mir gedanklich die Hand vor die Stirn. Ein Nagel zum Befestigen der Hausnummer hat sich gelöst und die eigentliche Neun baumelt nun kopfüber und sieht demnach wie eine Sechs aus.

Völlig logisch.

»Oh.« Peinlich berührt, versuche ich, meinen Irrtum wegzulächeln. »Mein Fehler. Tut mir schrecklich leid. Einen schönen Abend noch.«

Eilig nehme ich die Arme runter, mache auf dem Absatz kehrt und husche die wenigen Stufen in den kleinen kargen Vorgarten hinunter. Dabei hoffe ich, dass die zittrigen Finger des alten Mannes nicht aus Versehen den Abzug betätigen und er mir ungalant in den Rücken schießt.

Ohne mich umzublicken, steuere ich nun zielsicher die richtige Nummer sechs an und nehme erleichtert zur Kenntnis, dass bis jetzt kein Schrot meinen Körper durchfressen hat.

Tumult bricht ein paar Häuser weiter südlich aus und ich halte inne, noch bevor ich den durchnässten Rasen des Grundstücks betreten habe.

Ich lausche in die Nacht. Plötzlich prescht ein Zentaur zwischen zwei Häusern hervor. Seine lange Mähne weht im Wind, als er im Galopp die breite Straße überquert, mühelos über eine kümmerliche Hecke hinwegspringt und schließlich aus meinem Sichtfeld verschwindet. Kaum ist wieder Ruhe eingekehrt, poltern die vier Trolle von eben dieselbe Strecke entlang und versuchen, den flüchtenden Pferdemenschen einzuholen. Dabei stolpert einer über seine eigenen Beine und landet brüllend in der Hecke. Ein anderer rempelt im Eifer des Gefechts gegen ein parkendes Auto und löst somit dessen Alarmanlage aus. Das schrille Pfeifen hallt unangenehm laut in der abendlichen Stille wider.

Ich kämpfe gegen den Drang an, mir die Ohren zuzuhalten, und hoffe, dass Miller den Lärm nicht nutzt, um aus dem Fenster zu spähen, als irgendwo eine Tür auffliegt. Hunde bellen, jemand schreit, ein Schuss wird abgefeuert und das durchdringende Geräusch der Alarmanlage verkümmert zu einem kläglichen Piepen. Die Trolle raffen sich auf und ziehen mit eingezogenen Köpfen von dannen.

Wiederhole ich mich, wenn ich sage, dass das hier wirklich eine ganz reizende Gegend ist?

Ich wende mich kopfschüttelnd ab und als ich den ungewöhnlich langen Vorgarten zu Millers Eingang beschreite, habe ich bereits die Nase gestrichen voll. Ich versinke knöcheltief im aufgeweichten Boden und strauchele bei fast jedem Schritt. Während ich mir leise vor mich hin fluchend meinen Weg bahne, schießt ein weiteres Irrlicht knapp an mir vorbei und ich zucke zusammen. Kurze Zeit bin ich geblendet vom hellen Licht des geflügelten Wesens und stolpere unkontrolliert über den zertrampelten Rasen.

Gott, wenn das jemand sieht!

Ich reiße mich zusammen, blinzele die verbliebenen Lichtflecken weg und visiere die Tür wenige Meter vor mir an. Der Eingangsbereich ist ebenerdig, also keine hinterhältigen Stufen, über die ich auf den letzten Metern noch stolpern könnte. Sehr gut.

Als ich endlich vor Frank Millers mit Graffiti beschmierter Haustür stehe, bin ich bis aufs Blut gereizt, meine Stiefel dreckig und die nächtliche Luftfeuchtigkeit macht Sachen mit meiner Haarstruktur, die mich schier verzweifeln lassen. Ich brauche jetzt dringend ein Bad. Ein Bad, eine heiße Schokolade mit viel Sahne, Zimt und kleinen Marshmallows, und einen Lebensgefährten, der mir nach einem anstrengenden Tag den schmerzenden Nacken massiert.

Finde den Fehler.

Ich werde wieder einmal daran erinnert, dass ich Single bin.

Miller soll jetzt bloß keine Spielchen mit mir treiben und schön artig mitkommen. Bei meiner sinkenden Laune kann ich heute für nichts mehr garantieren.

Noch während ich missmutig an seine Haustür klopfe und das Geräusch unnatürlich laut in der Stille der Straße widerhallt, überlege ich mir mein Vorgehen.

Abwarten und sehen, wie er auf mein Erscheinen reagiert? Und was, wenn er bewaffnet ist? Doch lieber einen Schritt zur Seite gehen, ihn entwaffnen und anschließend die Scheiße aus ihm rausprügeln?

Noch ehe ich zu einer Entscheidung komme, öffnet Frank Miller die Tür. Ich erkenne ihn sofort, denn er sieht genauso aus wie auf dem Fahndungsfoto in seiner Akte. Klein, schmächtig, schlechte Haut und … Oh, schau, er lässt sich eine Glatze stehen.

Ich lächele zuckersüß, da augenscheinlich keine direkte Gefahr von ihm ausgeht. »Mr. Miller?«, frage ich und lasse die Gehirnblondine raushängen.

Er nickt in freudiger Erwartung und als er beginnt, mich mit Blicken auszuziehen, sehe ich nur zwei Möglichkeiten.

Möglichkeit eins: Ich kotze ihm augenblicklich vor die Füße.

Möglichkeit zwei: Ich zeige ihm, wie aus einer flachen Hand eine Faust wird.

Es fällt mir nicht schwer, mich für die Variante zu entscheiden, bei der ich ebenfalls ein wenig Spaß habe. Also packe ich Miller mit der linken Hand an der Schulter, reiße ihn näher an mich heran und vollführe gleichzeitig eine schnelle Kreisbewegung mit dem Ellbogen meines rechten Armes. Der harte Knochen trifft Miller völlig unvorbereitet mitten im Gesicht. Ein leises Knirschen ist zu hören, als sein Kopf zur Seite fliegt, er mit einem dumpfen Geräusch zu Boden geht und benommen in seiner Eingangstür liegen bleibt.

»Wasss …«, beginnt er wie ein Betrunkener, eine Frage zu stellen, und versucht, sich aufzurappeln.

»Was ich will?«, nehme ich ihm die Frage ab und deute mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den am Boden Liegenden. »Ich schleife Ihren Arsch jetzt zur nächsten Polizeidienststelle, denn ich will, dass Sie endlich hinter schwedischen Gardinen landen, Sie dreckiger Mistkerl.«

Er will protestieren, doch ich beuge mich sofort über ihn – puh, der Kerl stinkt wie eine Bahnhofskneipe –, packe seinen Hemdkragen und gebe ihm mit geballter Faust voll eins auf die Zwölf. Miller gehen direkt die Lichter aus und ich versuche, den Schmerz in meiner rechten Hand wegzuwedeln.

»Das war für die Frauen, die du unsittlich berührt hast, du schmieriger Schleimbolzen«, sage ich und trete ihm noch zusätzlich in die Seite. »Blödes Arschloch.«

In einer eingeübten Bewegung packe ich Miller, der schnaufende Geräusche von sich gibt, und schultere ihn, wobei mein Nacken ein wenig protestiert. Kaum zu glauben, was so ein zierliches Persönchen, wie ich es bin, mit der richtigen Technik tragen kann, oder?

Ich ziehe seine Wohnungstür ins Schloss, hoffe noch kurz, dass Miller den Herd nicht anhat und seine Bude nicht abfackelt, und mache mich auf den Rückweg zu Jimmy, was bei dem aufgeweichten Boden keine einfache Übung ist. Millers Gewicht ruht ungewohnt schwer auf meiner Schulter und mein langes Haar ist unter seinem Körper eingeklemmt, sodass meine Kopfhaut unangenehm ziept. Memo an mich selbst: beim nächsten Mal einen Pferdeschwanz tragen.

Zwei Goblins auf der anderen Straßenseite werfen mir seltsame Blicke zu, als ich, endlich auf festem Untergrund angekommen, auf dem Gehweg entlangschlendere und mich unweit entfernt schließlich an der Hintertür meines Hondas zu schaffen mache.

»Guten Abend«, sage ich freundlich und sehe zu, dass ich Miller auf meinen Rücksitz gehievt bekomme, wobei er sich mehrmals den Kopf an der Karosserie stößt, bevor er schnaufend auf die Rückbank plumpst.

Nachdem ich die Tür geschlossen habe, umrunde ich den Wagen und öffne dann die hintere Tür auf der anderen Seite. Anschließend schnappe ich mir Millers Handgelenk und führe es hinauf zum Haltegriff an der Decke des Wagens, wo immer ein Paar Handschellen bereit hängt, um die richtig bösen Buben im Zaum zu halten. Mit einem Klick rastet erst die eine, dann die andere Schelle um sein Handgelenk ein und Miller baumelt nun irgendwie grotesk verdreht von der Wagendecke.

Ich nicke zufrieden, wische mir die Hände an den Oberschenkeln ab und fühle mich dennoch dreckig. Ich will ein Bad! Und Jimmy wird morgen ebenfalls gründlich gereinigt.

Als ich mich wieder zu voller Größe aufrichte und mein Blick den der Goblins streift, die immer noch wie fest verankert dastehen und zu mir herüberstarren, haben sie es mit einem Mal ganz schrecklich eilig, aus meiner Reichweite zu gelangen.

Noch während ihre schnellen Schritte verhallen, sehe ich hinauf zum aufgegangenen Sichelmond. »Wirklich nette Gegend«, sage ich und knalle die Fahrzeugtür zu.

Kapitel 2

 

Miller kommt schnaufend zu sich, als ich gerade an einer roten Ampel warte und ungeduldig mit dem Gaspedal spiele. Ich hatte wirklich gehofft, dass er auf dem ganzen Weg bis zum Revier den Schlaf der Gerechten schläft. Aber man kann eben nicht alles haben.

»Was zum …«, höre ich ihn benommen fragen, dann klimpern die Handschellen, an denen er zerrt, als er vollends zu sich kommt. »Hey! Hey, Sie da! Was soll das? Wer sind Sie?«

Ich riskiere einen Blick in den Rückspiegel, über den er mich böse anfunkelt. »Bleiben Sie ruhig, Mr. Miller. Ich habe die Befugnis, Sie auf ein Polizeirevier zu bringen, da Sie nicht zu Ihrem Gerichtstermin erschienen sind.«

»Hey, Lady«, beginnt er und lehnt sich zwischen den Sitzen so weit nach vorn, wie es ihm möglich ist.

Lady?, knurre ich innerlich. Was zum Teufel ist nur los mit den Leuten?

»Sie haben den Falschen.«

»Das sagen alle«, erwidere ich ruhig und halte den Blick starr auf die Ampel gerichtet. »Lehnen Sie sich bitte zurück und genießen Sie den Rest der Fahrt. Ihre Geschichten können Sie dann dem Haftrichter erzählen.«

»Ich sagte, Sie haben den Falschen!«, brüllt Miller ungehalten und reißt am Haltegriff, richtet jedoch keinen Schaden an. »Was ist das? Ist das Blut?«

Als die Ampel auf Grün springt, werfe ich kurz einen Blick nach hinten und sehe, dass er seine blutende Nase bemerkt hat.

»Du hast mir die Nase gebrochen, du hinterhältige Schlampe!«

Ich fahre so scharf an, dass Miller hart in den Sitz gedrückt wird und sich nur noch mehr echauffiert.

»Das wird Konsequenzen haben«, versichert er mir und versucht es jetzt offenbar im Ruhigen, als wir gemütlich die Cleveland Avenue entlangfahren und ich die Luft des Reviers schon fast riechen kann.

Nur noch ein paar Meilen. Dann ist es geschafft.

»Dreckshure!«

In aller Seelenruhe krame ich mein Telefon hervor, klappe es, den Mund zu Hilfe nehmend, auf und drücke auf den ersten gespeicherten Eintrag in der Kurzwahlliste, bevor ich das Telefon zwischen Schulter und Ohr klemme.

Während ich dem Freizeichen lausche, tritt Miller immer wieder gegen den Sitz und beleidigt mich und mein Auto. Als er dabei angelangt ist, auch meine Mutter mit in die ganze Sache zu verwickeln, nimmt endlich jemand am anderen Ende das Gespräch an.

»Roalstad«, sagt Otis’ respekteinflößende Stimme, obwohl er meine Nummer bereits in- und auswendig kennt und demnach genau weiß, wer ihn gerade anruft.

»Ich bin’s«, sage ich schlicht und verziehe das Gesicht, weil Millers Geschrei mir bereits Kopfschmerzen bereitet.

»Wieder in Schwierigkeiten?«, fragt mein Gesprächspartner, der die Hintergrundgeräusche scheinbar völlig falsch deutet.

»Nicht doch«, verneine ich und fahre zügig von der Canal auf die North Rampart Street auf. Ohne den Blinker zu setzen.

Ich bin so rebellisch.

Meine Mutter würde diese Handlung jedoch minderbemittelt nennen.

»Kannst du ein Empfangskomitee bereitstellen? Ich habe hier Frank Miller, der schon begierig auf seine Arrestzelle wartet.«

Ich werfe besagtem Miller einen Blick über den Spiegel zu und bemerke dabei, dass er plötzlich verdächtig ruhig ist und mich überlegend mustert.

»Wir sind in drei Minuten da«, füge ich hinzu und klappe das Telefon bereits zu, noch bevor Otis’ »Alles klar« mich vollständig erreicht hat. »Was ist?«, kann ich mir nicht verkneifen, zu fragen, und lege mein Telefon auf das Armaturenbrett, wobei ich erst jetzt einen Strafzettel bemerke, der unter dem Scheibenwischer hängt und kräftig im Wind flattert.

Mist. Nicht schon wieder!

»Ich kenne dich«, sagt Miller leise und mit zusammengekniffenen Augen.

Ist der blöd? Natürlich kennt er mich. Er hat mich ja auch angerufen, oder etwa nicht?

»Du bist doch die Olle, die das Rathaus in die Luft gejagt hat.«

Ich beiße mir auf die Innenseite meiner Unterlippe und greife das Lenkrad fester. »Nein«, lüge ich, ohne rot zu werden. »Da müssen Sie mich verwechseln.«

»Doch«, beharrt Miller und rückt auf seinem Platz so weit nach vorn, wie es ihm möglich ist. Dabei tropft seine blutende Nase meinen Beifahrersitz voll. Widerlich. »Du bist das Flittchen, das auch Barny eingebuchtet hat. Ki… Ku… Ka… Karlusl? Karleeisl? Karlaillse!«

»Carlisle«, korrigiere ich den blutenden Drogendealer. »Das S ist stumm. Und ich buchte überhaupt niemanden ein. Dafür ist immer noch die Polizei zuständig.«

»Hinterhältige Fo…«

»Zügeln Sie Ihre Ausdrucksweise, oder ich werde wirklich handgreiflich!«, rufe ich ihm zu.

Wie weit ist es eigentlich noch bis zu diesem beschissenen Revier? Und was stinkt hier eigentlich so?

Ich kurbele das Fenster ein Stück nach unten und atme die kühler werdende Abendluft ein, während diese mit meinem offenen Haar spielt, welches mich wiederum am Hals kitzelt.

»Was ist das überhaupt?«, spuckt Miller aus, lacht dann laut auf und ich kann seinen Blick auf meinem selbst gebastelten Rückspiegelschmuck förmlich spüren.

»Ein angebissener Apfel«, erkläre ich aus einer Laune heraus und kann das rettende Revier an der Ecke St. Louis Street bereits sehen. Ich trete ein wenig mehr aufs Gaspedal und der Honda beschleunigt merklich. »Aus Filz.« Auf meine Affinität zu alten Kindermärchen gehe ich an dieser Stelle lieber nicht weiter ein.

»Hat den eine Zweijährige gebastelt?«, prustet Miller wieder los, doch ich gehe auch darauf nicht ein. »Das könnte selbst mein Großonkel Phil besser, und der hat nur noch einen Arm und zwei Finger.«

Ich seufze leidend, als ein SUV vor uns einschert und ich das Fahrzeug abbremsen muss. Somit verpassen wir die Grünphase der nächsten Ampel und ich bin Millers geistigen Ergüssen ein paar quälende Sekunden länger ausgeliefert.

»Halten Sie den Mund, oder Sie verbringen die restliche Fahrt im Kofferraum«, drohe ich, obwohl ich weiß, dass ich dieses Unterfangen nur schlecht in die Tat würde umsetzen können.

»Das will ich sehen, Püppchen«, meint Miller, droht fortführend mit seinem Anwalt und meint dann plötzlich: »Ich muss mal.«

»Wir sind gleich da«, sage ich zerknirscht und hämmere den Gang rein.

»Ich muss aber jetzt«, schreit Miller los und ich könnte schwören, dass das Innere des Wagens vom bösen Blitzen in seinen Augen kurz taghell erleuchtet ist. »Ich kann es nicht mehr halten.«

»Unterstehen Sie sich!«, schreie auch ich und verreiße kurz das Lenkrad, als ich sein Vorhaben durchschaue und hektisch mit dem Arm wedele. »Aufhören! Sofort!«

Wir holpern über einen Bordstein und Miller stöhnt erleichtert auf. Mit einem Mal riecht es im gesamten Wagen streng nach Zwiebelsuppe.

»Zu spät«, meint er gelassen und lehnt sich zufrieden zurück. »Ich lasse es schon laufen. Wussten Sie nicht, dass ich eine Blasenschwäche habe? In Stresssituationen habe ich mich nicht mehr unter Kontrolle.«

Meine Zähne knirschen, als ich endlich auf den freien Bereich des Präsidiums rase und vor der kurzen Treppe zum Eingang des Gebäudes stehen bleibe. Von Otis’ Empfangskomitee ist keine Spur zu sehen.

Toll!

»Heute habe ich zusätzlich noch böse Darmprobleme«, fügt Miller hinzu und seine Handschellen rascheln, als er versucht, weiter in den Fußraum zu rutschen.

»Sie perverser Pisser!«, rufe ich völlig außer mir und versuche, irgendwie auf den Rücksitz zu gelangen, um Miller von seinem Vorhaben abzuhalten.

Die Luft wird aus meinen Lungen gepresst, als mein Gurt mich davon abhält. Ein lauter Furz ertönt und Miller verzieht das Gesicht in heldenhafter Anstrengung. Ohne weiter nachzudenken, greife ich nach meiner Tasche und schleudere sie in Richtung Rücksitz, wo sie den furzenden Fiesling mit einem unschönen Klong am Kopf trifft. Miller sackt zum zweiten Mal am heutigen Abend in sich zusammen und Stille erfüllt das Wageninnere.

Mein Blick huscht zu meinem Gehirn, welches nun mit anderen weit verstreuten Sachen auf der Rückbank liegt. Dann bemerke ich die Sauerei zu Millers Füßen und wende mich angeekelt ab.

Ich erschrecke schon wieder, als jemand gegen mein halb geöffnetes Fenster klopft.

»Ms. Carlisle«, sagt ein uniformierter Officer begrüßend nickend und ich bin ihm dankbar, dass wenigstens einer meinen Namen richtig ausspricht. Ich kenne den jungen Mann nur vom Sehen, aber sein Namensschild zeigt die Aufschrift Blake.

»Hallo«, sage ich schlicht und zeige auf die Rückbank. »Das ist Frank Miller. Er ist nicht vor Gericht erschienen und bittet jetzt dringend um eine Inhaftierung. Die Kaution ist noch nicht verfallen und geht an Rent a Hunter. Ach ja, Mr. Miller benötigt eventuell medizinische Versorgung. Der arme Trottel ist doch tatsächlich ganz ungünstig gestolpert.«

»Hm«, macht Blake, nur minder überzeugt, stellt jedoch glücklicherweise keine weiteren Fragen, sondern geht zur Hintertür und besieht sich stumm die angerichtete Sauerei durch das geschlossene Fenster.

Ich steige aus und bemerke erst, wie mies der Gestank in meinem Wagen ist, als frische Luft um meine Nase weht.

Officer Blake öffnet die Hintertür und tritt sofort einen Schritt zurück. »Puh«, ruft er aus und schaut mich sogleich mitleidig an. »Das riecht ja schlimmer als in einem Iltisbau. Oder hat hier vielleicht ein Waschbärweibchen im Fußraum geworfen?«

Blake lacht kurz auf und ich stimme humorlos ein. Dann halte ich die Luft an, beuge mich ins Innere und sammele schnell meine Siebensachen zusammen. Kaugummi, Hausschlüssel, Tampons, mein wiedergefundenes Gehirn – ganz wichtig –, einen Taser, ein nicht mehr funktionierendes Feuerzeug und das Ladekabel für mein Telefon.

Ich richte mich wieder auf und überlege, wie ich die famose Verunreinigung wieder gereinigt bekomme, während ich Blake aufmunternd auf die Schulter klopfe. Ab hier ist Miller sein Problem.

Ich greife mir den Strafzettel von der Windschutzscheibe und stopfe ihn zusätzlich in meine Tasche, bevor ich auf dem Absatz kehrtmache und das Revier betrete.

»Scheiße«, höre ich Blake noch murmeln, als ihm vermutlich dämmert, welch undankbare Aufgabe vor ihm liegt.

Ich stolziere mit geschulterter Tasche durch die hölzerne Eingangstür des Reviers und gehe sofort im regen Treiben geschäftiger Polizeiarbeit unter. Kaum einer beachtet mich. Nur hin und wieder erhalte ich ein höfliches Kopfnicken wie das, welches Officer Blake mir geschenkt hat.

Den Weg zu Otis’ Büro kann ich im Schlaf zurücklegen. Geradeaus ins Treppenhaus, in der ersten Etage links abgebogen, vorbei an den Großraumbüros, wo mir Detective Matthews und Detective Cunningham böse Blicke zuwerfen und ich ihnen dennoch übertrieben freundlich zuwinke. Noch eine Rechtskurve, vorbei an einem chronisch leeren Wasserspender und dann immer geradeaus bis zum Ende des Ganges.

Otis Roalstad, Captain des Reviers und guter Freund meiner Eltern, sieht mich durch die Glasfront seines Büros bereits den Gang entlangflanieren und beendet schnell ein Telefongespräch, bevor ich eintrete.

»Tess«, grüßt er, noch ehe er seine Gesprächsnotiz ganz verstaut hat, und mustert mich wissend. »Du siehst gut aus.«

Otis ist in seinen Sechzigern, der Ansatz seines kurzen grauen Haares zieht sich immer mehr zurück und seine gütigen Augen werden von Falten eingerahmt, die sich auch auf seinem gesamten Gesicht zeigen und von einem Leben herrühren, welches in vollen Zügen gelebt wurde.

»Danke«, sage ich, weil ich weiß, worauf er hinauswill. »Du hältst dich wie immer noch besser.«

Sein Mund verzieht sich zu einem einnehmenden Lächeln. Mein Blick huscht wie so oft zu der verblassten Narbe, die sich über seine Unterlippe zieht und einem flüchtigen Betrachter kaum auffallen würde. Schnell wechsele ich das Thema.

»Frank Miller wird soeben unter Arrest genommen«, verkünde ich stolz.

Bereits mein dritter Kautionsflüchtling in fünf Tagen. Ich habe anscheinend einen Lauf. Nur blöd, dass mir langsam die lukrativen Fälle ausgehen und meine Miete bald fällig ist.

»Das ging ja schneller als gedacht«, gesteht Otis mir zu und ich weiß, dass er dies nicht abwertend meint.

Sein Lächeln verblasst, während ich meine Tasche von meiner Schulter gleiten lasse. Mein Gehirn ist wirklich schwerer, als es aussieht. Mit einem dumpfen Geräusch landet die Tasche neben meinen Füßen.

»Er ist wirklich nicht der Hellste«, bemerke ich und Otis nickt zustimmend.

Es vergehen ein paar Momente, in denen wir uns stumm betrachten und ich ein wenig nervös mit den Füßen scharre.

»So wortkarg?«, beendet Otis schließlich das Schweigen, während irgendwo im Gebäude ein Faxgerät piept und ich mit den Schultern zucke.

»Keine besonderen Vorkommnisse.«

»Hm«, macht auch Otis, wie bereits Blake zuvor, wirkt jedoch wirklich abwesend. Wahrscheinlich ist er gedanklich bei irgendeinem wichtigen Fall.

Apropos.

»Otis, ich muss mit dir reden.« Ich lasse mich auf dem Besucherstuhl ihm direkt gegenüber nieder.

»Geht es um die Kaution für Miller? Die kriegst du innerhalb der nächsten Tage überwiesen.«