Teyus Erbe - Nanno O. Droenner - E-Book

Teyus Erbe E-Book

Nanno O. Droenner

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Beschreibung

Tauche ein in diese neue und inspirierende High-Fantasy-Welt und ergründe das Geheimnis des Mispelturms: In einem Land, in dem der Frieden unter den Menschen so selbstverständlich ist wie der tägliche Sonnenaufgang, wird Hedjins Leben durch ein tragisches Ereignis erschüttert. Er ist gezwungen, seine Heimat zu verlassen und den Schmerz seines Verlustes zu bewältigen. Auf seiner Reise wird ihm die Existenz von Naturwesen offenbart, die im Verborgenen den zerstörerischen Drang der Menschheit überwachen und ihn gleichermaßen einzudämmen versuchen. Denn ihnen wohnt der Trieb inne, die Umwelt und das Land zu schützen. Doch als Hedjin von einem verschleierten Krieg zwischen diesen Wesen und einer geheimen Gruppierung von Menschen erfährt, wird er widerwillig in einen Konflikt hineingezogen, der sein Schicksal für immer verändern wird.

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für Henrieke

ohne die es Hedjin niemals gegeben hätte

die Geschichte ist über uns hinausgewachsen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort – über Sprache und die Chronologie

Tomin: 2. Blick – Senliwald

Lafun: 2. Blick – Liyo

Ooli: 1. Blick – Gasthaus an der Ham

Ooli: 2. Blick – Katao

Ooli: 3. Blick – Tomes Gasthaus

Kikoan

Vadur: 1. Blick – Nolifo

Goba: 1. Blick – Nolifo

Goba: 2. Blick – Nolifo

Yuuna: 5. Blick – Mispelturm

Vadur: 2. Blick – Nolifo

Vadur: 3. Blick – Hiliwald

Vadur: 4. Blick – Schule der Kikoan

Loreen: 1. Blick – Nolifo

Bankur: 1. Blick – Schule der Kikoan

Vadur: 5. Blick – Schule der Kikoan

Adju: 1. Blick – Wellenflamme

Vadur: 6. Blick – Schule der Kikoan

Bankur: 2. Blick – Hiliwald

Vadur: 7. Blick – Nolifo

Vadur: 8. Blick – Schule der Kikoan

Vadur: 9. Blick – Tomes Gasthaus

Adju: 2. Blick – Wildnis an der Mom

Vadur: 10. Blick – Straße in den Süden

Vadur: 11. Blick – Straße vor Enumo

Telaa

Mihu: 1. Blick – nördlicher Himoga

Shiman: 1. Blick – Enumo

Mihu: 2. Blick – nördlicher Himoga

Mihu: 3. Blick – nördlicher Himoga

Adju: 3. Blick – Enumo

Mihu: 4. Blick – Enumo

Mihu: 5. Blick – Enumo

Mihu: 6. Blick – Enumo

Silvan: 1. Blick – nördlicher Himoga

Mihu: 7. Blick – nördlicher Himoga

Mihu: 8. Blick – nördlicher Himoga

Mihu: 9. Blick – Mispelturm

Yuuna: 4. Blick – Mispelturm

Mihu: 10. Blick – Mispelturm

Mihu: 11. Blick – Mispelturm

Blutmondnacht

Vadu: 1. Blick – nördlicher Himoga

Silvan: 2. Blick – nördlicher Himoga

Silvan: 3. Blick – nördlicher Himoga

Roki: 1. Blick – nördlicher Himoga

Roki: 2. Blick – nördlicher Himoga

Roki: 3. Blick – Fanago

Mihu: 12. Blick – Fanago

Roki: 4. Blick – nördlicher Himoga

Roki: 5. Blick – Fanago

Dooshin: 1. Blick – Fanago

Roki: 6. Blick – nördlicher Himoga

Roki: 7. Blick – Fanago

Nachwort

Danksagungen

Aufzählung wichtiger Orte, Begriffe und Figuren

Vorwort – über Sprache und die Chronologie

Alle Äußerungen in der nicht benannten Sprache Koolis und Kaahis (der Länder, in denen unsere Geschichte ihren Verlauf nahm) wurden in diesem Werk nach bestem Wissen und Gewissen auf Deutsch wiederzugeben versucht. Namen – oder auch nur Teile von diesen –, die einen existierenden wörtlichen Ursprung besitzen, wurden sinngemäß übersetzt, wie es bei ›Strahlensee‹ oder ›Noliberg‹ der Fall ist. Die restlichen wurden ihrem Klang entsprechend, so gut es ging, in das lateinische Schriftsystem transkribiert.

An dieser Stelle sei eine kleine Erläuterung eingebracht, die uns bei der Aussprache der nicht-übersetzbaren Namen behilflich sein kann:

Ein ›

s

‹ wird scharf ausgesprochen, wie es in ›Wasser‹ zu finden ist. ›Sennto‹ beginnt also anders als ›Sense‹.

Das häufig verwendete ›

dj

‹, zum Beispiel in ›Hedjin‹, ist etwa wie ein ›

dsch

‹ auszusprechen, das in ›Dschungel‹ oder auch in ›Dschinn‹ benutzt wird.

Vokaldopplungen

verdeutlichen eine verlängerte Aussprache des jeweiligen Lautes (wie in ›Kooli‹, ›Kaahi‹ oder auch in ›Loreen‹), wobei ein ›uu‹ fast wie ein ›ü‹ klingt (wie es bei ›Yuuna‹ oder ›Kanyuu‹ benutzt wird).

Bei ›

ur

‹-Endungen wird das ›r‹ gerollt (wie beispielsweise in ›Vadur‹ oder ›Bankur‹).

Hier wird ersichtlich, dass es in unserer Geschichte – aufgrund der Unterschiede in den Sprachen – viele Namen und Begriffe gibt, die zu Beginn ungeläufig anmuten und ein gewisses Maß an Gewöhnung bedürfen. Um das möglicherweise daraus entstehende Gefühl der Verwirrung nicht noch zu verstärken, sei hier die an manchen Stellen auftretende Verschie bung der zeitlichen Struktur erwähnt: Nicht jedes Kapitel befindet sich genau an der Stelle, an der es nach den chronologischen Regeln sein sollte! (Hinweise hierfür geben die Nummern in den Namen der Kapitel.) Darüber hinaus findet sich am Ende des Buches (ab Seite 440) eine Aufzählung der wichtigsten Begriffe, Figuren und Orte in Kooli, die dabei helfen kann, die Übersicht über die ungewohnten Namen zu behalten.

Und nun lasset uns nicht länger mit diesen Lappalien aufhalten! Durchschreiten wir die Pforte in eine andere Welt; begeben wir uns nach Kooli! …

Dass der Mispelturm einer der wichtigsten Orte des Landes war, konnte wohl niemand bestreiten. Einer der Gründe dafür war womöglich, dass niemand den Mispelturm kannte. Zumindest kannten ihn nur sehr wenige. Wahrscheinlich gab es in dieser Zeit nur einen einzigen Menschen, der ihn wirklich kannte. Dieser Mensch hatte vom kugeligen Ende des Mispelturms das gesamte Land gut im Blick. Metaphorisch gesehen. Sollte jemand buchstäblich einen Blick auf die Landschaft um den Mispelturm herum werfen, würde diese Person einen gigantischen Wald mit unzählbar vielen, hohen Bäumen sehen … und sonst nichts.

Hier und da würden die Bäume durch verschiedenste Luftstöße rascheln und sich langsam wiegen. Sonnenstrahlen und Regen würden sich durch die Blätter winden und den entfernten Boden nur dürftig erreichen. Vielleicht würde sich ein Vogel erheben und einen Schrei oder Gezwitscher von sich geben. Er würde fortfliegen, Richtung Norden, über den großen Wald hinweg oder teils durch ihn hindurch. Viele andere Tiere befänden sich in dem Wald, die den Vogel wahrscheinlich gar nicht großartig bemerken würden. Sie selbst hätten ihre eigenen Wege durch den Wald. Und so würde durch eine lange Kette von Begegnungen irgendwann der Rand des Waldes erreicht werden, wo die Bäume sich lichteten und auch bald die Niederlassungen der Menschen sich befänden. Die Menschen hatten sich Häuser gebaut, die sie in Dörfern und Städten organisierten, weil ihnen die Bäume des Waldes nicht genügten. So lebten sie friedlich vor sich hin, ohne von den Strömen des Landes oder von dem Mispelturm zu wissen.

Doch war der Mispelturm nicht der einzige Ort, von dem aus die Ströme des Landes bewacht wurden. Kooli war kein sonderlich großes Land, aber bedeutsam war es schon. Deshalb begab es sich, dass zu dieser Zeit viele Augen auf ein bestimmtes Dorf gerichtet waren. Der Name dieses Dorfes war Liyo und es lag im Nordwesten Koolis. Es hatte viele schöne Häuser und einen sonderbar runden Hügel in seiner Mitte.

Und wenn die Person im Mispelturm ganz genau hinhörte, dann lenkte der Strom sie in diesem Moment zu dem Wald im Westen des Dorfes. Sie konnte die Stimmen beinahe wie ihre eigenen Gedanken hören.

Tomin: 2. Blick – Senliwald

Weil sie sich noch immer umarmten, spürte Tomin am Rücken seines Sohnes, wie dieser leise in sich hineinlachte. Hedjins vertrauter Geruch machte es sich in Tomins Nase bequem und füllte sein Herz mit einer Mischung aus Liebe und Stolz. Doch im nächsten Moment kam eine frische Brise auf, die den Duft in einem wirbelnden Tanz in den Wald hinforttrug. Sie lösten sich aus der Umarmung und Tomin hob seinen Arm, um Hedjin zart an die Schulter zu fassen. Er bemerkte dabei, wie sehr die lange Wanderschaft, die er am frühen Morgen mit seinem Sohn angegangen war, nun an seinen Muskeln zehrte. Aber ebenso wurde ihm bewusst, dass Hedjin tatsächlich größer war als er.

»Wie konnte nur die Zeit, ganz unbemerkt, so schnell verstreichen?«, fragte Tomin sich laut. »Noch genau erinnere ich mich, wie wir hier in diesem Walde unsere Späße trieben, als du und deine Schwester erst seit einigen tausend Tagen uns geschenkt waren.«

Hedjin runzelte leicht die Stirn, sagte aber nichts. Er schaute Tomin bloß aufmerksam ins Gesicht.

Das gab Tomin die Gelegenheit, Hedjins Augen zu betrachten, in denen er stets die Mutter seiner Kinder erkannte. Diese besonderen, honiggelben Augen, die vor Lebenskraft hell zu schimmern schienen und die Tomin nun vor Seligkeit und Melancholie tief durchatmen ließen. »Allein deine Augen sind noch immer dieselben wie damals«, sagte er anschließend und ließ von Hedjins Schulter ab, um ihm über die Wange zu streichen.

Hedjin lächelte und sagte: »Kommt, Vater, lasst uns heimkehren. Ausruhen muss ich mich nach diesem mühevollen Morgen und Hunger habe ich zudem.«

»Ganz ähnlich geht es mir«, antwortete Tomin und nickte. Doch er brauchte noch einen Augenblick, um sich wieder in Bewegung setzen zu können. Zu sehr waren seine Gedanken noch mit seinen Erinnerungen beschäftigt. Er blinzelte, als Hedjin sich von ihm abwandte und weiter dem Waldrand entgegenlief. Leicht wehmütig schaute er seinem Sohn für eine kurze Zeit nach und schüttelte kaum merklich seinen Kopf, bevor er ihm folgte. Tomin hatte an seine eigene Mutter denken müssen. Sie hatte ihm ebenfalls solche eigentümlichen Sätze mitgegeben, deren Sinn ihm stets verborgen geblieben war. Erst als er selbst Vater geworden war, hatte er sie verstehen können und tut es ihr nun sogar gleich.

Sie mussten nicht mehr weit gehen, bis sie das Dorf erreichten. Die sanfte Sonne strahlte auf das in der nachmittäglichen Betriebsamkeit brummende Liyo, dessen Häuser sie in einem Spiel aus hellem und dunklem Holz begrüßten. Frei standen diese auf den mit Bäumen gespickten Wiesen herum und lächelten den Bewohnern fröhlich zu. Hier und da waren große Flächen freigelassen worden, auf denen sich Obstbäume, Beerensträucher und jegliche Gemüsesorten austoben konnten. Freundlich gewechselte Worte und frohmütiges Gelächter mischten sich in die Vogelrufe des Tages und erreichten die Ohren von Tomin und Hedjin. Sie schritten durch diesen westlichen Teil des Dorfes dahin, in dem viele Arbeitsstätten lagen, und führten kurze Gespräche mit den schuftenden Liyonen, denen sie auf ihrem Weg begegneten.

Um ein wenig Zeit zu sparen, nahmen sie den Pfad über die Imker-Höhe, die Liyos Mitte bildete und die sie von ihrem Heim im Osten trennte. Dieser bemerkenswert runde, das restliche Dorf um sich versammelnde Hügel war nicht nur das Zentrum Liyos – er war ebenso sein Herzstück: Die sich auf ihm entfaltenden Wiesen schmückten sich im Sommer mit Blumen, die dem Dorf somit einen bunten Hut aufsetzten und die den beflissenen, dann stets umhersausenden Bienen vorzügliche Nahrung boten. Aus diesem Grund befanden sich auch die prächtigsten Gebäude, die es in ganz Liyo zu finden gab, auf der umschwärmten Imker-Höhe. Stolz sprachen die Menschen von diesem Geschenk und mit Ehrfurcht lebten die Imker in ihren Häusern, dessen Dächer sich zum Ende hin elegant zum Himmel wanden. Feine Verzierungen waren in das von den Wänden umschmiegte Holz der Pfeiler und Balken geschnitzt worden und kleine, gemütliche Gärten begrüßten die Besucher der Bewohner. Schon bald würden auf der Hinterseite die Bienen summen. Ausgiebig würden sie um die Blüten der seltsam gewundenen Blumen auf den sorgsam erhaltenen Wiesen Liyos schwirren und ihren einzigartigen Staub sammeln.

Vermutlich war dies der Grund für die Besonderheit des liyonischen Honigs, dessen wohltuende Wirkung sich seit nicht allzu langer Zeit auch in den entfernteren Städten Koolis verbreitet hatte. Liyo war für diese klebrige Wohltat bekannt geworden und die Händlerinnen und Händler reisten weite Strecken und boten viel von ihren vielfältigen Waren im Austausch für das begehrte Bienensüß.

Von der Vorfreude auf diese warme Zeit verzaubert passierten Tomin und sein Sohn die inspirierenden Bauwerke und stiegen bald in den östlichen Teil Liyos hinab. Nachdem sie an ihrem eigenen Haus angekommen, die Tür aufgeschoben und eingetreten waren, entdeckten sie, dass Felu bereits ein Feuer im Großen Raum entfacht hatte.

»Herzlich heiße ich euch willkommen«, sagte sie, als sie ihren Vater und ihren Bruder erblickte. »Lange ward ihr fort!«

Tomin und Hedjin erwiderten den Gruß.

»Genau richtig ist dies Feuer nun für mich!«, sagte Tomin und setzte sich davor auf den weichen Boden.

»Erleichternd wäre es ebenso, eine Kleinigkeit zu essen, nicht wahr, Vater?« Hedjin wandte sich zu der mit Scharnieren versehenen Bodenplatte um und hob sie an, um zu dem Lager zu gelangen.

»Möchte Felu auch etwas?«, fragte er seine Schwester.

»Schon genommen hatte ich mir eine Portion«, antwortete sie und setzte sich zu Tomin.

»Mich überrascht deine Anwesenheit«, sagte dieser, legte einen Arm um seine Tochter und drückte sie kurz an sich. »Nicht, dass es mich jedoch enttäuschen würde – im Gegenteil!«

Felu sah ihm in die Augen und lächelte. »Zu ruhen habe ich mich entschieden – hier zu Hause für einige Tage. Viel auf der Straße war ich in der letzten Zeit, denn nun, am Ende des Winters, sind die Dienste der Händlerinnen und Händler am begehrtesten.«

Tomin hörte, wie sich die Bodenplatte schloss und Hedjin zu ihnen herüberkam. Er überreichte ihm ein bisschen Obst und ließ sich ebenfalls auf die Matten nieder. Dann wurde die Tür zum Flur aufgeschoben und Lafun trat in den Großen Raum hinein, beladen mit einer Kanne voller Wasser.

»Zurück sind wir«, sagte Hedjin und auch Tomin und Lafun äußerten jeweils eine Begrüßung.

Der jüngste Sohn hängte das Wasser über das Feuer und holte vier Becher und Teeblätter, um den Tee bereiten zu können, sobald die Kanne dampfte.

»Nicht mehr viel Wasser ist im Speicher. Morgen früh werde ich neues holen«, sagte er und streckte sich, wobei er sich vergewisserte, dass die Kanne gleichmäßig vom Feuer erhitzt wurde.

»Wie vom eifrigen Lafun zu erwarten«, schmatzte Hedjin und gab ihm einen witzelnden Klaps auf die Schulter.

Lafun warf ihm einen zermürbten Blick zu.

»Meine gute Freundin schaute vorhin herein«, begann Felu plötzlich vielsagend, »und schien ein wenig niedergeschlagen zu sein, als sie Lafun und mich nur vorfand …«

Tomin, der eben einen Bissen vom Obst genommen hatte, unterdrückte sein Lachen und warf einen Seitenblick auf Hedjin, der für einen kurzen Moment in der Bewegung eingefroren war.

»Nicht erklären kann ich mir ihr Verhalten …«, spaßte Felu weiter.

»Wahrlich seltsam«, antwortete Hedjin knapp.

»Ganz genau! Seltsam wird sie ein jedes Mal, wenn sie von dir erzählt – oder auch, wenn bloß ich von dir erzähle!« Felu beugte sich zu ihm herüber und senkte ihre Stimme. »Lieber Bruder, wenn du ihr etwas angetan haben solltest, wäre es nur richtig, uns davon zu erzählen! Oder hat sie es dir etwa ange tan …?«

Genervt grummelten Hedjins Augen sie an. »Wie kamst du dazu, dir Urlaub zu nehmen, obwohl du doch so gerne reist?«, lenkte er ab.

Felu verzog ihr Gesicht. »Gemerkt habe ich, wie müde ich doch bin. Nicht gesund ist es, den Körper zu sehr zu verausgaben, mein wilder Hedjin. Doch lass uns nicht vom Thema weichen! Beichte uns, was passiert!«

Lafun unterbrach die Neckerei, indem er sich nach vorne reckte und in die Kanne schaute. Scheinbar hing das Wasser noch nicht lange genug über dem Feuer, weshalb er sich wieder zurücklehnte. Dann blinzelte er verwirrt, als er bemerkte, dass ihn alle anstarrten. Tomin fing zu lachen an und seine Kinder – eins nach dem anderen – stimmten mit ein.

Die kleine Familie fuhr damit fort, sich beim Teetrinken ausgelassen über alltägliche Nichtigkeiten zu unterhalten und Tomin erfreute sich dieser Lebendigkeit. Er war stolz auf jeden seiner drei Sprosse und war froh darüber, dass er sie bei sich hatte. Ein Leben ohne sie konnte und wollte er sich nicht vorstellen – sie waren diejenigen, die seinem Dasein Sinn stifteten. Hedjin und Felu, die sich trotz ihres Alters noch derart gerne ärgerten, bildeten den lebhaften Kern. So gesehen waren die beiden eine feurige Imker-Höhe ihrer Familie, die auch Tomin und Lafun ansteckte. Allerdings waren beide für sich gänzlich unterschiedliche Personen.

Felu kam sehr nach ihrer Mutter. Sie war geduldig und aufmerksam, immerzu hilfsbereit und ebenso stark und selbstbewusst. Ihr Bruder Hedjin war aufgeweckt und lebendig. Er bewegte sich viel, blieb manchmal lange aus, unterhielt sich ungemein gerne mit den Dorfbewohnern und war dabei aufgeschlossen und vertrauensvoll. Schlichtweg war er meist in einer lebensfrohen Stimmung, die seine Umgebung blühen ließ. Der Jüngste, der stille Lafun, sorgte zwischen seinen Geschwistern für die angemessene Nachdenklichkeit und für das Sinnen. Zwar konnte auch er sich unter Freunden stark beleben, aber für gewöhnlich ruhte er in seiner Mitte, beobachtete die Situation und streute dann und wann geistreiche Sätze in das Gespräch. Auf Tomin wirkte es so, als sei für Lafun der Umgang mit Worten vergleichbar mit Salz in einer Suppe: Ohne es schmeckte sie nicht sonderlich gut, aber zu viel würde sie verderben. Zum Mindesten war Lafun stets höflich und bestrebt, es allen recht zu machen, und um das zu erreichen, strengte er sich unermüdlich an.

Beschwingt folgte Tomin dem Gespräch seiner Kinder und hing gleichzeitig diesen Gedanken nach, als sie aufgrund einer Unterbrechung jäh zur Ruhe kamen.

»Seid gegrüßt an diesem späten Nachmittage!«, klang es von der Hintertür und Lafun sprang auf, um sie aufzuschieben. Eine Nachbarin stand dort und wuchtete einen Sack mit Feuerholz auf den Boden.

»Aufgefallen ist mir am gestrigen Tage Euer fast aufgebrauchter Bestand. Rasch für Nachschub sorgen wollte ich allein«, erklärte sie.

»Habt vielen Dank!«, riefen alle vier zusammen, schmunzelten über ihre Einheitlichkeit und verbeugten sich vor der Nachbarin.

»So kommt herein und schlürft einen Becher Tee mit uns«, lud Tomin sie ein.

Doch sie lehnte ab; in Eile sei sie. Lafun hastete umher und drückte ihr Reisbrot, Tee und ein bisschen eingekochtes Gemüse als Dankeschön für das Holz in den Arm. Sie verbeugten sich erneut zum Abschied und Lafun schob die Türe zu, um die kühle Luft abzuhalten.

»Nicht bemerkt habe ich, wie die Zeit verronnen ist«, sagte Tomin etwas erschrocken und erhob sich anschließend. »Noch Arbeit liegt vor uns, Hedjin.«

Aufgeschreckt nickte Hedjin, stand gleichfalls auf und verabschiedete sich zusammen mit seinem Vater von seinen Geschwistern. Die beiden Zimmerleute verließen das Haus, um ihren verschiedenen Vorhaben nachzugehen, und trennten sich an der ersten Abzweigung. Hedjin lief in Richtung Imker-Höhe und Tomin südöstlich zum Haus einer Freundin, dessen Dach und Wände sie zurzeit mit der Hilfe von Freunden und Freundinnen ausbesserten.

Als Tomin am besagten Orte ankam, waren die meisten der Leute schon anwesend und damit beschäftigt, kleine Handgriffe vorzunehmen. Zu Tomins Bedauern war auch ein gewisser Herr mit Schnauzer unter ihnen, mit dem er nicht sonderlich gut zurechtkam. Ansonsten war die Stimmung wie gewohnt prächtig. Tomin liebte es, seiner Arbeit nachzugehen, während der er in diesen besonderen Kontakt mit den Liyonen kam, die er so sehr mochte. Mit gütiger, aber bestimmter Stimme wies er die Nachbarn und Nachbarinnen an, bewachte den Vorgang, half des Öfteren beim Sägen und Hämmern aus und motivierte sie alle für das gemeinsame Weiterkommen.

Allein der Schnauzbärtige konnte es nicht lassen, seine abwegigen Vorschläge zu machen, die Tomins Instruktionen widersprachen und die keinen Sinn ergaben. Geduldig versuchte er jedes Mal die andere Meinung anzuhören und abzuwägen, seine eigene Vorgehensweise anschließend jedoch zu erklären und zu verdeutlichen, warum sie notwendig sei. Diese Situationen kosteten ihn mehr Kraft, als der gesamte Tag beansprucht hatte.

Doch am Ende war das zerrüttete Haus wieder einen Schritt sicherer und wärmer geworden und sie betrachteten zufrieden und mit in die Hüften gestemmten Händen ihr Werk. Im Anschluss versammelten sich alle Beteiligten wie üblich im Innern. Dort plauderten und lachten sie eine Weile und tauschten Neuigkeiten aus, oder sie erzählten sich widerfahrene oder gehörte Geschichten, bis jede und jeder von ihnen in ihr oder sein eigenes Heim kehrte.

Vom Tag geschafft kam auch Tomin in sein Haus zurück und fand alle drei Kinder vor, die fleißig damit beschäftigt waren, das Abendessen vorzubereiten. Ein besonderes Gemüse gab einen wohlriechenden Geruch aus dem runden Topf ab, als Tomin sie alle begrüßte. Die kleine Familie aß häufig bei sich zu Hause, da das einzige Mintas des Dorfes in der Westhälfte Liyos lag. Nur an wenigen Tagen bequemten sie sich zu dem niedrigen Gebäude des Mintas, in dem sie in der Gesellschaft vieler anderer Dorfbewohnenden vorzügliche Speisen einnehmen konnten. Die Zeiten, in denen sie dies taten, wirkten ein jedes Mal wie ein kleines Fest.

Schweigend setzten sie sich jetzt im Großen Raum zusammen und genossen den Geschmack, der sich zärtlich in ihren Mündern auffaltete. Es war ein Ritual, das im Laufe der tausend Tage bei ihnen im Hause entstanden war: Kein Wort ging während der letzten Mahlzeit des Tages über ihre Lippen, die sich somit ganz dem Essen widmen konnten. Erstaunlicherweise erhöhte dieses Vorgehen die Verbundenheit zwischen ihnen und sie hatten gelernt, sich mit Blicken und der Sprache des Körpers zu verständigen, falls es denn vonnöten war. Einmal hatten sie dieses Ritual sogar im Mintas durchsetzen können, was für viele Anwesende ein eingebendes Erlebnis gewesen war.

Als alle Schüsseln geleert und auf dem Boden abgestellt waren, gähnte Felu und steckte die anderen damit an.

»Gelüstet es euch nach einem Bad?«, fragte sie danach.

Doch sie entschieden sich, es heute Abend nicht zu erhitzen und stattdessen auf direktem Weg zu Bett zu gehen.

»Auch morgen können wir uns noch waschen«, sagte Hedjin, streckte sich und stand auf.

»Nächtigen werde ich heute im Kleinen Raum«, verkündete Felu und erhob sich ebenfalls.

Die Männer nickten und wünschten ihr eine gute Nacht, bevor sie sich ins enge Schlafzimmer begaben und ihre Schlafmatten ausbreiteten. Tomin schlüpfte unter seine Decke und hörte, wie seine beiden Söhne es ihm gleichtaten. Sie murmelten sich einige letzte Worte zu und verstummten bald, der Dunkelheit ergeben. Die von draußen hereintropfenden Geräusche der Tiere schwächten ab, als Tomin schließlich selig lächelnd einschlief.

Er wusste nicht, dass er zum letzten Mal dem Schlaf verfiel. Er wusste nicht, dass er seine Kinder nie wiedersehen würde. Und er wusste nicht, dass er am Morgen, noch vor dem Erwachen, tot sein würde.

Lafun: 2. Blick – Liyo

»Eine geruhsame Nacht wünsche ich – bis zum morgigen Tag!«, flüsterte Lafun den letzten nach links abbiegenden Freunden zu, als diese sich in den Norden des Dorfes aufmachten.

Nun war er plötzlich, wie er mit einem Hüpfer bemerkte, mit Mela allein. Die beiden waren die Einzigen aus der Gruppe, die im Osten des Dorfes wohnten, weshalb der größte Teil ihres Heimwegs ein gemeinsamer war. Lafun warf Mela einen schnellen Blick zu und nahm ihre schöne Gestalt in dem schwachen Mondlicht wahr. Flüchtig schenkte er ihr ein Lächeln.

»Ist es dir genehm, erneut den Weg über die Imker-Höhe zu nehmen?«, fragte Mela ihn, woraufhin er schluckte und nickte.

Es war erst das zweite Mal gewesen, dass Mela bei diesen nächtlichen Geheimtreffen mitgekommen war, obwohl sie die meisten der teilnehmenden Jugendlichen aus Liyo kannte. Wie Lafun es von ihr erwartet hatte, war sie in den Diskussionen jedoch schon vollkommen eingebunden gewesen.

Jetzt schlenderten sie den Pfad über die so geliebte Imker-Höhe entlang und kamen an den prächtigen und verzierten Häusern vorbei, die dem Honig seine rätselhafte Wirkung verliehen.

»Gerne erinnere ich mich an meine frühen Tage«, erzählte Lafun, »als mein Bruder Hedjin mich über diese im Sommer duftenden Wiesen jagte oder meine Schwester Felu mir die Namen der auf ihnen entwindenden Blumen nannte.«

»Gar zauberhaft ist dieser Ort«, bestätigte Mela, und Lafun spürte, wie ihre Finger wonnevoll seine umherschlackernde Hand streiften. Ein heißes Zittern bebte durch seinen Körper.

»Die Imker-Höhe ist es, die allen Liyonen ihr regsames Leben schenkt«, sagte Mela leise.

Lafun bemühte sich, seiner Stimme habhaft zu werden. »Ist es nicht die Zuneigung, die wir Menschen uns gegenseitig geben?«

Mela lachte still in sich hinein und hob dann leicht die Schultern.

»Oh, komm!«, sagte Lafun mit einem Mal aufgeregt. »Zeigen wollte ich dir diesen Anblick schon beim letzten Mal. Am Ende dieser Wiese ist er!«

Rasch verließen sie den Weg und liefen über das düstere Gras.

Nach etwa sechzig Schritten blieb Lafun stehen und sagte enttäuscht: »Wie schade … Zu dunkel ist es hier bei Nacht.«

»Doch die Dunkelheit birgt andere Schätze«, sagte Mela und deutete nach oben.

Eine glitzernde Wunderwelt offenbarte sich ihnen am Firmament, die vor einem endlosen, schwarzen Hintergrund ihre Sinne betäubte. Lafun konnte nicht anders, als mit offenem Mund nach oben zu starren, unfähig zu begreifen, wie dieser Zauber möglich war. Ihm war bewusst, dass diese Anmut zwar in jeder wolkenlosen Nacht zu bestaunen war, aber Lafun war jedes Mal aufs Neue davon fasziniert, wie er immer wieder neue Entdeckungen machen konnte.

»Wundervoll, nicht wahr?«, sagte Mela bald.

Ergriffen sah er sie an und sagte: »Unbeschreiblich.«

Nach ungezählten Atemzügen rissen sie sich voneinander los und setzten sich auf den Boden.

»Glaubst du seinen Behauptungen?«, brach Mela das spannungsreiche Schweigen.

Lafun konnte sich denken, wen sie damit meinte. Bei dem Geheimtreffen, das regelmäßig nahe dem Waldrand im Westen stattfand, hatten sie heute von merkwürdigen Geheimnissen und Mächten erfahren, die in Kooli herrschen und das Leben in dem ganzen Land maßgeblich beeinflussen sollten. Die Person, die ihnen diese Geschichten erzählt hatte, war Talan gewesen – ein stämmiger Bursche, der zu viel von sich hielt, wie Lafun fand.

»Nicht sehr glaubhaft waren seine Worte für mich«, antwortete er. »Obwohl er selbst sehr überzeugt gewesen zu sein schien.«

»Mehr zu wissen als wir, scheint Talan zu glauben«, sagte Mela mürrisch.

»Gerne sieht er sich als Entdecker der Mysterien, die in Kooli wandeln, so denke ich.« Lafun seufzte und lehnte sich zurück, indem er sich auf seine Hände stützte. »Aber warum sollten seine Aussagen wahr sein, frage ich mich. Warum sollte es mehr als Menschen, Tiere und Pflanzen – etwas Unsichtbares also – geben?«

»Legenden und Erzählungen reißt er in die Wirklichkeit. Selbst glauben an das von ihm Gesagte wird er doch wohl kaum? Zudem, was nützt es uns, dieses – ich mag es nicht Wissen nennen – diesen Unsinn gehört zu haben?«

»Uns nützt es nichts. Dass Talan um seine Wichtigkeit weiß, war der einzige Nutzen, denke ich.«

Ein wenig böse auf den Jungen, der sogar jetzt seine kostbare Zeit mit Mela störte, dachte Lafun an das vergangene Treffen zurück.

»Und, meine Freunde, auf der Suche sind diese Mächte nun!«, hatte Talan am Ende seines Vortrages gesagt. »Nehmt euch in Acht vor dem Unheil und der Umwälzung!«

Mela hatte ihm allem Anschein nach nicht länger zuhören können und deshalb gerufen: »Über wen schwingst du diese Reden? Nicht einen Satz, der aus deinem Munde geflossen kam, war ich imstande zu entschlüsseln.«

»Selbst mir, der allerlei von seinem gescheiten Herrn Vater hat erlauscht, ist die Kenntnis nicht gegeben, um was für Mächte es sich handeln mag«, war die selbstüberzeugte Antwort gekommen.

Lafun war unweigerlich ein Bild des besagten Vaters in den Kopf geschossen, der mit seinem makellosen Schnauzbart die höchsten Töne von sich gab.

»Mächte sind es, die uns verborgen bleiben«, hallte Talans Stimme in seinen Gedanken wider. »Nichts von ihnen zu sehen, sind wir befähigt; nichts, was sie sich gegenseitig zurufen, können wir hören. Nur zu spüren bekommen wir es, doch auch das sind wir außer Stande zu bemerken.«

Ein Mädchen aus der Gruppe hatte gefragt, was dieses ›Es‹ denn sein sollte, und Talan hatte auf eines der vorangegangenen Treffen verwiesen, bei dem er ihnen ähnlich Haarsträubendes weis zu machen versucht hatte.

»Möglich ist alles dir Vorstellbare. Nur als Aberglauben, als Ausreden habt ihr die Dinge abgetan, die nur dem Schicksale oder auch dem Zufalle zu entfliehen suchten, wie ihr es in der Nacht beschrieben habt. Das aber – und hört gut zu! – sind nur kleine Exempel der wahren Größe der Mächte! Könnt ihr euch auch nur vorstellen, zu welchen Mitteln sie greifen können, um das zu finden, nach dem sie nun eben auf der Suche sind? Um das in ihre tastenden Finger zu bekommen, nach dem sie hungernd trachten?«

Über das Feuer in ihrer Mitte hinweg, um das herum sich eine ängstliche Stille ausgebreitet hatte, war ein jedes Augenpaar seinem fixierenden Blick ausgewichen und hatte scheu den Boden nach der Wahrheit abgesucht.

Lafun musste sich eingestehen, dass das Geschichten-Erzählen eine unbestreitbare Stärke Talans war. Er hatte sie alle in seinen Bann gezogen und hatte die Worte auf einzigartige Weise zum Leben erweckt, so unglaubwürdig sie auch gewesen wa ren. Nur Mela hatte ihm standgehalten, wie Lafun zu der Zeit bewundernd aufgefallen war.

Auf die leise von jemandem gestellte Frage, wonach diese unheimlichen Mächte denn auf der Suche seien, hatte Talan bloß verschwörerisch erklärt, dass dies das große Geheimnis sei.

Dieser Satz hatte Mela letzten Endes den Anlass gegeben, ihm aufgebracht zu unterstellen, dass er ihnen mit diesem erfundenen Gefasel doch lediglich Angst machen wolle. So hatte die lange Diskussion ihren Anfang genommen.

Lafun ließ sich auf den Rücken fallen. Er hatte keine Lust mehr, über Talans Gerede nachzudenken. Viel lieber wollte er diese Nacht unbekümmert mit Mela auf der lieblichen Imker-Höhe verbringen und dabei mit ihr den Sternenhimmel verträumen.

»Eines Abends beschrieb mir Hedjin, wie die Sterne vor der Ältesten Zeit durch dieses Land gestreift sind«, sagte er deshalb, um auf andere Gedanken zu kommen. »Manche von ihnen seien geblieben und nennen Kooli nun ihr Zuhause.«

Mela senkte sich ebenfalls hinab und Lafun spürte wohlig ihre Präsenz neben ihm.

»Auch dein Bruder, so scheint mir, spinnt dieser Welt noch seine eigenen Vorstellungen mit hinzu«, sagte sie lächelnd. »Doch froh bin ich, dass diese als solche zu erkennen sind.«

Erheitert fuhr Lafun fort: »Zwischen uns schwirren sie, um uns zu bewachen und uns vor Unglück zu bewahren – das besagt seine Erzählung. Wenn wir so froh sind, dass sie uns ihr Wohlwollen schenken, sehen und führen sie uns wie liebe Geister in der Luft.«

Als seine Stimme verklungen war, herrschte einen Augenblick lang Stille.

Dann sagte Mela: »Meinst du, sie bereiteten auch uns den Weg?«

Mit starkem Herzklopfen dachte Lafun darüber nach, doch wusste er nicht, was er darauf antworten sollte …

Nach einiger Zeit fingen sie zu frösteln an und Mela rückte näher an ihn heran, um sie beide warm zu halten. Voller stürmischer Gefühle versteifte sich Lafun bei der Berührung zunächst, doch taute er nach und nach wieder auf. Und immer leiser wurden ihre Klänge.

Plötzlich tollte ein Feuer in Lafun, das alles in ihm Wühlende, mit dem seine Gefühle zuvor beschäftigt gewesen waren, in einem jubelnden Galopp vereinnahmte. Rasend breitete es sich aus und ließ ihn vor Hitze zittern. Der Kuss brachte eine Flut von Erleichterung mit sich, doch gleichermaßen löste er ein Verlangen nach immer mehr von seinesgleichen aus, dem die beiden nur zu gerne nachgaben. Doch die Sterne waren zum größten Teil schon verschwunden und der Himmel war drauf und dran, in ein frisches Blau zu tauchen.

Wie im Traum und widerstrebend ließen ihre Lippen voneinander ab. Drei Atemzüge lang sahen sich Mela und Lafun glücklich in die geröteten Gesichter, standen dann auf und liefen nach einer raschen Verabschiedung zu ihren jeweiligen Häusern.

Leicht zitternd vor guter Laune schloss Lafun die Augen und atmete tief durch. Wie schnell die Nacht mit diesem wundervollen Mädchen doch vergangen war …

Bevor er die ins Haus führende Tür aufgleiten ließ, versuchte er sich zu beruhigen. Er wollte nicht unbedacht seine Familie wecken und ihnen daraufhin erklären müssen, warum er außer Haus gewesen war.

Ganz allmählich öffnete er die Tür und Lafun schlüpfte hindurch, als der Spalt groß genug war. Mit gleicher Vorsicht schob er sie wieder zu, nahm sich einen Becher aus dem Regal, den er mit Wasser füllte, und trank ihn in einem Zuge leer. Danach setzte er sich auf den weichen Boden des Großen Raumes und überlegte, was er jetzt tun sollte. Um sich ins Schlafzimmer zu schleichen, war es bereits zu spät. Würde er das tun, würde er mit Sicherheit Tomin und Hedjin wecken, deren Schlaf in der Dämmerung nicht mehr sehr tief sein dürfte. Das Gleiche galt für den Kleinen Raum, in dem Felu schlief. Ohnehin wäre es nicht ratsam, sich jetzt noch hinzulegen, befand Lafun. Denn dann würde er den anbrechenden Tag nur noch entkräfteter bestehen müssen. Also entschloss er sich, ein schönes Frühstück vorzubereiten, mit dem er die anderen überraschen konnte. Das würde ihm obendrein eine Ausrede dafür liefern, warum er schon auf den Beinen war.

Er sammelte das Holz zusammen, wusch den Reis und nahm einen der wenigen großen, mit eingelegtem Gemüse gefüllten Krüge aus dem Lager unter der Bodenplatte, die den Winter überstanden hatten. Während er den Reis mit dem restlich verbliebenen Wasser zum Kochen brachte, blickte er nach draußen, wo er die Umrisse der fernen Hügel erkennen konnte, die sich vor dem stetig heller werdenden Himmel abzeichneten. Unweigerlich schweiften seine Gedanken immer wieder zu der Zeit ab, die er mit Mela auf der Imker-Höhe verbracht hatte und die ihm jetzt irgendwie unwirklich erschien. Sein Herz tanzte einen feurigen Rhythmus, als er an die Küsse dachte, die sie sich gegenseitig geschenkt hatten.

Durch diese Erinnerungen war Lafun in Höchststimmung, als er eilig das Haus verließ, um neues Wasser zu holen. Ein ungewöhnlich dumpfes, aus dem Westen klingendes Geräusch traf sein Gehör und ließ ihn seinen Blick heben. Am Horizont sah er, wie sich eine Unheil verkündende Rauchsäule ihren Weg in den Himmel suchte, und er blieb verwundert stehen. Ein Feuer in dieser Früh? War jemand auf die gleiche Idee wie Lafun gekommen und hatte den Herd unbeachtet gelassen?

Seinen eigenen vergessend, ließ er die großen Eimer fallen und rannte los, um herauszufinden, was passiert war. Hastig erklomm er den Imker-Höhen-Pfad und erreichte bald seinen höchsten Punkt. Doch noch immer versperrten ihm die Häuser die Sicht auf die Ursache des Rauches, der sich unaufhaltsam und bedrohlich mit den frischen morgendlichen Wolken vermischte.

Immer dunklere Ahnungen durchströmten Lafuns Kopf, als er nun um die letzte Ecke stürmte und mit einem fürchterlichen Schrecken sah, wie sechs Gebäude nahe dem Senliwald in Flammen standen. Wie hatte das passieren können? Gestern noch, als nur die Sterne den Himmel beleuchtet hatten, war die geheime Gruppe genau an diesem Ort gewesen. Wie hatte sich dort so schnell ein Feuer ausbreiten können?

Noch immer in Stille gehüllt preschte Lafun auf ein Neues los, um irgendetwas zu tun – er musste einfach helfen. Doch in einer Kurve rutschte er plötzlich aus, verlor das Gleichgewicht, sah sich in einem Moment der Zeitlosigkeit mit einer nichtsnutzigen Verzweiflung dem steilen Abhang gegenüber und stürzte dann erbittert hinab. Er rollte und rutschte, prallte auf die Schultern und auf den Rücken und schlug sich unten schließlich den Kopf an einem großen Stein auf. Der Schmerz zuckte nur für einen Herzschlag durch ihn hindurch, bevor alles um ihn herum schwarz wurde.

Als er wieder zu sich kam, richtete er sich ruckend auf und entdeckte etwas Dunkelrotes auf dem Stein vor ihm. Panisch griff er an seine Stirn und fühlte das warme, feuchte Blut an ihr, bevor er sich haltlos übergab.

Orientierungslos vor Schwindel und etwas beschämt versuchte er sich seiner Umgebung gewahr zu werden. Er war ohne Zweifel im westlichen Liyo, doch was waren das für Gestalten, die hier umherliefen?

Grimmige, verschlossene Gesichter wurden von den Menschen zur Schau gestellt, die Fackeln, Hacken und andere Werkzeuge mit sich führten. Unter Anstrengung konzentrierte sich Lafun auf den flackernden Hintergrund und stellte bestürzt fest, dass es züngelnde Flammen waren, die da seine Aufmerksamkeit erregt hatten. Das Feuer war schon bis hierhin vorgedrungen und verschlang die liebevoll errichteten Häuser! Warum taten die Leute nichts dagegen?

Und dann wurde es ihm mit einem Schlag bewusst. In unnatürlicher Lautlosigkeit schritten diese fremden Menschen in das Dorf hinein und verzehrten sein wertvolles Glück. Ungläubig sah Lafun, wie sie mit blutverschmierten Händen und bespritzten Kleidern aus den Bauten traten und die Fackeln senkten, um diese alsdann anzuzünden. Er wandte seinen Blick ab. Aber was er stattdessen zu sehen bekam, war noch schlimmer. Durch eine Öffnung wurde er Zeuge, wie ein schlaftrunkener Liyone kaltblütig totgeschlagen wurde. Jede einzelne der wenigen in diesem Teil Liyos anwesenden Personen wurde auf ähnliche Weise niedergestreckt. Was war hier nur los? War er beim Frühstückmachen eingeschlafen und hing jetzt in einem Alptraum fest?

Er wurde sich seiner überwältigenden Übelkeit gewahr und wusste im gleichen Moment, dass die Geschehnisse Wirklichkeit waren. Das Gefühl der Ohnmacht, das ihn bei diesen fürchterlichen Anblicken außerdem überfiel, war dem nur zuträglich.

Dann wurde Lafun entdeckt. Vielleicht war er zuvor, wie er bewusstlos und blutend auf dem Boden lag, für tot gehalten worden, doch nun saß er fast aufrecht auf seinen Armen gestützt und er sah, wie der Händler aus Sennto, mit dem er auf dem Platz in Liyo häufig geplaudert hatte, mit gespenstischen Augen auf ihn zugedonnert kam und ihn mit seinem Messer angreifen wollte. In der anderen Hand umklammerte er eine brennende Fackel. Die zerschmetternde Angst ließ Lafun für den Moment seine Übelkeit und seine Wunden vergessen. Er rappelte sich auf und rannte den Abhang hinauf, den er vorhin hinuntergestürzt war. Nach einem schmerzvollen Spurt drehte er sich um und erkannte, dass er den Händler abgehängt hatte. Aber mitnichten erleichterte ihn dieser Umstand, denn er beobachtete, wie der Mann, vermutlich aus Zorn über seine verlorene Beute, eines der prächtigen Häuser der Imker-Höhe entzündete.

Er konnte nicht glauben, was er hier erblickte. Das Bild der Zerstörung hatte sich bereits in sämtliche Richtungen ausgebreitet. Wo war der Frieden und die Besinnlichkeit seiner Heimat geblieben? Wie war es möglich, dass Liyo im ätzenden Gestank und im schwarzen Rauch untergehen konnte? Wie sollte es von jetzt an weitergehen? Und warum? Warum taten sie ihnen das alles an?

Mit angsterfülltem Herzen betrachtete er die Menschen, die imstande waren, diese Grausamkeiten zu vollführen. Jeder und jedem von ihnen war der verbissene Gesichtsausdruck gleich.

Waren sie alle Senntonen? Konnte es wirklich sein, dass das sonst so muntere Nachbardorf diese Schrecknis verbreitete?

Mit einem herzzerreißenden Stechen kam ihm blitzartig seine Familie in den Sinn und seine Furcht stieg ins Unermessliche. Er sandte all seine Kraft in die Beine und rannte los. Sie durften sie noch nicht erreicht haben! Das durfte einfach nicht sein! Felu! Hedjin! Sein Vater!

Auf dem Weg zurück zu ihrem Haus wurde er Zeuge zahlreicher weiterer, schrecklicher und unvorstellbarer Gefühlskälte. Er sah, wie seine Mitmenschen, die im Erwachen einen heiteren Tag erwarteten, gnadenlos abgeschlachtet wurden; er sah, wie ein jedes Haus in den gierigen Flammen unterging; er sah, wie der überraschende Tod seine viel zu frühe Faust über das Dorf hinwegwalzte.

Sein Verstand schien ihm entfliehen zu wollen, ihm war unvorstellbar übel und seine Beine zitterten und wollten ihn nicht mehr tragen. Doch er hatte ein Ziel vor Augen, das ihn weiter trieb. Der Gedanke an seine Familie hielt ihn beisammen und sorgte dafür, dass er nicht vor Schock bewusstlos wurde.

Keuchend blieb er stehen und beäugte mit zugeschnürter Kehle die grimmigen Leute, die sich bereits auf dem Weg vor seinem Hause tummelten. Auch hier im Osten waren schon Anzeichen auszumachen, die auf die im ganzen restlichen Dorf zu sehenden Spuren der Vernichtung hindeuteten.

Jetzt wurde Lafun von einer gleißenden Wut gepackt und er preschte zum Haus, ohne auf die ungehaltenen Blicke der ihn umgebenden Menschen zu achten. Er krachte durch die Tür und lief geradewegs in den Flur. Er würde sie retten und sie vor diesem unrechten Tod beschützen! Aber er war zu spät.

Mit dröhnendem Kopf erblickte er einen Mann in ihrem Haus, der aus dem Kleinen Raum trampelte – in der Hand hielt er eine vor Blut tropfende, spitze Schaufel.

»Nein! Felu!«, brüllte er entsetzt und verzweifelt, und seine Augen brannten Tränen aus ihm heraus. Zorndurchtränkt stürzte er sich auf den Mörder, doch der mächtige Schaufelhieb kam ihm zuvor …

Ooli: 1. Blick – Gasthaus an der Ham

Klappernd ratterte der Karren von dem Unterstand, unter dem er die Nacht gestanden hatte, auf die holprige Straße. Vorne drauf, mit den Zügeln in der Hand, saß Ooli und rückte ihren Hut zurecht. Die morgendliche Sonne saß noch tief am Himmel und sie hatte keine Lust, ihre Gesichtszüge aufgrund der vor ihr zerberstenden, blendenden Helligkeit noch weiter zu verziehen. Ohnehin zogen sich schon tiefe Furchen durch ihre Stirn, denn noch immer schwirrten die unbeantworteten Fragen in ihren Gedanken umher, die ihr schon in der Nacht keine Ruhe gelassen hatten. Sie trieben ihr einen unangenehmen Stich in den überfüllten Kopf und ganz gleich was Ooli tat – sie wurde ihn nicht los.

Ohne Vorwarnung überfiel sie plötzlich ein eigenartiges Gefühl und sie ließ langsam ihren Karren zum Stehen kommen. Einen Atemzug lang horchte sie in sich hinein, um dieses seltsame Pochen einordnen zu können.

›Nicht wegfahren darfst du von hier!‹, schoss es ihr in die Gedanken, woraufhin sie sich unschlüssig umsah. Woher kam dieses Wissen, dass die Zeit des Aufbruchs für sie noch nicht gekommen war?

Vielleicht war es der Unglaube über die tags zuvor erlebten schrecklichen Ereignisse, der sich weiter in ihr ausbreitete und sie jetzt davon zu überzeugen versuchte, dass alles nur ein Traum gewesen war. Dann würde es sie jedoch in die andere Richtung ziehen, damit sie sich davon überzeugen konnte und damit alles wie gewohnt ablief. Vielleicht war es das Gefühl der Unvollkommenheit, nun unverrichteter Dinge zurückzukehren und nichts von dem erledigt zu haben, was sie ursprünglich tun wollte. Es würde sie jedenfalls davon abhalten, wieder in Rich tung Katao aufzubrechen … Aber nein – Ooli war sich sicher, dass es das nicht war.

Sie sprang von ihrem Platz auf den staubigen Weg und spähte in das kleine Wäldchen, das sich links von ihr im sanften Wind wiegte. Bedächtig schlich sie näher heran, um unter den langen Schatten irgendetwas Ungewöhnliches zu entdecken. Die Geschichte, die sie gestern in Liyo gehört und dessen Ende sie mit eigenen Augen gesehen hatte, ließ sie nur noch vorsichtiger sein.

Auf einmal hörte sie einen kleinen Ast zerbrechen und Ooli wirbelte herum. Hektisch ließ sie ihren Blick schweifen und ein leichter Anflug von Panik umwickelte sie. War ihr aufgelauert worden, weil sie vieles von dem zu Gesicht bekommen hatte, was vorgefallen war?

Doch nichts war zu sehen.

Ooli sah an sich herunter und entdeckte das zertretene Holz unter ihrer Zehenstegsandale. Sie lachte leise über ihre Torheit und entspannte sich. Was für eine Närrin sie doch war! Ein zerbrechender Ast! Als sei sie ohnedem nicht fähig genug, sich zu schützen!

Und dann sah sie ihn. Auf einem dicken Baum, der merkwürdig schräg gewachsen war, lag ein junger Mann, dessen Arme kraftlos herunterhingen. Ooli zögerte, bevor sie sich, immer noch vorsichtigen Schrittes, aufmerksam näherte. Doch außer dem Mann war weit und breit nichts und niemand zu sehen. Auch spürte Ooli nur die Anwesenheit dieses Baumliegers, weshalb sie es für sicher genug befand, ihn sich einmal genauer anzuschauen.

Der junge Mann atmete. Aber ob er nun schlief oder ohnmächtig war, konnte sie nicht sagen. Ooli entdeckte, dass oben am Kopf des Liegenden das dunkle Haar mit Blut verklebt war und ihre Gedanken begannen zu rasen. Konnte es sein? Was für ein ungemeiner Zufall das wäre. Doch das war unmöglich! Der junge Mann konnte niemals aus Liyo kommen – er hätte den ganzen Tag bis in die Nacht durchlaufen müssen! Und doch … Woher kam die Verletzung? Und warum lag er hier, vermutlich ohnmächtig oder schlafend vor Erschöpfung?

»Junger Mann?«, brachte Ooli mit heiserer Stimme hervor. »Hallo! Junger Mann!«, sagte sie nun stärker und lauter. Doch keine Reaktion fand sich auf dem Gesicht der verletzten Person vor ihr.

Sie fasste ihn an der Schulter und wiederholte ihre Worte, rüttelte immer kräftiger an ihm, denn die alleinige Berührung zeigte keine Wirkung. Doch es half alles nichts.

Ooli sah sich noch einmal um. Sollte dieser Junge tatsächlich aus Liyo kommen, so konnte sie ihn keineswegs im Gasthaus lassen. Da würden sie ihn nur ausfragen oder sogar erkennen. Und schnell würden sie ihn dann auffinden.

Sie stutzte. Wären sie denn interessiert an ihm?

Tief durchatmend, damit sie all ihre Gedanken vertreiben konnte, hievte Ooli den schlaffen Körper auf ihre Schulter und trug ihn zu ihrem Karren. Zwischen den Kisten war ein wenig Freiraum, in den sie den Mann legte und ihn mit ihrer Nachtdecke stützte und polsterte. Verstohlen ließ sie ein letztes Mal ihre Augen die Umgebung absuchen und kehrte dann, sich räuspernd, auf ihren Platz auf dem Karren zurück.

Polternd setzte sich die Ladung, die nun einen Menschen mehr zählte, wieder in Bewegung und fuhr der Stadt Katao entgegen. Etwa um die Mittagszeit sollten sie dort ankommen, überlegte Ooli gerade, als plötzlich und unerwartet diejenigen Bilder vor ihrem inneren Auge aufblitzten, die sie am vorherigen Mittag zu sehen bekommen hatte. Verkohlte, stinkende Skelette von Häusern. Ein Grauen, das die gesamte Umgebung umklammert gehalten hatte. Noch immer waren im ganzen Dorf viele brennende Häuser zu sehen gewesen. Die wenigen Menschen, die in Liyo umhergelaufen waren, waren nicht seine Einwohner gewesen und nur wenig hatten die kläglichen Versuche der Senntonen genützt, die Feuer zu löschen. Ihre Beschwernisse waren anderer Natur gewesen als die Rettung der Gebäude eines Dorfes, das nicht das ihre war. Sie hatten getrauert und waren dem Anschein nach von ihrem eigenen Verhalten schockiert gewesen.

Hinter dem Rauch, der sich überallhin verbreitet hatte, waren Ooli verbrannte Körperreste gewahr geworden, die seltsam versteift ihre Extremitäten verrenkt hatten. Wie stumme Holzfiguren hatten sie dagelegen, jeder Identität beraubt.

Mit vor Abscheu verzogenem Gesicht und der Hand vor Nase und Mund war Ooli in diesem surrealen Ort umhergetaumelt und hatte ihren Sinnen nicht trauen können. Obwohl sie um die Grausamkeiten dieser Erde wusste, hatte sie es hart getroffen; so nah und erschlagend hatte sie sie bisher nie erfahren. Ihre Kehle war knochentrocken gewesen, ihre Augen hatten gebrannt. Sie selbst hatte sich wie ausgedörrt gefühlt. Dabei konnte sie sich nicht einmal im Geringsten vorstellen, wie es sich für die hier verstorbenen Personen angefühlt haben musste.

Sie war einem Senntonen begegnet, der ebenso durcheinander wie verzweifelt gewirkt hatte.

»Verzeihung, Herr«, hatte sie gekrächzt, denn der Gestank und der Rauch hatten sich in ihre Kehle gefressen. »Was ist hier geschehen?«

Der Mann hatte sie für einige Herzschläge lang bebend angestarrt und, nachdem er seinen Blick abgewendet hatte, schließlich gestammelt: »Ich finde Euer Gesicht in meinem schrecklichen Gedächtnis nicht. Darf ich mir die Plumpheit erlauben zu fragen, wer Ihr seid?«

»Ich … bin Ooli.«

»Frau Ooli … Eine Händlerin?«, hatte der Mann sie gefragt, nachdem er in der Ferne ihren Karren entdeckt hatte.

Nach ihrem bestätigenden Nicken hatte sich der Mann traurig in alle Richtungen gedreht und eine entkräftete Haltung eingenommen. »Wir Senntonen verstehen unsere eigenen Taten nicht. Als hätte eine gewaltige Flut unsere Seelen erfasst, konnten wir nichts, als … als es zu tun …« Bedrückt hatte er auf den Boden geschaut. »Erst als das Schrecknis schon vorüber war … fanden wir zu uns zurück. Sogleich begannen wir mit der Suche – es musste doch Menschen geben, die … uns entronnen sind! Doch niemand hat überlebt …«

Eine zerreißende Stille hatte sich zwischen den beiden Fremden ausgebreitet, in der jeder Gedanke geschmerzt hatte. Fröstelnd und entsetzt hatten sie auf den Boden gestarrt, bis Ooli, die es nicht länger hatte aushalten können, in dieser Todesglut zu verweilen, ohne ein weiteres Wort umgekehrt und ins Gasthaus an der Ham zurückgefahren war. Erst am selbigen Morgen war sie von dort aus nichtsahnend nach Liyo aufgebrochen.

In der wenigen Sternenwanderung, während der sie in der folgenden Nacht den Schlaf hatte festhalten können, hatten sie verbrannte Körper verfolgt und grausig schluchzend nach ihr gerufen. Viele dieser Menschen hatte Ooli gekannt, die nun reglos in ihren zerstörten Häusern lagen. Liyo hatte sie gekannt. Diese Lebendigkeit und das bunte Treiben, das jetzt so stark von diesen letzten Eindrücken des Dorfes kontrastiert worden war.

Doch sie durfte die Worte des Mannes nicht ignorieren. Als hätte eine gewaltige Flut unsere Seelen erfasst. Diese Umschreibung kam Ooli äußerst bekannt vor. Sie warf weitere Fragen auf und war gleichzeitig vielleicht der Schlüssel zu allem.

Wenn der Junge aus Liyo kommen sollte, dann würde einiges auf ihn zukommen. Nun, da Ooli so darüber nachdachte, wurde ihr das nur allzu deutlich. Auch, dass sie wirklich einen Liyonen bei sich in ihrem Karren hatte – womöglich den einzigen Überlebenden des überraschenden Angriffs –, wurde für sie jetzt immer offensichtlicher. Sie musste ihn verschweigen. Das schuldete sie dem Dorf. Und wenn der Junge wahrhaftig aus Liyo kommen sollte, waren ihm auch ohne mögliche Verfolger und Interessentinnen genügend zu bekämpfende Verwicklungen mitgegeben worden. Nein, Oolis Beschluss war fest: Sie würde alles berichten, nur kein Wort über den Jungen verlieren.

Die Dauer von etwa dreißig Liedern zog im gleichen Rhythmus der Räder auf der steinigen Straße an ihnen vorbei. Je länger die Sonne am Himmel stand, desto stärker wärmte sie die umgebende Luft. Ooli hatte sich gerade ihres Überwurfs entledigt, als der Passagier in ihrem Karren das erste kleine Anzeichen des Erwachens vernehmen ließ. Nur ein verschrecktes Aufatmen und das Murmeln seiner Kleidung erreichten Oolis Ohren, während der junge Mann sich vermutlich verwundert aufrichtete. Das Geräusch zeichnete sich ausreichend von den immerwährenden Tönen ab, die die stete Fahrt mit sich führte, weshalb Ooli es unverzüglich wahrnahm.

»Sei gegrüßt, junger Mann! Ich war so frei, mich deiner Person anzunehmen – so war sie doch im Walde schutzlos nur Bösem ausgeliefert«, rief Ooli nach hinten in den Karren, in dem es jedoch still blieb. »Verzeih mir mein Handeln, es mag dir wie eine Entführung scheinen …! Hier vorne und neben mir ist noch ein Plätzchen frei, auf das du dich kannst niederlassen. Eine warme Suppe ist für dich vorbereitet.«

Nach weiteren ruhigen Momenten, antwortete eine leise, tiefe Stimme: »Wem darf ich mein Leben verdanken?«

Ooli ließ ein vergnügtes Schnauben vernehmen und während der junge Mann zu ihr nach vorne geklettert kam, sagte sie: »Ich bezweifle, dass es so weit gekommen wäre, mein lieber Junge. Nur recht unbequem sah die Lage aus, in der ich dich vorgefunden habe.«

Als er neben ihr angekommen war, sah Ooli sein waches Gesicht und bemerkte seinen frischen Blick aus ungewöhnlichen Augen. Sie waren honigfarben. Sofort dachte sie an Liyo und zu den ohnehin schon trüben Erinnerungen gesellte sich eine Trauer um den Honig, den sie nun leider nicht mit sich führte, wie sie es eigentlich gehofft hatte. »Mein Name ist Ooli und ich bin eine Händlerin, die die langen Wege zwischen Nolifo, Katao und Liyo zurückzulegen pflegt.«

Ooli hatte bemerkt, wie der Junge sie beim Namen ›Liyo‹ rasch angeschaut, aber seine bemerkenswerten Augen sofort wieder abgewendet hatte.

»Habt Dank, Frau Ooli«, sagte er langsam. »Meine Kräfte müssen mich verlassen haben und ich einfach zusammen geb– …« Seine Stimme versiegte und er starrte geradewegs die Straße entlang.

Ooli betrachtete ihn mitleidig. Gut vorstellen konnte sie sich, wie ihn die abscheulichen Erinnerungen einzuholen versuchten, derweil er sie krampfhaft hinunterdrückte. Gleicherweise erging es ihr – obwohl sie das unmittelbare Geschehen nicht miterlebt und nur einen Bruchteil dessen erfahren hatte, was ihm widerfahren sein musste.

Aber weil sie dennoch mehr über den Jungen erfahren wollte, fragte sie: »Wohin führt dein Weg, junger Mann?«

»Verzeiht meine Manieren«, schreckte er hoch und sah ihr mit leerem Blick auf den Mund, »so erkundigte ich mich nach Eurem Namen, ohne Euch den meinigen zu nennen.«

Verzagt drehte er seinen Kopf wieder Richtung Straße und fuhr dann in derselben monotonen Gleichmäßigkeit fort: »Ich bin Hedjin, werte Ooli, und auf dem Weg nach«, wie um nachzudenken, hielt er einen Moment inne, »… Nolifo, wie es der Zufall will.«

Ooli hatte etwas Suppe aus dem kleinen Kessel neben ihr in eine hohe Schale geschöpft und derweil aufgepasst, dass nichts verschüttet ging. Mit gespielter Munterkeit reichte sie Hedjin die Suppe samt Holzlöffel und richtete ihre Augen danach wieder auf den Weg.

»Doppelt gut kommt dir unsere Begegnung somit«, sagte sie sorgenfrei, »denn nach Nolifo kann ich dich geleiten! Was zieht dich in die Steinerne Stadt?«

Hedjin blinzelte und schluckte, sagte: »Ein Verwandtenbesuch« und füllte seinen Mund mit der Suppe.

Einige Male kaute er auf dem weichgekochten Gemüse herum, schluckte noch einmal und sagte anschließend: »Nie besonders oft war ich auf dem Platz, wenn eine Händlerin kam. Mein Bruder allerdings eilt … zu … je– …« Erneut verlor sich seine Stimme und er senkte seinen Kopf. Während der nächsten drei Straßenlöcher stieß er zweimal geräuschvoll die Luft aus seiner Nase, bevor er eifrig damit begann, den verlorenen Worten Suppe hinterherzulöffeln.

›Die Wärme wird ihm wohl bekommen‹, fand Ooli.

Unbarmherzig knirschten die Räder des Karrens ostwärts, und bald ließ etwas an Hedjins Haltung Ooli erkennen, dass seine Gefühle von anfänglicher Angst und Misstrauen nun zu schweigsamer Verstörtheit gewechselt waren. Ooli war darauf bedacht, keine Fragen über Hedjins Herkunft zu stellen, versicherte sich aber, dass sie ihn ununterbrochen aus den Augenwinkeln beobachten konnte.

Sie war sich jetzt ganz sicher, dass Hedjin aus Liyo kommen musste und es irgendwie geschafft hatte, vor den Angreifern zu fliehen. Und sie konnte es gut nachvollziehen, dass er nicht über diese Angelegenheit sprechen wollte – schon gar nicht mit einer Fremden, die ihn ohne Aufforderung mit auf ihren Karren genommen hatte. Ohnehin befürchtete sie, dass er an einem Gespräch über Liyo erkranken würde – und wenn er es nicht tat, dann würde er nichts an sich heranlassen. Die beiden Gelegenheiten, als er über sein Leben in dem Dorf zu erzählen angesetzt hatte, waren Beweis genug dafür, dass er nicht bereit war darüber zu sprechen. Die somit von Hedjin ausgehende Distanz wollte Ooli ihm bewahren. Diese verschwiegenen Themen machten ein Gespräch sowieso sehr mühsam.

Einige Rehe rannten, aufgeschreckt vom sich nähernden Klappern des Karrens, über den Weg und Ooli sah, wie Hedjin sich mit einer Hand die Augen rieb.

»Noch nicht ausreichend geruht, mein Junge?«, lachte sie und klopfte Hedjin auf den Rücken. Sie wollte versuchen, die Stimmung ein wenig aufzulockern.

»Nein, das ist es nicht«, sagte Hedjin gehemmt und schüttelte, während er den Rehen hinterhersah, abwesend den Kopf. »Meine Augen aber sind noch nicht ganz wach, wie es scheint …« Er blinzelte einige Male, schüttelte dann noch einmal seinen Kopf und widmete sich dem Rest der Suppe in der anderen Hand.

So ähnlich oder gänzlich schweigsam verbrachten sie die restliche Zeit, bis sie gegen Mittag Katao erreichten. Es war, wie Ooli fand, keine beeindruckende Stadt. Die gleichen Häuser aus Holz und Stein reihten sich aneinander und ließen hier und da genug Platz zwischen sich, dass kleine Gassen sich zu anderen Straßen schlängeln konnten.

Hedjin jedoch ließ interessiert seinen Blick von einer zur anderen Seite wandern und konnte es zuweilen nicht verhindern, seinen Mund offen und kleine bewundernde Laute entweichen zu lassen.

In sich hineinlächelnd dirigierte Ooli den Karren zu einem Haus, dessen schmutzige Fenster und zerkratzten Wände dringend einen Austausch nötig hatten, und stellte ihn im Hinterhof in den Schatten.

»Wohlan, hier halten wir. Doch werden wir nicht lange hier verweilen – nur rasch unsere Essensvorräte aufzufüllen ist mein Anliegen.« Sie sah Hedjin an. »Bleib am besten hier im Karren! So bald wie möglich weiterzufahren, ist mein Begehr. Sehr abträglich wäre es dafür, sollten wir uns in Katao verlieren.«

Dass sie nicht wollte, dass Hedjin gesehen wurde und sie ihn deshalb lieber versteckt im Karren wissen wollte, verschwieg sie ihm jedoch.

Ooli: 2. Blick – Katao

Eilig lief sie um die Ecken, um die sie vor nur kurzer Zeit mit dem Karren gefahren war, und fand sich auf der Straße wieder. Sie bog rechts ein und schob die Holztür auf, die sich zwischen den Steinwänden der Baracke, wie sie dieses heruntergekommene Gebäude nennen würde, zu verstecken versuchte. Ihr schlug ein strenger Schwefelgeruch entgegen und sie besah sich nervös das schäbige Hausinnere.

Durch die verdreckten Fenster an der linken Wand des Raumes fiel nur sehr wenig Tageslicht ein, sodass auf dem großen Tisch in der Mitte zusätzlich eine Kerze für ausreichende Helligkeit sorgte. Gedämpftes Stimmengemurmel drang durch die zwei offenen Türen, die die beiden übrigen Wände für sich beanspruchten, und von Zeit zu Zeit wechselten düstere Personen zwischen ihnen. Ursprünglich war dieses Haus ein Mintas gewesen, doch niemand nahm mehr die Mühen auf sich, um sich an den dubiosen Speisen dieser Küche zu versuchen.

Ooli schob die Tür hinter sich zu und schlüpfte aus ihren Reisstrohsandalen. Ihre nun nackten Füße traten auf die kühlen, erhöhten Matten, die den Boden des Raumes bedeckten, und als Ooli aufs Neue in das Zimmer blickte, erschrak sie leicht. Zuvor hatte sie die Gestalt nicht bemerkt, die da am Ende des Tisches in einem schweren, dunklen Mantel gehüllt auf den Matten saß und ein Stück Papier in den Händen hielt. Vermutlich hatte sie sie übersehen, weil das Gesicht von einer am Mantel befestigten, schattigen Kapuze verborgen war.

»Seid gegrüßt«, sagte Ooli, sich nebenbei ärgernd, dass sie nicht schon beim Eintreten gesprochen hatte, »und verzeiht die Störung! Nicht schrecken wollt‘ ich Euch.«

Der Kopf der Gestalt richtete sich auf und schien Ooli für kurze Zeit genau zu betrachten. Lautlos hob sich die Kapuze im nächsten Augenblick und offenbarte bald ein vertrautes, aber strenges Gesicht.

Wie Ooli es erwartet hatte, starrten ihr die bohrenden Augen Endus entgegen – die Frau, die sie suchte.

»Ooli«, sagte Endu knapp und nickte ihr zu. »Keinesfalls erschreckt habt Ihr mich. Und auch die Störung sei Euch verziehen.«

Steif verbeugte sich Ooli und setzte sich zu ihr an den niedrigen Tisch auf den Boden. Sie hatte ihren Platz so gewählt, dass sie alle Türen im Blick haben und Endu dennoch ins Gesicht schauen konnte.

»Leider ist meine Zeit sehr begrenzt«, begann Ooli, »aber das mir Widerfahrene Euch zu berichten, Frau Endu, ist unerlässlich und äußerst wichtig.

Am gestrigen Tage kam ich nach Liyo, um wie gewohnt mit Waren zu handeln – doch stattdessen fand ich einen gar grässlichen Anblick vor! Das Dorf war in seiner Gänze zerstört worden! Noch immer qualmten die Häuser vom wütenden Feuer, das restlos alles Holz verschlungen hatte, und zwischen den Kohlen lagen Liyos beklagenswerte Bewohner … Allesamt waren sie tot, Endu.«

Die Frau schaute sie tief an, und ein Funkeln trat in ihre Augen. »Welch sonderbare und traurige Kunde Ihr mir überbringt, Ooli. Habt Ihr mir weitere Einzelheiten über diesen Vorfall zu berichten?«

»Mit einem dort anwesenden Senntonen habe ich gesprochen. Wie es scheint, sind es Menschen aus Sennto, die für die Geschehnisse in ihrem Nachbardorf verantwortlich sind. Einen bemerkenswerten Satz sprach er zu mir … Er behauptete, ihren Seelen brach eine Flut entgegen, die sie zu ihren Taten brachte.«

Endus Augen weiteten sich. »Ihren Seelen? Eine seltsame und doch vertraute Umschreibung, nicht wahr?« Sie dachte für drei Wimpernschläge nach.

Mit einem Seitenblick auf die geöffneten Türen fügte sie dann flüsternd hinzu: »Möglich ist‘s also, dass sie dahinterstecken, findet Ihr nicht auch?«

»Auch die meine Vermutung war es, als ich die Worte von ihm hörte«, nickte Ooli ihr zu.

»Unsere Aufgabe wird nun sein, die Hoffnung in Klarheit zu bringen, dass sie nichts uns Unbekanntes über … über die Sache schon herausfanden … Aber welchen Zweck mag es haben, das ganze Dorf zu vernichten?« Endu grübelte einige Momente über diesen Umstand nach, als hätte sie Ooli schon vergessen.

Nach einer Weile sagte sie: »Ich bezweifle, dass Ihr mehr als ich über dieser Fragen Antworten wisst, Ooli?«

»Auch mir sind sie ein offenes Rätsel«, sagte sie verbittert.

Endu nickte. »Habt Ihr mir noch mehr zu überbringen?«

»Nur noch eines, werte Dame«, sagte sie und rutschte unwohl auf ihren Knien hin und her. »Der Senntone … er versicherte mir … dass niemand dem Angriff entkam.«

Erfolglos im Versuch, nicht an Hedjin zu denken, hielt Ooli dem durchdringenden, in ihre Augen stechenden Blick Endus kribbelig stand.

In einem der anderen Räume zerbrach etwas und laute Schreie folgten.

Endu schloss entnervt die Augen, nickte langsam, sagte: »Ich danke Euch« und bedeutete Ooli zu gehen.

Eilig verbeugte diese sich zum Abschied vor ihr und verließ schnellen Schrittes den zwielichtigen Raum.

Draußen, im hellen Licht, atmete Ooli auf. Sie mochte diese Begegnungen mit den anderen nicht; sie waren so angespannt und ernst. Generell hatten ihre Zweifel, seitdem sie Liyo gesehen hatte, viel Gelegenheit zum Wachsen gehabt. Sie wusste, dass es richtig war, Hedjin nicht erwähnt zu haben. Der arme Junge hatte alles verloren und allein deshalb wollte sie ihn nicht mit in diesen Kampf ziehen. Die Sache hatte nichts mit ihm zu tun – er würde lediglich aufgrund seiner Herkunft Probleme bekommen, die ihn nichts angingen. Und dennoch nagte ein flaues Gefühl durch Oolis Gewissen …

Um nicht mit leeren Händen zum Karren zurückzukehren, besorgte sie im gegenüberliegenden Haus (dessen Bewohnern sie häufig unter die Arme gegriffen hatte) einige Lebensmittel. Als sie jedoch den Hinterhof betrat und in ihren Karren sah, blieb sie wie angewurzelt stehen. Der Junge war verschwunden! Was fiel diesem Narren bloß ein?

Fluchend hastete sie zu dem Gefährt und durchsuchte jede Ecke davon, doch von Hedjin war keine Spur ausfindig zu machen. Ooli verließ der Mut. Jetzt, da sie Endu belogen hatte, wäre sie selbst verloren, wenn Hedjin in ihre Hände fiele, denn gewiss würde sie dann herausfinden, dass Ooli ihn mit sich geführt hatte. War Endu bei ihrem letzten Bericht nicht ohnehin schon misstrauisch gewesen …?