The Boys: Spielverderber - Roman zur TV-Serie - Dan Wickerline - E-Book

The Boys: Spielverderber - Roman zur TV-Serie E-Book

Dan Wickerline

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Beschreibung

Mit seiner abgedrehten Comic-Saga über eine geheime CIA-Task Force, die verhindern soll, dass Superhelden aus der Reihe tanzen, hat Autor & Mastermind Garth Ennis mehr als nur einen Achtungserfolg gelandet. Er hat für immer die Art und Weise verändert, wie wir die strahlenden "Supes" in ihren Capes betrachten.¨ The Boys: Spielverderber fasst die erste Story der kultigen Comic- Saga zu einem explosiven Roman zusammen, der seiner Vorlage in nichts nachsteht und den Leser noch tiefer in die groteske Welt der narzisstischen Metawesen eintauchen lässt.

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Seitenzahl: 231

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SPIELVERDERBER

Roman

Von Dan Wickline

Kreiert von Garth Ennis & Darick Robertson

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Copyright © 2020 Spitfire Productions LTD. And Darick Robertson. All rights Reserved.

The Boys ® and © 2020 Spitfire Productions LTD. And Darick Robertson. All rights Reserved.

Titel der Amerikanischen Originalausgabe: „The Boys: Name of the Game“ by Dan Wickline, published 2020 by Dynamite Books, USA.

Deutsche Ausgabe 2021 Panini Verlags GmbH, Schlossstr. 76, 70 176 Stuttgart.

Alle Rechte vorbehalten.

Geschäftsführer: Hermann Paul

Head of Editorial: Jo Löffler

Head of Marketing: Holger Wiest (E-Mail: [email protected])

Presse & PR: Steffen Volkmer

Übersetzung: Bernd Kronsbein

Lektorat: Andreas Kasprzak

Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart

Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln

YDBOYSR001E

ISBN 978-3-7367-9886-1

Gedruckte Ausgabe:

1. Auflage, Februar 2021, ISBN 978-3-8332-4018-8

Findet uns im Netz:

www.paninicomics.de

PaniniComicsDE

„Ich krieg’ dich schon, du dämliche Fotze.“William „Billy“ Butcher

1. KAPITEL

Hughies Leben befand sich endlich auf der richtigen Spur. Er hatte keine allzu gute Kindheit gehabt. Manch einer würde sie vielleicht sogar traumatisch nennen. Es war gar nicht so schlimm, dass er adoptiert worden war. Aber er fing sich in sehr zartem Alter einen riesigen Bandwurm ein, und das konnte man wohl als richtungsweisend bezeichnen. Denn fortan wurde er von allen nur noch „Wee Hughie“ – „Würmchen Hughie“ – genannt. Später begann ein fürchterlicher Urlaub damit, dass der Pilot mitten im Flug einen Nervenzusammenbruch erlitt und die Maschine in den Ozean steuern wollte. Überraschenderweise löste das keine Flugangst bei Hughie aus, aber er bekam jedes Mal nervöse Zuckungen, wenn er Barry Manilows „Copacabana“ hörte.

In der Schule war es ihm schwergefallen, Freunde zu finden, und die Freunde, die er fand, gehörten nicht gerade zu den beliebten Schülern. Die meiste Zeit verbrachte er mit Horace Bronson und Frankie Finlay. Frankie war ein großer, dürrer Junge, der ums Verrecken nicht lernte, sich die Schuhe richtig zuzubinden. Ständig stolperte er über die eigenen Schnürsenkel. Horace, den alle Det nannten, war Hughies bester Freund, obwohl er einen unnatürlich strengen Geruch verströmte. Es war die Sorte Geruch, die man auch mit Unmengen Wasser und Seife nicht beseitigen konnte. Die drei Jungs taten so, als wären sie Detektive, aber in Wahrheit war es Hughie, der die Detektivarbeit leistete, während die beiden anderen ihm nur an den Fersen klebten. In der Regel war es ein harmloser Spaß. Eines Tages jedoch ließen sie einen Zigarettenschmugglerring auffliegen, der im örtlichen Pub sein Unwesen getrieben hatte. Hughies Vater war davon wenig begeistert, denn er bekam Lokalverbot, bis der Besitzer in den Knast wanderte und der Laden verkauft wurde.

Frankie war nicht gerade der intellektuelle Typ. Seine Lieblingsbeschäftigung war es, mit Steinen nach Hunden zu werfen. Und da Hughie kein Spielverderber sein wollte, verbrachten sie den einen oder anderen Nachmittag mit nichts anderem. Eines Tages warfen sie Steine nach einem mageren Köter, dessen Kläffen wie der Alarmton eines Rauchmelders klang, der eine neue Batterie braucht. Hughie spielte das Spiel zum Teil auch deshalb mit, weil Frankie und Det überhaupt nicht zielen konnten und noch nie einen Hund getroffen hatten. An diesem Nachmittag war Hughie aber in Gedanken mit einer schlechten Klassenarbeit beschäftigt, sodass er einen Stein so akkurat warf, dass er durch einen Maschendrahtzahn sauste und den Hund unter dem linken Auge traf. Das Tier jaulte laut auf, Blut spritzte und zwei Jungs rannten nach Hause. Hughie blieb, stieg über den Zaun und versuchte, die Blutung zu stillen. Er blieb so lange bei dem Hund, bis der Besitzer nach Hause kam, und Hughie gestand, was er getan hatte. Dem Hund ging es bald besser, aber Hughies Vater bekam Ladenverbot in dem Lebensmittelgeschäft, dessen Geschäftsführer der Hundebesitzer war. Hughie bekam zwei Wochen Stubenarrest für die Angelegenheit mit dem Hund. Und eine weitere Woche für die schlechte Note. Doch er erwähnte nie, dass Det und Frankie dabei gewesen waren.

Man kann sich denken, dass Hughie auch in Sachen Liebe nicht viel Glück hatte. Er war an Mädchen interessiert, sehr sogar, aber offenbar erwiderten sie sein Interesse nicht. Diane Leith, das Mädchen, in das er während des größten Teils seiner Highschoolzeit verliebt war, wusste nicht einmal, dass es ihn gab. Denn als er all seinen Mut zusammennahm und sie ansprach, fragte sie ihn, auf welche Schule er denn ginge, bevor sie ihn stehen ließ. Beim Abschlussball versetzte ihn Frankies Schwester Irene, die stattdessen Det den Vorzug gab. Sie fand Det süß und glaubte, dass er an einer Nasenscheidewandverkrümmung und heftigen Nebenhöhlenproblemen litt.

Erst vor Kurzem hatte er sich in Amelia verguckt, die er in einer Pommesbude kennengelernt hatte. Sie hatte ihn stets angelächelt, ihm zugezwinkert und ab und zu einen Extrafisch in die Tüte getan. Ein paar Monate lang hatte er den Laden zwei-, dreimal pro Woche besucht, bevor er den Mut aufbrachte, sie auf eine Tasse Tee einzuladen. Sie lächelte und sagte Ja. Aber als er sie am folgenden Freitag nach der Arbeit abholen wollte, hatte sie gekündigt, weil sie von einem Kunden belästigt worden war. Er schwor sich, die Augen nach dem Mistkerl offenzuhalten, der Amelia vertrieben hatte, damit ihm die anderen Mädchen der Bude nicht auch zum Opfer fielen. Ein Trost war immerhin, dass sein Vater diesmal kein Ladenverbot erhielt.

Robin lernte Hughie durch puren Zufall kennen. An jenem Nachmittag hatten sie beide einen Kaffee bestellt, Robin lernte für eine Psychologieprüfung, Hughie las einen Comic. Sie fragte ihn, ob sie sein Handyladekabel ausleihen könne, was zu einer Diskussion darüber führte, welche Wirkung Superhelden auf normale Menschen haben. Er fand Robin intelligent, witzig und ziemlich niedlich. Sie lachte tatsächlich über seine Witze, sogar über die schlechten. Er war völlig verblüfft, dass sie mit ihm ausgehen wollte, und er war sicher, dass es schiefgehen würde. Denn es ging ja immer schief. Aber sie sagte, dass es nett gewesen sei und dass sie ihn gern wiedersehen wolle. Sie antwortete auf seine Textnachrichten und rief ihn bald regelmäßig an. Im Laufe eines Monats waren sie sechsmal miteinander ausgegangen, und die letzten drei Male war er über Nacht bei ihr geblieben. Er dachte die ganze Zeit an sie und wurde ganz aufgeregt, wenn er ihre Nummer auf dem Handydisplay sah. Er tauschte sogar das Hintergrundbild gegen ein Selfie aus, das sie beim Warten in einer Kinoschlange aufgenommen hatten.

Das siebte Date war gigantisch. Er hatte noch nie ein siebtes Date gehabt, und sie wollten zur Kirmes. Das hieß: Riesenrad, Geisterbahn, Zuckerwatte und Losbuden. Er hatte etwas Extrageld mitgenommen, um sich beim Dosenwerfen zu versuchen und ein Plüschtier für sie zu gewinnen. Sie sammelte Plüschtiere und hatte bereits fast ein Dutzend auf ihrem Bett sitzen. Außerdem fand er, dass er Ersatz für den Stofflöwen beschaffen sollte, den er bei seiner letzten Übernachtung versehentlich kaputt gemacht hatte. Sie hatte zwar gesagt, das sei nicht nötig, aber er wollte es wiedergutmachen. Sie gingen Hand in Hand über den Platz, während Hughie sich über eines seiner Lieblingsthemen ausließ, das amerikanische Superheldenteam, die Seven.

„… und da gibt’s einen Hangar, okay? Hunderte von Metern unter der Erde! Und da steht dieses Ufo mit einem rosa Alien an Bord. Weißt du, die Leute glauben, dass sie grau oder grün sind, aber das sind sie nicht, in Wirklichkeit sind sie rosa. Und es stellt sich heraus, dass die Aliens schwul sind. Oder vielleicht haben sie auch nur ein Geschlecht. Jedenfalls, ich kack mich ein! Da glotz ich auf diese Website und denke, Mann, was ist, wenn sie uns in ihr Schiff zerren und so schwule Sachen mit uns machen?“ Plötzlich wurde ihm bewusst, was er da sagte. „Nicht dass ich was gegen Schwule habe oder so, ja? Aber …“

Robin fing an zu lachen. „Ich liebe dich, Hughie. Unglaublich, was du für Geschichten erzählst.“

Hughie blieb wie angewurzelt stehen. „Bitte, wie war das?“

„Unglaublich, was du …“, begann sie.

Er unterbrach sie. „Nein, der erste Teil.“

Sie hielt inne und lächelte ihn schüchtern an. „Hab ich das etwa zu früh gesagt? Ich mach dir doch nicht etwa Angst, oder?“

„Robin …“, setzte er ein.

Sie sprach weiter: „Ich wusste es nach einer Woche, Hughie. Jetzt fast einen Monat.“

In seinem Kopf wirbelten mögliche Antworten herum. Aber alles, was ihm einfiel, war entweder zu kitschig, zu übertrieben oder es kam einfach nicht an das heran, was er wirklich empfand. Worte waren in diesem Moment fehl am Platz. Er nahm ihre Hände in seine und zog sie zu sich heran. Er beugte sich vor, und sie küssten sich, aber dieser Kuss war anders als jeder Kuss, den er bisher erlebt hatte. Dieser Kuss war voller Leidenschaft und Verheißung. Es war der Kuss, der das Band zwischen zwei Liebenden knüpfte. Es war das, was er in seinem Leben vermisst hatte. Und als sie sich voneinander lösten, lächelten sie sich an, als wäre es der schönste Tag ihres Lebens. Er hielt ihre Hände und schleuderte sie ein paarmal im Kreis herum, und beide lachten übermütig vor lauter Glück.

Und dann ging alles zum Teufel.

Das Erste, was er hörte, war ein Knall, wie das Geräusch eines Kampfflugzeugs, das am Himmel die Schallmauer durchbricht. Aber dieses Geräusch kam aus Bodennähe und schien nicht so weit entfernt zu sein. Als Nächstes ertönte ein Rauschen, das zu seiner Rechten zu beginnen schien, beim Näherkommen lauter und nach dem Passieren sanfter wurde, um dann mit einem extrem lauten, dumpfen Schlag zu enden. Es folgte etwas, das wie Hagel klang, der auf den Boden prasselt, aber dieses Geräusch hörte Hughie nicht mehr. Denn seine Aufmerksamkeit galt Robins Händen, die er noch immer festhielt. Diese Hände saßen an Handgelenken, die in Unterarme übergingen und dann in blutigen Knochen endeten, wo ihre Ellenbogen hätten sein müssen. Der Rest von Robin war nicht mehr da.

Er wollte sich umdrehen und nachsehen, wo sie war. Aber sein Kopf bewegte sich nicht. Nichts wollte sich bewegen. Er starrte unentwegt auf die Arme der Frau, die er liebte, während aus den Stümpfen Blut ins Gras tropfte. Das Komische war, dass er sich an alles andere, was an jenem Tag passierte, erinnern würde, als hätte er es im Fernsehen gesehen. Etwas flitzte hinter ihm vorbei, aber die Stimme nahm er kaum wahr.

„Aus dem Weg, Mann.“

Unter so ziemlich allen anderen Umständen wäre Hughie begeistert gewesen, denn die Stimme gehörte A-Train, dem „Speedster“ der Seven, einem Helden mit Supertempo. Hughie erkannte ihn gleich an seinem blau-weißen Kostüm. Es war fürs Rennen angefertigt worden, daher hatte es Shorts statt Hosen und keine Ärmel. Auf A-Trains Brust befand sich ein riesiges weißes A, und er trug eine Maske mit einer blauen Schutzbrille. Sie bedeckte jedoch nicht seine braunen Haare, die beim Rennen frei im Wind flattern konnten.

Der Held kam etwa fünfzig Meter von Hughie entfernt zum Stehen. Dort befand sich ein weiterer Maskierter, eingedrückt in eine Mauer. Sein Kostüm war rot und golden, und auf dem Kopf hatte er zwei Teufelshörner. An den Namen konnte Hughie sich nicht erinnern, aber auch er war ein Speedster, allerdings ein Schurken-Speedster. Es war ganz und gar nicht gut um ihn bestellt.

Erst als Polizei und Krankenwagen etwa zehn Minuten später eintrafen, kratzte jemand den Schurken – vielleicht Speed Demon? – von der Wand. Dann entdeckte man auch, was Robin zugestoßen war. Sie war an der Wand zerquetscht worden und sah aus, als hätte jemand einen Amboss auf einen Donut fallen lassen. Aus dem Augenwinkel sah Hughie Überbleibsel ihrer Kleidung, aber alles andere sah nicht mehr nach ihr aus. Er wollte schreien, aber sein Mund verweigerte ihm den Dienst. Sanitäter sprachen mit ihm, aber er registrierte sie gar nicht. Sie wollten, dass er Robins Hände losließ, aber das hätte bedeutet, dass er sich von ihr verabschieden müsste, und dazu war er noch nicht bereit.

Er hörte, wie A-Train versuchte, den Polizisten die ganze Angelegenheit zu erklären. „Er war mit Mach drei Richtung Süden unterwegs, als ich ihn bemerkte. Ich musste eine Abfangkurve berechnen, während ich über den Atlantik rannte. Wenn man übers Wasser rennt, sind sie überfordert. Man erwischt die Kerle wie aus heiterem Himmel.“

Ein Polizist sah zu dem Matschhaufen, der Robin gewesen war. „Nicht nur ihn.“

Der Held nahm nun zum ersten Mal Kenntnis von seiner Umgebung. „Oh, cool, eine Kirmes. Ich liebe Karussells. Wo sind wir eigentlich? Nur zur Orientierung.“

„Du bist in Glasgow.“ Der Polizist deutete über seine Schulter. „Amerika liegt in der Richtung. Verpiss dich lieber dahin zurück, Wichser.“

„Okay, ähm. Ich sorge dafür, dass ihn jemand abholt.“ Er deutete auf den Schurken. „Passen Sie gut auf ihn auf. Ich weiß, er ist tot, aber bei den Typen scheint das nicht immer etwas zu bedeuten.“

Der Polizist tippte an seinen Gürtel. „Aye. Wenn der Mistkerl sich rührt, zieh ich ihm eins mit dem Knüppel über.“

„Klasse.“ A-Train warf einen Blick in die Runde. „Ich kann ja noch ein paar Dosen umwerfen, bevor ich mich auf den Heimweg mache.“

Die Sanitäter redeten weiter auf Hughie ein. Sie hatten ihm schon zwei Spritzen mit einem Beruhigungsmittel verpasst und dachten über eine dritte nach, während sie versuchten, zu ihm durchzudringen. „Bitte, Junge. Lass los. Du musst loslassen.“

„A-Train? Was meinst du, steht das A für Arschloch?“ Der andere Sanitäter schaute immer wieder hinüber zu dem Helden. „Hat er überhaupt mitgekriegt, dass er ein Mädchen zu Mus verarbeitet hat?“

Als Hughie das hörte, bewegten sich seine Augen unwillkürlich ganz langsam nach links. Er musste sehen, was mit Robin geschehen war. Eben hatte sie noch vor ihm gestanden, und dann war sie plötzlich einfach weg gewesen. Er hatte kaum mit den Augen geblinzelt. Es war viel zu unwirklich.

Der zweite Sanitäter hob die Hand. „Sieh nicht hin. Das solltest du dir nicht antun, glaub mir.“

Seine Hand war nicht schnell genug. Hughie sah, wie A-Train mit dem Polizisten sprach. Er sah den toten Schurken am Boden liegen. Sein Kopf war extrem ungünstig verdreht. Und er sah den Krater, den der Schurke in der Mauer hinterlassen hatte, an der auch seine Freundin gestorben war. Sie war buchstäblich zwischen dem Kerl und den Steinen pulverisiert worden, so groß waren seine Geschwindigkeit und Masse gewesen. Ein Teil von ihr rann die Mauer hinab und sammelte sich in einer Pfütze am Boden. Die Polizei hatte einige der kleinen gelben Plastikmarkierungen mit Buchstaben aufgestellt. Die Markierung bei Robin hatte ein A, genau wie das Kostüm auf A-Trains Brust.

Hughies Griff löste sich und er spürte, wie Robins Finger ihm durch die Handflächen glitten. Plötzlich fühlten sich seine Beine sehr schwach an, und seine Knie schienen nicht mehr zu wissen, was ihre Aufgabe war. Sein Kopf drehte sich zur Mauer, und sein Mund öffnete sich weit und immer weiter.

„Oh nein“, sagte der erste Sanitäter. „Er geht über in Stadium zwei.“

„Wir müssen ihn fixieren.“ Der andere Sanitäter rannte zum Krankenwagen.

Hughies Verstand begann, eins und eins zusammenzuzählen. Seine Freundin hatte gesagt, dass sie ihn liebe, dann war sie in einen Kampf zwischen zwei Superhelden geraten, und jetzt war sie tot. Er hatte sie in den Armen gehalten, und dann war sie tot. Sie hatten sich geküsst wie noch nie zuvor, und es war ihr letzter Kuss gewesen. Er hatte nicht einmal Zeit gehabt, den Satz zu erwidern. Sie hatte nie gehört, dass auch er sie liebte.

Endlich fand Hughie seine Stimme wieder, und das Einzige, was er tun konnte, war schreien. „Robin!“

A-Train hatte dreimal auf die Dosen geworfen, als er den Schrei hörte und zurück zum Schauplatz des Geschehens rannte. „Oh Mann. Der Junge ist durchgedreht.“

„Findest du?“, spottete der Polizist.

„Ihr habt Leute, die sich um so etwas kümmern, oder?“ Er sah sich auf der Suche nach Zustimmung um, aber er fand keine. „Cool. Ich muss dann mal los.“

Das Letzte, woran Hughie sich erinnerte, bevor ihm die Sanitäter die dritte Dosis Beruhigungsmittel spritzten und seine Gedanken in Dunkelheit hüllten, war A-Train, der seinen Slogan brüllte, bevor er in der Nacht verschwand.

„Nichts geht ab wie A-Train!“

2. KAPITEL

Der Wind wehte vom Potomac her und verlieh dem Frühlingsnachmittag eine angenehme Kühle. Es war ein wesentlich freundlicherer Tag als bei seinem letzten Besuch in Washington, D. C., als Butcher der Schweiß schon den Arsch hinablief, kaum dass er einen Fuß vor die Tür gesetzt hatte, selbst ohne seinen geliebten Trenchcoat. Er war ein großer Fan von Amerika, aber er hielt es für total bescheuert, dass man die Hauptstadt in einem Sumpf errichtet hatte. Es blieb ihm noch etwas Zeit bis zum Meeting, und daher ging er mit Terror spazieren, seiner sechsunddreißig Kilogramm schweren Bulldogge. Als er die Bank in der Nähe des Ufers sah, beschloss er, eine kleine Pause einzulegen.

Er war eine Weile raus gewesen aus dem Spiel. Nicht direkt aus eigenem Antrieb, aber damals schien das ganz vernünftig zu sein. Jedenfalls redete er sich das ein. Beide Seiten hatten das Gefühl gehabt, dass die Dinge aus dem Ruder gelaufen waren. Dass sie zu schnell eskaliert waren, wie es jemand ausdrückte. Eine andere Person hatte einen Waffenstillstand vorgeschlagen. Butcher jedoch wollte keinen Waffenstillstand und dachte, dass die Dinge genauso eskaliert waren, wie es sein sollte. Aber die Entscheidung lag nicht bei ihm. Man sagte ihm, er solle die Sache vergessen und sich ein eigenes Leben aufbauen. Aber das konnten sie vergessen. Nicht, solange sie weiterhin auf ihrem hohen Ross saßen und er den dringenden Wunsch verspürte, sie da herunterzuholen.

Er lehnte sich auf der Bank zurück und rollte mit dem Hals, bis er mehrere knackende Geräusche vernahm. Danach ging es ihm für gewöhnlich besser. Dann hörte er etwas in der Luft rauschen, aber das hatte nichts mit seinem Hals zu tun. Es war ein Geräusch, das er nur zu gut kannte. Er sah zum wolkenlosen Himmel hinauf und entdeckte ihn beinahe sofort: ein kleiner Farbfleck, der sich vom azurblauen Himmel absetzte. Er kam näher, und Butcher konnte mit etwas Mühe die Gestalt eines Mannes erkennen, der durch die Luft flog.

„Ich kriege dich noch, du Wichser.“ Butcher wusste genau, dass der Typ ihn hören konnte, wenn er wollte.

Einen Moment später war der fliegende Mann verschwunden, und Butcher lächelte. Er war definitiv bereit, wieder ins Spiel einzusteigen. Er stand auf und sah hinab zu dem kleinen pelzigen Muskelberg, der neben ihm hockte. „Los, Terror. Bringen wir die Dinge in Bewegung.“

Nach einer kurzen Taxifahrt erreichte er sein Ziel. Er zog Taxis noch immer diesem Carsharing-Mist vor. Ein erfahrener Veteran der Stadt, der in einer Benzinkutsche rumkurvte, die Öl verlor, war ihm allemal lieber als ein Teilzeitarschloch, das im neuesten umweltfreundlichen, batteriebetriebenen Spielzeug unterwegs war und sich gleich über den Hund und dessen kleines Sabberproblem beschweren würde. Außerdem war Butcher ein ziemlich großer Mann und hatte nicht die Absicht, sich auf den Rücksitz einer Todesfalle in Form eines Kleinwagens zu quetschen. Er trug bereits seinen Teil dazu bei, den Planeten zu retten, da wollte er nicht auch noch seine Bequemlichkeit opfern.

Die Sicherheitskontrolle am Gebäude war so scharf wie eh und je, und das hieß, dass er gleich mindestens sechs Möglichkeiten ausmachte, eine verdeckte Waffe hineinzuschmuggeln. Er musste sich die Mühe aber gar nicht machen, da er keine Waffe bei sich trug. In Wahrheit hatte er eigentlich nie das Gefühl, dass er eine benötigte, denn er bevorzugte eher die direkte Konfrontation.

Er spazierte selbstbewusst durch die Lobby und direkt zur Warteschlange, die sich vor den Metalldetektoren gebildet hatte. Er lächelte die Wachen freundlich an, während er geduldig wartete. Andere warfen Schlüssel, Handys und sonstige Gegenstände, die sie in ihren Taschen trugen, in kleine Plastikschalen. Dann gingen sie durch die Maschine, die unweigerlich piepte, weil sie ihre Gürtelschnalle oder den Analplug in ihrem Hintern vergessen hatten. Butcher wusste, zu wem er wollte, daher hatte er nur den Plastikzimmerschlüssel und sein Handy dabei. Als er endlich an der Reihe war, warf er das Handy in die Schale, ging ohne einen Pieps zu verursachen durch den Detektor hindurch und steckte auf der anderen Seite das Gerät wieder ein.

„Verzeihung, Sir, Haustiere sind im Gebäude nicht erlaubt.“ Einer der Wachleute zeigte auf die Bulldogge.

„Schon okay, mein Freund. Das ist mein Diensthund.“ Butcher steckte das Handy wieder in seine Tasche.

Der Wachmann sah Terror erst einen Moment skeptisch an, dann wieder Butcher, dann erneut den sabbernden Hund. „Ich brauche irgendeine Art von …“

Ein anderer Wachmann mischte sich ein. „Mann, er will zu Rayner.“

„Oh.“ Der erste Wachmann wandte sich wieder Butcher zu. „Tut mir leid, Sir. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.“

Das Büro befand sich im obersten Stockwerk des Gebäudes und hatte einen kleinen Wartebereich mit einem Empfangsmitarbeiter, der an einem Schreibtisch saß. Patrick bezeichnete sich selbst als persönlichen Assistenten der Direktorin, und mehr musste Butcher über den Kerl gar nicht wissen. Er war winzig, verkrampft und trug einen halbwegs ordentlich geschnittenen Anzug, den er vermutlich bei einem Discounter gekauft hatte. Denn die kleinen Größen wurden preislich reduziert, wenn die neuen Anzüge eintrafen. Die Anzüge in Butchers Größe waren immer die ersten, die verkauft wurden.

Patrick schien es als persönliche Beleidigung aufzufassen, dass ein Hund in seinem Büro auftauchte. „Und Sie sind?“

„Ich möchte zu Rayner.“ Butcher warf seinen Ausweis auf den Schreibtisch. „Ich habe keinen Termin, aber sie wird mich empfangen wollen.“

Mit skeptischem Blick griff Patrick sich den Ausweis und ließ seine Finger über die Tastatur tanzen. Er ließ die Mundwinkel etwas hängen, als er das Ergebnis sah. Diesen Anblick genoss Butcher jedes Mal. Es ging doch nichts über das Bild, das so ein überheblicher Schwachkopf bot, wenn er auf Maß gestutzt wird.

Patrick ließ Butcher nicht aus den Augen, als er auf den Knopf der Sprechanlage drückte. „Ms Rayner. Hier ist ein Mr Butcher, der Sie gern sprechen möchte, Ma’am.“

Eine Frauenstimme krächzte durch den Lautsprecher. „Butcher? Großer Engländer? Spricht wie Michael Caine?“

„Das ist er“, antwortete der Assistent. „Er hat aber keinen Termin. Er schneite einfach rein, aber er hat sämtliche Sicherheitsfreigaben der Agency und alles. Von daher …“

Sie unterbrach ihn. „Schicken Sie ihn rein. Und stellen Sie keine Anrufe durch.“

Er ließ den Knopf der Sprechanlage los und deutete auf die hinter ihm liegende Tür. „Sie dürfen rein.“

„Ja. Hab ich mitgekriegt.“ Butcher beugte sich hinab, um Terror hinter den Ohren zu kratzen. „Passen Sie gut auf Terror auf. Wenn er anfängt, ihr Bein zu rammeln, wäre es das Beste, wenn Sie ihn einfach ignorieren und warten, bis er fertig ist.“

Bevor der Assistent etwas erwidern konnte, war Butcher durch die Tür getreten und hatte sie hinter sich geschlossen. Das Büro war finster. Die Fenster, die vermutlich einen schönen Blick über die Stadt gestatteten, waren von Jalousien verdunkelt. Das Deckenlicht war aus. Die einzige Lichtquelle war eine kleine Schreibtischlampe, die Rayners Gesicht und Brust erhellte. Sie trug eine hellblaue Bluse und ein schwarzes Jackett, und auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck, als hätte ihr gerade jemand gesagt, dass die Toiletten überlaufen. Die Fransen ihres spülwasserblonden Bubikopfs reichten ihr bis zur Halsmitte, und sie hatte gerade genug Make-up aufgetragen, dass man es bemerkte, aber nicht genug, um nuttig zu wirken.

Sie stand auf, zog das Jackett aus und kam auf ihn zu. „Du widerst mich an. Du dreckiger, ekelhafter Scheißkerl.“

Butcher grinste unverschämt, als er ihr entgegenging. „Wart’s ab, bis du siehst, wo ich meinen Schwanz abwische, Schätzchen.“

Als sie sich trafen, hob er sie mit einer Hand in die Höhe und setzte sie auf dem Schreibtisch ab, Unterlagen flatterten durch die Luft. Mit der anderen Hand schob er ihren Rock zur Hüfte hoch und riss ihr grob den Slip herunter. Er ließ ihn zu Boden fallen und öffnete seinen Gürtel. Sie knöpfte ihre Bluse auf und hakte den Vorderverschluss ihres BHs auf. Er wischte den Stoff fort, dann kniff und drehte er ihren linken Nippel zwischen Zeigefinger und Daumen. Gleichzeitig holte er seinen erigierten Penis aus der Hose und stieß ihn in Rayner hinein.

Sie keuchte. „Ich könnte kotzen.“

„Willst du mir damit vielleicht sagen, dass ich dir meinen Schwanz in die Kehle rammen soll?“ Er packte ihre Beine und hob sie hoch, während er in sie stieß. „Wenn ich fertig bin, kannst du ihn sauberlutschen.“

Sie schimpften und fickten fast zwanzig Minuten. Inbegriffen waren zwei Stellungswechsel, der letzte – Rayner lag mit dem Bauch auf dem Schreibtisch, während Butcher sie von hinten nahm – geschah nur, weil sie den Anblick seines abscheulichen Gesichts nicht mehr ertragen konnte. Außerdem fanden zwei Vielzweckklammern als Nippelklemmen Verwendung sowie ein ergonomischer Tacker, der anschließend direkt in den Mülleimer wanderte.

Als sie fertig waren, schloss Butcher den Reißverschluss seiner Hose und setzte sich auf einen der Stühle, während Rayner ein paar Minuten brauchte, um sich wieder präsentabel zu machen. BH und Bluse waren kein Problem, und die feuchten Flecken auf dem Rock würden trocknen, bevor sie das Büro aus dienstlichen Gründen verlassen musste. Ihr Slip jedoch war mit Stiefelabdrücken übersät, und sie warf ihn in den Mülleimer neben den Tacker. Das Jackett zog sie erst wieder an, als sie sich hinter den Schreibtisch setzte. Butcher hatte das Foto ihrer Familie vom Boden aufgehoben und betrachtete es.

Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, um sie zu richten. „Ich nehme an, du bist hier, um deine Dienste anzubieten.“

„Ich bin hier, um sie zu gewähren.“ Er musterte den pummeligen Mann, den sie geheiratet hatte, und ihre beiden pummeligen Kinder.

Sie schüttelte den Kopf. „Du bist noch immer ein arrogantes Stück Scheiße.“

Er hielt ihr das Foto hin. „Funktioniert aber, oder? Du hattest dein Höschen im Nullkommanichts runter.“

„Dreckschwein.“ Sie riss ihm das Foto aus der Hand.

Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und lächelte. „Wie geht’s Dakota Bob? Wollte er dir bei euren wöchentlichen Meetings je an die Wäsche?“

Sie stellte das Foto wieder exakt an den vorgesehenen Platz. „Der Präsident ist ein Mann von moralischer Integrität. Mir dreht sich der Magen um, wenn jemand wie du so über ihn spricht. Also sag, was du sagen wolltest. Ich hab nämlich zu tun.“

„Kamen zuletzt vielleicht neue Weisungen aus dem Oval Office?“

Sie konnte ihre Überraschung nicht verbergen. „Woher weißt du …?“

Er winkte ab. „Ach bitte, Rayner. Du hättest mich sofort anrufen sollen. Ich weiß, warum du es nicht getan hast, aber du hättest es tun sollen. Habt ihr denn inzwischen Fortschritte gemacht? Nennenswerte Erfolge erzielt? Ihr Typen vom Geheimdienst kriegt normalerweise ja nicht mal eine Kneipenschlägerei in den Griff.“

Ihre Lippen begannen zu zittern, ein sicheres Zeichen dafür, dass er sie erwischt hatte. „Komm zur Sache.“

„Es gibt ein paar Hunderttausend Supies auf der Welt, und ich könnte wetten, dass deine Agenten von fünfundneunzig Prozent kaum mehr haben als Name und Foto.“ Er legte seine Stiefel auf ihren Schreibtisch. „Aber ich kenne sie. Helden und Schurken. Heilige und Sünder. Sidekicks und alte Garde. Entweder ich kenne sie persönlich oder ich kenne jemanden, der sie kennt.“

„Du meinst die Legende.“ Sie beugte sich vor. „Wir wissen alles über ihn.“

„Gut.“ Er strich ganz beiläufig etwas von seiner Hose, um zu zeigen, wie egal ihm das alles war. „Dann weißt du ja, dass er mit niemandem redet. Außer mit mir. Und das bedeutet, dass du mich brauchst.“

Es wurde still im Büro, und sie starrten sich ein paar Minuten lang reglos an. Es schmeckte ihr nicht, dass sie ihn brauchte, das spürte er. Wie auch? Aber ihm gefiel das. Schließlich griff sie in eine Schreibtischschublade und zog einen braunen Aktenordner hervor, der vor Unterlagen praktisch überquoll. Mit einem dumpfen Knall warf sie den Ordner vor sich auf den Tisch.