The Clovis Murders - Stewart McCole - E-Book

The Clovis Murders E-Book

Stewart McCole

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Beschreibung

Die schüchterne Emily, die noch immer unter ihrem Umzug in die Kleinstadt Clovis in New Mexico leidet, ist eine Einzelgängerin und regelmäßiges Opfer ihrer Mitschüler. Eines Tages jedoch lernt sie die offene und etwas verrückte Fay kennen.  Beide verbindet bald eine Freundschaft, aus der eine ungewöhnliche Liebe erwächst. Doch dann wird eine der Schülerinnen, die für Emilys Leiden an der High School verantwortlich war, auf grausame Weise ermordet. Und sie wird nicht das letzte Opfer aus ihrem Umfeld sein. Bald schon sieht Emily eine Verbindung zu sich, die einen furchtbaren Verdacht in ihr aufkommen lässt. Und ihre Welt wie ein Kartenhaus einstürzen lassen könnte...

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Stewart McCole

The Clovis Murders

Für alle Menschen, die mich mit Wort und Tat unterstützen. Viele von euch sind als Nebenfiguren in diesem Roman genannt. Besonders danke ich Ange, Luisa, Casey, Hayoung und Hwa Yu. Und natürlich Celine, meiner kleinen Poesie. BookRix GmbH & Co. KG81371 München

I`m Not In Love

Die Reflexionen des Wassers spiegelten sich an der Decke und an den Wänden der Schwimmhalle, die schon viele Jahrgänge an Schülern gesehen hatte. Emily beobachtete die Personen im Becken, als wären sie fremde Lebewesen. Eine Gattung, der sie selbst nicht angehörte. Und es auch gar nicht wollte. Sie lebten ihr Leben, ignorierten sie dabei. Es war, als existierte sie überhaupt nicht. Vielleicht war es ja auch so. Manchmal erschien ihr Leben wie ein absurder Traum, aus dem man eigentlich jederzeit aufwachen müsste. Doch Emily wachte nicht auf. Jeden Morgen stellte sie erneut fest, dass sie im selben Alptraum gefangen war. Den selben Tag wie schon seit Jahren durchleben müsste. Als Unsichtbare, als Gespenst. Als Außenseiterin, die von Glück reden musste, wenn sie NUR ignoriert wurde. Sie sah aus wie alle anderen, sprach wie alle anderen, verhielt sich in vielen Dingen auch wie die anderen. Doch sie war es nicht, das ließ man sie täglich spüren. Stattdessen saß sie nun hier, beobachtete die Szenerie wie in einem Film und hörte ihre Musik. Ein älteres Album von 10CC auf Kassette, gefunden in der Schublade ihrer Mutter. Vor 12 Jahren erschienen, als sie sich noch nicht an dieser Schule, noch nicht in diesem verdammten Alptraum befand. Nun war das Jahr 1987 angebrochen, die Weihnachtsferien vorbei. Die zwei Wochen Auszeit vom Horror, den dieses Gelände für sie darstellte. Viele Schüler machten Witze darüber, wie furchtbar sie die Schule fanden. Und gingen eigentlich doch gerne hin, selbst wenn es nur wegen ihren Freunden war. Emily jedoch besaß so etwas wie Freunde nicht. Nein, nicht im Entferntesten. Bekannte vielleicht, aber keine echten Freunde. Ihre Freunde waren im alten Wohnort geblieben, vor dem Umzug nach Clovis. Vor drei Jahren. Und der Kontakt zu ihnen schlief langsam ein, wie es eben immer war. Die Musik war nun ihr Freund, ihre Aufmunterung, ihr Mutmacher.

Sie wollte schreien. Lauthals, so dass es jeder hören konnte. Verzweifelnd um Gehör bittend, um ein wenig Hilfe und Zuneigung. Zuneigung, die sie weder hier, noch Zuhause bekam, seit ihr Vater immer mehr trank und die Mutter schlug. Zuneigung, die sie seit Jahren nicht mehr empfing. Es war nur noch ein leeres Wort. Ohne jede Bedeutung.

Einige Mädchen starrten sie an, tuschelten, lachten. Nicht auf positive Art und Weise, sondern hämisch und gemein. Es lag irgendwie in der Natur des Menschen, grundlose Bösartigkeiten an die einsamen Seelen zu verteilen, die anders waren. Sich nicht in das Allgemeinbild einfügten. Emily ignorierte es, jedenfalls so gut es ging. Immerhin wurde sie nicht mehr ständig von Schülern und Lehrern gefragt, wieso sie nicht am Schwimmunterricht teilnahm. Das Attest vom Arzt lag vor. Keine sportlichen Aktivitäten, Schwimmen einbezogen. Ein schwerer Herzfehler, an dem Emily schon seit ihrer Geburt litt, war der Grund dafür. Eigentlich meinte der Arzt, dass Schwimmen sogar helfen könnte. Doch sie bettelte ihn an, trotzdem befreit zu werden. Denn gerade hier kamen ihr die Gemeinheiten besonders häufig vor. Der Arzt ließ sich erweichen, was Emily ihm hoch anrechnete. Seltsamerweise waren es nicht nur die Schüler, die sich über sie lustig machten, sie seltsam fanden. Bei ihnen konnte man noch die Jugend, die Unerfahrenheit als Ausrede für ihr Verhalten nehmen. Aber viele Lehrer waren genauso. Sie starrten Emily an, als wäre sie ein Insekt. Als gehöre sie nicht zur Klasse, zur Schulgemeinschaft. Ein Beifang, den man wohl oder übel nun auch noch bis zum Ende mitschleppen müsste. Mitschleppen, das war das passende Wort. Ihre Noten waren schon lange nicht mehr gut, sie waren nicht einmal mehr Mittelmaß. Und seit geraumer Zeit drohten sie in einen gefährlich schlechten Bereich zu kommen, der einen Abschluss unmöglich machen würde. Nach dem Grund dafür fragte keiner. Und wenn er es doch tat...wollte er es in Wahrheit ja doch nicht wissen. Es war genau wie das übliche "Hey, wie gehts dir?" auf der Straße. Keiner will dabei wirklich wissen, wie es dem Gegenüber geht. Und da man das weiß antwortet man einfach mit "Gut, und dir?", um dann wiederum auch ein "Gut" als Antwort zu erhalten. Konversation auf einem neuen Level!

Natürlich war nicht alles hier schlecht. Es war an sich ein sehr schöner, wenn auch etwas verschlafener Ort. Es gab nette Menschen. Auch an der Schule. Aber hier nutzte ihr das nichts. Es kam Emily vor, als hätten alle anderen Klassen nettere Schüler, bessere Lehrer. Vielleicht auch nur Einbildung, wer weiß. Vermutlich wäre es ihr kein bisschen besser ergangen, wenn sie gewechselt hätte. Manche Menschen zogen Ärger einfach an, Missgunst, Pech. Und Emily war so ein Mensch, da konnte man nichts tun. Die Vertrauenslehrerin, die war immer nett gewesen. Aber außer großen Reden hatte die wohl auch nicht so viel drauf, weshalb sich Emily von Anfang an dagegen entschieden hatte, ihr wirklich all ihre Gefühle zu offenbaren. Gefühle wie: "Wenn mich diese scheiß Rebecca noch einmal in der Pause beleidigt nehme ich eine Schaufel und hacke damit ihr Gesicht zu einem Klumpen Mett". Das wäre vielleicht destruktiv gewesen, Lehrer sind da komisch. Es war schon schlimm genug, als ihr Klassenlehrer neulich bemerkt hatte, wie sie in der Pause auf ihrem Walkman "I Don`t Like Mondays" hörte.

Emily warf einen Blick zu Frau Shreyer, die am Beckenrand stand und den Mädels Befehle zurief. Sie hatte zugenommen in letzter Zeit. Lustig, wenn sogenannte Sportlehrer fetter waren als die Kinder, die sie "fit" halten sollten. Fast als hätte sie den Gedankengang ihrer sonderbaren Schülerin gehört warf Shreyer einen Blick zu ihr, der Bände sprach. Emily verdrehte die Augen. Jede verdammte Stunde musste sie sich diese verdammten, vorwurfsvollen Blicke gefallen lassen. Und alle paar Stunden zudem nach dem Unterricht Sprüche wie "Überlege es dir doch nochmal, Schwimmen ist toll!"

Ja, Schwimmen schon. Schüler nein. Und Shreyer ohnehin nicht.

Zwei Schulstunden vergingen am Beckenrand genauso langsam wie das schwachsinnige Geschwurbel, welches der Lehrer in der Mathematikstunde an der Tafel produzierte. Gähnend. Ab und an warf eine Schülerin oder ein Schüler Emily einen Blick zu. Manche starrten nur, wenige lächelten sogar krampfhaft, als sei alles super. Und manche zogen eine Grimasse oder riefen ihr etwas zu, das sie ohnehin aus der Entfernung nicht hören konnte. Idioten.

Nachdem endlich das erlösende Schrillen der Pausenglocke erklang sprang Emily regelrecht von ihrem Platz auf und eilte in den Umkleideraum, um sich ihre Socken und die Schuhe anzuziehen und endlich zu verschwinden, bevor die anderen aus dem Wasser kamen. Meistens klappte das, wenn Shreyer nicht wieder eine ihrer sinnlosen Gespräche mit Emily führen wollte. Sie hatte absolut kein Bedürfnis, die Umkleide mit den restlichen Mädels zu teilen. Dummes Getuschel zu hören, Geschwärme über die Jungs aus der Sportmannschaft oder irgendein anderer, trivialer Dreck. Und sie hatte auch kein Bedürfnis, auf engem Raum mit zwanzig nackten Tussen zu stehen, von denen manche eine alles andere als grazile Figur hatten. Nein danke.

Eiligen Schrittes verließ Emily die Umkleideräume und atmete tief durch, als sie endlich wieder auf dem Schulgelände stand und frische Luft atmete. Sie empfand den Gestank von Chlor als dermaßen einengend und unangenehm, dass ihr regelrecht schlecht wurde. Gerade als sie sich gestreckt hatte und kurz die Augen schloss fiel ihr auf, dass sie nicht alleine war. Emily fuhr erschrocken herum. Sie kannte diese Momente, in denen ihr aufgelauert wurde. Doch es war anders. Hinter ihr stand keine der aufgetakelten Tussies, die sie regelmäßig als Opfer auswählten. Es war ein Mädchen mit langen, schwarzen Haaren, traurigen Augen und einem hübschen, wenngleich auch etwas kränklich wirkenden Gesicht. Sie hatte eine schöne, schlanke Figur. "So wie ich" dachte sich Emily, ohne jeden Anflug von Scham für ihre Überzeugtheit von sich selbst. Denn so sehr sie auch geärgert und gemieden wurde: Sie sah gut aus, das wusste sie. Nur hatte sie es eben nicht nötig, sich die allerneueste Mode zu kaufen, sich meterdick zu schminken oder sich die Haare zu stylen, um als Cindy-Lauper-Double durch die Straßen zu rennen.

"Wer...bist du denn? Neu hier?" fragte Emily fast schon hämisch klingend, während sie das ihr völlig unbekannte Mädchen musterte. Ihre zynische Art versperrte ihr meist den Kontakt zu den Menschen, die sie nicht verstanden. Das Mädchen nickte, ohne eine Regung in ihrem Gesicht zu zeigen.

"Wo geht es zum Sekretariat?" fragte sie mit seltsam emotionsloser und kühler Stimme. Emily warf einen Blick in Richtung des Hauptgebäudes.

"Da rein, dann findest du es direkt. Also doch neu? Hör` zu, ich..."

Noch bevor Emily ihren Satz beenden konnte drehte sich das Mädchen um und ging zum Hauptgebäude.

"Dir auch einen SCHÖNEN TAG!" rief sie genervt hinterher, ohne eine sichtbare Reaktion zu erhalten. Verdammt nochmal, war diese High School eine Anlaufstelle für Freaks? "Hey! Bist du irre, schizophren oder einfach nur ein richtiges Arschloch? Dann melde dich bei uns!"

Emily sah sich noch einmal auf dem fast leeren Schulhof um. Sie genoss den Wind, der ihr durch die langen Haare wehte, genauso wie die wundervolle Stille. Als sie die ersten ihrer Klassenkameraden im Vorraum der Schwimmhalle hörte eilte sie mit ihrer Tasche zum Schulgebäude, um mögliche Gespräche zu vermeiden.

 

Die restliche zwei Schulstunden Biologie vergingen dank eines Lehrfilms ein bisschen schneller als sonst üblich. Es war eine absolute Schwachsinnsidee, nach dem Schwimmunterricht noch andere Fächer zu unterrichten. Besonders die Mädchen tropften mit ihren langen Haaren alle Arbeitsblätter voll und sahen dabei aus wie begossene Pudel, auch wenn sie sich selbst immer noch wunderschön vorkamen. Einer der Jungs machte eine Bemerkung darüber, dass er es heiß finden würde, wie sie dort alle so feucht sitzen würden. Die Klasse lachte. Wow, was für ein Brüller. Kleb dich doch selbst ein als Witz der Woche. Emily senkte ihren Blick auf den Tisch und ignorierte Andrew McGuire, der pickelige Idiot am Nachbarplatz, der in sie verliebt war und ständig dumm in ihre Richtung grinste. Aber das bedeutete nichts. Andrew war in jedes halbwegs schöne Mädchen verliebt. Frei nach dem Motto "Bei irgendeiner wird es schon klappen". Aber nicht bei ihr, das war sicher. Sie war noch nie einem Jungen oder einem Mann begegnet, der ihr Interesse geweckt hätte. Zumindest nicht im echten Leben. In Filmen und Musikvideos, da schon eher. Sie mochte George Michael, sein neuer Look in "Faith" sah klasse aus. Tom Selleck wäre auch okay gewesen. Ein netter Kerl, hätte er nur etwas weniger Haare. Wie ein Braunbär mit Schnurrbart. Prince war auch ne coole Socke. Ja, Musiker und Schauspieler, das waren interessante Leute. Teilweise Freaks, aber gerade deswegen bewundert. Schon lustig, was Ruhm für einen Unterschied machte. Würden die ganzen Teenie-Mädels so manch abgeranzte Rocksänger auch noch so toll finden, wenn sie nicht berühmt wären?

Während Emily auf ihren Block kritzelte und dabei kaum auf den Lehrfilm achtete bemerkte sie, dass jemand vor dem Fenster stand. Nicht direkt, sondern in einiger Entfernung. Aber den Blick direkt auf sie gerichtet. Das neue Mädchen. Wie ein Gespenst stand sie mitten auf dem Schulhof, in ihren Händen ein Stapel Dokumente. Vermutlich zur Schulanmeldung. Dabei trug sie doch einen Schulranzen, wieso schleppte sie alles so mit sich herum? Und vor allem...wieso zur Hölle glotzte sie so? Vorhin war sie ja alles andere als gesprächig, also was sollte das? Emily versuchte, das Mädchen nicht zu beachten. Doch es misslang. Aus dem Augenwinkel konnte sie ihre Gestalt auf dem Pausenhof stehen sehen. Und je länger sie die Neue zu ignorieren versuchte, desto präsenter schien sie zu werden.

"Entschuldigung, Mr. Brunswick? Könnten Sie den Rolladen herunterlassen?"

Der gut 50 Jahre alte, untersetzte Mann mit Halbglatze sah Emily erstaunt an.

"Mrs. Dubois, blendet Sie die Sonne? So hell ist es doch gar nicht?" fragte Brunswick mit einem Lächeln in seiner typisch sarkastischen Art. Seine Art der Freundlichkeit. Lass doch einfach den scheiß Rolladen herunter und mach weiter! Schon lustig, von so einem Versager unterrichtet zu werden. Er fuhr einen grauen Gremlin, trug abgenutzte Discounter-Anzüge in ekelhaften Farben und ließ sich seine Kleidung mit Sicherheit von seiner Frau aufs Bett legen, damit er nicht ganz so schreckliche Kombinationen trug. Ein Kerl, der sicherlich Socken nach Farbe und Muster sortierte. Emily hatte seine Frau einmal gesehen, beim letzten Schulfest. Gefühlte 200 Kilo schwer, so zärtlich und weiblich wie ein Yeti. Wahrscheinlich machte er in seiner Freizeit nichts anderes, als unter ihrer Fuchtel zu stehen. Von ihm fürs Leben zu lernen war in etwa so, als würde man dem obdachlosen Joe zuhören, der gelegentlich vor dem Einkaufszentrum Leute anlaberte und dabei erzählte, wie er in Hamburger Hill sein Bein verloren hätte. Nur blöd, dass er noch beide Beine mit sich trug. Das einzige, was der arme Kerl in Vietnam verloren hat, war sein Verstand. Und sein älterer Bruder, den hat es tatsächlich von einem Mörser in Stücke gefetzt. Joe war wenigstens lustig, irgendwie interessant. Brunswick war einfach nur eine Niete. Und in gewisser Weise Emily unheimlicher als Joe oder jeder andere Herumtreiber der Gegend. Er gaffte manche der Mädchen an, als würde er sie gerne mit seinen Blicken ausziehen, was er in Gedanken auch sicherlich tat. Kein Wunder, hatte er Zuhause doch nur Godzilla in den Wechseljahren im Bett liegen.

Endlich ertönte die Pausenglocke. Die letzte Stunde war vorbei. Emily sprang auf, packte zusammen und lief zum Ausgang, wobei sich ihre Blicke mit denen von Andrew McGuire kreuzten. Er grinste wie ein Esel. Emily verdrehte die Augen und eilte aus dem Gebäude. Draußen angekommen lief sie zu den Fahrradständern, wo ihr rotes Bonanzarad schon wartete. Es gehörte einst einem älteren Jungen aus der Nachbarschaft, der es ihr schenkte, als er in seine eigene Bude zog. Vielleicht nicht mehr ganz in Mode, aber trotzdem cool. Gerade als sie das Fahrradschloss öffnete bemerkte sie Schritte hinter sich. Schritte, die sie kannte. Es war nicht das neue Mädchen, leider nicht. Selbst Pickel-Andrew wäre ihr lieber gewesen als die beiden Gestalten, deren forsche Schritte gerade ertönten.

"HEEEEY, Emily!"

Rebeccas Stimme klang so näselnd und affektiert, dass sie damit jede Darstellerin aus den Vormittags-Soaps übertraf. Ihre wasserstoffblond gefärbten Haare sahen aus wie ein Barbie-Chemieunfall, ihr Gesicht war stärker geschminkt als das von Joan Rivers. Hinter Rebecca stand Penny Robinson, eine ebenfalls blondgefärbte, aber weitaus natürlicher und sympatischer wirkende Mitschülerin. Sie war wie Jekyll und Hyde: Traf man sie alleine war sie so säuselnd freundlich und schleimig, als würden ihr gleich Glitzersternchen aus dem Arsch fliegen. Traf man sie jedoch mit Rebecca oder den anderen Zicken war sie ein kleines, fieses Frettchen. Sie lächelte, wirkte dabei aber falsch und hinterhältig.

"Rebecca, Penny" begrüßte Emily die beiden Mädchen, ohne sie auch nur anzusehen.

"Wir wollten dir nur sagen, dass unsere neue Schülerzeitung fertig ist! Willst du sie sehen?"

Ungefragt streckte ihr Penny ein schlecht getackertes Blättchen entgegen. Seitdem sie mit Rebecca für die neugegründete Schülerzeitungs-AG tätig war fühlte sie sich zur Journalistin berufen. Ziemlich lächerlich und kindisch für eine junge Frau, die bereits einen Führerschein besaß und einen von Papi finanzierten Cadillac fuhr.

"Es geht zum Beispiel um die neuesten Modetrends!" ergänzte sie lächelnd und deutete dabei auf ihre neue Bluse, die zugegebenermaßen weitaus besser aussah, als Emily gerne zugeben wollte.

"Wir dachten, das interessiert dich sicherlich!" ergänzte Rebecca mit einem freundlichen Lächeln, ohne dabei jedoch den gemeinen Unterton in ihrer Stimme zu verlieren.

"Wieso? Ich mag meine Klamotten!" antwortete Emily möglichst selbstsicher, nun mit dem Blick auf die Mädels gerichtet. Rebecca lachte affektiert auf.

"Jaa, sie sind schon OKAY. Aber du könntest doch mehr aus dir machen! Hier!"

Rebecca riss ihrem Schoßhündchen Penny eine Ausgabe der Zeitung aus der Hand und schlug eine Seite auf, in der Handtaschen abgebildet waren. Sie zeigte mit ihrem Finger auf ein besonders auffälliges Exemplar.

"Gucci!"

"Gesundheit!" erwiderte Emily trocken. Rebeccas Gesicht verwandelte sich kurz in eine arrogante Fratze, ehe sie wieder ihr Lächeln aufsetzte.

"Nimm einfach ein Exemplar und sag mir Morgen deine Meinung, ja?" schlug schließlich Penny vor, während sie Emily eine Zeitung in die Hände drückte. Sie gab sich wenigstens Mühe, ein bisschen freundlich und natürlich zu wirken.

"Okay. Danke euch!"

Ohne ein weiteres Wort zu sagen wandte sich Emily wieder ihrem Fahrrad zu. Die Mädels zogen davon, wahrscheinlich das nächste Opfer mit ihrem redaktionellen Bullshit nerven. Der Rektor hatte ihnen eigentlich schon bei der letzten Ausgabe gesagt, dass sie weniger Wert auf Beauty, anstatt auf Themen über die SCHULE in einer SCHÜLERzeitung legen sollten. Mit etwas Glück würde er das Projekt hoffentlich bald wieder einstellen. Es war eine Schande, dass Bäume für diesen Mist sterben mussten. Als Klopapier konnte man es auch nicht nehmen, viel zu hart. Wobei das graue Billig-Klopapier hier an der Schule auch nicht besser war. Fast so, als würde man sich mit einem Schleifkissen das Hinterteil abraspeln. Von der Vorderseite mal ganz abgesehen...