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Zwei Männer sind abgestürzt und ertrunken, ein dritter ist verschwunden. Für Kommissar Bertini ist die Sache klar: Die beiden Toten sind Räuber einer Bande aus Rumänien, die auf der Flucht vom Weg abgekommen sind. Doch Journalistin Laura Leone gibt sich damit nicht zufrieden und macht sich auf die Suche nach dem dritten Mann. Sie ahnt nicht, dass sich damit ihr Leben dramatisch ändern wird.
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Seitenzahl: 396
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Michael Moritz, 1968 in Freiburg geboren und am Kaiserstuhl aufgewachsen, schreibt und produziert seit fünfundzwanzig Jahren Theaterstücke, Kurzfilme und Erzählungen. Im Emons Verlag erschienen «Tod in der Rheinaue», «Roter Regen», «Weinselig», «Lost Place Vienna», «Zürcher Verschwörung», «Tod im Theaterhaus», «Um die Wurst», «Die Tote im Dolder», «Badisch Blues» und «Zürcher Sumpf».
Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.
© 2015 Emons Verlag GmbH Alle Rechte vorbehalten Umschlagmotiv: photocase.com/JingleT Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch Lektorat: Irène Kost, Biel/Bienne (CH) eBook-Erstellung: CPI books GmbH, LeckISBN 978-3-86358-892-2 Originalausgabe
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PROLOG
«Halt mich fest! Ich will nicht sterben.» Enzo umklammerte Radus Unterarm. Radu spürte Enzos Fingernägel durch den Stoff des Trainingsanzugs. Mit der linken Hand hielt sich Radu am Stumpf eines gefällten Kastanienbaums. Mit der rechten versuchte er, Enzo zu sich heraufzuziehen. Seine Füsse fanden keinen Halt. Die Turnschuhe ohne Profil, die Sohlen aufgerissen von dem langen Marsch, den sie hinter sich hatten.
«Sei still! Willst du, dass uns jemand hört?»
«Ist mir egal. Lieber zu Renard zurück als verrecken.» Enzo schiss sich in die Hosen. Und mit so einem wäre Radu fast bei den Zenturios in einem Dschungel in Venezuela gelandet. Wäre er nur allein abgehauen, dann hätte er jetzt diesen Jammerlappen nicht an den Hacken. Beider Nerven lagen blank. Die Flucht von Castelnaudary hatte sie aufgerieben. Alles war schiefgelaufen. Sie hatten die Orientierung verloren, Silvia war nicht wie verabredet in Toulouse gewesen; deswegen mussten sie einen Lieferwagen klauen und damit bis Italien kommen. Dort wurden sie von zwei Carabinieri aufgehalten. Amateure, die sich wichtig nahmen. Sie hatten keine Chance gegen Enzo und Radu. Die beiden frischgebackenen Legionäre hatten die Grundausbildung bei Renard überlebt, da zertrat man Stutzer wie Kakerlaken. Es war Enzos Idee gewesen, über die grüne Grenze in die Schweiz zu fliehen. Er hatte dort einen Onkel. Direkt hinter der Grenze. Angeblich nur noch ein paar Kilometer. Borgnone hiess das Kaff. Enzos Onkel war Künstler. Bildhauer oder Maler. So recht wusste es Enzo selbst nicht. Jedenfalls hatte er mal wegen Falschgeld gesessen und galt als Spezialist für Pässe.
«Warum ziehst du mich nicht hoch?» Enzos Jammerton schmerzte Radus Männerherz. Wieso konnte der Italiener nicht sein Maul halten? Die Tonlage erinnerte Radu an seine Mutter, die jammerte, wenn er nicht zur Schule gegangen war und stattdessen lieber mit seinen Freunden abgehangen und Mist gebaut hatte. Der Gedanke an seine Mutter schwächte Radus Arm. «Zappel nicht so rum, du Idiot.»
Enzo jammerte weiter.
Warum nicht loslassen? Ob Enzo ihn hochziehen würde, wenn er über dem Abgrund hing? Aus Radus Fingern wich die Kraft. Wenn es ihm in den nächsten Sekunden nicht gelang, mit den Füssen einen Halt zu finden, musste er Enzo in den Abgrund stürzen lassen. Radu scharrte im seifigen Laub wie ein Schwein nach Trüffeln. Der rechte Fuss fand ein Loch und grub sich hinein.
«Worauf wartest du?»
Radu stemmte sich in das Loch, klammerte mit der Linken den Kastanienstumpf, und mit der Rechten zog er Enzo nach oben. Seine Finger gaben auf, und Enzos Arm entglitt. Enzo schrie, fiel ein Stück zurück und griff nach Radus Bein, das im Erdloch steckte.
«Zieh dich daran hoch», sagte Radu.
«Hilf mir. Allein schaffe ich es nicht.»
«Du musst es allein schaffen», sagte Radu. Er klang wie sein Ausbilder Renard. «Stell dir vor, du hast noch das 45er-Maschinengewehr auf dem Rücken. Los, du Pussy, zieh dich hoch.»
Enzo nahm die letzte Kraft zusammen und arbeitete sich an Radus Bein nach oben. Keuchend sank er neben Radu ins nasse Laub. Radu hörte nur ihren schnellen Atem. Wie zwei alte Dampfloks, die um die Wette schnauften. Erst als sie wieder Luft hatten, vernahm er unten in der Schlucht das Reissen der Melezza.
«Wie weit ist es bis zu deinem Onkel?», fragte Radu.
«Höchstens zwei Kilometer.»
«Ich will endlich aus diesem Trainingsanzug raus. Und ich schwöre dir eins: Nie mehr in meinem Leben werde ich einen Trainingsanzug anziehen.»
«Und nie mehr eine Glatze rasieren.»
EINS
«Mich interessiert, wo der dritte Mann geblieben ist», sagte Laura und grinste Bertini frech an.
«Der dritte Mann ist in der Kanalisation in Wien», sagte Bertini und summte die Filmmelodie dazu. Er fand sich witzig. Laura lachte falsch, um Bertini zu schmeicheln, und bohrte nach. «Warum interessiert Sie das nicht?»
«Weil es sich erledigt hat. Rede ich Romanisch?»
«Allegra. Das würde ich verstehen. Aber Ihr Ausweichen verstehe ich nicht.»
Bertini schob mit dem Lineal seine Autoschlüssel über den Schreibtisch und atmete genervt durch.
«Gibt es denn nichts Interessanteres, worüber Sie schreiben können? Das kommende Filmfestival vielleicht?»
«Das ist erst im August. Und jetzt ist Oktober.»
«Dann schreiben Sie über das vergangene. Gab es da keinen Krimi, den Sie rezensieren könnten? Ein Ende, bei dem alle Fäden zusammenlaufen und das jeden glücklich stimmt?»
«Das gibt es nicht. Irgendjemand meckert immer. Vor allem aus meiner Zunft. Sonst wären wir überflüssig.»
«Ihre Zunft ist überflüssig. Und raubt mir kostbare Lebenszeit.» Der Polizist versuchte, mit dem Lineal den Ring des Schlüsselbundes zu stechen, um ihn dann vom Tisch zu heben. Es misslang. Der Schlüsselbund rutschte ab, glitt über die Schreibunterlage und drohte auf den Boden zu fallen. Laura fing ihn auf und knallte ihn auf die dunkle Tischplatte.
«Zwei Menschen sind in Borgnone abgestürzt. Ein dritter Mann bat blutüberströmt um Hilfe und ist dann plötzlich verschwunden. Und Sie interessiert nicht, wer der Mann war? Und wo er jetzt ist?» Laura war laut geworden. Bertini passte der Ton nicht. Er rückte sich aufrecht in seinen Sessel, atmete hoch in die Brust und verzog seinen Mund, dass sein sauber gestutzter Schnauz eine Kurve zog. «Es gibt nur zwei Zeugen, die von einem dritten Mann sprechen. Dr.Wagner, den Sie ja bereits genervt haben, und der verrückte Monza. Haben Sie schon einmal mit ihm geredet? Oder seine Kunstwerke angeschaut? Der sieht täglich Tausende blutüberströmte Menschen. Wenn es nach ihm ginge, müssten hier Massengräber liegen. Ausserdem hat Monza selbst gestanden, dass er sich das alles nur eingebildet hatte. Er hatte schlecht geträumt.» Auch Bertini war laut geworden. Jetzt nahm er sich zurück. «Für mich ist der Fall erledigt. Und ich fasse ihn gerne noch einmal zusammen: Zwei rumänische Diebe sind nach ihrem Raubzug durch Borgnone abgestürzt und ihren Verletzungen in der Melezza erlegen. Von einem dritten Mann keine Spur.»
«Und von der Beute?»
«Was?»
«Was ist mit der Beute?»
«Was soll mit der Beute sein?»
«Der iranische Schmuck von Frau Tedeschi. Das Bargeld von Dr.Zwicky.»
«Sichergestellt.» Er sah sie nicht an. Stierte aus dem Fenster.
«Sichergestellt? Und warum haben die beiden ihren Besitz noch nicht zurückbekommen?»
Bertini sah Laura scharf an. «Haben Sie die beiden etwa belästigt?»
«Ich habe sie nur befragt. Das ist mein Job. Ich bin Journalistin.»
«Journalistin. Eine Nervensäge sind Sie.»
«Was ist nun mit der Beute?»
«Müssen wir noch eine Weile zurückhalten. Beweismaterial.»
«Ich dachte, der Fall sei erledigt.»
Bertini stand auf und klopfte mit dem Lineal in seine linke Hand.
«Sie gehen jetzt besser. Ich habe zu tun.»
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