The Chill - Sie warten auf dich - Scott Carson - E-Book
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The Chill - Sie warten auf dich E-Book

Scott Carson

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Beschreibung

Mitten in den Wäldern des Bundesstaates New York liegt ein überflutetes Dorf unter den tiefen, stillen Wassern des Stausees, der die Metropole New York mit Trinkwasser versorgt. Seine Bewohner wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus ihrer Heimat vertrieben, die sie seit der Ankunft der ersten Siedler bewohnt haben. Doch sie zogen nicht weit weg, und manche von ihnen haben ihre Häuser nie verlassen. Jetzt, ein Jahrhundert später, kommt die Wahrheit über das, was damals wirklich passiert ist, langsam an die Oberfläche – und mit ihr ein uraltes, schreckliches Geheimnis …

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Das Buch

Mitten in den Catskills liegt das Dorf Galesburg tief unter den stillen Wassern des Chilewaukee-Stausees, der die Millionenmetropole New York mit Trinkwasser versorgt. Seine Bewohner wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus ihren Häusern vertrieben und zwangsumgesiedelt. Ihre Nachfahren leben noch heute an den Ufern des »Chill«, doch die meisten von ihnen haben ihre Geschichte vergessen. Spencer Ellsworth zum Beispiel, der Sheriff, denkt ebenso ungern an die unrühmliche Rolle, die sein Großvater bei der Evakuierung gespielt hat, wie Gillian Mathers, deren Vorfahren sich mit aller Gewalt gegen die Umsiedlung gewehrt haben. Doch die Vergangenheit ruht nicht in Galesburg, und als nach wochenlangen Regenfällen der Wasserspiegel im Chill immer höher steigt, kommt die Wahrheit über das, was damals wirklich passiert ist, langsam an die Oberfläche – und mit ihr ein uraltes, schreckliches Geheimnis …

Der Autor

Scott Carson ist das Pseudonym eines New-York-Times-Bestsellerautors und Drehbuchschreibers. Er lebt in New England am Ufer eines Stausees.

SCOTT CARSON

THE

SIE WARTEN AUF DICH

Roman

Aus dem Amerikanischen von Marcel Häußler

WILHELMHEYNEVERLAGMÜNCHEN

Titel der OriginalausgabeTHE CHILLDer Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Deutsche Erstausgabe 07/2021

Redaktion: Sven-Eric Wehmeyer

Copyright © 2020 by Scott Carson

Copyright © 2021 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: DAS ILLUSTRAT, München, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com (Paper Street Design, sakdam)

Satz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-26547-2V001www.heyne.de

In Erinnerung an Thad Beaumont und George Stark

»Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie die Geschichten für mich schreiben und mich bitten, ihren Sorgen und Träumen Ausdruck zu verleihen.«

Kenneth Millar

Presque vu:

»Die Erscheinungen und Ereignisse im Gesichtsfeld weisen in eine bestimmte Richtung; sie deuten auf ein Ende, das noch nicht ganz erreicht ist, oder es mangelt ihnen an angemessener Vollendung …«

Heinrich Klüver

»Nahezu apokalyptisch fügte er hinzu, der Damm stelle eine fortwährende Gefahr für die Orte flussabwärts dar.«

Bob Steuding, The Last of the Handmade Dams:The Story of the Ashokan Reservoir

Erster Teil

27. Oktober 2020 Flussabwärts

2

Deshawn Ryan kam aus einem Loch im Boden und ging durch den Regen dreizehn Häuserblocks weiter, um das nächste zu erreichen.

Die Stadt mit ihren acht Millionen Einwohnern war eine chaotische, aber zugleich beruhigende Serenade aus Motoren und Abgasen, Stimmen und Rufen, Hupen und Maschinen. Dreizehn Querstraßen genoss er die Geräusche der Stadt, dann verschwand er wieder aus ihr.

Das war sein Tagesrhythmus. Zur U-Bahn hinabsteigen, durch die Tunnel unter der Stadt bis zu seiner Haltestelle fahren, wieder ans Tageslicht kommen, dreizehn Blocks gehen und in andere Tunnel abtauchen.

Normalerweise machte ihm der Fußweg Spaß. Heute hetzte er mit gesenktem Kopf durch den kalten Regen, der aus einem verwaschenen Himmel fiel, wie er schon seit mindestens einer Woche über der Stadt hing. Trostlos. Der Regen kam und ging, aber meistens bekam Deshawn nicht viel davon mit: Er befand sich hundertachtzig Meter unter der Erde. Ein Hurrikan könnte vorbeiziehen, ohne dass er es merkte. Die Zwillingstürme waren eingestürzt, und er hatte es nicht mitbekommen, bis er mit dem Rest der Sandhog-Crew hektisch nach oben geschickt und in das Chaos und Entsetzen dieses Tages entlassen worden war.

Das Leben konnte dort unten in den Tunneln an einem vorbeiziehen, so viel war sicher. Die Tunnel hielten den Betrieb oben aufrecht, aber die Menschen gaben sich nicht lange damit ab, über das nachzudenken, was unter ihnen passierte. Solange alles funktionierte. Wenn die Lichter ausgingen oder das Wasser nicht mehr floss oder das Gas ausblieb, dann erinnerten sie sich, was dort unten vor sich ging.

Nach dreizehn Blocks auf überfüllten Bürgersteigen, zwischen Leuten, die sich mit gesenkten Köpfen oder aufgespannten Schirmen vorbeidrängten oder am Rinnstein standen und die Hand hoben, während Taxireifen sie mit Wasser bespritzten, bog er rechts ab und ging einen halben Block weiter zu einem Ort, der sich nicht von hundert anderen Baustellen in der Stadt unterschied. Hohe Aluminiumzäune, Vorsicht- und Zutritt-verboten-Schilder, orangefarbene Pylonen und reflektierendes Absperrband.

Und Kameras. Manche leicht zu sehen, andere versteckt.

Ein Wachmann ließ ihn durch das Tor. Dahinter standen Erdbaumaschinen, Türme von Paletten, aufgestapelte Armierungseisen und Holzspulen, die Desmond überragten, mit Kabeln, dicker als sein Unterarm. Direkt hinter dem Tor wurde so viel Schrott gelagert, dass man die nordwestliche Ecke des Geländes kaum sah, bis man fast vor dem Loch stand.

Das Loch hatte einen Durchmesser von sechseinhalb Metern und wirkte harmlos und gefährlich zugleich, wie ein überdimensionierter Kanalschacht ohne Deckel. So sah es zumindest aus, bis man in den Förderkorb stieg.

Der Käfig aus grünen Metallstangen erinnerte Deshawn immer an die Futterspender in den Catskill Mountains, die Spechte, Kleiber und vorwitzige Eichhörnchen anlockten. Er hing an einem Stahlseil, das über einen Kran hinab zu einer Haspel führte.

Sein morgendlicher Arbeitsweg endete wie der so vieler New Yorker mit einer Fahrt mit dem Aufzug. Nur dass sie ihn nach unten statt nach oben führte.

Im Förderkorb waren schon drei Männer und etwa fünfzehn Kisten Dynamit. Josh Dunham, der die Haspelsteuerung bediente, sah Deshawn und wartete auf ihn.

»Guter Tag, um unter die Erde zu fahren«, sagte Josh, während der Regen in Strömen fiel.

»Ja, bloß dass ich da unten nicht so schön braun werde wie du.«

Josh lachte. Er war Ire und derart blass, dass man ihn schon als durchsichtig bezeichnen konnte. Von wegen Sonnenbrand; Dunham konnte sich im Mondlicht verbrennen.

Viele der Männer waren Iren. Einige waren Italiener. Deshawn passte als Sohn eines schwarzen Vaters und einer halb kubanischen, halb europäischen Mutter nicht ganz in das Muster der Crew. Die Iren und Italiener waren überwiegend Sandhogs der zweiten Generation. Manche waren auch bereits in der dritten und Matty Silvers sogar in der vierten Generation Tunnelbauer. Viele ihrer Vorgänger hatten es zu einer Familienangelegenheit gemacht. Entweder war man geboren, um unter die Erde zu gehen, oder eben nicht. Entweder wusste man die technische Meisterleistung des New Yorker Wassertunnels Nummer 3 zu schätzen oder nicht.

Oder man wusste nicht, dass es sie überhaupt gab. Man drehte einfach den Hahn auf und erwartete, dass das Wasser floss. Man wusste nicht, dass es aus den Bergen im Hinterland kam, dass neunzehn Speicherseen den Durst der Stadt stillten, indem sie ihr Wasser durch zwei Tunnel schickten, die an manchen Stellen so groß waren, dass ein Bus hindurchfahren könnte.

Bis jetzt zwei Tunnel. Bald drei. Das war wichtig, denn der erste Tunnel war 1917 und der zweite 1935 fertiggestellt worden, und die alten Dinger mussten gewartet werden. Wassertunnel Nummer 3 würde ermöglichen, die alten Tunnel vorübergehend stillzulegen, zu inspizieren und zu reparieren, wobei viele Abschnitte erstmals seit ihrer Konstruktion besichtigt werden würden. Wassertunnel Nummer 3 würde wichtiges Trinkwasser liefern, falls einer der anderen ausfiel. An Wassertunnel Nummer 3 wurde schon seit fast fünfzig Jahren gebaut, und mehr als zwanzig Männer hatten dabei ihr Leben gelassen.

Aber jetzt war er fast fertig. Fast.

Deshawn wäre froh, wenn es so weit war. Als er in den Förderkorb trat und hörte, wie die Tür hinter ihm zuknallte und Josh Dunham »Abfahrt!« brüllte, spürte er den Anflug einer Angst, die sich in letzter Zeit immer häufiger bemerkbar machte. Er verstand es nicht. Seit dreißig Jahren arbeitete er in diesen Tunneln, und neunundzwanzig Jahre lang war er bei der Einfahrt nie nervös gewesen.

In letzter Zeit allerdings …

Der Regen wurde zu einem leisen Plätschern, das von mechanischem Brummen und Ächzen übertönt wurde, während die Haspel sie abließ. Die Crew verfiel in Schweigen.

Dreißig Meter unter der Erde ließ das Tageslicht rapide nach, wie eine Taschenlampe mit fast leeren Batterien, die einem eine letzte Erinnerung an Helligkeit gewährte. Bei sechzig Metern war es stockdunkel. Das Drahtseil knarrte, Wasser tropfte. Matty Silvers ließ einen Furz, der durch den Korb hallte. Brian Bell sagte, er solle sich von dem Dynamit wegdrehen. Kurzes Gekicher, dann Stille.

Hundertzwanzig Meter. Hundertfünfzig. Kalte Luft und Feuchtigkeit in der Schwärze. Deshawn hielt die Taschenlampe in der Hand, schaltete sie aber nicht ein. Noch nicht.

Hundertachtzig. Das Seil ächzte, der Korb wackelte, dann setzten sie auf festem Boden auf. Die Tür öffnete sich, und alle strömten hinaus. Man bewegte sich schnell, wenn man den Korb verließ, denn sich am Grund des Schachts aufzuhalten, war eine von vielen guten Methoden, hier unten zu sterben. Wenn etwas in das Loch fiel, hatte es beim Aufprall eine tödliche Geschwindigkeit erreicht. Einmal war ein Sandhog von einem Eiszapfen getötet worden. Das Ding war abgebrochen, lautlos durch die Dunkelheit gefallen und hatte ihn aufgespießt wie ein Schwert.

An der Decke hingen elektrische Lampen, aber nicht viele. Deshalb trug man immer seine Taschenlampe und seine Stirnleuchte bei sich. Man verließ sich nur auf sein eigenes Licht, wenn man überleben wollte.

Deshawn hatte drei Jahrzehnte durchgehalten. Er hätte jetzt in Rente gehen können. Sein muskulöser Körper, der beim Highschool-Football die Reihen der Verteidiger durchbrochen hatte, war eine einzige Ansammlung von Schmerzen. Er war erschöpft. Er hatte Ersparnisse, eine Rente. Er musste nicht weiterarbeiten.

Aber er wollte es sehen. Er wollte sagen können, dass er dabei gewesen war, als endlich die Absperrhähne geöffnet wurden und Milliarden Liter kaltes Wasser aus den Catskills durch die gewaltigen Tunnel strömte und die Arbeit eines halben Jahrhunderts vollbracht war. Hier unten waren Menschen gestorben und unzählige Glieder abgetrennt worden. Ja, Deshawn wollte sagen können, dass er dabei gewesen war, wenn die ganze verdammte Arbeit endlich erledigt war.

In letzter Zeit allerdings … in letzter Zeit hatte er es eilig. Nicht wegen der Erschöpfung oder der Schmerzen. Nein, es lag an seinem Kopf. Seiner Konzentration. Er hatte sich erlaubt, an seine Tochter zu denken, die als Polizistin beim DEP, der Umweltschutzbehörde, angestellt war, aber Hunderte von Kilometern außerhalb Dienst tat, wo sie die Stauseen bewachte, und dann waren seine Gedanken abgeschweift. Zurück zu dem seltsamen Wochenende, als er den Ausflug unternommen hatte, um zum ersten Mal zu sehen, wo genau das Wasser herkam, für das er sich abrackerte.

Dann hatte er sich an Gillians Mutter erinnert. Kelly Mathers. Die Haut fast so hell wie Josh Dunhams, aber mit einem inneren Leuchten. Die Augen so blau wie Wasserlöcher im Eis. Was für eine Ausstrahlung. Pure Energie. Und die Lust? Verdammt, wie gut er sich daran noch erinnern konnte. Lust war nicht einmal das richtige Wort. Intensität. Wie sie ihren schlanken festen Leib an ihn drängte, wie sie vor Erregung glühte und die Muskeln an ihren Beinen und ihrem Hintern unter seinen Händen zu zittern begannen …

Sie war etwas Besonderes gewesen, zweifellos. Er hatte es von Anfang an gewusst, aber er hatte nicht begriffen, wie besonders, bis es zu spät war. Seit zwanzig Jahren fragte er sich jetzt, ob er seine Tochter rechtzeitig aus ihrem Haus geholt hatte. Er hätte sie gar nicht erst dalassen sollen, aber das reine Entsetzen über die Verantwortung, die das winzige Wesen ihm auferlegte, hatte ihn dazu gebracht. Die Bedürftigkeit in ihren Augen. Der forschende Blick, als wüsste sie, dass er sie enttäuschen würde.

Ich habe sie zurückgeholt, dachte er trotzig, derselbe Gedanke, der ihm seit zwei Jahrzehnten jeden Tag kam. Ja, ich habe sie zurückgeholt. Als ob die ersten neun Jahre in Gillians Leben bedeutungslos wären. Selbst nachdem ihre Mutter bei dem Autounfall gestorben war, hatte er seine Tochter in dem seltsamen Haus an dem seltsamen Ort gelassen. Sie ihrer Großmutter anvertraut, sich eingeredet, es wäre nur vorübergehend. Aber wenn die Großmutter nicht verschwunden wäre, hätte er sie dann jemals geholt?

Du hast es getan. Das ist das Entscheidende.

Er hatte sie aus dem Wahnsinn rausgeholt, und sie hatte sich so gut entwickelt. Er war verdammt stolz auf sie. Eine fähige junge Polizistin; wie könnte man nicht stolz sein, eine solche Frau großgezogen zu haben? Er hatte für sie die richtigen Lehrer, die richtigen Schulen, den richtigen Weg gefunden.

Während er durch den kalten Betontunnel ging, um den Tag mit Sprengen und Steineschleppen zu verbringen, war er sich beim letzten Punkt nicht ganz so sicher. Vielleicht hatte er ihr zu sehr geholfen. Sie zu drängen, der DEP-Polizei beizutreten, war damals naheliegend gewesen, weil es die einzige Behörde war, bei der Deshawn Leute kannte. Sie würde auf die Wasserversorgung der Stadt aufpassen, genau wie ihr Vater. Die Vorstellung hatte ihnen beiden gefallen.

Zumindest so lange, bis sie sich auf den Posten im Hinterland beworben hatte.

Die Akademie befand sich in Kingston, aber er hatte erwartet, dass sie zurück in die Stadt geschickt würde. Die Versetzung an die Wache von Ashokan in den Catskills kam unerwartet. Der Gedanke, dass sie selbst darum gebeten hatte, war beunruhigend. Hatte sie das Bedürfnis, ihre alte Heimat zu erkunden, sich an alte Geschichten zu erinnern? Er hoffte nicht. Er hoffte, er wäre der Einzige, der …

»Deshawn?«

Die Stimme kam von links hinten, aus dem trüben Licht der nackten Glühbirnen, die dort an den Betonwänden hingen. Gedämpft, aber kein Flüstern. Einfach nur leise.

Als er stehen blieb und sich umdrehte, rechnete er damit, Matty Silvers zu sehen, der über Deshawns geliebte New York Jets herziehen oder irgendeinen dämlichen Witz reißen wollte.

Aber es war nicht Matty. Der Mann, der seinen Namen gerufen hatte, saß mit gespreizten Beinen auf einem massiven Holzbalken, der den bedrohlichen Druck der losen Erde zurückhielt. Er befand sich mindestens fünf Meter über dem Boden, weit über Deshawns Kopf, und von seinen alten Lederstiefeln tropfte Wasser auf die Balken unter ihm. Er trug eine verschlissene Latzhose. Auf seinem Kopf saß ein eingedrückter Filzhut. Er war jung, nicht älter als fünfundzwanzig, vielleicht nicht einmal zwanzig. Fast ein Junge. Aber seine Augen blickten ernst, und er hatte sie auf Deshawn gerichtet.

»Du musst zuhören«, sagte der Junge. »Wir erzählen dir die ganze Zeit etwas, und du musst anfangen zuzuhören.«

Deshawn wollte gerade antworten, als ihm einfiel, dass alle Wände hier aus Beton waren und in diesen Abschnitt von Wassertunnel Nummer 3 nie irgendwelche Holzbalken transportiert worden waren. Er drückte auf den Schalter seiner SureFire-Taschenlampe und schickte zweihundert Lumen in die Augen des merkwürdigen Jungen.

Der Junge war verschwunden. Das Licht wurde von den nackten Betonwänden reflektiert, kein Holzbalken in Sicht, und Matty Silvers hob eine Hand und fluchte.

»Verdammt, was soll das, Deshawn? Willst du mich blenden?«

Die anderen blieben stehen und sahen sich um. Deshawn ließ die Lampe sinken. Er spürte ihre Blicke, aber auch ein Kitzeln der Angst im Nacken, etwas zwischen Vorahnung und Erinnerung, ein Prickeln wie bei der Wochenendaffäre vor fast zwanzig Jahren in einer ruhigen Kleinstadt in den Catskills, als eine blauäugige Schönheit mit den Fingerspitzen über seine Haut gestrichen hatte.

»Ja«, sagte er. »Ich dachte mir, ich blende dich, damit du bei den Giants als Quarterback spielen kannst. Blindheit scheint die einzige Anforderung zu sein.«

Matty schnaubte und hob den Mittelfinger, und jemand kicherte, was mehr war, als der Spruch verdient hatte, und dann setzten sie sich alle wieder in Bewegung, nur eine Gruppe von Männern auf dem Weg zur Arbeit, hundertachtzig Meter unter der Stadt, die berühmt für ihre dicht gedrängten Häuser war, die sich nach dem Himmel streckten.

Niemand sonst wusste, dass Deshawn Ryan, der mehr Erfahrung hatte als alle anderen, Stimmen hörte, die nicht da waren, Dinge sah, die nicht existieren konnten.

Vielleicht sollte ich nicht dabeibleiben. Vielleicht sollte ich in Rente gehen. Die bringen die Sache zu Ende, egal ob ich hier unten bin oder nicht, und wenn meine Gedanken auf solche Weise abschweifen, könnte es Zeit sein zu gehen.

Deshawn hielt den Strahl der Taschenlampe auf seine Füße gerichtet und setzte seinen Weg tief unter der Stadt fort.

Flussaufwärts

3

Steve Ellsworths Großvater hatte den Regen immer gefürchtet.

Eine Zeit lang hatte Steve das lustig gefunden. In seiner jugendlichen Zuversicht hatte er darüber gelacht, wie sein Großvater über die Veranda schritt und zum Westhimmel sah, sobald sich Gewitterwolken bildeten. Wenn Steve fragte, was an ein bisschen Regen so besorgniserregend sei, warf Ed Ellsworth ihm einen verärgerten Blick zu und nickte dann zu der alten Birke, die zehn Schritte vom Haus entfernt stand.

»Irgendwann wirft der Wind das Riesending um.«

Er verwies immer nur auf den Wind, aber in Wirklichkeit hatte er Angst vor dem Regen. Klaglos stemmte er sich eine Stunde lang heulenden Windböen entgegen, aber sobald die ersten dicken Tropfen eines Sommergewitters oder die scharfen Graupel eines Winterschauers heranwehten, hastete er zur Tür.

Steve konnte sich nicht erklären, warum er im Geiste in der Vergangenheit war, während er mit peitschenden Scheibenwischern durch ein spätherbstliches Unwetter fuhr. Das Einzige, was heute eine Rolle spielte, war sein Sohn. Es war unerklärlich, dass seine Gedanken immer wieder abschweiften.

Konzentriere dich einfach auf Aaron.

Aaron, ja, Aaron, der darauf wartete, dass er eine Kaution von fünfhundert Dollar zahlte und für weitere fünftausend Dollar bürgte. Man musste bezahlen, ob man der Sheriff war oder nicht. In Steve Ellsworths Bezirk musste man auch zahlen, wenn man Präsident oder Papst war. Es spielte keine Rolle, dass es um seinen eigenen Sohn ging. Allerdings hätte es für ihn persönlich von großer Bedeutung sein sollen, dass sein Sohn schon wieder in seinem eigenen Bezirk verhaftet worden war. Es hätte seine ganze Aufmerksamkeit beanspruchen und seine Gefühle und angespannten Nerven zur Genüge beschäftigen sollen, aber stattdessen dachte er an die alten Zeiten, erinnerte sich an die Beklommenheit seines Großvaters bei Regen und dachte, wie sehr diese Hochwassersaison den alten Mann gequält hätte.

Unablässiger Regen, seit vielen Tagen.

Steve versuchte, die Scheibenwischer schneller zu stellen, aber sie standen bereits auf höchster Stufe. Es regnete in Strömen, die Art von Gewitter, die seinen Großvater am meisten beunruhigt hatte, ein Autowaschregen.

Sein Großvater lag inzwischen seit dreißig Jahren unter der Erde. Ehrlich gesagt, war Steve geradezu erleichtert darüber. Ed Ellsworth war ein guter, gottesfürchtiger Mann gewesen, und falls er den Tag erlebt hätte, an dem sein Enkel nicht aus dienstlichen Gründen zum Gefängnis fuhr, sondern um für ein Familienmitglied Kaution zu leisten, wäre er an der Schande zerbrochen.

Steves Parklücke vor dem Gefängnis war selbstverständlich frei; für den Sheriff von Torrance County war ein Platz reserviert. Weil er sich schämte, ihn für solch eine Angelegenheit zu nutzen, fuhr er vorbei und parkte an der Straße, sodass er wie alle Eltern, die für ihr missratenes Kind Kaution zahlen wollten, zu Fuß durch den Regen gehen musste.

Er war nass bis auf die Haut und brachte Wind und Wasser mit, als er in den Aufnahmeraum kam, und Gretchen, die zuständige Beamtin, sah ihn überrascht an. Dann zeichnete sich hinter der kugelsicheren Glasscheibe Besorgnis in ihrem schlanken schwarzen Gesicht ab. Wortlos drückte sie den Knopf, ein Summen ertönte, und die Riegel in der Metalltür schnappten zurück. Steve nahm seinen breitkrempigen Hut ab und schüttelte das Wasser über dem Fliesenboden ab, während er den Raum durchquerte und die Tür aufzog. Der Sheriffstern an seinem Hut funkelte.

»Morgen, Gretchen. Ich komme, um …«

»Ich weiß, Sheriff. Wir hätten ihn schon früher rausgelassen, aber man hat mir gesagt, dass Sie das nicht wollen.«

»Stimmt.«

Gretchen arbeitete seit fast zwanzig Jahren im Gefängnis, und sie hatte gesehen, wie Aaron Ellsworth erst im Kinderwagen den Raum durchquerte, dann auf den Schultern seines Vaters und jetzt, dreimal in den letzten zehn Monaten, in Handschellen.

»Er war wieder mit dem jungen Riggins unterwegs«, sagte sie leise. »Wenn Sie ihn von dem fernhalten könnten, würde ich Aaron hier nicht wiedersehen. Die Familie Riggins war …«

»Glauben Sie mir, ich kenne die Familie. Aber, Gretchen? Aaron auch. Er ist für sich selbst verantwortlich.«

Sie wandte den Blick ab. »Wollen Sie reingehen und ihn holen?«

»Nein. Und ich will, dass er in Handschellen rausgebracht wird.«

Sie zupfte an einem ihrer sorgfältig geflochtenen Zöpfe und biss sich auf die Lippe, als wollte sie widersprechen, aber schließlich drehte sie sich um, betätigte die Sprechanlage und sagte dem Schließer, er solle Aaron Ellsworth herausbringen, ohne ihm die Handschellen abzunehmen.

»Der Sher… äh, der Vater ist hier«, sagte sie. »Er will es so.«

Es war noch nicht lange her, dass Gretchen für Aaron ein Carepaket für seine Tage im Ausbildungslager der Küstenwache zusammengestellt hatte. Damals war Steve sehr stolz auf ihn gewesen. Wie hatte alles so schnell aus den Fugen geraten können? Die unehrenhafte Entlassung, die Rückkehr nach Hause, die Drogen und die Schlägereien. Was hätte Steve tun können, um es zu verhindern?

Gretchen sagte nichts, während Steve ihr die fünfhundert Dollar gab und den Papierkram ausfüllte. Die Anklage lautete auf Besitz von Diebesgut und Hilfsmitteln zum Drogenkonsum. Da es sich nur um Hilfsmittel handelte, war Aaron dieses Mal wohl schlau genug gewesen, die Drogen wegzuwerfen.

Der Junge lernte also doch noch dazu.

Mit einem Klirren öffnete sich die Tür am Ende des Flurs, und Steve beobachtete, wie Mike, der Schließer, Aaron in Handschellen herausführte. Aaron war groß und schlank und besaß noch immer die Muskulatur eines angehenden Weltklasseschwimmers, breite Schultern, überproportionierte Rückenmuskeln und Trizeps, die sich von dem windhundartigen Körperbau abhoben.

Natürlich durfte man sich nicht von all den Tattoos ablenken lassen, wenn man die Muskeln bemerken wollte. Wie viele waren in den letzten zehn Monaten dazugekommen? Gegen die ersten paar hatte Steve nichts einzuwenden gehabt – was ging ihn das an? –, aber als die Tinte weiter über Aarons Unterarme und Hände kroch, hatte er angefangen, sich Sorgen zu machen. Wollte er Einstichstellen verbergen? Es gab keine Hinweise darauf, trotzdem wäre Steve seltsamerweise erleichtert gewesen, wenn er welche entdeckt hätte. Wenn er etwas Neues gefunden hätte, das an der Abwärtsspirale schuld war.

Mike hielt den Blick gesenkt, als er den Flur entlangkam. Aaron kümmerte es nicht; er betrachtete Steve entspannt und belustigt.

Was habe ich bloß falsch gemacht?, fragte sich Steve. Wäre das auch passiert, wenn seine Mutter noch leben würde?

»Okay, Mr. Ellsworth. Geben Sie mir Ihre Hände«, sagte der Schließer. Aaron blieb stehen und hielt ihm die Handschellen mit einer routinierten Bewegung hin, bei deren Anblick Steve einen trockenen Mund bekam. Nicht nur kannte sein Sohn den Ablauf, es schien ihm auch noch gleichgültig zu sein.

»Bedank dich bei dem Beamten«, sagte Steve mit gepresster Stimme.

»Danke, Mann«, sagte Aaron, und Steve umklammerte das nasse Leder seiner Hutkrempe. Er durfte nicht die Beherrschung verlieren. Nicht hier. Nicht vor Mike und Gretchen.

»Wir sehen uns bald«, sagte er. Die beiden nickten schweigend, und Gretchen ließ den Türöffner summen. Steve drückte die Außentür auf und sah zu, wie sein Sohn an ihm vorbei und zurück in die Freiheit stolzierte. Dreiundzwanzig Jahre alt, und er ging wie ein dämlicher Junge in der Umkleidekabine, der sich für hart hielt und dachte, das Ganze wäre ein Spiel.

Als sie in den strömenden Regen traten, wandte Aaron sich zum Polizeiparkplatz.

»Falsche Richtung.« Steve ging zur Straße.

»Verdammt, warum hast du dort hinten geparkt?«, sagte Aaron.

Steves Fuß zitterte beim Auftreten, als wäre es plötzlich schwierig, festen Boden zu finden. Er atmete tief durch und redete sich ein, es wären die Drogen, die aus seinem Sohn sprachen, und es wäre nicht seine Schuld. Vor allem aber wollte er daran glauben, dass es nicht hoffnungslos war.

»Weil ich nicht dienstlich hier bin.« Ohne ein weiteres Wort ging er zum Auto, während er den Schlüssel in der Hosentasche so fest drückte, dass die Kanten ihm in die Haut schnitten.

Auf der Heimfahrt redeten sie nicht miteinander. Es waren fünfzehn Kilometer vom Gefängnis bis zum Haus. Sie fuhren durch das Zentrum von Torrance und schlängelten sich die Catskills hoch, wo der Maiden Mountain über dem Chill aus dem Nebel aufragte. Alle in Torrance County nannten den Chilewaukee-Stausee nur den »Chill«. Steve wohnte über dem See, ein gutes Stück außerhalb des Orts.

Der Regen hatte nachgelassen, aber tiefer grauer Nebel hing um das Backsteinfarmhaus, das Steve vor zwanzig Jahren mit seiner Frau gekauft hatte. Der Garten mit seinem verwelkenden Gras und den nicht mehr voll belaubten Bäumen wirkte im herbstlichen Dunst trostlos. In der Einfahrt stand noch der Basketballkorb, an dem er mit Aaron so viele Stunden Horse und Around the World gespielt und Freiwurfwettbewerbe ausgetragen hatte, aber das Netz war mittlerweile verrottet, und von dem rostigen Ring hingen nur noch ein paar schmutzige Fäden herab. Steve hatte das ganze Ding schon längst abreißen wollen. Es war nichts als ein Schandfleck, und die Zeit der Basketballspiele in der Einfahrt war endgültig vorbei. Er hatte sich nur noch nicht dazu durchringen können.

Er fuhr den Streifenwagen in die Einfahrt und parkte unter dem alten Korb. Dann schaltete er den Motor aus und sprach mit seinem Sohn, ohne ihn anzusehen.

»Ich muss zurück zur Arbeit und die Zeit aufholen, die ich heute Morgen wegen dir verschwendet habe.«

»Klar.« Aaron stieß die Tür auf und wollte aussteigen. Steve packte ihn am Kragen und warf ihn mit einer Gewalt, die sie beide zu erschrecken – oder zu ängstigen? – schien, zurück in den Sitz.

»Scheiße, was soll das?« Aarons Stimme brach, und die Attitüde des harten Jungen fiel in sich zusammen. Er sah jetzt wieder aus wie ein Kind, und in seinen Augen lag eine Spur von Angst, die Steve sowohl verstörend als auch befriedigend fand. Man wollte nicht, dass der eigene Sohn Angst vor einem hatte, aber wenn man seine Aufmerksamkeit brauchte, war Angst dann nicht besser als nichts?

»Ich gehe arbeiten, also hast du den Rest des Tages Zeit«, sagte Steve und zwang sich, ihm in die Augen zu sehen, »um deine Sachen zu packen. Was immer du haben willst, nimm es einfach mit.«

»Wovon redest du?«

»Ich schmeiße dich raus.« Plötzlich begriff Steve, warum ihm auf der Fahrt zum Gefängnis die alten Geschichten durch den Kopf gegangen waren. Es lag nicht am Regen; es lag an dem, was er tun musste, und daran, wie die Ereignisse sich überschnitten. Sein Großvater hatte einmal aus übergeordnetem Interesse einen ganzen Ort rausschmeißen müssen.

»Du schmeißt mich raus?«, wiederholte Aaron ungläubig. »Ich bin dein Sohn!«

»Ja, Aaron. Du bist mein Sohn, und ich liebe dich. Aber ich weiß nicht mehr, wie ich zu dir durchdringen soll.«

»Ach, komm.« Aaron verdrehte die Augen. Wenn man fürs Augenverdrehen bezahlt worden wäre, hätte der Junge schon in Rente gehen können.

»Du bist mein Sohn«, sagte Steve, »aber du solltest auch ein erwachsener Mann sein. Du bist jetzt seit fast einem Jahr wieder hier, seit die Küstenwache dich rausgeworfen hat, und du hast weder einen Job noch machst du irgendwelche Fortbildungen. Du tust nichts, außer dich verhaften zu lassen und Schande über die Familie zu bringen. Und du kümmerst dich um nichts. Ich kann nicht der Einzige sein, der sich kümmert. Das geht einfach nicht.«

»Du schmeißt mich raus? Im Ernst? Du wirfst mich aus meinem eigenen Haus?«

»Deine Mutter und ich haben das Haus gebaut. Dein Name steht nicht im Grundbuch. Aber wenn du bleiben willst, gebe ich dir eine Chance. Auf dem Küchentisch liegen Broschüren von Peaceful Passages.«

»Das soll wohl ein Witz sein.« Aaron hob eine tätowierte Hand vors Gesicht. »Ich gehe nicht in den Entzug. Ich brauche keinen …«

»Wenn du hingehst, bezahle ich es, und du kannst gern zurückkommen, sobald es vorbei ist. Ich bezahle auch einen Anwalt, damit dein nächster Wohnsitz nicht mein Gefängnis wird. Ich setze unseren guten Namen wieder einmal für dich aufs Spiel, indem ich mich vor Gericht und bei der Arbeitssuche für dich verbürge. Wenn du diesen Weg einschlägst, bin ich immer auf deiner Seite, mein Sohn. Verstehst du das?« Steve sprach jetzt schnell, und seine Stimme wurde eindringlicher. »Da will ich hin, aber du musst mir auf halbem Weg entgegenkommen, Aaron. Du musst.«

»Es war bloß eine schlimme Nacht, und du hast kein einziges Mal gefragt, was wirklich passiert ist!«

»Drei Wochen Peaceful Passages«, sagte Steve. »Danach kannst du nach Hause kommen. Aber wenn du nicht hingehst, kannst du hier nicht bleiben. Überlege dir, wo du heute Nacht schlafen willst. Wenn es Tyler Riggins’ Sofa sein soll, mit zehn Bier im Blut und irgendeinem Zeug in der Lunge oder in der Nase, kannst du den Weg einschlagen. Dann wird dein nächstes Bett in einer Zelle stehen. Das weißt du genauso gut wie ich. Und außerdem, Aaron: Heute Morgen war das letzte Mal, dass ich eine Kaution bezahlt habe. Das kannst du mir glauben.«

»So ein Schwachsinn.«

»Klar. Genau wie deine Verhaftung, ich weiß. Und die unehrenhafte Entlassung. Wie alles im Leben, was nicht nach deiner Nase gelaufen ist. Alles Schwachsinn, oder? Nie deine Schuld.«

Aaron grinste. Es war eine Miene, die er in den letzten Monaten perfektioniert hatte und die ausdrückte: Alter, du checkst es einfach nicht, du hast keine Ahnung, du bist dermaßen beschränkt, dass ich nur noch über dich lachen kann.

»Früher hast du so hart gearbeitet«, sagte Steve. »Du bist zum See runtergegangen und geschwommen, egal ob es kalt oder dunkel war, du hast dir den Arsch abgearbeitet, weil du wusstest, was du vom Leben wolltest, und es war dir wichtig. Sieh dich jetzt an. Wenn du heute zum Chill gehen und es versuchen würdest, könntest du bestimmt den Kopf nicht über Wasser halten.«

»Und ob ich das könnte.«

»Tja, in allen anderen Bereichen deines Lebens schaffst du es nicht!«, brüllte Steve.

Einen Moment lang saßen sie da und starrten sich an. Aarons Miene füllte sich mit Hass. Steve hoffte inniglich, dass seine eigene Liebe und Entschlossenheit ausdrückte. Diese beiden Gefühle waren immer miteinander verflochten. Als Aaron in der Grundausbildung war, hatte Lily für ihn ein Foto eines Rettungsschwimmers in stürmischer See vor der Küste Alaskas besorgt und darunter geschrieben: Entschlossenheit und Liebe sind zwei Seiten einer Medaille. Steve hatte gesagt, sie solle es ihm nicht schicken. Das ist kitschig, hatte er eingewandt. Mütter sind immer kitschig, hatte sie lächelnd geantwortet an diesem Tag, an dem sie beide glücklich und stolz waren und völlig ahnungslos, dass ein Blutgerinnsel sich ihrem Gehirn näherte.

»Ich will, dass du heute an deine Mutter denkst«, sagte Steve, aber, verdammt, jetzt zitterte seine Stimme, und er war den Tränen nah. Das konnte er nicht zulassen – nicht heute. Heute musste er hart sein.

»Raus aus meinem Auto, Aaron.« Dieses Mal hatten seine Worte die richtige Schärfe.

Aaron zögerte, sträubte sich, und Steve dachte zuerst, er würde etwas sagen, und dann, er würde ihm eine verpassen. Stattdessen stieg er einfach aus und schlug die Tür zu.

Steve sah zu, wie er mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern auf das Haus zuging.

Es hatte wieder zu regnen begonnen.

4

Nachdem er die Broschüren der Entzugsklinik Peaceful Passages verbrannt hatte, suchte Aaron Ellsworth den Ersatzschlüssel für den Silverado seines Vaters und lief durch den Regen zu dem Pick-up. Er hatte vorgehabt, zu einer Bar zu fahren, bis ihm einfiel, dass es nicht mal zehn Uhr war.

Er war sich nicht sicher, ob Tyler Riggins schon entlassen worden war. Tylers Familie würde nicht so schnell springen wie der gute Sheriff.

Zum letzten Mal.

Was für ein Arschloch. Statt nach Aarons Version der Geschichte zu fragen, zog er nur die dämliche Nummer des großen starken Polizisten ab, der ihn auf den richtigen Weg zu bringen versuchte. Sheriff Ellsworth brauchte nicht zu fragen, weil er immer die Wahrheit kannte.

Das Ärgerlichste und zutiefst Beleidigende an der ganzen Sache war die Unterstellung, Aaron könne den Kopf nicht mehr über Wasser halten. Obwohl sein Vater es in übertragendem Sinn gemeint hatte, hatte er es auch konkret angesprochen, und das war das Einzige, das hängen geblieben war.

Natürlich kann ich noch die alten Schwimmrunden absolvieren. Jede Einzelne davon.

Aber konnte er das wirklich?

Nachdem er eine halbe Stunde ziellos durch die Gegend gefahren war, bog Aaron unwillkürlich auf den Parkplatz am Staudamm des Chill. Früher war er immer vom Haus hierhergejoggt, fünf Kilometer über den Grat zum See. Dann war er geschwommen und über die Wanderwege, die vom Gipfel des Maiden Mountain wegführten, zurückgerannt.

Heute fuhr er auf den Parkplatz. Kein Lauftraining. Er musste nur beweisen, dass er nach wie vor die Strömung unterhalb des Dammes bezwingen konnte. Um es seinem Vater unter die Nase zu reiben.

Der große Stausee war ein wichtiger Ort für seine Familie. Sie hatte die Aufgabe gehabt, ein paar durchgeknallte Hinterwäldler zu evakuieren, die ihr Entschädigungsgeld nicht annehmen wollten, als der Staudamm gebaut wurde. Aaron kannte die Geschichten, und wie jeder in Torrance hatte er als Kind auch noch andere gehört.

Meistens ging es um die Dead Waters. Sie gehörten nicht einmal zum See selbst, sondern zu der Hochwasserschutzanlage, die weiter flussabwärts errichtet worden war. Unterhalb des Damms gab es ein sogenanntes Tosbecken, eine Art Teich, in dem sich das aufgewühlte Wasser während der Hochwassersaison ausbreiten und beruhigen konnte, bevor es zum Ort hinabströmte. Es wurde als Dead Waters bezeichnet, weil es einer der wenigen Orte war, an denen man noch die ausgehöhlten und verkohlten Fundamente des alten Galesburg sehen konnte, das in Brand gesetzt worden war, bevor der Stausee gefüllt wurde. Der Großteil des Gebiets unter dem See hatte aus Feldern und vereinzelten Häusern bestanden, aber in den Dead Waters gab es die Ruinen eines Rathauses, zweier Kirchen und einer Schule.

In trockenen Jahren, wenn das Wasser tief und die Sonne im richtigen Winkel stand, konnte man die Umrisse der alten Bauwerke sehen, vor allem einen unverwüstlichen Kirchturm, der sich nach der Oberfläche streckte, als wollte er einen letzten Atemzug nehmen.

Oder jemanden packen und nach unten ziehen.

Sein Großvater, der Galesburg noch als Dorf und nicht als künstliches Riff kannte, hatte ihm verboten, in den Dead Waters zu angeln. Aaron hatte sich gern ferngehalten, wie viele Zander dort auch herumschwammen. Die Gegend hatte unbestreitbar etwas Unheimliches an sich, vor allem in der Dämmerung, wenn die Fische aktiv waren und die schwächer werdende Sonne mehr von den Gebäuden unten preisgab als an einem warmen Sommermittag.

Seltsam, wie das funktionierte.

Natürlich erzeugte der Ort Aberglaube, und Aberglaube zog Verrückte an. Aaron erinnerte sich, dass sein Vater mindestens zehnmal mit irgendeinem abgedrehten Scheiß dort zu tun hatte. In einem Jahr ein erweiterter Suizid. In einem anderen mehrere Junkies mit einer Überdosis. Die Frau eines Arztes aus der Gegend, die im Februar splitternackt auf dem Eis stehend gesichtet worden war. Sie war in die Psychiatrie eingewiesen worden und, soweit Aaron wusste, nie wieder herausgekommen.

Das Gebiet zwischen dem Damm und den Dead Waters war ein Magnet für Irrsinn.

Oder, wenn man Schwimmer war, eine erstklassige Trainingsstrecke.

Zwischen dem Damm und dem Tosbecken, wo das Wasser tobte wie ein Fluss in den Rocky Mountains, war Aaron Ellsworth zum besten Schwimmer geworden, den Torrance County je hervorgebracht hatte. Schwimmen bei Nacht und bei kaltem Wetter – das war sein Geheimnis gewesen.

Schon als Kind hatte er auf diese Art trainiert, und als er sämtliche Bestmarken von Torrance County pulverisierte und einige Landesrekorde brach, hatten die Trainingseinheiten bei Dunkelheit und Kälte ihm den entscheidenden Vorteil verschafft.

Und sein Arschloch von Vater glaubte, er würde das nicht mehr schaffen.

Abwarten, Pop. Warten wir mal ab.

Er parkte den Silverado direkt vor dem Schild, das Unbefugten den Zutritt untersagte. Hinter dem kleinen Parkplatz stand ein zweieinhalb Meter hoher Zaun mit einer Krone aus Nato-Draht und dahinter ein schmuckloser und düsterer Steinturm, der zu einem Gefängnis aus der Depressionszeit gepasst hätte. Dort arbeiteten die Dammwärter an ihren Computern und öffneten die Schieber, damit das Wasser abfließen konnte, oder schlossen sie, damit es in der Talsperre verblieb. Vielleicht gab es dort nicht einmal Computer; Aaron hatte keine Ahnung. Er wusste nur, dass es aussah wie ein schrecklicher Arbeitsplatz. Er hatte das Schieberhaus noch nie betreten, sondern war immer nur daran vorbeigegangen, um in dem verbotenen Bereich unterhalb zu schwimmen, dem einzigen Ort in Torrance County, an dem es Strömung gab.

Alles in Torrance stand still.

Das Wasser unterhalb des Dammes konnte heftig sein. Wenn der Pegelstand im Stausee hoch war, konnte es regelrecht bösartig werden, und so hatte ein Junge aus einem Kaff in den Catskills zum besten Rettungsschwimmer seiner Ausbildungsgruppe bei der Küstenwache werden können.

Bis er rausgeworfen wurde.

Unterhalb des Schieberhauses parkte nur ein Auto, und Aaron wusste, dass es Arthur Brady gehörte, der seit Ewigkeiten der Oberaufseher des Dammes und ein Freund seines Vaters war. Der gute alte Arthur hatte jahrelang weggesehen, wenn Aaron hier unten trainierte. Er war deswegen immer nervös gewesen und hatte Aaron schwören lassen, dass er keine Freunde mitbrachte und es niemandem erzählte. Wahrscheinlich hatte er es nur erlaubt, weil Aaron der Sohn des Sheriffs war.

Es musste irgendwo auf dem Gelände Kameras geben oder zumindest einen Bewegungsmelder, denn man konnte nicht auf den Parkplatz fahren, ohne dass ziemlich schnell jemand aus dem Schieberhaus kam. Wenn ein anderer Wärter arbeitete, hatte Aaron immer am Straßenrand geparkt und war durch den Wald gegangen. Aber heute war es nur Arthur.

Aaron war kaum aus dem Pick-up gestiegen, als Arthur schon auf die Eisentreppe trat, die zur einzigen Tür hinaufführte, und in den Regen spähte.

»Mr. Fleming?«, rief Arthur. »Sind Sie das?«

»Nein. Ich bin’s, Aaron.«

»Was?«

»Aaron Ellsworth.«

»Aaron!« Arthur Brady legte eine Hand aufs Geländer und beugte sich vor, und zum ersten Mal an diesem Tag spürte Aaron einen Anflug von Scham, als er sich fragte, ob der alte Mann wusste, dass er gerade auf Kaution aus dem Gefängnis entlassen worden war. Er hatte es gehasst, als Sohn des Sheriffs aufzuwachsen, und immer das Gefühl gehabt, im Fokus zu stehen und unbeliebt zu sein, aber Arthur Brady passte nicht in diese Erinnerungen. Er war ein Risiko eingegangen, damit Aaron die besten Chancen hatte, aus diesem Ort rauszukommen.

»Mit dir habe ich nun wirklich nicht gerechnet.« Arthurs Stiefel klirrten auf den Stufen, als er herunterkam. »Was machst du denn wieder hier, Junge?«

Arthur liest vermutlich keine Zeitung. Oder zumindest nicht die Polizeimeldungen.

»Ich bin nur auf der Durchreise.« Aaron wollte sich auf keine Unterhaltung einlassen; er wollte nur den Druck des kalten wütenden Wassers spüren. »Ich gehe eine Runde schwimmen. Um der alten Zeiten willen.«

»Heute nicht, Aaron. Das Wasser ist zu hoch.«

»Für mich nicht.«

Arthur warf ihm einen verzweifelten Blick zu und nickte. »Klar, du kommst zurecht, aber ich kriege Besuch von einem nervigen Inspektor aus Albany, der mir über die Schulter sehen will, alles wegen dem Regen. Da kann ich wirklich nicht gebrauchen, dass er jemanden im Wasser sieht.«

»Ich beeile mich. Bevor er hier ist, bin ich wieder weg.«

»Er müsste eigentlich schon da sein. Das kann ich nicht riskieren, Aaron.«

Aaron hatte das Gefühl, im Hinterkopf ein Ticken zu hören. »Arthur? Mr. Brady? Ich gehe jetzt ins Wasser.«

»Verdammt, Junge, das ist der falsche Tag, um sich mit mir anzulegen. Du kannst nicht …«

»Rufen Sie meinen Vater an, wenn Sie ein Problem damit haben.« Aaron drehte sich um und fühlte sich gleichzeitig übermütig und beschissen, während er davonging. Als würde man jemanden schlagen oder weinen.

»Wenn du den Inspektor siehst, zieh bloß den Kopf ein, sonst rufe ich wirklich deinen Vater an!«, rief Arthur.

Ohne sich umzudrehen, streckte Aaron den Daumen hoch.

Er folgte dem Pfad über eine Wiese mit kleinen Bäumen und kam unterhalb der Staumauer an der Schussrinne raus, wo das Wasser toste und brauste. Dort, vor den Zäunen und Ketten und Schildern mit Strafandrohungen, zog er Anorak, T-Shirt und Jeans aus, bis er in Unterwäsche im Regen stand. Er rollte die Socken zusammen, stopfte sie in seine Schuhe und bedeckte den ganzen Haufen mit der Jacke, während der Regen von seiner nackten Haut perlte. Schon jetzt fühlte er sich besser, stärker und reiner. Härter.

Das konnte dieser Ort bei ihm bewirken.

Er war sich immer noch nicht sicher, warum er hergekommen war. Um seinem Vater etwas zu beweisen? Es war nicht das, was er beweisen musste, das wusste er.

Ich ziehe aus und gehe weg von hier und mache was aus mir, aber erst zeige ich ihm, dass ich noch genauso stark bin wie früher. Das zeige ich ihm, bevor ich weggehe.

Natürlich interessierte es seinen Vater nicht besonders, ob er die Schwimmstrecke noch bewältigen konnte. Es interessierte ihn überhaupt nicht. Und Aaron auch nicht – nicht mehr. Aber das war der Ort, an dem er für lange Zeit Angst und Zweifel und Wut in etwas Produktives umgewandelt hatte, und das Kind in ihm flüsterte ihm zu: Wenn er es noch einmal schaffte, könnte er den Lauf der Dinge umkehren. Er könnte der Mann werden, der er hätte werden sollen. Der Mann, für den offenbar nur er selbst sich noch hielt.

Er ignorierte den Schmerz der spitzen Steine unter seinen Füßen, als er über die glatte, tückische Uferbefestigung zum Wasser ging. Vor einigen Generationen hatten hier Bauarbeiter in provisorischen Unterkünften gewohnt, während sie den Damm errichteten, der das Dorf Galesburg überschwemmen sollte. Er hatte Geschichten von schrecklichen Kämpfen zwischen den Einwohnern und den Arbeitern gehört, aber er wusste nicht, ob er sie glauben konnte. Schließlich hatten die Arbeiter ihre Aufgabe erledigt und ihre Sachen gepackt und waren weitergezogen. Wer sollte die Legenden verbreiten außer denen, die zurückgeblieben waren? Und die waren meistens ziemlich angefressen.

Aaron konnte das ganz gut nachvollziehen.

Aber ich gehe wieder weg, und dieses Mal komme ich nicht zurück, versprach er sich, während er sich dem Wasser näherte. Eine letzte Runde schwimmen, um meinem Alten zu zeigen, dass er sich in mir täuscht, in diesem Punkt und all den anderen, und dann bin ich weg. Ich melde mich ein paar Monate nicht, damit er es bereut, mich rausgeworfen zu haben, und dann, wenn ich woanders gut zurechtkomme und er lange genug am Verlust seines Sohns zu knabbern hatte, erst dann rufe ich ihn an. Ich lade ihn zu mir ein … wo immer ich dann sein werde – es spielt keine Rolle, weil es auf jeden Fall besser ist als hier – und hole ihn zu einem feinen Abendessen her, und dann sage ich nicht »Siehst du?«, sondern lasse einfach alles auf ihn wirken. Er soll sehen, wie sehr er sich getäuscht hat.

Am Rand des Wassers zögerte er. Die Strömung war wirklich reißend heute.

»Los geht’s«, sagte er leise. Er wusste selbst nicht genau, warum er zögerte, und das beunruhigte ihn. Normalerweise sprang er ins Wasser, ohne auch nur einen Blick auf die Strömung zu werfen.

Wenn er nicht gezögert hätte, hätte er den Fotografen nie bemerkt.

Wäre er wie geplant ins Wasser geglitten, hätte er nach unten geblickt und keine Chance gehabt, den Mann zu sehen, der in einer grauen Weste vor dem grauweißen Hintergrund der Birken und Eichen stand. Aber durch sein Zögern nahm er eine Bewegung wahr – oder vielleicht war es das Aufblitzen des Lichts, das vom Objektiv reflektiert wurde –, schaute flussabwärts und bemerkte den Fotografen.

Der Mann trug Jeans und ein dunkelgrünes Hemd unter der Weste, keine geeignete Kleidung, um in der Jagdsaison durch den Wald zu spazieren. Sein dichtes Haar war pechschwarz und der Spitzbart so unnatürlich dunkel, dass er wie aufgemalt aussah. Er kniete auf einem flachen Stein und hatte seine auf einem Stativ montierte Kamera auf den Damm gerichtet.

Auf Aaron.

»Hey! Was soll das, Mann?«, brüllte Aaron, der sich schämte, in Unterwäsche erwischt zu werden, und wütend auf den Fremden war, als wäre er nicht aus einem öffentlichen Wald gekommen, sondern aus seinem Schlafzimmerschrank.

Der Fotograf sah zu ihm auf, als hätte er ihn gerade erst bemerkt. Er betrachtete Aaron von Kopf bis Fuß und neigte den Kopf, während er sein potenzielles Motiv begutachtete. Jetzt ließ Aarons Scham nach, und sein Ärger wuchs.

»Hey, Perverser. Ich habe gefragt …«

»Ich heiße nicht ›Perverser‹, sondern Curtis B. Haupring«, sagte der Mann freundlich. »Fotograf.« Er gluckste. »Wie Sie sich vielleicht schon gedacht haben.«

»Toll. Drehen Sie das Ding woanders hin, okay?« Aaron stieg ins Wasser. Verdammt, war das kalt. Er spürte, wie seine Hoden schrumpften und sein Schwanz sich zurückzog, und er sah wie ein beschämter Junge zu dem Fotografen. Das Wasser ist kalt! Es liegt am Wasser!

Der Fotograf lächelte, als könnte er Aarons Gedanken lesen, und das war noch empörender.

»Das war kein Witz. Schalten Sie die Kamera aus.«

»Ich dokumentiere den Damm«, sagte der Mann sanft. »Nicht Sie, Sir.«

Der Herbst in den Catskills lockte die Idioten mit ihren Kameras an. Aus anderen Bundesstaaten oder von der Küste.

»Interessiert Sie das?«, fragte der Fotograf.

»Der Damm? Nein. Der Damm interessiert mich überhaupt nicht.«

Der Fotograf sah ihn durchdringend an.

»Möchten Sie nicht helfen, die Geschichte von Galesburg zu erzählen?«

Die Geschichte von Galesburg? War der Typ nicht ganz richtig im Kopf?