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Dir gehört mein Herz - und ich will es nicht zurück
Eishockeyspieler Patrick O‘Doul lebt für die Brooklyn Bruisers. Aber die Zeit auf dem Eis hat Spuren hinterlassen. So sehr Patrick es auch versucht, seine Sportverletzung lässt sich nicht länger ignorieren. Physiotherapeutin Ari Bettini soll nun den wichtigsten Spieler des Teams wieder fit machen. Doch während der Behandlung knistert es plötzlich gewaltig zwischen ihnen! Ari weiß, dass ihre Gefühle füreinander nicht sein dürfen, weil Ablenkung das Letzte ist, was Patrick jetzt gebrauchen kann. Sein oberstes Ziel ist es, zurück an die Spitze der NHL zu kommen. Oder etwa nicht?
"Sarina Bowen schreibt großartige Dialoge und wunderbare Charaktere!" Kirkus Reviews
Band 2 der Sports-Romance-Reihe THE BROOKLYN YEARS von USA-TODAY-Bestseller-Autorin Sarina Bowen
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Seitenzahl: 458
Titel
Zu diesem Buch
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Epilog
Danksagung
Die Autorin
Die Romane von Sarina Bowen bei LYX
Impressum
SARINA BOWEN
The Brooklyn Years
WAS NIEMAND ERFÄHRT
Roman
Ins Deutsche übertragen von Wiebke Pilz und Nina Restemeier
Eishockeyspieler Patrick O’Doul lebt für sein Team, die Brooklyn Bruisers. Doch die Zeit auf dem Eis und seine harten Einsätze als Enforcer haben ihre Spuren hinterlassen. So sehr Patrick es auch versucht, seine Hüftverletzung lässt sich nicht mehr länger ignorieren. Physiotherapeutin Ari Bettini soll den wichtigsten Spieler des Teams bis zu den Play-offs wieder fit machen. Keine einfache Aufgabe, schließlich weiß jeder, dass Patrick niemanden an sich heranlässt und jeder Art von Berührungen aus dem Weg geht. Doch dann kommt alles ganz anders: Augenblicklich knistert es gewaltig zwischen den beiden, und sie verbringen eine leidenschaftliche Nacht miteinander. Aber Ari weiß, dass ihre Gefühle füreinander nicht sein dürfen. Ablenkung ist das Letzte, was Patrick auf seinem Weg zurück an die Spitze der NHL gebrauchen kann, und eigentlich ist beiden klar, dass sie völlig unterschiedliche Dinge im Leben wollen. Oder etwa doch nicht?
Sonntag, 6. März
Tabellenstand: 4. Platz in der Metropolitan Division
Noch 19 Spiele in der Hauptrunde
Patrick O’Doul kniete mit geschlossenen Augen auf seiner Yogamatte.
»Dein Atem findet seinen natürlichen Rhythmus«, erklang eine ruhige Stimme vorn aus dem Raum. »Spüre seine Wärme, spüre ihn in deinem Körper, bevor du ausatmest.«
Er atmete langsam aus, wie es Ariana, die Masseurin und Yogalehrerin des Teams, verlangte.
O’Doul interessierte sich einen Dreck für Yoga. Er wusste weder, wo sich seine Chakren befanden, noch erinnerte er sich an die Namen irgendwelcher Übungen. Aber an einem Spieltag sagte er nicht Nein zu dieser obligatorischen Stunde »Alle Vögel fliegen hoch!« mit der Schönheit vorn im Raum.
Einige Minuten lang ließ sie sie in der Kindshaltung verharren. Da er miserabel im Yoga war, musste er ihren Anweisungen ganz genau zuhören. Das Beste am Yoga war, dass man sich so stark konzentrieren musste. Wenn einen die hübsche Frau in dem pinken Gymnastikanzug aufforderte, sich zu einer Eso-Brezel zu verrenken, hatte man keine Zeit, sich Gedanken über den Gegner zu machen, dem man in fünf Stunden entgegentreten musste.
»Während du die Pose hältst, wird dein Atem eins mit deinem Körper. Spür, wie dein Atem in dieser Haltung durch deinen Brustkasten strömt«, sagte sie. »Mit jedem Atemzug gehst du ein wenig weiter in die Dehnung. Wir öffnen die Hüfte …«
Ariana lief zwischen ihren Schülern hindurch, korrigierte hier und da die Haltung. Neben O’Doul blieb sie stehen, dann ging sie auf alle viere hinunter. »Hi«, flüsterte sie.
Als er den Kopf zu ihr umwandte, traf sein Blick auf ein Paar braune Augen, die ihn frech anfunkelten. »Hi?« Normalerweise begann sie während des Kurses keine Unterhaltungen.
»Wenn das zu schwer für deinen Hüftbeuger ist, geh zurück in den Vierfüßlerstand.«
»Geht schon«, knurrte er. Verdammt. Die ganze Welt schaute auf seine Schwäche. Chronischer Muskelkater sollte keine so große Sache sein. Trotz Schmerzen weiterzuspielen gehörte beim Eishockey einfach dazu.
»Hast du Kinder?«, flüsterte sie.
»Scheiße, nein«, flüsterte er zurück. »Werde ich auch nie haben.«
Ihr Lächeln blieb unverändert. »Diese Position ist für Kinder einfacher, weil ihre Gliedmaßen im Verhältnis zu ihrem Rumpf kürzer sind. Also mach dir keinen Stress. Überlass der Schwerkraft die Arbeit. Tust du mir einen Gefallen?«
»Was?« Er hatte sich noch nie mit jemandem unterhalten, während beide zusammengefaltet auf dem Boden lagen.
»Lass deinen nächsten Massagetermin nicht wieder ausfallen. Dann stehe ich ziemlich blöd da.«
Oh Mann. Ein Hinterhalt in der Kindshaltung. »Tut mir leid«, sagte er sofort. Die Physiotherapeuten hatten ihm eine Massage für seine Hüfte verordnet. »Ich wollte dir nicht den Terminplan durcheinanderbringen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Schon okay. Aber diesmal tauchst du hoffentlich auf.«
»Klar«, versprach er, denn es war schwer, sich eine glaubwürdige Ausrede auszudenken, während man auf seiner Yogamatte schwitzte.
Ari schenkte ihm ein weiteres umwerfendes Lächeln und stand auf, um die Haltung des nächsten Spielers zu korrigieren.
Er blickte ihr nach und hatte ein schlechtes Gewissen, weil er sich vor dem Termin gedrückt hatte – und weil er ihr auf den perfekten Hintern starrte.
Zwanzig Minuten später, nach der Yogastunde, wurde er schon wieder in einen Hinterhalt gelockt. Aber nicht von Ari.
»Wie geht’s der Hüfte?«, fragte Nate Kattenberger, ein Handtuch um den Hals geschlungen. Die Bruisers machten überhaupt nur deshalb Yoga, weil ihr junger Eigentümer ein großer Fan von Vinyasa war. Er hatte keinerlei Schwierigkeiten, Aris Posen zu halten, und er stand immer in der ersten Reihe.
»Mir geht’s gut. Ich fühle mich schon wieder viel besser«, log O’Doul.
»Das freut mich. Ich glaube, wir können Boston heute Abend schlagen«, sagte der Milliardär und wischte sich mit dem Handtuch den Schweiß von der Stirn. Er trug Elasthan-Shorts und ein T-Shirt mit der Aufschrift Move Your Asana. »Zwei Punkte heute Abend würden uns wirklich sehr helfen.«
Als wüsste O’Doul das nicht selbst. »Wir schaffen das«, versprach er.
»Das glaube ich auch«, stimmte Nate zu.
O’Doul hoffte es. Sie mussten den dritten Platz in der Metropolitan Division erreichen, um sicher in die Play-offs zu kommen. Wenn sie Vierter würden, ergatterten sie vielleicht mit Ach und Krach den letzten Platz. Es war nicht ausgeschlossen. Aber wie ihm sein Teamhandy jedes Mal, wenn er es aus der Tasche zog, klarmachte, war ein Platz in den Play-offs noch längst nicht ausgemachte Sache. Kattenbergers High-End-Smartphone sagte ihnen eine Wahrscheinlichkeit von einundachtzig Prozent voraus.
Sie konnten sich keine Fehler leisten. Und das Spiel heute Abend war entscheidend, da es sich bei Boston um einen ihrer direkten Konkurrenten um einen der letzten Play-off-Plätze handelte.
Sie waren so nah dran. So verdammt nah, dass er es beinahe schmecken konnte.
»Ruh dich vor dem Spiel noch ein wenig aus«, schlug Nate vor und drückte ihm den Oberarm.
O’Doul kämpfte gegen den Reflex an, die Hand des Oberbosses wegzuschlagen. »Mach ich«, erklärte er, obwohl es gelogen war. Er würde zurück ins Hotel gehen und sich eine Weile hinlegen. Aber er würde nicht schlafen können, so wie immer vor einem Spiel. »Bis heute Abend«, sagte er.
Nate nickte ihm ein letztes Mal zu und ging davon.
Acht Stunden später brüllten die Fans, als Boston erneut aufs gegnerische Tor zustürmte.
O’Doul schaute von der Bank aus zu und fühlte sich elend.
Der aufreibendste Teil an diesem Job waren nicht das Eishockeyspiel oder die ständigen Reisen zu Auswärtsspielen. Es waren auch nicht die Faustkämpfe, die blauen Flecken und die Wunden.
Es war die Angst.
Wenn er auf der Bank saß und darauf wartete, dass seine Reihe eingewechselt wurde, lag sie ihm schwer wie Blei im Magen. Und jedes Mal, wenn er über die Bande sprang, stieg sie ihm wie Galle die Kehle hoch.
Falls irgendein Enforcer jemals behauptete, er habe niemals Angst, dann war das eine Lüge. Kein menschliches Wesen stellte sich drei- oder viermal die Woche der Faust eines eins neunzig großen Muskelprotzes entgegen, ohne den Schmerz vorauszuahnen.
Der Faustkampf heute Abend hatte sich auch noch auf die schlimmstmögliche Weise angekündigt. Der Enforcer – der »Vollstrecker« – der anderen, ein Kerl namens Trekowski, hatte ihn gestern Abend in den sozialen Medien provoziert. Auf Scheiß-Twitter.
Vielleicht kneift O’Doul morgen ja mal nicht davor, gegen mich zu kämpfen. #IchHabeNochHoffnung #BabySagJa.
Von allen Unsportlichkeiten, die O’Doul je erlebt hatte, war das hier der Gipfel. Er hatte nicht darauf reagiert, weil er überhaupt nicht bei Twitter war. Er twitterte nicht. Oder tweetete. Oder was auch immer.
Georgia, die Pressesprecherin der Mannschaft, hatte in seinem Namen geantwortet. O’Doul hatte ein prägnantes Zitat für die Facebook-Seite der Bruisers abgesegnet.
Hat mich da jemand im Internetz geschlagen?, hatte er angeblich entgegnet. Komisch. Hab gar nichts gemerkt.
Zugegeben, das war eine clevere Antwort. Eine Schlägerei beim Eishockey sollte normalerweise immer einen Zweck haben. In der Regel war es eine Vergeltung für ein Foul, das einen Mannschaftskameraden in Gefahr gebracht hatte. Manchmal dienten die Handgreiflichkeiten dazu, eine bestehende Rivalität zu schüren, das Team zu motivieren und die Energie eines Spiels zu verändern.
Faustkämpfe sollten nicht losbrechen, weil irgendein Idiot meinte, sich in den sozialen Netzwerken wichtigmachen zu müssen. Und schon gar nicht sollten sie auf einer Lüge basieren. O’Doul war noch nie in seinem Leben einem Kampf aus dem Weg gegangen. Aber er hatte das letzte Spiel gegen Boston wegen einer Handgelenksverletzung aussetzen müssen.
Glücklicherweise – und dank der besten medizinischen Behandlung, die man für Geld bekam – heilte sein Handgelenk rasch. Aber in letzter Zeit war ein neues Problem hinzugekommen – Schmerzen in den Hüftbeugermuskeln. Es war keine große Sache. Etwas, das man beobachten musste. Aber er fühlte sich deswegen längst nicht so unbesiegbar wie sonst. Mit zweiunddreißig Jahren wurde er sich auf einmal bewusst, welchen Tribut das Spiel von seinem Körper forderte. Und die Kämpfe, die er für sein Team ausfocht, machten alles noch viel riskanter.
In diesen brutalen sechzig oder neunzig Sekunden konnte so viel passieren.
Und doch taten die Stunden vor einem Kampf mehr weh als ein Kinnhaken. Während sich das Spiel hinzog, wuchs die Furcht. Er hatte schon die ersten beiden Drittel auf dem Eis versucht, seine Hüfte zu schonen und sich gleichzeitig nicht anmerken zu lassen, dass er seine Hüfte schonte. Und seine entschlossene Maske nicht fallen zu lassen.
Ehrlich gesagt, es war zermürbend.
Irgendwann im Verlauf dieser Saison hatte er ein ungewöhnlich offenes Vieraugengespräch mit dem Enforcer eines anderen Teams geführt, einem Haudegen namens The Hammer. Er war der netteste Kerl der Welt – einer, der einem ein Bier spendierte, nachdem man sich gegenseitig windelweich geprügelt hatte.
Vielleicht lag es am Scotch, aber an diesem Abend hatte O’Doul ihm gestanden, wie viel geistige Energie die Faustkämpfe ihm abverlangten.
»Doulie«, sagte The Hammer und sprach O’Doul mit seinem Spitznamen an. »Versuch’s mal mit ein bisschen chemischer Aufmunterung. Jetzt kann ich es dir verraten, weil wir diese Saison nicht mehr aufeinandertreffen werden.« Er hatte ein Pillenfläschchen hervorgeholt und acht Pillen auf O’Douls Handfläche geschüttelt. »Nimm eine davon vor jedem Spiel.«
»Was ist das?«
»Aufputschmittel.« The Hammer schloss O’Douls Hand um die Pillen. »Du wirst sie lieben. Aber nur eine pro Spiel, okay? Dann wirst du auch nicht abhängig.«
O’Doul war nicht stolz darauf, aber er hatte die Tabletten in einer Flasche simpler Aspirin versteckt. Er teilte sie sich auf die nächsten drei Wochen auf und nahm eine vor jedem Spiel. Der Effekt war sogar noch besser, als The Hammer versprochen hatte. Mit der Droge fühlte er sich voller Energie und unbezwingbar.
Doch dann waren sie aufgebraucht. Also war er das Risiko eingegangen und hatte bei einem Typen in einem Club in Lower Manhattan ein Dutzend weitere gekauft. Für einige wenige Wochen verschafften sie ihm genau den Auftrieb, den er brauchte. Als sein Vorrat erneut erschöpft war, fehlte ihm die Furchtlosigkeit, die sie ihm verliehen hatten. Aber das Zeug zu kaufen war sowohl beschämend als auch ziemlich heikel. Also hatte er diesen Monat ohne auskommen müssen.
Und folglich kam es ihm heute so vor, als dauerte das Spiel achtzig Jahre. Im letzten Drittel stand es immer noch 1:1. Zum gefühlt hundertsten Mal tippte der Coach ihm auf den Rücken. Fünfzehn Sekunden später sprang Patrick auf zum Reihenwechsel. Schon wieder. Und genauso schnell wandte sich der Enforcer des gegnerischen Teams von ihm ab. Der Kerl, der ihn auf Twitter so sehr verspottet hatte, schien es nicht auf einen Kampf anzulegen. Die Fans warteten auf die Schlägerei. Die Teams auch. Aber der Kerl spannte alle auf die Folter.
Verdammt. Psychospielchen waren das Schlimmste. Sie hielten ihn von seiner eigentlichen Aufgabe ab – Schüsse zu verhindern und Tore zu schießen. Und das war natürlich der Sinn der Sache.
Nun raste O’Doul rückwärts mit höchster Geschwindigkeit vor Adam Hartley, dem jungen Linksaußen von Boston, her. Er stellte sich dem Jungen in den Weg und behinderte ihn, so gut er konnte. Der Junge würde keinen Schuss machen können, das würde er zu verhindern wissen.
In der Zwischenzeit hatte Castro den Puck zurückerobert und raste aufs Tor zu. Aber Bostons Torhüter parierte mit Glück und durchkreuzte so Brooklyns Versuch, in Führung zu gehen.
Die Reihe wurde wieder ausgewechselt, ohne dass ein Tor gefallen war, und auch sonst war nichts passiert, verdammt. Trekowski hielt sich von ihm fern, so gut das auf einer sechzig Meter langen Eisfläche möglich war. Der Bastard. Nicht alle Enforcer der Liga waren so nette Kerle wie The Hammer. Dieser hier war ein echt harter Brocken – einer von denen, die auf Twitter ihre eigene Mutter beleidigen würden, wenn sie dadurch tougher wirkten.
Mit zweiunddreißig Jahren fühlte sich Patrick zu alt für diesen Scheiß. Und er war sich nur allzu bewusst, wie arrogant es klang, wenn er behauptete, mit zweiunddreißig zu alt für irgendetwas zu sein.
Schwitzend setzte er sich wieder auf die Bank und griff nur deshalb nach seiner Wasserflasche, weil ihm das die Gelegenheit gab, zum hundertsten Mal heimlich seine Hüfte zu dehnen.
»Soll ich ihn aus der Reserve locken?«, fragte Leo Trevi, der neben ihm saß. »Keine Ahnung, was Trekowski da macht. Vielleicht postet er gerade ein Bild von dir auf Instagram.«
Als Patrick aufblickte, sah er, dass der Rookie im Team ihn hinter seinem Visier mit unmissverständlicher Sorge anschaute. Ganz toll. Wahrscheinlich sah das ganze Stadion, dass er gereizt war. Obwohl Leo – oder Collegeboy, wie er ihn nannte – ziemlich clever war. »Nee«, sagte er und kippte Wasser in sich hinein, »ich kriege ihn schon noch.«
Das Spiel zog sich hin, Patricks Hüfte schmerzte, während die Zeit verrann. Als er noch jünger gewesen war, war Schmerz einfach Schmerz gewesen. Man musste ihn einfach durchstehen, bis man sich einen schönen Whisky und ein paar Schmerztabletten genehmigen konnte. Auch jetzt hätten ihn die Schmerzen nicht sonderlich gestört, wären sie nicht ein solcher Vorbote des Untergangs gewesen. Die Bruisers mussten es in die Play-offs schaffen. Sie hatten einen neuen Coach, einige Neuzugänge und eine ordentliche Bilanz. Der Besitzer wollte es. Unbedingt.
Konkurrenz – von der guten Art – hatte ihn stets beflügelt. Also ließ er sich darauf ein und ging erneut aufs Eis. Sie brauchten heute nur noch einen weiteren Punkt, und sie konnten es schaffen. Das spürte er.
Aber zuerst ein Faustkampf.
Endlich gab ihm Trekowski eine Gelegenheit. Es geschah, als der Idiot ein wenig zu nachlässig in den Torhüter der Bruisers hineinrasselte. Es war nicht die schlimmste Unsportlichkeit, die Patrick je gesehen hatte, aber die Menge grölte, und er sprang darauf an. Anstatt beim Schiedsrichter einen Penalty zu fordern, ging er Trekowski an. »Das reicht jetzt mit diesem Scheiß, Alter. Mit dir bin ich fertig.«
Der Gegner grinste ihn zahnlos an. »Willst du es sofort?«
Habe ich eine Wahl? Das war sein letzter bewusster Gedanke. Im Kampfmodus verschwamm immer alles. Seine Handschuhe fielen fast von selbst zu Boden, als er Trekowski umrundete, ihn abschätzte und nach der ersten Angriffsmöglichkeit suchte. Die Arme seines Gegners waren so lang wie die von Bigfoot. O’Doul war nur eins vierundachtzig groß, wog hundert Kilo. Er war weder besonders groß noch besonders schwer.
Sein einziger Vorteil war seine Entschlossenheit.
Um gegen Trekowski gewinnen zu können, würde er ihn hart treffen und in seiner Nähe bleiben müssen. Also täuschte er einen Schlag an, und der andere duckte sich. Patrick schoss mit seiner gesunden Seite vor, packte seinen Gegner mit der rechten Hand am Trikot und holte mit der linken aus.
Das war das genaue Gegenteil seiner sonstigen Strategie, und die Überraschung funktionierte tatsächlich. Patrick landete zwei Treffer, bevor er selbst einen einsteckte, direkt unter dem Ohr. Es tat sauweh. Aber noch immer hatte er die Überraschung auf seiner Seite, also präsentierte er seinem Gegner weiterhin diese Gesichtshälfte, als verlangte er nach einem weiteren Schlag, dann wechselte er blitzschnell die Hand. Seine nächsten drei Schläge landeten in schneller Folge auf dem Brustkasten des Kerls. Nicht die allerempfindlichste Stelle, aber man musste mit dem arbeiten, was man hatte. Und es schützte seine überstrapazierten Muskeln vor den um sich schlagenden Gliedmaßen des Arschlochs.
Vielleicht skandierte die Menge Kämpfen! Kämpfen! Vielleicht war das aber auch nur sein pochendes Herz. Patricks Sichtfeld verengte sich, bis er nur noch Trekowskis Lippen sah – sie waren zusammengepresst, was bedeutete, dass er die Schläge spürte.
Patrick steckte einige Schläge gegen die Schulter ein, aber er nahm sie kaum wahr. Vor allem war es seine gesunde Seite. Und der Winkel war nicht allzu heftig. Aber die Zeit verrann. Er musste diesen Kampf beenden, bevor der Kerl seine Taktik ändern konnte. Es war verdammt riskant, aber Patrick versuchte es mit einer einbeinigen Haltung, um dem Typen das Knie in den Oberschenkel zu rammen und ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dann biss er die Zähne zusammen und landete einen Treffer weiter oben, mitten auf der Brust. Trekowski ging zu Boden, und Patrick konnte es gerade noch verhindern, direkt auf ihn zu stürzen. Er wand sich aus dem Griff des Gegners und richtete sich auf, gerade als der Schiedsrichter ankam, um ihn wegzuziehen. Ein Faustkampf wurde immer abgebrochen, sobald einer zu Boden ging.
Der Lärm der Menge, der zuvor vom Adrenalin gedämpft worden war, dröhnte nun in seinen Ohren. Sie riefen seinen Namen und schwenkten Schaumstoffhände. Oder beschimpften ihn, je nach Stimmung, Alkoholpegel und Teamzugehörigkeit.
In ein paar Minuten würde ein Video von dem Kampf auf einer Website online gehen, wo die Fans darüber abstimmen konnten. Für diesen würde er eine fünfundachtzig- oder neunzigprozentige Siegrate bekommen. Was für einen verrückten Job er doch hatte. Wenn der Abend gut lief, verspürte er zuerst die Erleichterung und erst später den Schmerz. Wenn ein Kampf schlecht lief, wurde er genäht und von den Fans verflucht.
Es war ein Spektakel, wie eine von diesen Kuriositätenschauen, in denen Hühnern vor einem johlenden Publikum der Kopf abgebissen wurde.
Aber es funktionierte. Die Stimmung in der Arena schlug zugunsten von Brooklyn um. Zwei Minuten später schoss sein Teamkamerad Beringer ein Tor und brachte sie in Führung. Boston gelang in den verbleibenden sechs Spielminuten kein Ausgleich, und die Bruisers fuhren mit zwei Punkten zurück ins Hotel. Also konnte niemand behaupten, dass O’Douls Beitrag keine Rolle spiele.
Und das sagte auch niemand.
In der Umkleide der Gäste duschte er so lange wie noch nie. Adrenalin war ein erstaunliches Hormon. Es hielt den Schmerz auf Abstand, bis das Spiel beendet war. Doch das Runterkommen war die Hölle. Alles tat ihm weh. Die Schmerzen strahlten von seiner Hüfte aus. Sie wanderten über die Oberschenkelmuskeln bis in die Leiste. Sie legten sich um seinen unteren Rücken, packten ihn wie ein Schraubstock.
Jeder Profisportler spielte trotz Schmerzen. Aber es war die Entwicklung, die ihm Sorgen bereitete.
Er trocknete sich gerade ab, als Henry, der Physiotherapeut, hinter seiner Bank stehen blieb. Er verschränkte die sommersprossigen Arme und musterte Patrick anerkennend.
»Was? Checkst du mich ab? Die weiblichen Fans sagen immer, ich hätte einen Knackarsch.«
Henry verdrehte die Augen. »Dein Arsch ist erste Sahne. Darum will ich ihn ja auch noch den Rest der Saison auf dem Eis sehen. Und deshalb musst du mit dem Physioteam zusammenarbeiten.«
Patrick fischte eine saubere Unterhose aus seiner Tasche. »Ich höre immer auf das Physioteam.«
»Ich habe Massagetermine für dich vereinbart, und du hast sie sausen lassen. Zwei Mal.«
»Dehnübungen sind genauso hilfreich«, behauptete Patrick und zog sich sein Hemd an. »Eine Massage ist zu zeitaufwendig.«
»Weißt du, was noch zeitaufwendiger ist? Eine Verletzung. Im letzten Drittel hast du dich bewegt wie eine alte Dame, die ihre Handtasche beschützen will. Ich vereinbare für die nächsten sieben Tage fünf Massagetermine für dich, und ich werde überprüfen, ob du sie wahrnimmst.« Ohne eine Antwort abzuwarten, marschierte Henry davon.
Fünf Termine? Grässlich.
Patrick zog sich fertig an. Auf dem Display seines Katt-Phones erschien das Foto von einem Bus, was hieß, dass draußen einer wartete. Und er würde darin sitzen. Eine ausgedehnte Nachtruhe würde Wunder wirken für seine gequälten Muskeln.
Aber als der Bus vor ihrem Hotel anhielt, ließ Leo Trevi ihn nicht nach oben verschwinden, wie er es geplant hatte. »Komm mit«, sagte er. »Ich möchte dir Adam Hartley vorstellen. Ich kann nicht glauben, dass ich ein NHL-Spiel gegen meinen alten Studienfreund gespielt habe. Surreal.«
Patrick wusste, dass er sich nach einem Whisky würde zurückziehen können, also ließ er sich zu einem Tisch in einer Ecke der Bar zerren, an dem bereits ein paar seiner Teamkameraden saßen. Wie ein alter Mann sank er auf einen Stuhl und hoffte, dass die Schmerztabletten bald wirkten.
»’n Abend, Georgia«, sagte er zu der Pressesprecherin, die zugleich Leos Verlobte war. »Danke, dass du mir die Pressekonferenz erspart hast.«
Georgia Worthington grinste ihn an. »Ach nee, Doulie. Wenn jemand anders das gesagt hätte, hätte ich gedacht, er meint das ironisch.«
»Scheiße, nein.« Alle lachten. »Wer kommt vom Eis, schweißgebadet, und denkt sich: Ich würde mich so freuen, wenn mir jetzt jemand eine Kamera vors Gesicht halten würde.«
»Niemand liebt die Kamera als solche«, widersprach Castro. »Aber man liebt es, wenn man ihrer würdig ist.«
»Alter, du würdest die Kamera zertrümmern«, sagte jemand. Castro knüllte seine Serviette zusammen und warf sie auf den Tisch.
Ihre Drinks kamen, und Patrick hatte gerade den ersten Schluck getrunken, als eine Stimme ertönte: »Hat hier jemand Kekse bestellt?« Ein lächelnder Typ mit einer riesigen Pappschachtel in der Hand kam an den Tisch. O’Doul erkannte ihn als den Rookie, dessen Schüsse er den ganzen Abend über abgeblockt hatte.
»Hartley!« Leo sprang auf und zog den Typen in eine stürmische Umarmung. »Was ist da drin?«
»Kekse, du Idiot. Wenn ich gegen einen Kumpel ein Spiel verliere, esse ich immer Kekse.« Er gab Trevi einen Klaps auf den Rücken. »Gib mir ein Bier aus, Alter.«
Trevi stellte seinem alten Studienfreund die anderen vor, angefangen bei seiner Verlobten.
»Ich glaub’s nicht«, sagte Hartley. »Trevi kommt unter die Haube. Wer hätte das gedacht?« Er lächelte Georgia strahlend an. »Darf ich dir sagen, wie erleichtert wir alle sind? Auf dem College war er mit den schrecklichsten Mädchen zusammen.«
Sie lachte, und Trevi stöhnte. »Jetzt geht das schon wieder los.«
Als Patrick an der Reihe war, ihn zu begrüßen, streckte er ihm über den Tisch die Hand entgegen, ohne aufzustehen. Wenn Hartley ihn für unhöflich hielt, wäre er nicht der Erste. »Schön, dich kennenzulernen.«
»Gleichfalls.«
Trevi setzte sich wieder, einen Arm um Georgia, den anderen um seinen Collegefreund gelegt. Hartley klappte die Box auf und reichte die Kekse herum, und dann schwelgten die Jungs in Erinnerungen. Offensichtlich hatten sie mehrere gemeinsame Jahre durchzukauen. Streiche und Blödsinn im Schlafsaal. »Und dann hast du das Teil unter Orsens Bett versteckt. Oh Gott, dieser Gestank …«
Patrick hörte nur mit halbem Ohr zu. Er hatte keine College-Erinnerungen wie die Jungs. Und beim Gedanken daran, in einem Schlafsaal schlafen zu müssen, bekam er Zustände. Es klang viel zu sehr nach den Kinderheimen in Minnesota, in denen er aufgewachsen war. Zu viele Leute. Zu laut. Kaum hatte er mit neunzehn seinen ersten Gehaltsscheck in der Minor League erhalten, hatte er sich eine Wohnung gesucht. Damals lebte er noch im Mittleren Westen, wo Wohnungen so günstig waren, dass er etwas gefunden hatte. Es war ein Zimmer über der Garage von jemandem, aber es hatte einen eigenen Eingang und gehörte ihm ganz allein. Er hatte gern seine Ruhe. Im Team hatte er den Ruf, ein fairer und gestandener Kapitän zu sein. Aber er war keiner, mit dem man auf Kuschelkurs gehen würde, das war mal klar.
Am Tisch ihm gegenüber setzte Georgia sich ein wenig aufrechter hin und winkte jemandem am anderen Ende des Raumes zu. Einen Augenblick später roch O’Doul einen Hauch von Lavendel. Er brauchte sich nicht einmal umzudrehen, um zu wissen, wer da neben ihm stand. Ari Bettini, die Yogalehrerin und Masseurin der Mannschaft, begrüßte Georgia, indem sie Patrick eine Hand auf die Schulter legte und sich hinunterbeugte, um Georgia auf die Wange zu küssen. Unwillkürlich atmete O’Doul tief Aris Duft ein. Irgendetwas hatte sie an sich, das ihn wirklich anmachte. Von den dunklen, ruhigen Augen bis zu ihrem Nasenpiercing gefiel ihm das Gesamtpaket. Ihre weichen, kohlschwarzen Locken streiften sein Ohr, als sie sich wieder aufrichtete.
Patrick nahm einen Schluck von seinem Drink und musterte die Eiswürfel darin, als wären die blöden Dinger irgendwie interessant. Ari ließ die Hand auf seiner Schulter liegen, ihre Wärme sickerte durch mehrere Lagen Stoff bis auf seine Haut. Das war das Einzige an ihr, das er nicht sonderlich mochte. Ari fasste einen ständig an. Das musste sie als Masseurin auch, oder? Trotzdem war es ihm lieber, wenn seine Freunde ihre Hände bei sich behielten. Selbst die umwerfenden.
Dann wandte sie ihm ihre Aufmerksamkeit zu und drückte seinen Schultermuskel. »Wie geht es dir?«
»Mir geht’s gut, danke. Kann ich dir was zu trinken ausgeben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Danke, aber ich sollte schlafen gehen.«
»Was?«, quietschte Georgia. »Willst du mich etwa hier mit diesem ganzen Testosteron allein lassen? Es gibt einen offenen Pinot Grigio, du kannst auch nur ein Glas trinken.«
Ari schenkte Georgia ein mildes Lächeln und zog den einzigen freien Stuhl hervor, den neben Patrick. »Ich trinke viel zu viel, seit du beschlossen hast, ein Partygirl zu werden.«
»Du kannst mir ruhig die Schuld geben, das stört mich nicht.« Georgia winkte die Kellnerin heran. »Übrigens, die Jungs hier wollen dich abfüllen, damit du morgen früh beim Yoga nicht so streng zu uns bist.«
»Ihr macht Yoga?«, fragte Hartley und verzog das Gesicht zu einem Grinsen. »Das würde ich gern sehen.«
Ari stemmte einen Ellenbogen auf den Tisch und stützte ihr hübsches Gesicht in die Hand. »Mach dich nicht lustig, bevor du es nicht selber versucht hast. Vielleicht gewinnst du dann beim nächsten Mal.«
»Das war wirklich eine Steilvorlage für dich, was?«, fragte Trevis Freund, und sein Lächeln wurde noch breiter.
»Wirklich«, antwortete Ari. »Vielen Dank.«
»Also, was ist noch anders bei den Bruisers?«, fragte Hartley. »Wie ist Nate Kattenberger so?«
Das war eine Standardfrage. Eine Menge Leute interessierten sich für den jungen Milliardär.
»Der Kerl hat wirklich Ahnung von Eishockey«, sagte Trevi. »Und wir haben alle das gleiche coole Telefon. Damit überwachen sie uns, aber es weiß wirklich alles. Und hier ist was Lustiges.« Trevi zog sein Katt-Phone aus der Tasche. »Auf dem Display erscheint ein goldener Stern, wenn wir ein Spiel gewonnen haben. Siehst du? Heute haben wir ein Sternchen bekommen. Das hatte ich das letzte Mal in der zweiten Klasse.«
Hartley lachte. »Was erscheint da, wenn ihr verliert? Ein Mittelfinger?«
»Nee.« Trevi schüttelte den Kopf. »Dann ist es da einfach leer, wo der Stern stehen müsste. Und es ist komisch, aber irgendwie hasse ich es, wenn er da nicht ist.«
»Dann funktionieren die Psychospielchen«, sagte Georgia. »Der Mann ist ein Genie.«
Als Aris Wein kam, beobachtete Patrick, wie sie den Stiel des Glases zwischen ihre eleganten Finger nahm. Alles an Ari war lang und schlank. Plötzlich wandte sie den Kopf und ertappte ihn beim Starren. Erwischt. Aber ihr Blick war eher abschätzend als ärgerlich. »Mr O’Doul, wie ist Ihr Schmerzlevel heute Abend?«
Verdammt. »Mir geht es gut. Ich habe mich wirklich gut gedehnt.« Tatsächlich mussten die Faszienrollen, die er in seinem Koffer mit sich herumschleppte, alle paar Monate ausgetauscht werden, weil er sie so oft benutzte, dass sie regelmäßig vor Überbeanspruchung in sich zusammenfielen.
Sie lächelte ihn nachsichtig an, als versuchte sie, ihn aufzuheitern. »Henry hat mich vorhin angesprochen, als er gerade gehen wollte. Er hat gesagt, ich soll dafür sorgen, dass du nächste Woche fünf Mal auf meinem Tisch landest. Aber das kann ich nicht, wenn du keine Termine machst.«
»Na gut«, sagte er. »Schick Rebecca ein paar Terminvorschläge. Sie trägt sie in meinen Kalender ein, und ich werde da sein.« Er konnte es nicht gebrauchen, dass sich das Physioteam einmischte und ihn dafür kritisierte, dass er seine Massagetermine platzen ließ. Es waren noch drei Wochen bis zu den Play-offs. Er musste durchhalten und so gut spielen, wie er konnte.
»Hast du heute irgendwas gegen die Schmerzen genommen?«, fragte Ari, die roten Lippen nachdenklich geschürzt. In ihrem Blick lag eine Weisheit, die O’Doul nicht einordnen konnte. Sie war schön, aber auf keine oberflächliche Art.
»Ich habe ein paar Ibuprofen genommen und kühle mit Eis, bevor ich schlafen gehe.« Sie musterte ihn noch immer auf ihre typisch durchdringende Art, und das gefiel ihm nicht. »Wie geht es deinem Fußgelenk?«, fragte er.
»Oh, sehr gut, fast wie neu.« Sie wich seinem Blick aus und nahm einen Schluck Wein.
»Wobei hast du es dir eigentlich gebrochen? Das habe ich nicht mitbekommen.«
Sie blickte ins Glas und verzog das Gesicht. »Durch Dummheit. Bin in meiner Wohnung auf der Treppe ausgerutscht.«
»Autsch.« Aber irgendetwas an ihrer Erklärung sorgte dafür, dass sich seine Nackenhärchen aufrichteten. Sein ganzes Leben lang hatte er Menschen lesen müssen, und er war ziemlich gut darin. »Bist du die ganze Treppe hinuntergefallen?«
»Nein. Und jetzt habe ich ein Nachtlicht im Flur angebracht, damit das nicht noch einmal passiert.« Sie räusperte sich. »Georgia, wie laufen die Hochzeitsvorbereitungen?«
»Gut, glaube ich. Frag Rebecca. Sie ist diejenige mit dem Plan. Sie will, dass ich nächste Woche die Blumendeko aussuche, aber sie wird immer sauer, wenn ich einfach auf das Erstbeste zeige, was wir sehen.«
»Blumendeko?«, fragte Leo und drückte sie. »Wie kann das eine weltbewegende Entscheidung sein?«
»Eben.« Georgia lachte. »Zerbrich dir darüber nicht den hübschen Kopf. Konzentrier du dich aufs Eishockey und bleib in deiner Komfortzone.«
»Habe ich schon mal erwähnt, wie sehr ich diese Frau liebe?« Leo grinste, als habe er im Lotto gewonnen. »Es ist ihr total egal, dass mir die Blumen egal sind. Hab ich den Jackpot geknackt, oder was?« Er hob die Hand, und Hartley schlug ein.
»Das hast du, Liebling«, sagte Georgia. »Und jetzt macht weiter mit eurer wichtigen Diskussion darüber, wie ihr euch gegenseitig euren Tiefschutz versteckt habt oder was auch immer. Becca und ich kümmern uns um alles andere.«
Ari lachte, und O’Doul mochte den Klang so sehr, dass es ihn nicht einmal störte, dass sie so einfach das Thema gewechselt hatte.
Auf der anderen Seite des Tisches fragte Trevi seinen Freund Hartley: »Wie geht es Callihan? Wann zieht sie nach Boston und heiratet dich?«
Hartley lachte leise. »Was ist denn mit dir los? Bist du jetzt etwa ein Hochzeitsprediger?«
»Ein wiedergeborener«, bestätigte Trevi.
»Ich habe in den letzten drei Jahren in drei verschiedenen Teams gespielt«, erzählte Hartley. »Ich kann es kaum erwarten, mit Callihan zusammenzuziehen, aber wir wollen warten, bis es so aussieht, als könnte ich irgendwo länger als eine Saison bleiben. Sie hat außerdem einen tollen Job in Chicago. Wenn sie da noch ein Jahr länger bleibt, hat sie es einfacher, in Boston oder wo auch immer einen Job zu finden.«
»Aha. Klingt so, als würdest du sie hinhalten.«
Sein Freund holte sein Handy aus der Tasche. »Rufen wir sie doch mal nüchtern an.«
»Was soll das sein?«, fragte Georgia.
»Wir können sie nicht besoffen anrufen, weil wir nicht besoffen sind«, erklärte Hartley. »Logisch.«
»Logisch«, wiederholte Trevi. Und während sein Freund versuchte, seine Freundin bei FaceTime zu erreichen, umarmte Trevi den Typen ganz fest und rieb ihm mit den Knöcheln über den Kopf. »Ich hab dich so vermisst.«
Hätte das jemand mit O’Doul gemacht, hätte er ihn vermutlich quer durch den Raum geschleudert.
»Hallo?«, erklang eine Stimme aus den kleinen Lautsprechern des Telefons. »Oh mein Gott, wen haben wir denn da? Trevi, ich will deine Freundin kennenlernen.«
Die drei steckten lächelnd vor dem Telefon die Köpfe zusammen wie ein Haufen Welpen. O’Doul nahm einen Schluck Scotch und kam sich vor wie der Grinch. Seine Hüfte pochte, und er stellte das fast leere Glas auf den Tisch. »Ich glaube, es ist Zeit, schlafen zu gehen«, sagte er zu Ari.
»Pass auf dich auf«, sagte sie, und ihre dunklen Augen funkelten. »Gut gespielt heute Abend.«
Er spürte das Kompliment warm in seiner Brust. Vielleicht war es aber auch der Whisky. »Danke«, flüsterte er. »Schlaf gut.«
Sie lächelte ihn sanft an, und er nahm die Erinnerung daran mit nach oben.
Donnerstag, 10. März
Tabellenstand: 3. Platz in der Metropolitan Division
Noch 17 Spiele in der Hauptrunde
Es vergingen vier weitere Tage, bis O’Doul in Aris Terminkalender auftauchte.
Zuerst hatte er zugestimmt, während des Aufwärmtrainings vor dem Spiel in Toronto zu ihr zu kommen. Aber dann war »etwas dazwischengekommen«, und er hatte den Termin verschoben. Schon wieder.
Jetzt war die Mannschaft zurück in Brooklyn. Ari wartete in ihrem Behandlungszimmer im Trainingszentrum auf ihn. Sie hockte auf der Ablage und fragte sich, ob er wohl kommen würde. Er war schon fünf Minuten zu spät.
Das konnte man schon fast persönlich nehmen. Sie arbeitete seit knapp zwei Jahren hier, und der Kapitän hatte noch nie auf ihrem Behandlungstisch gelegen.
Bis jetzt hatte sie diese Abwesenheit seiner außergewöhnlich guten Gesundheit und Beweglichkeit zugeschrieben. Die Handgelenksverletzung, die er im Laufe der Saison erlitten hatte, brachte einen Spieler auch nicht unbedingt auf die Massageliege. Aber jetzt, da er so offensichtlich ihre Hilfe benötigte, war es seltsam, dass er diese nicht in Anspruch nahm. Viele der anderen Spieler würden zweimal am Tag zur Massage kommen, wenn es ihr Terminkalender erlaubte.
Nicht O’Doul.
Sie hatte ihn einmal in einem ungezwungenen Gespräch gefragt, ob er sich von jemand anderem massieren ließ. Einige Spieler mochten Massagen so sehr, dass sie privat einen Masseur buchten, der jeden Morgen vorbeikam. Als einer der Dienstältesten im Team hätte sich O’Doul tausend Masseure leisten können, wenn er gewollt hätte.
Aber als sie ihn gefragt hatte, hatte er nur den Kopf geschüttelt.
Ari hatte jedoch eine Theorie. Es wirkte, als ließe O’Doul sich nicht gern anfassen. Ganz und gar nicht. Im Yogaunterricht korrigierte sie ihn nicht mit den Händen, weil ihr schon früh aufgefallen war, dass seine Haltung dann schlechter anstatt besser wurde. Zunächst war sie davon ausgegangen, dass es ihm peinlich war, von einer Frau korrigiert zu werden.
Aber sein Widerwille, sich massieren zu lassen, hatte ihre Ansicht verändert. Vielleicht mochte O’Doul einfach nicht angefasst werden – ganz allgemein. Diese Theorie hatte sie neulich in der Bar getestet, indem sie ihm im Vorbeigehen eine Hand auf die breite Schulter gelegt hatte. Tatsächlich war er ein wenig zusammengezuckt.
Seltsam.
Das Therapeutenteam machte sich Sorgen wegen einer Zerrung seines Hüftbeugers, deshalb hatten sie sie um Hilfe gebeten. Und jetzt saß sie hier und schaute abwechselnd zur Tür und auf die Uhr. Wenn O’Doul diesmal wieder nicht erschien, würde sie Henry, dem Cheftherapeuten, sagen müssen, dass sie vielleicht nicht die richtige Masseurin für O’Doul war. Wenn er empfindlich auf Berührungen reagierte, käme er eventuell besser mit jemandem zurecht, den er sich selbst aussuchte.
Doch diese Möglichkeit beunruhigte sie. Es wäre wahrscheinlich kein Weltuntergang, wenn ein Spieler die Masseurin des Teams ablehnte. Aber sie wollte diesen Job unbedingt behalten und für das Team ihr Bestes geben. Sie wollte ihr Bestes geben. Punkt.
Jede Eishockeymannschaft hatte einen Masseur, aber in der Regel wurde der Posten mit einem Mann besetzt. Ari war stolz auf ihre Position bei den Bruisers. Und seit der Trennung von ihrem Freund, mit dem sie acht Jahre lang zusammen gewesen war, war der Job die einzige Konstante in ihrem Leben.
Glücklicherweise wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als die Tür des Behandlungsraums aufflog und O’Doul hereinkam. Ihr fiel sofort auf, wie absurd gut aussehend er war. Ein derart markantes Kinn und diese ozeanblauen Augen gehörten verboten. Als Masseurin sah Ari die Schönheit in jedem Körper. Einige Körper waren allerdings schöner als andere.
Doch beim Anblick seines Gesichtsausdrucks schwand ihr Selbstbewusstsein. O’Doul war der einzige Spieler, der in ihr Behandlungszimmer kam und aussah, als hätte er einen Termin beim Kieferchirurgen.
»Hallo«, sagte sie und hüpfte von der Ablage, während er sich den Mantel auszog.
Er drehte sich um und sah sie an wie jemand, der vor dem Exekutionskommando steht.
»Ich gehe kurz hinaus, während du dich umziehst«, sagte Ari und legte ein gefaltetes Laken auf die Liege. »Du kannst die Unterwäsche anlassen, wenn dir das angenehmer ist. Wenn du so weit bist, leg dich auf die Liege und deck dich mit dem zweiten Laken zu.«
»Alles klar«, sagte er und zog sich den Bruisers-Sweater über den Kopf.
Ari verließ für einen Moment das Zimmer. Sie band sich die Haare hoch und holte eine Flasche Massageöl aus dem Wärmer. Dann schloss sie kurz die Augen und stellte sich vor, wie sie sich die Stunde wünschte.
Die Spieler lachten oft, wenn sie mit ihnen Visualisierungsübungen durchführte, aber Ari kannte die Kraft dieser Übungen. Es war schwierig, etwas zu erreichen, wenn man sich nicht vorstellen konnte, dass es funktionierte. Mit dem Rücken zur Tür rief sie sich zuerst seinen Namen in Erinnerung. Patrick. Wenn sie die Bedürfnisse ihrer Patienten visualisierte, nutzte sie immer deren Vornamen, weil sie das persönlicher fand. Jemanden mit den Händen zu berühren, war etwas Persönliches, ob man wollte oder nicht.
Heute heile ich Patrick.
Vor ihrem inneren Auge entspannte er sich auf der Liege. Mit kräftigen, aber sanften Bewegungen würde sie seine Schmerzpunkte gründlich untersuchen. Sie stellte sich die Muskeln seines Hüftbeugers vor, wie der eine den anderen überlagerte, die Nerven, die sich in eine Richtung bis in seine Leiste erstreckten und auf der anderen bis hinüber zu seiner Lendenwirbelsäule. Sie visualisierte, wie ihre Hände ihm Linderung verschafften, die Zerrung lösten und den Hüftbeuger bis in die Tiefe entspannten. Sie würde die Verspannungen lösen, die wegen der Schonhaltung aufgrund seiner Verletzung möglicherweise in seinen unteren Rücken gewandert waren. Am Ende der Stunde würde er beweglicher sein und weniger Schmerzen haben. Er würde sich bei jeder Bewegung sicherer fühlen.
Ari öffnete die Augen. Sie konnte Patrick helfen, wenn er es zuließ. Sie klopfte zweimal an die Tür.
»Herein«, kam die mürrische Antwort.
Sie trat ein, dann hielt sie kurz bei der Anlage auf der Arbeitsfläche an. Sie startete eine Playlist und wusch sich danach die Hände. »Daughter« erklang aus den kleinen Lautsprechern.
»Pearl Jam?«, fragte er.
»Magst du die nicht?«, fragte sie. Sie hätte ihn für einen Grunge-Rock-Fan gehalten. Er war zweiunddreißig und so machomäßig, wie man nur sein konnte.
»Nein, mag ich total«, sagte er lachend. »Ich habe mal eine Massage in einem Hotel gebucht, und dort haben sie Harfenmusik gespielt. Mir haben die Ohren geblutet.«
»Okay, keine Harfen. Ist notiert.« Ari näherte sich der Liege und musterte ihren Patienten. Eine Masseurin sah jeden Tag ziemlich viele Körper. Aber dieser hier war ein ziemlich beeindruckendes Exemplar. Alle Sportler waren muskulös, aber O’Doul war wie gemeißelt. Selbst auf dem Rücken liegend wirkte er wie eine gespannte Feder, bereit für plötzliche körperliche Anstrengung. Er hatte sich das Laken locker über die Hüften geworfen, aber sonst waren von den durchtrainierten Schultern bis zu den kräftigen Waden überall definierte Muskeln zu sehen.
Er legte die Hände hinter den Kopf und starrte an die Decke. »Wie lange wird das dauern?«
Ari lachte unwillkürlich. »In der Regel sechzig Minuten. Und ich habe bisher noch niemanden umgebracht, Ehrenwort.«
»Okay. Tut mir leid.« Er presste die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen.
Na gut. Ari rieb die Handflächen aneinander, um sie aufzuwärmen. Obwohl sie jeden Tag sechs Patienten massierte, war sie ungewöhnlich befangen. »Ich werde mich langsam zur Zerrung im Hüftbeuger vorarbeiten, in Ordnung? Zunächst möchte ich die umgebenden Muskeln lockern, damit sie den Schmerz nicht noch verschlimmern. Sag mir, wenn irgendetwas zu sehr wehtut oder der Druck unangenehm ist.« Sie schob das Laken zur Seite und entblößte seinen Oberschenkel. Sie tätschelte sein Knie, um ihn auf ihre Berührung vorzubereiten, dann legte sie die linke Hand auf seinen vorderen Oberschenkelmuskel und massierte mit der rechten langsam den Muskel direkt über seiner Kniescheibe.
Behutsam arbeitete sie sich bis zu seiner Hüfte nach oben. So weit, so gut. »Ist es so angenehm? Wie ist der Druck?«
»Okay«, sagte er gepresst.
Hmm. Nicht unbedingt ein begeisterter Kommentar. Sie arbeitete weiter, und endlich schloss er die Augen und seufzte, was immer ein gutes Zeichen war. Hätte sie nicht fürchten müssen, sich lächerlich zu machen, hätte sie einen kleinen Siegestanz vollführt.
Sie nahm sich Zeit und lockerte alle Muskeln, die seine Problemstelle umgaben. Ihr alter abgenutzter iPod spielte einen Song der Red Hot Chili Peppers und wechselte dann wieder zu Pearl Jam.
Alles war gut, bis Ari die Hände näher an die Innenseite von Patricks Hüfte bewegte. Einer nach dem anderen spannten sich seine Muskeln an, bis sein gesamter Körper so hart war wie Beton.
»Patrick«, sagte sie ruhig, und er riss die Augen auf. »Hast du Schmerzen? Massage muss nicht wehtun, damit sie wirkt.«
»Keine Schmerzen«, sagte er schnell.
Lügner. »Du kämpfst aber gegen mich an. Woran liegt das?«
»Äh.« Er stützte sich auf einen Ellenbogen, und seine Brustmuskulatur spannte sich an. »Das ist die … Problemzone, okay? Warum sollte ich wollen, dass jemand sie anfasst?« Sein Gesichtsausdruck war auf einmal vorsichtig.
»Ja, also …« Ari dachte über seine Worte nach und versuchte den Grund für seinen Widerwillen zu erkennen. »Weil ich dir helfen kann? Ich werde dir nicht wehtun, versprochen. Eine vorsichtige Massage kann Entzündungen verringern und auch die umgebenden Muskeln entspannen. Kann es sein, dass du mal schlechte Erfahrungen mit einer Massage gemacht hast?«
Er schüttelte den Kopf, als ergäbe ihre Vermutung keinen Sinn. »Nö. Ich mag es bloß nicht, äh, Schwachstellen zu haben.«
»Aber jeder hat welche, oder?«
»Denk schon. Aber ich drücke nicht auf deinen herum.«
Sie legte ihm die Hand auf das breite Handgelenk, wie sie es bei jedem anderen auch gemacht hätte. Aber seine Augen wanderten sofort zu dieser Stelle, und sie fragte sich, ob sie schon wieder einen Fehler gemacht hatte. Hatte sie jemals so einen rätselhaften Patienten gehabt?
»Hey«, probierte sie es anders. »Vor ein paar Minuten hast du mir erzählt, dass du mal eine Massage in einem Hotel ausprobiert hast. Was ist da passiert?«
»Hat nicht funktioniert.« Er grinste schwach. »Es liegt nicht an dir, ehrlich.«
»Warum hat es nicht funktioniert? Abgesehen von den Harfen. Warum hast du eine Massage gebucht?«
Er gab sich Mühe, unbeteiligt mit den Schultern zu zucken. »Im Jet habe ich komisch geschlafen, und der Nacken tat mir weh. Keine große Sache. Also habe ich eine Massage im Spa gebucht. Bin nach zehn Minuten abgehauen. Ich kann es wohl nicht leiden, wenn man mir zu nahe kommt.«
»Du magst es nicht, berührt zu werden.«
Er musterte seine Hände. »Nein, ich kann mir Besseres vorstellen.«
Die Haare in Aris Nacken richteten sich auf, und sie musste sich zurückhalten, um nicht nach dem Warum zu fragen. Es war eher ungewöhnlich, dass sich jemand nicht gern anfassen ließ. »Jeder Mensch ist anders«, sagte sie sanft. »Aber wir müssen trotzdem an deinem Hüftbeuger arbeiten. Ich habe eine Idee, die dir helfen könnte.«
»Gut.« Er grinste verlegen. »Ich habe nämlich grad keine.«
Sie tätschelte noch einmal sein Handgelenk – absichtlich. Fall sie miteinander arbeiteten, würde er sich zumindest ein wenig mehr daran gewöhnen müssen, berührt zu werden. »Versuchen wir mal eine etwas aktivere Technik. Sie gleicht eher einer Dehnübung und weniger einer Massage. Kannst du dich auf deine gesunde Seite drehen und das Knie anziehen?«
Er tat wie geheißen und wandte ihr seinen breiten Rücken zu. Sie korrigierte das untere Bein, damit es möglichst ausgestreckt lag, und umfasste dann seinen rechten Fußknöchel. »Kannst du das Knie bitte noch etwas mehr beugen?« Er kam ihrer Bitte nach. »In Ordnung. Ich werde mich jetzt gegen deine Hüfte lehnen. So.« Sie hielt den Muskel innen so weit wie sie gekommen war, bevor er sich gegen ihre Berührung gewehrt hatte. »Und du drückst jetzt selbst auf den Schmerzpunkt. Zeig mal.«
Er bohrte die Fingerspitze zwischen Hüfte und Leiste ins Fleisch.
»Und jetzt, ohne den Rücken anzuspannen.« Sie tippte auf die Muskeln seines unteren Rückens. »Die bitte nicht aktivieren. Nutze stattdessen die Muskeln in Hüfte und Bein. Drücken und das Bein ausstrecken. Und los.«
Mit einem trägen Brummen folgte er ihrer Anweisung.
»Gut! Wie fühlt sich das an?« Sie knetete den erreichbaren Muskel an seiner Hüfte, wärmte ihn auf und lockerte ihn so gut sie konnte.
»Nicht übel.«
»Du würdest mich auch nicht anlügen, Captain, oder?«
Er lachte zum ersten Mal. »Nein, Ma’am.«
»Pfff. Das klingt, als wäre ich eine alte Frau. Allein dafür wirst du es noch vier Mal machen.« Sie schnappte sich seinen Knöchel. »Beugen.«
»Jawohl, Ma’am.«
»Und dafür noch sechs Mal.«
»Jawohl, Meisterin.« Sie beobachtete, wie die angespannten Muskeln auf seinem Rücken vor Lachen bebten.
Ari legte die Hände wieder auf seinen Rücken, mit der Handfläche der einen wärmte sie die straffe Haut des unteren Rückens, mit den Fingern der anderen hielt sie seine kräftige Hüfte durch den dünnen Stoff seiner marineblauen Retropants fest. »Bereit, Kumpel?«
»Bereit«, knurrte er.
»Dann los.« Zusammen bearbeiteten sie seine Schwachstelle, während er sein Bein ausstreckte. Und sein Seufzen war ein gutes Zeichen. »Okay?«
»Ja. Es fühlt sich etwas beweglicher an als vor einer halben Stunde.«
Aris kleiner Sieg war wie ein warmes Prickeln in ihrer Brust. Lächelnd ließ sie ihn die Übung noch ein paarmal wiederholen. »Jetzt dreh dich auf den Bauch«, verlangte sie. »Ich möchte, dass du eine Viertelstunde lang so tust, als würdest du Massage mögen. Nur um mein Ego zu streicheln, okay?«
Glucksend drehte er sich um. Sie verteilte ein wenig Öl in ihren Händen und massierte seine Waden, dann arbeitete sie sich langsam bis zu seinem hinteren Oberschenkelmuskel vor. Sie spürte, wie sich sein Körper nach und nach unter ihrer Berührung entspannte. »Wie mache ich das?«, fragte sie. »Du darfst ruhig lügen.«
»Hach. Das ist die beste Massage, die ich dieses Jahr hatte.«
Sie schnaubte nicht sehr damenhaft. »Das ist die einzige, richtig?«
»Ja, aber trotzdem.« Er schmiegte sein attraktives Gesicht in seine Armbeuge und seufzte erneut.
Sie ließ seine Hüften aus und machte mit den Muskeln zwischen seinem unteren Rücken und seinem ziemlich hübschen Hintern weiter. »Tut es hier sehr weh? Bei einer Zerrung des Hüftbeugers besteht die Gefahr, eine Schonhaltung einzunehmen und den unteren Rücken zu sehr zu belasten.«
»Am Ende eines Spiels spüre ich es dort, klar.«
Die ehrliche Antwort überraschte sie. Sie gab ihm einen Klaps auf den Rücken. »Okay. Bei deinem nächsten Besuch widmen wir uns wieder diesen Problemstellen. Jedes Mal, wenn du auf dem Eis Gas gibst, verlangst du diesen Muskeln einiges ab. Wenn wir dich weiter lockern, wird das helfen. Ich massiere jetzt noch ein wenig deine Hüfte, aber nur von hinten. Und ich werde dir nicht wehtun. Und du liegst auf dem Schmerzpunkt, oder? Ich komme also gar nicht dran.« Sie hoffte, dass seine schützende Haltung auf der Liege ihn davon abhalten würde, sich wieder zu verspannen.
»Alles klar. Tu, was du tun musst.«
Das waren harte Worte von einem harten Kerl, aber jetzt wusste sie es besser. Patrick O’Doul hatte ein ernsthaftes Problem damit, sich anfassen zu lassen. Sein Widerwille hatte möglicherweise damit zu tun, dass er sich nicht verletzlich zeigen wollte.
Damit konnte sie jedoch umgehen. Sie musste.
Eddie Vedder sang »Black«, und Ari summte mit, rollte das Gummi seiner Pants etwas herunter, damit sie besser an seine Haut herankam. Sie ölte sich noch einmal die Hände ein und beugte sich über ihn, schloss die Augen und legte all ihre Kraft in die bevorstehende Aufgabe. Muskeln und Knochen trafen auf Muskeln und Knochen. Haut berührte Haut. Sie ließ das Öl seine Arbeit machen, das die Reibung reduzierte und ihre Hände besser in Kontakt mit dem Körper brachte, den sie so unbedingt heilen wollte.
Und da spürte sie – endlich – diese wunderbare Verbindung, den Augenblick, in dem der Patient sich der Behandlung öffnet. Er schien unter ihren Händen locker zu werden, die Muskeln entspannten sich im Rhythmus der Massage. Hätte es seinen neu gefundenen Frieden nicht gestört, hätte sie ein Triumphgeheul ausgestoßen.
Sie beendete die Massage an seinen kräftigen Schultern, die jetzt ganz geschmeidig waren. Seine Augenlider waren schwer. Sein Atem ging gleichmäßig. Und sie war sicher, dass sein Herz langsam und regelmäßig schlug.
Es kam ihr fast gemein vor, als sie ihm sanft den Nacken tätschelte und sagte, dass die Zeit um war.
Er machte große Augen. »Okay«, sagte er ein wenig schläfrig. »Danke.«
»Hier«, sagte sie und legte ein Handtuch auf die Liege. »Du willst ja bestimmt kein Massageöl an deiner Kleidung.«
Sie drehte sich um und wusch sich die Hände am kleinen Waschbecken in der Ecke, um ihm etwas Privatsphäre zu geben, während er sich von der Liege schälte und seine Sachen zusammensuchte. »Bis morgen in Detroit«, sagte sie über die Schulter hinweg. »Ich schicke dir den Ort. Wir werden wohl im Hotel sein.«
»Alles klar. Ich bin pünktlich«, murmelte er. »Danke.«
»Alles Gute!« Als er die Tür öffnete, um zu gehen, sah sie ihn verstohlen an. Sein Gesichtsausdruck versetzte ihrem Herzen einen Stich. Er war ein wenig benommen, als könne er kaum glauben, wie er die letzte Stunde verbracht hatte. Sie schenkte ihm ein Lächeln, und auch seine Mundwinkel zuckten.
Dann war er verschwunden, wahrscheinlich in Richtung Dusche. Das heiße Wasser würde ihm guttun und ihn noch weiter lockern. Aber es würde ihm auch ein wenig Zeit verschaffen, sich zu sammeln. Offensichtlich war es nicht einfach für O’Doul gewesen, sich von jemandem berühren zu lassen. Aber er hatte es zugelassen. Seine Mauer war eingerissen worden, nun würde er sie für das Spiel heute Abend wieder aufbauen müssen. In ein paar Stunden erwartete man von ihm, dass er das Team aus Washington D. C. plattmachte und vielleicht auch ein paar Treffer einsteckte, um die Fans zu unterhalten.
Obwohl Ari einige Aspekte am Eishockey barbarisch fand, hatte sie enormen Respekt vor den Risiken, die diese Männer sowohl ihren Körpern als auch ihrer Psyche zumuteten. Während sie sich den Mantel anzog, überlegte sie, was sie vor dem Spiel zu Abend essen sollte. Zwei Dutzend Männer würden dagegen in den nächsten sieben Stunden an nichts anderes denken als den Sieg. Kameras würden jede ihrer Bewegungen auf dem Eis einfangen, Journalisten würden nach dem Spiel darüber debattieren, wie die Chancen standen, zum ersten Mal die Play-offs zu erreichen, seit Nate Kattenberger das Team gekauft hatte.
Ari ging nach Hause und steuerte auf das kleine Viertel Vinegar Hill in Brooklyn zu, wo die Straßen gepflastert waren und die Häuser selten mehr als drei Stockwerke hatten. Die Häuser waren kleiner und älter als in den meisten anderen Stadtteilen Brooklyns. Das Stadthaus, in dem Ari wohnte, stammte noch aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg. Jemand hatte ihm in den Sechzigern eine ziemlich nüchterne Backsteinfassade verpasst, die ihm etwas von seinem Charme nahm. Aber die blau gestrichene Holztür leuchtete Ari bereits entgegen, als sie noch einen Block entfernt war.
Sie hatte verdammtes Glück, hier zu wohnen. Das Gebäude war locker ein paar Millionen Dollar wert, obwohl das Con-Edison-Umspannwerk dem gesamten Viertel den Blick auf den Fluss versperrte. Das Haus gehörte Aris Großonkel. Er und der Rest ihrer italienischen Familie hatten sich vor zehn Jahren nach Florida davongemacht. Dafür, dass sie sich um das Haus kümmerte, zahlte sie nur eine sehr niedrige monatliche Miete.
Als sie näher kam, sah sie jedoch etwas, was sie langsamer werden ließ. Das Heck des dunkelroten Vans ihres Ex-Freunds war hinter der Ecke gerade noch sichtbar. Der Anblick verursachte ihr unwillkürlich Magenschmerzen, aber seine Anwesenheit bedeutete nicht unbedingt schlechte Nachrichten.
Vor drei Tagen hatte sie ihm ein Ultimatum gestellt – per E-Mail hatte sie ihm mitgeteilt, er solle innerhalb von zwei Tagen seine restlichen Sachen aus dem Keller holen. Er hatte noch nicht einmal geantwortet. Heute Morgen hatte sie sich noch gefragt, was sie deshalb unternehmen sollte.
Falls Vince endlich seinen Scheiß aus dem Keller holte, war das ein Fortschritt.
Ari kramte ihre Schlüssel hervor, die noch glänzten, weil sie so neu waren, und legte den restlichen Weg schnell zurück. Sie joggte die vier Stufen zu ihrer Haustür hinauf und schloss das neue Sicherheitsschloss auf. Dann schloss und verriegelte sie die Tür. Und lauschte.
Aus dem hinteren Teil des Hauses vernahm sie gedämpfte Stimmen. Sie stellte ihre Tasche am Fuß der Treppe ab und ging auf Zehenspitzen durch das Esszimmer bis in die Küche. Sie hielt nur kurz an und zog ihre Stiefel aus, um ihre Schritte auf den Holzdielen zu dämpfen. Neben dem alten Kühlschrank blieb sie stehen und blickte vorsichtig aus dem rückwärtigen Fenster.
Nichts.
Ihr Herz raste völlig grundlos. Vince war draußen, und sie war drinnen, sicher hinter den neuen Schlössern. Seine Anwesenheit verunsicherte sie trotzdem. Vince Giardi war die Verkörperung ihres schlimmsten, peinlichsten Fehlers. Ihre Großmutter, die sie mit erzogen hatte – Gott hab sie selig – hatte ihn von Anfang an richtig eingeschätzt. Danke, Nonna. Tut mir leid, dass ich für diese Erkenntnis acht Jahre gebraucht habe.
Ari lehnte sich an den Kühlschrank, spürte seine Vibrationen im Rücken, zählte beim Einatmen bis sechs und dehnte ihr Zwerchfell. Sie würde sich heute nicht von Vince ärgern lassen. Dafür gab es sowieso keinen Grund.
Sie hörte den charakteristischen Klang der äußeren Kellertür, die zugeschlagen wurde, und stellte sich auf die Zehenspitzen, um noch einmal aus dem Fenster zu spähen. Eine Mütze erschien. Aber als der Mann in ihr Blickfeld kam, war klar, dass er nicht Vince war. Das war offensichtlich, obwohl er ihr den Rücken zuwandte. Er war dünn und trug schmutzige Jeans. So würde Vince nie herumlaufen. Und, verdammt, der Mann hatte nichts in der Hand. Wenn schon Fremde in ihrem Keller ein und aus gingen, sollten sie besser Umzugskartons mit Vinces Kleidung und Videospielen herausschleppen.
Verdammte Scheiße. Und jetzt?
Seit dem schrecklichen Wochenende, an dem ihre Beziehung nach einem fürchterlichen Streit in die Brüche gegangen war, war über ein Monat vergangen. Ihr Flug von Ottawa hatte Verspätung gehabt, und als sie nach Hause gekommen war, hatte Vince betrunken und sauer auf sie gewartet. Er hatte sie gefragt, wo sie gewesen sei. Warum sie nicht angerufen habe.
Das war leider nichts Neues. Nachdem sie bei den Bruisers angefangen hatte, war alles den Bach runtergegangen. Aber an dem schrecklichen Abend hatte er sich nicht die Mühe gemacht, seine Eifersucht hinter einem angespannten Lachen zu verbergen. Er hatte sie geradeheraus beschuldigt, mit Eishockeyspielern zu schlafen.
Als sie mit zitternden Händen ihr Katt-Phone hervorgekramt und ihm die offizielle Ankunftszeit des Charterflugs gezeigt hatte, war ihr klar geworden, dass er zu weit gegangen war. Dass sie nicht länger unter einer Wolke unberechtigter Verdächtigungen leben konnte. Das war das Ende gewesen. Auch wenn Vince es noch nicht gewusst hatte. Aber anstatt ruhig zu bleiben – wie ein kluges Mädchen es getan hätte –, hatte sie die Stimme erhoben. Es mochte an ihren italienischen Wurzeln liegen, aber ihr war der Kragen geplatzt. »Ich sollte es dir nicht beweisen müssen, Vince«, hatte sie gebrüllt. »Wenn du glaubst, dass ich dich betrüge, solltest du mich verlassen! Geh durch diese verdammte Tür, oder hör mit diesem Mist auf!«
Das tat er auch – er packte sie an den Handgelenken und schubste sie zur Treppe. In ihren Wollsocken war sie ausgerutscht. Als die Treppe in Sichtweite kam, war lähmende Angst in ihrer Kehle aufgestiegen. Sie hatte versucht, nach dem geschnitzten antiken Geländer zu greifen, war mit dem Kopf gegen die Wand geknallt.
Ihr Fuß stoppte jedoch ihren Fall – er blieb zwischen zwei Geländerpfosten stecken. Zuerst war es so eine Erleichterung gewesen, nicht mehr zu fallen, dass sie den Schmerz gar nicht gespürt hatte. Zitternd vor Wut und völlig außer sich, hatte sie dann versucht, ihn zu unterdrücken. Aber wenn man einen Fuß nicht belasten kann, ist das ziemlich schwierig.