The Darkest Gold – Die Verräterin - Raven Kennedy - E-Book
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The Darkest Gold – Die Verräterin E-Book

Raven Kennedy

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Beschreibung

Gold kann blenden, Lügen können binden …  Band 2 der Fantasy-Erfolgsreihe. Ich bin meinem goldenen Käfig entkommen. Nach zehn Jahren hinter den Mauern von König Midas' Schloss konnte ich endlich die Freiheit kosten – nur um direkt wieder in Gefangenschaft zu geraten. Nun befinde ich mich in den Fängen eines feindlichen Königs, bin allein inmitten seiner Armee. Diese Armee wird angeführt von einem Mann, der für seine Grausamkeit und seine tödliche Effizienz auf dem Schlachtfeld bekannt ist. Und das ist noch nicht einmal das Schlimmste. Denn Kommandant Riss ist nicht einfach nur ein Mann. Er ist ein Fae, ebenso trügerisch wie verführerisch. Und er droht mein gefährlichstes Geheimnis zu entlarven … Für alle Fans von Jennifer L. Armentrout, Sarah J. Maas und Scarlett St. Clair.

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Seitenzahl: 525

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Raven Kennedy

The Darkest Gold – Die Verräterin

Roman

 

 

Aus dem Englischen von Anita Nirschl

 

Über dieses Buch

Ich bin meinem goldenen Käfig entkommen. Nach zehn Jahren hinter den Mauern von König Midas’ Schloss konnte ich endlich die Freiheit kosten – nur um direkt wieder in Gefangenschaft zu geraten. Nun befinde ich mich in den Fängen eines feindlichen Königs, bin allein inmitten seiner Armee. Diese Armee wird angeführt von einem Mann, der für seine Grausamkeit und seine tödliche Effizienz auf dem Schlachtfeld bekannt ist. Und das ist noch nicht einmal das Schlimmste. Denn Kommandant Riss ist nicht einfach nur ein Mann. Er ist ein Fae, ebenso trügerisch wie verführerisch. Und er droht mein gefährlichstes Geheimnis zu entlarven …

 

Düster, gefährlich und romantisch.

Der zweite Band der TikTok-Erfolgsserie, endlich auf Deutsch.

 

Dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Wenn du dich darüber informieren möchtest, findest du auf unserer Homepage unter www.endlichkyss.de/thedarkestgold2 eine Content-Note.

Vita

Raven Kennedy wurde in Kalifornien geboren. Ihre Liebe zum Lesen hat sie schließlich dazu gebracht, eigene Welten zu kreieren. Sie hat bereits mehrere Buchserien veröffentlicht, der Durchbruch gelang ihr mit der «The Darkest Gold»-Reihe, einer dunklen Neuinterpretation des König-Midas-Mythos. Die Romane haben sich mehr als eine Million Mal verkauft, die Übersetzungsrechte wurden in etliche Länder lizenziert, eine Verfilmung befindet sich in Vorbereitung. Weitere Informationen über die Autorin finden sich auf ihrer Homepage: www.ravenkennedybooks.com

 

Anita Nirschl träumte als Kind davon, alle Sprachen der Welt zu lernen, um jedes Buch lesen zu können, das es gibt. Später studierte sie Englische, Amerikanische und Spanische Literatur an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seit 2007 arbeitet sie als freie Übersetzerin und hat zahlreiche Romane ins Deutsche übertragen.

Impressum

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel «Glint».

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Juli 2023

Copyright © 2023 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg «Glint» Copyright © 2021 by Raven Kennedy

Published by Arrangement with RAVEN KENNEDY LLC

Redaktion Hendrik Lambertus

Kartenillustration © Markus Weber | Guter Punkt, München

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung ZERO Werbeagentur, München,

nach dem Original von Imagine Ink Designs

Coverabbildung Shutterstock

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-644-01608-8

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

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Die Nutzung unserer Werke für Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG behalten wir uns explizit vor.

Hinweise des Verlags

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Dieses E-Book ist nicht vollständig barrierefrei

 

 

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Dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Wenn du dich darüber informieren möchtest, findest du auf unserer Homepage unter www.endlichkyss.de/thedarkestgold2 eine Content-Note.

All jenen gewidmet, die keine Gitterstäbe sehen und sich dennoch eingesperrt fühlen.

Fliegt.

Kapitel 1

Königin Malina

Gold, so weit das Auge reicht.

Jeder Zentimeter von Burg Hohenläuten trägt seinen unverkennbaren Schein. Seit einem Jahrzehnt kommen die Leute aus allen Ecken Oreas hierher, nur um sich das Gebäude anzusehen. Die Burg wird gerühmt für ihre herrliche Pracht, und die Menschen sind stets beeindruckt von ihrem überwältigenden Glanz.

Aber ich erinnere mich noch, wie die Burg früher war. Ich erinnere mich an das Schiefergrau der Zinnen und die eisernen Flügel des Burgtors. Ich erinnere mich daran, dass ich Gewänder in jedem erdenklichen Farbton besaß und die Teller auf den Tafeln weiß waren, passend zur Haarfarbe der Coliers. Erinnere mich daran, dass die Glocke im Turm aus Kupfer war, ihr Klang hell und klar.

Gegenstände, die einst federleicht waren, müssen nun von mehreren Männern angehoben werden. Dinge, die einmal von ihrem Alter und ihrer Geschichte gezeichnet waren, glänzen nun wie neu. Selbst die Rosen im Atrium wurden goldgeküsst, sodass sie nie wieder eine neue Knospe sprießen lassen oder die Luft mit ihrem Duft erfüllen.

Ich bin auf Hohenläuten aufgewachsen. Ich kannte jeden rauen Stein und jede Treppenstufe, kannte selbst die dunkle Holzmaserung der Fensterrahmen. Ich kann mich immer noch daran erinnern, wie sich der Thron meines Vaters anfühlte, zusammengefügt aus Stein und Diamanten, die man in den Bergen im Osten abgebaut hatte.

Manchmal wache ich mitten in der Nacht auf, umfangen von meinen goldenen Laken, und weiß nicht mehr, wo ich bin. Ich erkenne diesen Ort nicht wieder – nicht so, wie er jetzt ist.

An den meisten Tagen erkenne ich mich nicht einmal mehr selbst wieder.

Die Würdenträger, die zu Besuch kommen, schwelgen in all dem glamourösen Glanz. Sie staunen ehrfürchtig über die Präzision, mit der jede einzelne Oberfläche verwandelt wurde, und feiern Midas’ Macht.

Aber ich vermisse es, wie Hohenläuten früher aussah.

Jeden grauen Winkel, jeden ungehobelten Stuhl, sogar die hässlichen blauen Wandteppiche, die in meinem alten Schlafgemach hingen. Es ist erstaunlich, welche Dinge man vermisst, sobald sie einem genommen werden.

Ich wusste, dass ich der Herrschaft über das Sechste Königreich schmerzlich nachtrauern würde, als ich darin einwilligte, zu heiraten. Ich wusste, dass ich um meinen Vater trauern würde, als er starb. Ich wusste sogar, dass es mir fehlen würde, mit meinem alten Namen und Titel angesprochen zu werden: Prinzessin Malina Colier.

Aber ich hätte nie erwartet, dass ich den Palast selbst vermissen würde. Das konnte ich einfach nicht vorhersehen. Und dennoch wurde Raum für Raum, Gegenstand für Gegenstand alles vor meinen Augen verändert, bis hin zu jedem einzelnen Kissen, jedem einzelnen Weinglas.

Anfangs war es aufregend, das kann ich nicht leugnen. Ein goldenes Schloss in den gefrorenen Bergen – das war wie in einem Märchen. Und ich hatte einen König, der mich zu einer Königin machte. Ich war eine Ehe eingegangen und konnte hierbleiben, in meinem Zuhause, um meine königliche Blutlinie fortzuführen.

Aber hier sitze ich nun, in meinem vergoldeten Salon, und all meine naiven Hoffnungen liegen längst hinter mir. Ich habe keine Erben, keine Familie und keine Magie. Zwischen mir und meinem Gemahl besteht keine echte Partnerschaft, und den Ort, an dem ich aufgewachsen bin, erkenne ich schon lange nicht mehr wieder.

Ich bin umgeben von Reichtum, der keinen Wert für mich besitzt.

Diese Burg, dieser Ort, an dem meine Mutter mich gebar, an dem mein Vater und mein Großvater herrschten, an dem all meine liebsten Erinnerungen wohnen, ist mir fremd geworden. Er birgt keinen Trost, keine anregende Abwechslung und ganz gewiss keine Märchen.

Die Leute sind geblendet von seinem Glanz, wohingegen meine Augen jeden einzelnen Kratzer in den goldenen Oberflächen der Fußböden und Wände sehen. Ich bemerke jede noch so kleine Stelle, wo sich das weiche Metall abgenutzt und verformt hat. Ich entdecke die Winkel, die von den Dienstboten nicht poliert wurden, ich registriere jedes Einrichtungsstück, dessen Schimmer stumpf geworden ist.

Gold mag zwar glänzen, aber es überdauert nicht die Zeit. Es reibt sich ab, verliert seinen Glanz, wird nichts als eine leicht verformbare und schwer zu pflegende Oberfläche.

Ich verabscheue es. Genauso, wie ich ihn inzwischen verabscheue.

Meinen berühmten Gemahl. Die Leute beugen vor ihm das Knie und nicht vor mir. Ich mag zwar keine Magie besitzen, doch mein Groll hat seine ganz eigene Macht.

Tyndall wird es noch bereuen. Jedes einzelne Mal, als er mich beiseitegeschoben hat; dass er mich stets unterschätzt hat, mir mein Königreich weggenommen hat.

Für all das werde ich ihn bezahlen lassen – allerdings nicht mit Gold.

«Möchtet Ihr, dass ich Euch etwas vorsinge, Eure Majestät?»

Mein Blick schnellt zu dem Höfling, der mir gegenübersitzt. Er ist jung, vermutlich erst um die zwanzig, hübsch anzusehen und angenehm anzuhören. Eigenschaften, die alle meine Höflinge teilen.

Ich verabscheue sie ebenfalls.

Sie summen wie Ungeziefer, während sie dekorativ angerichtete Speisen verzehren und dabei die Luft mit ihrem geistlosen Geschwätz erfüllen. Egal, wie sehr ich auch herumfuchtele und nach ihnen schlage, sie schwärmen immer wieder um mich herum.

«Möchtet Ihr denn singen?», entgegne ich. Das ist, ehrlich gesagt, eine überflüssige Frage, denn …

Sein Lächeln wird breiter. «Ich möchte das tun, was auch immer meine Königin erfreut.»

Eine verlogene Antwort von einem verlogenen Menschen.

Das ist es, was all diese Höflinge sind. Heuchler. Klatschmäuler. Mir an die Seite gegeben, um mich zu zerstreuen und zu unterhalten. Als wenn ich ein einfältiges, törichtes Weib wäre, das den ganzen Tag über geistlose Vergnügungen braucht.

Aber Tyndall ist fort – davongerauscht zum Fünften Königreich, wo sich die Leute zweifellos dem Goldenen König vor die Füße werfen werden. Midas wird das ungemein gefallen, und mir ist das nur recht.

Denn während er dort ist, bin ich hier. Zum ersten Mal bin ich in Hohenläuten, ohne seine protzige Gegenwart ertragen zu müssen.

Das ist wie ein Zeichen der großen Göttlichkeit! Kein Gemahl, dem ich mich fügen muss. Kein König, vor dem ich mich verbeugen muss. Kein goldenes Püppchen an seiner Seite, die fleischgewordene Goldgier, um von der Hässlichkeit seiner Lügen abzulenken.

Das ist meine Chance.

Tyndall ist fort und damit beschäftigt, sich das Fünfte Königreich unter den Nagel zu reißen. Dadurch bietet sich mir eine besondere Gelegenheit, und ich werde sie nicht vergeuden.

Ich mag die Mauern dieser Burg zwar nicht mehr wiedererkennen, aber sie gehört immer noch mir.

Noch immer habe ich dieselbe Ambition wie damals, als ich ein junges Mädchen war, bevor sich zeigte, dass ich keine Magie besitze. Und bevor mein Vater mich Tyndall gab, geblendet vom Glanz seines Goldes.

Doch mich kann das Gold nicht blenden. Nicht mehr.

Denn mein Traum, meine Bestimmung, mein Recht war es immer, über Hohenläuten zu herrschen.

Und nicht, mich einem Gemahl zu unterwerfen. Nicht, beiseitegeschoben zu werden oder wie ein verhätschelter Schwächling behandelt zu werden. Tyndall Midas hat alles mit seiner Berührung besudelt, mein ganzes Leben mit seinem Glanz getrübt.

Und ich habe es zugelassen. Mein Vater hat es zugelassen. Dieses ganze verdammte Königreich hat es zugelassen.

Aber ich habe genug davon.

Ich habe genug davon, in einem weichen Sessel zu sitzen, alberne Taschentücher zu besticken und ekelhaft süßen Kuchen zu essen, während die Höflinge darüber schwatzen, welches Kleid die und die getragen hat, einfach nur, weil sie sich selbst gerne reden hören.

Ich habe genug davon, die stumme, kalte Königin zu sein, die wie festgefroren an ihrem Platz verharrt.

Tyndall ist fort, und zum ersten Mal, seit ich Königin geworden bin, kann ich tatsächlich eine Königin sein.

Und das werde ich auch.

Mein ganzes Leben lang habe ich eine Krone getragen, doch nun werde ich endlich ihre Macht ausüben.

Kapitel 2

Auren

Der Schnee unter den hölzernen Rädern der Kutsche ist ebenso aufgewühlt wie mein Magen.

Jede Umdrehung schleudert eine weitere Erinnerung vor mein geistiges Auge, ein endloser Kreislauf, der mich unablässig bombardiert, wie Geier, die Aas vom Himmel fallen lassen.

Der Tod klebt an mir.

Ich wollte so sehr meinen Käfig verlassen. Ungehindert in Midas’ Burg umherstreifen können. Meine Langeweile und Einsamkeit waren wie ein klaffendes Gähnen. Ich konnte nicht sprechen, konnte nicht schlucken, konnte die Lippen nicht schließen. Mein Mund hat sich immer weiter geöffnet, während ich wünschte und hoffte, dass endlich ein tiefer Atemzug in meine Lunge strömen und mich aus dem immer festeren Würgegriff meiner Gitterstäbe befreien würde.

Doch jetzt …

… klebt Blut an meinen Händen, auch wenn kein Rot meine Haut verfärbt. Aber ich spüre es dort, wann immer ich meine Fingerspitzen berühre, als wäre die Wahrheit in die Schicksalslinien meiner Handflächen eingegraben.

Meine Schuld. Segls Tod, Nissas Leid, Digbys Verschwinden, all das ist meine Schuld.

Mein Blick wandert hinauf zum wolkenverhangenen Himmel, obwohl ich den Schleier aus Weiß und Grau nicht wirklich sehen kann. Stattdessen rieseln diese unerbittlich wirbelnden Erinnerungen hinter meinen Schläfen weiter hinab, sammeln sich hinter meinen Lidern an.

Ich sehe Digby davonreiten, seine immer kleiner werdende Gestalt eingeklemmt zwischen einem schwarzen Himmel und einem weißen Erdboden. Ich sehe, wie rote Flammen aus den Pfoten der Feuerklauen lodern, wie pulvriger Schnee unter den Schiffen der Piraten aufgewirbelt wird, den Wellen eines gefrorenen Meers gleich. Ich sehe Nissa weinen, Kapitän Fane über ihr, einen Gürtel in der Hand.

Aber vor allem sehe ich Segl vor mir. Ich sehe, wie der Dolch des Kapitäns sich in sein Herz bohrt wie eine Spindel in einen Finger, wie sein Blut in roten Fäden hervorquillt, sich zu einer Lache auf der Erde spinnt.

Ich kann immer noch den Schrei spüren, der in mir aufstieg, als sein Körper zusammensackte, aufgefangen von meinen Händen und der bitteren Umarmung des Todes.

Meine Kehle ist roh und wund von dieser Nacht, die niemals enden wollte. Zuerst schrie sie klagend auf vor Kummer und Entsetzen, dann wurde sie zugeschnürt, jeder Hoffnung auf Atem beraubt. Das war, als die Roten Räuber Segls Leiche an den Mast des Schiffs knüpften und eine grausame Farce aus seinem Namen machten, indem sie ihn als Segel ihres segellosen Schiffes hissten.

Ich werde nie vergessen, wie sein steifer Körper dort hing, wie Wind und Schnee auf seine glasig starrenden blauen Augen einprasselten.

Genau wie ich nie vergessen werde, wie ich seine Leiche mit jedem Quäntchen meiner Kraft über Bord gewuchtet habe, damit die Piraten ihn nicht weiter schänden konnten.

Meine schmerzenden Bänder pochen bei der Erinnerung daran, wie ich die Taue durchschnitten habe, die ihn hielten, wie ich seinen kalten Leichnam über die rauen, hölzernen Planken zerrte.

Er war der erste Freund, den ich in zehn Jahren hatte. Und ich durfte nur für so kurze Zeit mit ihm zusammen sein, bevor ich zusehen musste, wie er direkt vor meinen Augen brutal ermordet wurde.

Dieses Ende hat er nicht verdient. Er verdient kein namenloses Grab in der Leere des Ödlands, begraben von einem Meer aus Schnee.

Alles wird gut, es wird gut, alles gut.

Ich kneife die Augen zu, als seine Stimme in meinen Ohren widerhallt und mir mitten ins Herz sticht. Er hat versucht, mich zu beruhigen, hat versucht, mir Mut und Hoffnung zu schenken, aber wir beide kannten die Wahrheit. Sobald meine Kutsche sich überschlagen hatte und die Roten Räuber uns gefangen nahmen, würde gar nichts mehr gut werden.

Er wusste das, und trotzdem versuchte er, mich zu verteidigen, mich zu beschützen, bis zu seinem letzten Atemzug.

Ein quälendes Schluchzen steigt in meiner Kehle auf und verheddert sich mit dem Schmerz dort, wie ein Faden, der an einem Nagel hängen bleibt. Meine goldenen Augen brennen, als eine weitere salzige Träne über meine vom Wind raue Wange rollt.

Vielleicht werde ich bestraft von der großen Göttlichkeit – der Gesamtheit aller Götter und Göttinnen dieser Welt. Vielleicht ist das, was geschehen ist, eine Warnung, dass ich zu viel auf einmal wollte. Dass ich nicht vergessen darf, wie viele Schrecken es in der Welt da draußen gibt.

Ich war in Sicherheit. Auf dem Gipfel eines eisverkrusteten Berges, hoch oben in einem goldenen Schloss in meinem goldenen Käfig war ich vollkommen sicher. Aber ich wurde unzufrieden. Gierig. Undankbar.

Das habe ich nun davon. Das alles hier ist meine Schuld. Weil ich diese hochtrabenden Gedanken hatte, weil ich noch mehr wollte, als ich ohnehin schon hatte.

Ich spüre, wie meine geschwächten Bänder beben, als wollten sie sich heben und meine geschwollene Wange streicheln, als wollten sie mir Trost spenden.

Aber den verdiene ich nicht. Segl wird nie wieder Trost bei seiner Mutter finden. Nissa wird keinen Trost in den Armen der Männer finden, mit denen sie für Geld schlafen muss. Und Midas wird ganz gewiss keinen Trost finden, jetzt, wo eine Armee auf ihn zumarschiert.

Draußen ziehen die Soldaten des Vierten Königreichs durch den Schnee, eine dunkle Heeresmacht, die über das weite Ödland marschiert – ein Strom aus schwarzem Leder und schlanken, schwarzen Pferden, der sich durch das Land ewiger Kälte voranfrisst.

Ich verstehe nun, warum ganz Orea die Armee von König Ravinger fürchtet – von König Fäule. Das liegt nicht nur an seiner Magie; auch die Soldaten an sich sind schon ein furchterregender Anblick, selbst wenn sie noch nicht ihre volle Schlachtrüstung tragen.

Doch nicht so furchterregend wie der Kommandant, der sie anführt.

Von Zeit zu Zeit erhasche ich einen Blick auf ihn, wie er draußen auf seinem Pferd reitet. An seinem Rücken zieht sich eine Reihe gekrümmter, dornartiger Stacheln entlang, wie grausam herabgezogene Mundwinkel. Schwarze Augen, die bodenlosen Gruben gleichen, warten darauf, jeden zu verschlingen, der es wagt, in sie hineinzublicken.

Fae.

Ein reinblütiger Fae direkt vor aller Augen. Nicht im Verborgenen, sondern an der Spitze der Armee eines grausamen Königs.

Unser Gespräch geht mir erneut durch den Kopf und lässt meine Handflächen feucht werden, lässt meine Hände zittern.

Ich weiß, was du bist.

Lustig. Dasselbe wollte ich gerade zu dir sagen.

Mein Verstand geriet ins Stocken, als er diese Worte aussprach, und ich starrte ihn mit offenem Mund an wie ein Fisch, der nach Luft schnappt. Er schmunzelte nur, wobei er flüchtig seine scharfen Fangzähne aufblitzen ließ. Dann wies er mit einem schroffen Nicken zu dieser Kutsche und ließ mich hineinsperren.

Aber ich bin es gewohnt, weggesperrt zu werden.

Schon seit Stunden bin ich hier drin. Ich bange und grüble, allein mit meinen Tränen und rauen Atemzügen, während ich versuche, mit dem Verstand all das zu erfassen, was geschehen ist.

Und vor allem erlaube ich mir, mich gehen zu lassen, solange niemand hier ist, der es sehen könnte.

Ich bin nicht so dumm, vor den Soldaten da draußen Schwäche zu zeigen, besonders nicht vor ihrem Kommandanten.

Also lasse ich jetzt alle Gefühle zu, im Schutz dieser hölzernen Wände, lasse meine Emotionen fließen, lasse die verzweifelte Frage Was nun? durch meinen Kopf kreisen.

Denn eines weiß ich: Sobald die Kutsche für die Nacht anhält, kann ich es mir nicht mehr leisten, auch nur eine Spur meiner Verletzlichkeit durchschimmern zu lassen.

Also sitze ich nun da.

Ich sitze da und ich sehe aus dem Fenster, mit wirbelnden Gedanken, schmerzendem Körper, fließenden Tränen, während ich sanft die Knoten aus meinen armen, misshandelten Bändern zupfe.

Die goldenen, seidigen Stränge, die rechts und links meines Rückgrats wachsen, fühlen sich zerrissen an. Sie schmerzen und brennen, wo Kapitän Fane sie brutal verknotet hatte. Jede Berührung lässt sie zusammenzucken, sodass ich die Zähne aufeinanderpresse.

Ich brauche Stunden dafür, schwitzend und zitternd mit schmerzverzerrtem Gesicht, doch es gelingt mir schließlich, die Knoten zu lösen.

«Endlich», murmele ich, als ich das letzte Band ablege.

Ich straffe die Schultern. Dabei kneift die Haut entlang meines Rückgrats, dem die Bänder entsprießen, zwölf auf jeder Seite, von der Höhe meiner Schulterblätter bis knapp über dem Ansatz meines Pos.

Ich breite alle vierundzwanzig Stränge aus, so gut ich es in diesem beengten Raum eben kann, und streiche sie mit sanften Berührungen glatt, in der Hoffnung, den Schmerz ein wenig zu lindern, der in ihnen pocht.

Sie sehen verknittert und schlaff aus, wie sie auf der Sitzbank und dem Boden der Kutsche liegen. Sogar ihr goldener Schimmer ist getrübt, wie angelaufenes Gold, das dringend poliert werden müsste.

Ich stoße einen zitternden Seufzer aus. Meine Finger sind wund von der langen Zeit, die ich gebraucht habe, um jeden einzelnen Knoten aufzuknüpfen. Noch nie haben meine Bänder so schlimm wehgetan. Ich bin es gewohnt, sie zu verstecken und geheim zu halten. Darum habe ich sie noch nie so eingesetzt wie auf dem Piratenschiff, und das macht sich bemerkbar.

Während ich meinen Bändern Ruhe gönne, nutze ich das letzte graue Tageslicht, um den Rest meines Körpers zu untersuchen. Meine Schultern und mein Kopf schmerzen noch immer davon, wie ich in der sich überschlagenden Kutsche herumgeschleudert wurde und wie die Roten Räuber mich herauszerrten und gefangen nahmen.

Außerdem habe ich eine kleine Platzwunde an meiner Unterlippe, aber die bemerke ich kaum. Viel schlimmer schmerzt meine Wange, wo mich Kapitän Fane geschlagen hat, und meine Seite, wo er mich in die Rippen getreten hat. Ich glaube nicht, dass etwas gebrochen ist, doch jede Bewegung lässt mich mit zusammengebissenen Zähnen den Atem einziehen.

Ein nagendes Gefühl in meinem Magen erinnert mich daran, dass er leer ist, während mein Mund vor Durst schon ganz trocken ist. Aber vor allem spüre ich, wie unglaublich entkräftet ich bin.

Die Erschöpfung ist wie eine Eisenkette, die sich um meine Knöchel schlingt, meine Handgelenke fesselt, schwer auf meinen Schultern lastet. Meine Kraft und Energie sind fort, als hätte jemand einen Stöpsel aus meinem Rücken gezogen und alles herausfließen lassen.

Der Silberstreif, das Gute daran? Zumindest bin ich am Leben. Zumindest bin ich den Roten Räubern entkommen. Ich muss nicht erdulden, was auch immer der Quartiermeister mit mir vorhatte, als ihm das Verschwinden des Kapitäns auffiel. Der Quartiermeister ist kein Mann, den man zum Entführer haben will.

Meine neue Eskorte ist alles andere als ideal, doch wenigstens bin ich auf dem Weg zu Midas – auch wenn ich nicht weiß, was geschehen wird, sobald wir dort ankommen.

Durchs Kutschfenster beobachte ich, wie dunkle Hufe den Schnee aufwirbeln, wie die Reiter stolz im Sattel sitzen, während sie dahinziehen.

Ich muss jetzt stark sein.

Ich bin die Gefangene der Armee des Vierten Königreichs, und da wird es keinen Platz für Zerbrechlichkeit geben. Ich weiß nicht, ob die Knochen in meinem Körper ebenso aus Gold sind wie der Rest von mir, aber um meinetwillen hoffe ich es. Ich hoffe, dass ich eine goldene Wirbelsäule habe, denn ich werde ein starkes Rückgrat brauchen, wenn ich überleben will.

Ich schließe die Augen und presse die Fingerspitzen auf meine Lider, um das Brennen fortzureiben. Doch so müde ich auch bin, ich kann nicht einschlafen. Ich entspanne mich nicht. Ich kann es einfach nicht. Nicht, solange der Feind da draußen marschiert und diese schrecklichen Erinnerungen über meinem Kopf schweben.

War es wirklich erst gestern Morgen, dass Segl noch am Leben war? Dass Digby seinen Männern schroffe Befehle zurief? Mir scheint es so, als wäre das alles schon Wochen, Monate, Jahre her.

Die Zeit verändert sich durch Pein. Sie zieht sich hin, verlängert die Sekunden, zögert die Minuten hinaus. Ich musste lernen, dass Schmerz und Angst dazu neigen, sich auszudehnen. Und als ob das nicht grausam genug wäre, lässt unser Verstand uns diese Momente immer und immer wieder durchleben, lange nachdem sie vergangen sind.

Was für ein Bastard die Zeit doch ist.

Ich weiß, dass ich einen Teil von mir auf diesem Piratenschiff zurückgelassen habe. Ich habe genug erlebt, um das Gefühl einer empfindlichen Wunde zu erkennen, die zurückbleibt, um zu schmerzen.

Jeder Kummer, den ich in meinem Leben erdulden musste, jeder quälende Schmerz hat einen Teil von mir fortgerissen. Ich habe jedes einzelne Stück von mir gespürt, das mir genommen wurde. Habe gesehen, wo es hinter mir wie ein Brotkrumen auf den Weg meiner Vergangenheit fiel, nur um von wilden Raubvögeln aufgepickt zu werden.

Auf Hohenläuten haben die Leute manchmal eine wochenlange Anreise in Kauf genommen, nur um mich anzuschauen. Midas ließ mich dann im Thronsaal neben sich stehen, während sie glotzten.

Aber egal, wie lange ich dort auf dem Podest stand, um von ihnen betrachtet zu werden – niemand hat mich jemals wirklich gesehen. Wenn sie es getan hätten, dann hätten sie gewusst, dass ich einfach nur ein Mädchen bin, mit schartigen Rissen und tiefen Löchern in ihrem Innern, mit goldener Haut, die ein gebrochenes Herz verbirgt.

Meine Augen brennen, und ich würde wohl wieder weinen, wenn ich noch Tränen übrig hätte. Doch ich schätze, die sind ebenfalls erschöpft.

Ich habe keine Ahnung, wo die anderen Sättel oder die Wachen sind, und ich habe keine Ahnung, was der Kommandant mit mir vorhat. Aber ich bin keine Närrin. König Fäule hat seine mächtige Armee ins Fünfte Königreich geschickt, um gegen Midas ins Feld zu ziehen, und ich fürchte um meinen König ebenso sehr wie um mich selbst.

Ich erschaudere, als schließlich der letzte Strahl Sonnenlicht verblasst, um unter der Decke des Horizonts eingehüllt zu werden. Der Tag ist nun offiziell zu Ende, und ich zwinge mich, meine Gefühle wegzusperren.

Nun, da sich die Dämmerung in das Versprechen der Nacht verwandelt, kommt die Kutsche jäh zum Stillstand. Auf dieser Seite der Welt von Orea pflegt sich die Nacht schnell und brutal herabzusenken. Es ist also kein Wunder, dass die Armee des Vierten beginnt, ihr Lager aufzuschlagen.

Ich verbleibe in der unbeweglichen Kutsche und lausche den Geräuschen der Soldaten. Auf beiden Seiten blockieren Pferde mir die Sicht, sodass ich durch die Fenster nicht viel erkennen kann. Nichts als schattenhafte Gestalten, die eilig bei ihren Verrichtungen umherhuschen.

Nachdem ich fast eine halbe Stunde gewartet habe, werde ich langsam unruhig. Ich habe das dringende Bedürfnis, mich zu erleichtern. Mein Körper rebelliert, Hunger und Durst lassen sich nicht länger ignorieren. Erschöpfung schwappt gegen meine Glieder wie die aufgewühlte See, die mich in die Tiefe ziehen will.

Ich möchte einfach nur schlafen. Einschlafen und nicht mehr aufwachen, bis alles aufgehört hat, wehzutun – körperlich wie emotional.

Noch nicht, ermahne ich mich. Ich darf mich noch nicht ausruhen.

Ich kneife mich in den Arm, um meine Sinne zum Wachbleiben zu zwingen. Meine Ohren versuchen, die vielen Geräusche draußen auseinanderzuhalten, während das letzte Licht verblasst und die Nacht sich schwer über mich legt wie eine kühle Decke.

Mein Kopf sinkt an die Wand der Kutsche zurück, und ich schließe für einen Moment die Augen. Nur für einen Moment, sage ich zu mir. Nur um das Feuer zu löschen, das in meinen geschwollenen Augen brennt, nur um meine vielen Schmerzen ein wenig zu lindern.

Nur für einen Moment …

Jäh fahre ich hoch und reiße die Augen auf. Ein Schlüssel wird ins Schloss gesteckt und geräuschvoll herumgedreht.

Die Kutschentür schwingt plötzlich auf, und ich schnappe nach Luft. Er ist da. Drohend steht er im Schutz der Dunkelheit, starrt mit seinen unergründlich tiefen Augen auf mich herab.

Kommandant Riss.

Kapitel 3

Auren

Mit angehaltenem Atem, angespannt und wachsam, beobachte ich den Kommandanten. Wage es nicht, zu blinzeln. Gleich werde ich herausfinden, was es wirklich bedeutet, seine Gefangene zu sein.

Meine Gedanken wirbeln durcheinander. Endlose Möglichkeiten zucken eine nach der anderen durch meinen Kopf, während ich versuche, mich zu wappnen.

Wird er mich an den Haaren packen und hinauszerren?Wird er mir drohen, mich misshandeln? Wird er mich zwingen, mich auszuziehen, damit er das Gold auf jedem Zentimeter meiner Haut sehen kann? Wird er mich seinen Soldaten überlassen? Werde ich in Ketten gelegt werden?

Ängstlich achte ich darauf, dass man mir meine Gedanken nicht vom Gesicht ablesen kann. Ich wage es nicht, einen Hinweis auf die Befürchtungen zu geben, die in meinem Schädel rumoren.

All den Kummer, all die Sorgen wickle ich ein wie altes Garn auf eine Spule, stecke jeden ausgefransten Faden weg. Denn falls ich ihm meine Angst zeige, falls ich diesem Mann meine Schwäche enthülle, wird er all diese Fäden packen. Wird an ihnen reißen und mich vollständig auflösen.

Dränge die Schwäche zurück. Und die Stärke wird sich erheben …

Diese alten, fast vergessenen Worte steigen aus dem Nichts empor, als habe mein Verstand sie für mich aufgehoben – bereit, sie hervorzuholen, wenn ich sie am dringendsten brauche.

Plötzlich erinnere ich mich daran, wie sie einst an meinem Ohr geraunt wurden, leise, aber mit stählerner Schärfe.

Sie hallen nun in mir wider, und das hilft mir, meine Schultern zu straffen. Hilft mir, trotzig das Kinn zu recken, um mich dem Kommandanten zu stellen.

Er hat sich den Helm unter den Arm geklemmt, und sein schwarzes Haar ist leicht zerzaust von den langen Stunden, die er ihn getragen hat. Ich nehme sein blasses Gesicht in mich auf, die kurze Reihe winziger, stumpfer Stacheln über jeder dunklen Augenbraue. Seine bedrohliche Aura durchtränkt die Luft, überzieht meine Zunge wie Zuckerguss, verstopft jede Geschmacksknospe.

Sie schmeckt nach Macht.

Ich frage mich, wie die Leute reagieren würden, wenn sie wüssten, was er wirklich ist. Kein Mann mit entfernten Fae-Vorfahren, deren Magie in kleinen Resten durch seine Adern fließt. Auch nicht jemand, dessen Körper von König Fäule verdorben und verwandelt wurde. Und gewiss nicht einfach nur irgendein Heerführer, der es genießt, seinen Feinden in blutrünstiger Raserei die Köpfe abzureißen.

Nein, er ist etwas Tödlicheres. Etwas Furchterregenderes. Ein reinblütiger Fae, unerkannt vor aller Augen.

Würden sie vor Angst davonlaufen, wenn sie die Wahrheit wüssten? Oder würden sie sich gegen ihn erheben, wie es die Oreaner vor Hunderten von Jahren taten – ihn töten, wie sie all die Übrigen getötet haben?

Einige Fae setzten sich in dieser dunklen Zeit zur Wehr, aber sie waren in der Unterzahl, und selbst mit ihrer überlegenen Magie war der Kampf vergeblich. Und manche Fae wollten auch einfach nicht kämpfen. Sie wollten nicht die Menschen töten, die sie als ihre Freunde, Geliebten, Familienmitglieder betrachteten.

Aber ein einziger Blick genügt, um zu wissen, dass Kommandant Riss kämpfen würde. Er würde kämpfen, und Orea würde verlieren.

Es mag Hunderte von Jahren her sein, dass Orea und Annwyn – das Reich der Fae – auseinandergespalten wurden, aber dennoch bin ich schockiert, dass niemand weiß, niemand sieht, was er wirklich ist. Dabei ist das für mich so unglaublich offensichtlich.

Riss mustert mich eindringlich, und ich erkenne, dass ich nicht die Einzige bin, deren Verstand arbeitet, während wir einander schweigend betrachten. Urteilend, analysierend, abwägend.

Neugier regt sich in mir. Ich frage mich, wie Kommandant Riss hierhergelangt ist, was seine Ziele sind. Ist er einfach nur König Ravingers gedungener Wachhund, an die Leine gelegt, um knurrend nach Feinden zu schnappen? Oder verfolgt er eine andere Absicht?

Kalt beurteilt er jeden Zentimeter von mir, während ich dasitze, gefangen in der Enge der Kutsche. Ich kann sehen, wie er sich im Geiste Notizen macht. Mit aller Kraft bemühe ich mich, nicht unruhig herum zu wackeln, mich nicht unter seinem Blick zu winden.

Seine Augen bleiben an meiner geschwollenen Wange und an der aufgeplatzten Lippe hängen, dann wandern sie hinunter zu meinen zerknitterten Bändern, die um mich herum ausgebreitet liegen. Mir gefällt sein Interesse an ihnen nicht. Wann immer er sie anschaut, habe ich den Drang, sie zu verstecken. Ich hätte sie mir um den Körper gewickelt, um sie zu verbergen, wenn sie nicht so wund wären.

Als er endlich mit seiner Einschätzung fertig ist, hebt er seine schwarzen Augen, um in meine zu blicken. Ich spanne mich an. Rechne damit, dass er mich jetzt hinauszerrt, Befehle bellt oder Drohungen ausstößt. Aber er sieht mich nur weiter an, als warte er auf etwas.

Falls er will, dass ich zusammenbreche oder weine oder um Gnade flehe – nun, darauf kann er lange warten. Ich werde nicht dem Druck nachgeben, den er durch seine prüfenden Blicke ausübt, werde nicht an seinem durchdringenden Schweigen zerbrechen. Wenn es sein muss, bleibe ich die ganze verdammte Nacht hier sitzen.

Leider scheint mein Magen nicht über denselben sturen Willen zu verfügen wie ich, denn genau in diesem Moment gibt er ein abscheulich lautes Knurren von sich.

Bei dem Geräusch werden die Augen des Kommandanten schmal, als wäre das eine persönliche Beleidigung. «Ihr seid hungrig.»

Wenn ich nicht so verängstigt wäre, würde ich die Augen verdrehen. «Natürlich bin ich hungrig. Ich habe den ganzen Tag in dieser Kutsche verbracht, und es ist nicht so, als hätten uns die Roten Räuber ein verschwenderisches Mahl bereitet, nachdem sie uns gefangen genommen haben.»

Falls ihn mein respektloser Tonfall überrascht, lässt er es sich nicht anmerken.

«Der Goldfink hat einen ziemlich spitzen Schnabel», murmelt er, während seine Augen über die Federn am Ärmel meines Mantels huschen.

Bei dem Spitznamen versteife ich mich verärgert.

Er hat etwas an sich, das mich wütend macht. Oder womöglich habe ich etwas an mir nach der Hölle, die ich durchmachen musste. Vielleicht sind es die Umstände, vielleicht prallen auch unsere gegensätzlichen Wesensarten aufeinander. Jedenfalls überschattet Wut all meine anderen Gefühle. Ich versuche, meine Reaktion runterzudrücken wie die Feder einer Mausefalle, aber sie will sich einfach nicht festhaken lassen.

Ich sollte gleichmütig bleiben, unangreifbar. Ein Fels inmitten seines tosenden Stroms. Schließlich stecke ich gerade tief in einer unkontrollierbaren Situation, verwundbarer denn je, und ich kann es mir nicht leisten, von meinen Gefühlen davongerissen zu werden.

Der Kommandant neigt den Kopf. «Ihr werdet in dem Zelt gleich dort drüben bleiben», sagt er und zeigt dabei mit seiner Hand nach links. «Man wird Euch Essen und Wasser bringen. Die Latrine befindet sich am Rand des Lagers im Westen.»

Ich warte auf weitere Anweisungen, auf Drohungen oder Gewalt, aber es kommt nichts dergleichen. «Das ist alles?», frage ich misstrauisch.

Er legt den Kopf schief, eine so überaus Fae-hafte Geste, und ich kann einen Blick auf den obersten Stachel zwischen seinen Schulterblättern erhaschen. «Was hattet Ihr denn erwartet?»

Meine Augen werden schmal. «Ihr seid der gefürchtetste Heerführer von ganz Orea. Ich gehe davon aus, dass Ihr Euch diesem Ruf entsprechend verhaltet.»

Sobald die Worte aus meinem Mund gekommen sind, lehnt er sich plötzlich vor, die Arme auf den Rahmen der Kutsche gestützt. Die gefährlichen Stacheln an seinen Unterarmen treten deutlich hervor. Die schwach ausgeprägten, grau schillernden Schuppen an seinen Wangenknochen schimmern auf wie das Blitzen einer silbernen Klinge – eine deutliche Warnung.

Der Atem bleibt mir in der Brust stecken wie Sirup und verklebt meine Kehle.

«Offenbar kennt Ihr bereits den Charakter der Person, in deren Gewahrsam Ihr Euch befindet. Also werde ich Eure Zeit nicht damit verschwenden, Euch irgendetwas zu erklären», sagt Riss mit leiser Stimme, jedes Wort durchzogen von kalter Schärfe. «Ihr scheint eine intelligente Frau zu sein. Ich muss Euch demnach nicht sagen, dass Ihr nicht von hier fortgehen könnt. Ihr würdet da draußen auf Euch allein gestellt erfrieren. Und ich würde Euch ohnehin finden.»

Mein Herz galoppiert in meiner Brust, denn sein Versprechen grenzt an eine Drohung.

Ich würde Euch finden.

Nicht seine Soldaten würden mich finden, sondern er persönlich. Ich hege keinerlei Zweifel daran, dass er mich jagen und das gesamte Ödland absuchen würde, falls ich zu fliehen versuchte. Und bei meinem Glück würde er mich auch tatsächlich finden.

«König Midas wird Euch dafür töten, dass Ihr mich gefangen haltet», antworte ich darauf, obwohl mein Körper mit aller Gewalt vor ihm zurückweichen will, vor seiner überwältigenden Präsenz, die das Innere der Kutsche ganz ausfüllt.

Einer seiner Mundwinkel krümmt sich wie seine gebogenen Stacheln. «Ich freue mich auf den Versuch.»

Bei seiner Arroganz dreht sich mir der Magen um. Aber das Problem ist: Ich weiß, dass seine Großspurigkeit begründet ist. Selbst ohne die mächtige, uralte Fae-Magie, die ich in ihm spüren kann, ist er durch und durch ein Krieger. Seine Muskeln lassen die Kraft in ihm erahnen, und alles an seiner Haltung zeigt, wie tödlich er ist. Ganz gewiss niemand, den ich auch nur ansatzweise irgendwo in der Nähe von Midas haben möchte.

Einige meiner Gedanken müssen durch die Risse in meinem stoischen Gleichmut geschlüpft sein, denn er richtet sich auf, und seine Miene wird herablassend. «Ah, jetzt verstehe ich.»

«Ihr versteht was?»

«Ihr seid Eurem König Kerkermeister zugetan.» Er spuckt die Worte regelrecht aus – die Anklage darin ist so scharf wie seine Fangzähne.

Blinzelnd starre ich ihn an. Sehe den Hass, der von seinen Lippen tropft wie kalter Regen. Wenn ich seine Vermutung bestätige – wie könnte er sie dann gegen mich verwenden? Aber würde er mir glauben, wenn ich es abstreite?

Der Ausdruck auf meinem Gesicht entlockt ihm einen spöttischen Laut. «Dem Goldfink gefällt sein Käfig. Was für eine Schande.»

Meine Hände ballen sich vor Wut. Ich brauche sein Urteil über mich nicht, seinen Spott, seine anmaßende Einschätzung, er würde mich oder meine Lebensumstände kennen – oder er hätte irgendein Recht, meine Beziehung zu Midas zu kritisieren. «Ihr kennt mich nicht.»

«Nein? Tue ich das nicht?», erwidert er scharf mit einer Stimme, die in meinen Ohren kratzt. «Midas’ Favoritin ist in ganz Orea bekannt, genauso wie seine goldene Macht.»

Meine Augen blitzen. «Genauso bekannt wie das Monster, das König Fäule an die Kette gelegt hat und das er losschickt, um die Drecksarbeit für ihn zu erledigen», sage ich mit einem verächtlichen Blick auf die Stacheln an seinem Unterarm.

Ein dunkles Schimmern zieht sich plötzlich in der Luft um ihn herum zusammen, und meine Nackenhärchen sträuben sich. «Ach, Goldfink. Ihr haltet mich jetzt schon für ein Monster – dabei habt Ihr noch gar nichts gesehen.»

Die angedeutete Drohung fegt über mich hinweg wie ein ausdörrender Wind und lässt meinen Mund trocken werden.

Ich muss sehr vorsichtig sein bei diesem Mann. Muss ihn um jeden Preis meiden, darf mich nicht seiner gefährlichen Gegenwart ausliefern, muss versuchen, unbeschadet davonzukommen. Aber ich kann nicht vorausplanen, wenn ich nicht weiß, was mich erwartet.

«Was werdet Ihr mit mir machen?», riskiere ich die verletzliche Frage, in der Hoffnung auf einen Hinweis auf das, was mir bevorsteht.

Ein dunkles, drohendes Lächeln formt sich auf seinen Lippen. «Habe ich Euch das noch nicht gesagt? Ich werde Euch zu dem Kerkermeister zurückbringen, den Ihr so sehr vermisst. Was wird das für eine Wiedervereinigung geben!»

Ohne ein weiteres Wort dreht sich der Kommandant auf dem Absatz um und lässt mich zurück. Ich starre ihm hinterher, während mein Puls im Takt seiner Schritte hämmert.

Ich bin mir nicht sicher, was er für meinen König geplant hat, aber ich weiß, dass es nichts Gutes sein kann. Midas rechnet mit der Ankunft seiner Sättel und seiner Favoritin – nicht mit einer feindlichen Armee, die vor seiner Türschwelle aufmarschiert.

Ich zwinge mich, aus der Kutsche zu steigen. Meine Bänder schleifen hinter mir durch den Schnee, während mich resignierte Gewissheit erfüllt. Ich weiß, was ich tun muss. Ich muss einen Weg finden, meinen König zu warnen.

Ich hoffe nur, dass es mich nicht das Leben kosten wird.

Kapitel 4

Auren

Man sollte meinen, nach einer wochenlangen Reise wäre ich daran gewöhnt, mich in eine Latrine zu erleichtern, die einfach nur in den Boden gegraben ist. Aber dem ist nicht so. Die Röcke hochraffen zu müssen, um sich dann in den Schnee zu hocken, kann ein Mädchen wirklich runterziehen.

Ich verrichte mein Geschäft, so schnell ich nur kann. Der Silberstreif: Ich schaffe es, ohne mir auf die Stiefel zu pinkeln oder mit dem Hintern voran in den Schnee zu fallen. Gerade muss ich mich über die kleinen Siege freuen.

Zum Glück werde ich fertig, bevor irgendjemand anderes kommt, um die Latrine zu benutzen. Also brauche ich mir keine Sorgen zu machen, dass mich jemand beobachtet. Ich scharre etwas von dem leichten Pulverschnee zusammen, um mir damit die Hände zu waschen. Dann richte ich mich auf und streiche mit den Handflächen über meine zerknitterten Röcke.

Nun, da mein drängendstes Bedürfnis erfüllt ist, schlinge ich die Arme um mich, um die Kälte abzuwehren, die mühelos durch mein Wollkleid und den Federmantel des Piratenkapitäns dringt.

Ich nehme mir einen Moment Zeit, um mich umzuschauen und mich zu orientieren. Doch alles, was ich erkennen kann, ist mehr oder weniger dieselbe Landschaft, die ich schon seit Tagen sehe. Schnee und Eis und Leere.

Die flache Weite des Ödlands scheint sich ewig in alle Richtungen zu erstrecken, die dunkle Kontur der Berge liegt in weiter Ferne, die sanft gewellten Schneewehen nehmen kein Ende.

Kommandant Riss hat recht. Ich könnte auf der Stelle weglaufen, und vielleicht könnte ich ihm und seinen Soldaten sogar für eine Weile entkommen – aber was dann? Ich habe keine Verpflegung, keinen Schutz, keinen guten Orientierungssinn. Ich würde da draußen erfrieren.

Dennoch verhöhnt mich der leere Horizont – eine bittere Verführerin, die mich mit ihrer offenen Freiheit verspottet. Denn diese Freiheit ist eine Lüge, sie würde mich in ihren Frost einhüllen und meinen spröden Körper wie Eis zerschmettern.

Mit zusammengebissenen Zähnen wende ich mich ab und gehe zurück ins Lager. Die Soldaten haben es in kurzer Zeit aufgeschlagen. Es ist nicht besonders aufwendig, nur primitive Lederzelte mit ein paar Schritten Abstand und dazwischen verstreute Lagerfeuer. Aber dennoch scheint diese Armee die Kälte nicht zu scheuen, sich nicht von den rauen Elementen unterkriegen zu lassen.

Als ich die ersten Zelte erreiche, blicke ich mich vorsichtig um, ob vielleicht der Kommandant oder einer seiner Soldaten aus dem Schatten hervortritt, um mich gewaltsam in mein Zelt zu bringen.

Aber es kommt niemand.

Ich traue dieser falschen Freiheit nicht, keine Sekunde lang.

Völlig auf mich allein gestellt wandere ich über das Gelände, mit wachsamem Blick. Ich sehe keinen der Sättel und auch keine von Midas’ Wachen, aber schon die schiere Größe dieser Armee macht es schwierig, jemand Bestimmten zu entdecken.

Obwohl ich müde bin und mir alles Mögliche wehtut, kämpfe ich gegen die Erschöpfung an. Ich will die Zeit für mich allein nutzen, solange es geht – vielleicht wird sich mir diese Gelegenheit nicht wieder bieten.

Auf dem Piratenschiff hatte ein Botenfalke Kapitän Fane über die bevorstehende Ankunft von Kommandant Riss informiert. Also muss der Kommandant über mindestens einen dieser abgerichteten Greifvögel verfügen, wenn nicht noch mehr. Ich muss sie finden.

So gehe ich an den Zelten entlang und passiere Gruppen von Soldaten, die an ihren Lagerfeuern essen. Dabei verhalte ich mich still, den Kopf gesenkt, aber den Blick erhoben, suchend und beobachtend. Meine Bänder schleifen hinter mir federleicht durch den Schnee und hinterlassen feine Spuren.

Der Geruch des Essens lässt meinen wütenden Magen trotzig aufbegehren, aber ich darf meinem Hunger oder meinem erschöpften Körper nicht nachgeben. Noch nicht.

Ich glaube nicht, dass sie die Botenfalken in einem Zelt halten würden, also ignoriere ich diese. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass die Tiere in überdachten Wagen transportiert werden. Danach halte ich Ausschau und bemühe mich dabei, es so aussehen zu lassen, als würde ich nur ziellos umherwandern. Das ist nicht schwer, wenn man bedenkt, dass ich tatsächlich kein Ziel habe und nicht weiß, wohin ich gehen soll.

Die Geräusche des Heers hüllen mich ein. Soldaten unterhalten sich, Lagerfeuer prasseln, Pferde wiehern. Jedes schroffe Lachen, jedes Knacken der feuchten Scheite lässt mich zusammenzucken, und mein ganzer Körper rechnet damit, jeden Moment von jemandem gepackt zu werden.

Soldaten beobachten mich, als ich vorbeigehe. Mein Körper bleibt angespannt, doch außer ihren misstrauischen Blicken folgt mir niemand. Das ist verwirrend, unerwartet, und ich weiß nicht, was ich davon halten soll.

Was spielt Kommandant Riss für ein Spiel?

Endlich, als meine Stiefel bereits vom Stapfen durch den Matsch durchgeweicht sind und ich vor Kälte zittere, entdecke ich einige hölzerne, mit Lederplanen abgedeckte Wagen am Rande des Lagers.

Mein Magen macht einen Satz, und am liebsten würde ich jetzt sofort handeln. Aber ich wage es nicht, direkt auf die Wagen zuzugehen. Ich darf es nicht übereilen.

Stattdessen nähere ich mich im weiten Bogen und zwinge meine zitternden Beine, gemächliche Schritte zu machen, sorge dafür, dass mein Gesicht verzagt bleibt, meine Augen ziellos wandern.

So vorsichtig, wie ich nur kann, erreiche ich die Wagen. Dabei hilft mir die tiefe Dunkelheit der Nacht und verbirgt mich im Schatten.

Da ist ein Lagerfeuer zehn Meter entfernt, aber dort sitzen nur vier Männer, und sie sind in eine angeregte Unterhaltung vertieft. Ich kann nicht verstehen, worüber sie reden.

Vorsichtig gehe ich an der Reihe der Wagen entlang und spähe dabei unter die Planen. Dabei versuche ich, mich zu beeilen, schließlich will ich nicht erwischt werden.

Die ersten vier Wagen sind nicht abgedeckt, und sie sind leer und riechen nach Leder, wahrscheinlich von den Zelten, die darin gelagert wurden. Die nächsten paar sind mit Heuballen und Fässern mit Hafer für die Pferde beladen, und darauf folgt ein Wagen nach dem anderen mit Verpflegung für die Soldaten.

Meine Hoffnung schwindet.

Als ich zum letzten Wagen komme, kann ich die rechteckigen Formen von einer Art Kisten ausmachen – Tierkäfige?

Geduckt husche ich hinter den Wagen und bete dabei zu der großen Göttlichkeit, dass ich hier richtig bin. Ich atme noch einmal durch und blicke mich um. Dann schlage ich die Plane zurück und werfe einen Blick darunter. Doch kaum habe ich das getan, sinkt meine Hoffnung bis hinab in meine durchweichten Stiefel. Keine Käfige. Nur ein Wagen voll fest zusammengefalteter Felle.

Niedergeschlagen starre ich sie an, obwohl ich versuche, meine Gefühle im Zaum zu halten. Ich weiß, dass ich erschöpft und emotional überfordert bin, doch dieser Misserfolg lässt meine Schultern herabsinken und meine Augen vor Panik brennen.

Wo zur göttlichen Hölle sind sie? Wenn ich Midas nicht warnen kann …

«Hast du dich verlaufen?»

Beim Klang der Stimme fahre ich zusammen. Meine Hand lässt die Plane los, als ich herumwirble. Ich blicke hoch und höher und noch höher, denn vor mir ragt ein Bär von einem Mann auf.

Ich erkenne ihn sofort wieder, schon allein aufgrund seiner Körpermasse. Auf dem Piratenschiff wurde Riss von zwei Soldaten flankiert, und obwohl sie damals ihre Helme trugen, weiß ich einfach, dass dieser riesige Mann einer von ihnen war. Dass er es war, der Nissa und mich vom Schiff geführt hat.

Da er ohne Rüstung und Helm vor mir steht, kann ich sein rundes Gesicht erkennen. Seine Unterlippe ist von einem kurzen, gedrehten Holzstück durchbohrt, das einem knorrigen Baum ähnelt, dem Siegel des Vierten Königreichs. Er hat braune Lederriemen um seine dicken Oberarmmuskeln gewickelt, und schwarzes Leder bedeckt den Rest seines Körpers.

Irgendwie wirkt er sogar noch massiger als zuvor – gut drei Köpfe größer als ich, mit Beinen so dick wie Baumstämme und Fäusten so groß wie mein Gesicht.

Großartig. Musste ich ausgerechnet von diesem riesigen Mistkerl erwischt werden?

Ganz ehrlich, ich weiß wirklich nicht, was ich getan habe, um die Göttinnen so gegen mich aufzubringen.

Ich schaue zu dem braunhaarigen Hünen auf und bin plötzlich sehr froh, dass ich schon auf der Latrine war – denn er ist so furchterregend, dass man sich leicht in die gefrorene Hose machen könnte.

Ich räuspere mich. «Nein.»

Er zieht eine buschige Braue hoch, die braunen Augen erfüllt von finsterem Argwohn. Langes Haar umrahmt sein Gesicht, oben ist es platt gedrückt vom Gewicht des Helms, den er so oft trägt. «Nein? Was machst du dann hier draußen, so weit weg von deinem Zelt?»

Er weiß, wo mein Zelt steht? Das ist beunruhigend …

Ich drehe mich um und schnappe mir ein Fell von dem Wagen hinter mir, um es mir über die Schultern zu legen. «Mir war kalt.»

Sein Blick verrät deutlich, dass er kein einziges Wort aus meinem Mund glaubt. «Kalt? Dann hätte Midas’ goldenes Püppchen vielleicht zu seinem Zelt gehen sollen.»

Ich ziehe den glänzenden schwarzen Pelz enger um meine Schultern. Ich kenne Männer wie ihn, sie sind nichts als Tyrannen. Das Schlimmste, was ich tun könnte, ist, mich von ihm schikanieren zu lassen. Damit würde ich mich nur zu einem noch leichteren Ziel machen.

Trotzig recke ich das Kinn vor. «Ist es mir nicht erlaubt, herumzuspazieren? Werde ich gezwungen, in mein Zelt zu gehen?», frage ich herausfordernd. Denn genau das erwarte ich, und ich will ihm zuvorkommen.

Seine Miene verfinstert sich noch weiter, und mein Herz hämmert mir in der Brust, als wolle es herausspringen und sich verstecken. Ich kann es ihm wirklich nicht verdenken. Wenn dieser Mann wollte, könnte er meinen Hals mit seinen Pranken umfassen und mir mühelos das Genick brechen.

Stattdessen verschränkt er die Arme und starrt mit einschüchternder Haltung auf mich herab. «Man sagt, dass du dich gerne einsperren lässt.»

Wut wallt in mir auf. Das ist schon das zweite Mal heute Abend, dass man mich so herablassend betrachtet und mich für den Käfig verurteilt, in dem ich lebe.

«Besser in Sicherheit beim Goldenen König, als im Heer eures verrotteten Herrschers zu dienen, der nichts ist als eine Geißel für das Land», spucke ich aus.

Kaum haben meine Worte seine Ohren erreicht, wird er plötzlich ganz still.

Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich bin viel zu weit gegangen, habe mich von ihm reizen lassen. Und ich habe zugelassen, dass mein Mundwerk vor Wut und Furcht mit mir durchgeht, bin nicht der unbewegliche Felsen gewesen, der ich doch sein müsste.

Statt mich nicht schikanieren zu lassen, habe ich ihn schikaniert. In Anbetracht seiner gewaltigen Muskeln war das wahrscheinlich nicht der klügste Schachzug.

Bislang habe ich den murmelnden Stimmen am Lagerfeuer keine Beachtung geschenkt, doch das ändert sich jetzt. Denn ich höre, wie die Soldaten verstummen. Ein Hauch von angespannter Erregung hängt in der Luft, als könnten sie nicht erwarten zu sehen, was er mit mir machen wird.

Mein Herz rast, mein Puls hämmert, während in mir der Drang zu fliehen fast übermächtig wird.

Mit tödlicher Feindseligkeit beugt sich der Mann zu mir herab, bis sein Gesicht nur noch ein paar Zentimeter von meinem entfernt ist. Wütende Augen lodern hell, ihr Feuer raubt mir schier die Atemluft.

Seine Stimme wird so tief wie das warnende Knurren eines Wolfs, und sie lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. «Beleidige meinen König noch ein einziges Mal, und es ist mir egal, welche Farbe deine verdammte Haut hat. Ich werde dir das Fleisch vom Rücken peitschen, bis du schluchzend eine Entschuldigung ausspuckst.»

Ich schlucke heftig.

Er meint jedes Wort ernst. Daran habe ich keinen Zweifel, denn ich kann es in seinem Gesicht erkennen. Er würde mich in den Schnee werfen, hier und jetzt, und meine Welt komplett mit Schmerz überfluten.

Als er mir in die Augen schaut, nickt er. «Gut. Ich sehe, du nimmst die Sache jetzt ernster.» Er steht immer noch viel zu dicht an mir dran, raubt mir all meinen Raum, meine Luft, bringt die unsichtbare Blase um mich herum mit seiner aufdringlichen Gegenwart zum Platzen. «Du bist jetzt nicht mehr bei diesem vergoldeten Scheißkerl Midas. Du bist jetzt hier, bei uns. Und wenn ich du wäre, dann wäre ich äußerst respektvoll und würde mich sehr nützlich machen.»

Meine Augen weiten sich, als mir dämmert, was seine Worte andeuten. Doch er schneidet meinen Gedankengang ab.

«Nicht auf diese Artnützlich. Keiner von uns hat Interesse daran, sich die vergoldeten Reste zu nehmen, die Midas übrig gelassen hat», höhnt er, und sofort atme ich erleichtert auf. Doch da habe ich mich zu früh gefreut. «Du willst dir das Leben leichter machen? Dann sei der Käfigvogel, der du bist, und sing.»

Der Sinn seiner Worte geht mir erst nach einem Moment auf. «Ihr denkt, ich werde euch Informationen geben? Meinen König verraten?»

Er zuckt mit einer Schulter. «Wenn du klug bist.»

Abscheu erfüllt mich, wild und zornig. Was auch immer der gefühllose Hüne in meinen Augen sieht – er zieht sich jedenfalls von mir zurück und richtet sich mit einem Seufzer zu seiner vollen Größe auf. «Hmm. Dann wohl nicht. Wie schade.»

Meine Hände ballen sich zu Fäusten. «Ich werde König Midas niemals an euch verraten!»

Sein Mund dehnt sich zu einem bösen Grinsen. «Das werden wir noch sehen.»

Pochend fließt die Abscheu durch meine Eingeweide. Ich weiß nicht, ob ich beleidigt sein sollte, weil er mich für so schwach hält – oder ängstlich, weil ich mich vielleicht wirklich als so schwach erweisen könnte.

«Wo sind die anderen Sättel?», frage ich unvermittelt, um die Zügel der Unterhaltung wieder an mich zu reißen und sie zu meinen Gunsten zu wenden. «Und die anderen Wachen?»

Er erwidert nichts. Arroganz steigt wie Dampf von ihm auf.

Ich bleibe hartnäckig. «Falls irgendwer von euch ihnen etwas getan hat …»

Er hebt die Hand, um mir das Wort abzuschneiden, und dabei bemerke ich eine alte Narbe: ein gerader Schnitt, der sich quer über seine Handfläche zieht.

«Vorsicht», knurrt er. «Die Soldaten des Vierten können Drohungen gar nicht leiden.»

Meine Augen schnellen nach links. Die übrigen Soldaten in Hörweite sitzen immer noch stumm um das Lagerfeuer und starren mich unverhohlen an, die Unterarme auf die Knie gestützt, mit den Fingerknöcheln knackend, die Augen lodernd. Hass mischt sich auf ihren Gesichtern in das orange Flackern der Flammen.

Was auch immer ich gerade noch über meine Reisegesellschaft sagen wollte, erstirbt unter dieser Drohung. Vielleicht besteht das Spiel des Kommandanten genau darin. Vielleicht hat Riss mich allein herumwandern lassen, damit seine Soldaten mich bestrafen, wie auch immer es ihnen gefällt.

Der Mann vor mir gibt ein belustigtes Schnauben von sich, und ich reiße meinen Blick von den anderen los.

«Und jetzt fort mit dir. Zu deinem Zelt geht es da rüber. Ich nehme an, Midas’ Vögelchen weiß, wie es in seinen Käfig findet?»

Ich werfe dem Mann einen vernichtenden Blick zu, als er sich umdreht und davonstapft, um sich am Lagerfeuer bei den starrenden Männern niederzulassen.

Das Fell eng an meine Brust gedrückt, wende ich mich ebenfalls ab. Dabei spüre ich ihre scharfen Blicke in meinem Rücken wie die Schneide einer Klinge, die an meinem Rückgrat entlangkratzt. Ich entferne mich, so schnell ich nur kann, ohne dabei zu rennen. Das spöttische Gelächter, das sie mir hinterherschleudern, lässt meine Wangen brennen.

Ich halte mich an die groben Pfade aus Fußstapfen im Schnee und versuche, meine Stiefel nirgendwo tiefer einsinken zu lassen, als ich einen direkteren Weg zu meiner Kutsche und meinem Zelt einschlage – meinem offenkundigen Käfig.

Vielleicht bilde ich es mir ein, aber jeder Soldat, an dem ich vorbeikomme, mustert mich mit einem Blick, der sich schwer und böswillig anfühlt. Ohne dass jemand ein Wort zu mir sagt, nur durch ihre abweisende Ausstrahlung, werde ich auf meinen Platz verwiesen.

Ich bin der Feind. Einer, von dem sie erwarten, dass er brechen wird. Ich mag zwar keine Wache auf meinen Fersen haben, aber sie beobachten mich. Bereit zuzuschlagen. Und dennoch rührt sich keiner von ihnen.

Ich ignoriere sie alle, sehe niemanden an, reagiere nicht darauf, wenn ihre Unterhaltungen abrupt versiegen, sobald ich vorbeigehe. Ich halte die Augen nach vorne gerichtet, obwohl ich am ganzen Körper zittere. Meine Haut fühlt sich zu eng an, mein Herz galoppiert.

Es ist mir egal, was sie denken. Ich werde Midas nicht verraten. Das werde ich nicht tun.

Bei jedem Schritt in meinen kalten, nassen Stiefeln verfluche ich mich innerlich. Ich habe nicht herausgefunden, wo die Botenfalken gehalten werden. Und ich war so auffällig, dass dieser Soldat mich ansprach. Wenn ich die Gefangenschaft in der Armee des Vierten Königreichs überleben will, dann muss ich besser, klüger, verstohlener vorgehen.

Und stärker werden. In den kommenden Tagen muss ich stark sein.

Entschlossene Wut steigt in meiner Brust auf und lässt mich die Hände in den Taschen meines Mantels ballen. Morgen. Ich werde es morgen noch mal versuchen. Und übermorgen.

Und am Tag darauf. Und am Tag darauf.

Ich werde nicht aufgeben, bis ich jeden Zentimeter dieses verdammten Heerlagers abgesucht und eine Möglichkeit gefunden habe, Midas zu warnen. Und in der ganzen Zeit werde ich nicht brechen. Ich werde ihnen nichts geben, was sie gegen meinen König verwenden können.

Der Kommandant hält so wenig von mir, dass mich nicht einmal ein Wächter im Auge behält – und ich werde ihm das zehnfach zurückzahlen. Ich werde seine Überheblichkeit nutzen, um sie alle völlig zu überrumpeln, und ich werde es mit einem Lächeln auf meinen goldenen Lippen tun.

Sie denken, ich werde einknicken. Doch bald schon werden sie erkennen, wie falsch sie damit liegen.

Kapitel 5

Auren

Auf dem Rückweg verirre ich mich. Irgendwann biege ich bei dem Versuch, mein Zelt zu finden, falsch ab und laufe im Kreis. Nun komme ich schon zum zweiten Mal an derselben Gruppe Soldaten vorbei. Sie lachen und wechseln wissende Blicke, aber keiner von ihnen bietet an, mir die Richtung zu zeigen. Und ich weigere mich, zu fragen. Sie würden mir sowieso nicht helfen, selbst wenn ich es täte.

Als ich schließlich die schwarze Kutsche entdecke, in der ich den ganzen Tag gefahren bin, seufze ich erleichtert auf. Mir klappern die Zähne, und mein Gesicht ist kalt, obwohl ich mir die Kapuze übergezogen habe.

Beim Näherkommen bemerke ich, dass das Zelt, das Kommandant Riss mir zugewiesen hat, ziemlich weit vom Rest des Lagers entfernt ist. Es steht nicht zusammengedrängt mit den anderen, sondern liegt abseits am Rand.

Zögernd bleibe ich davor stehen und sehe mich um. Das nächste Zelt ist mehrere Schritte von meinem entfernt. Das ist ja eigentlich gut, mehr Privatsphäre für mich – und trotzdem durchrieselt mich Furcht.

Es kann nur einen einzigen Grund dafür geben, warum mein Zelt so weit abseits liegt. So kann man sich besser hineinschleichen, um mir wehzutun, ohne dass irgendwer etwas davon mitbekommt. Das macht es leichter für alle, wegzuschauen und sich ahnungslos zu geben.

Mit einem anwachsenden Kloß im Hals trete ich einen Schritt vor, nur um stirnrunzelnd auf den Boden zu blicken. Jemand hat einen Weg direkt zu den Zeltklappen freigeschaufelt, sodass meine Stiefel nicht im tiefen Schnee einsinken.

Erneut sehe ich mich um, doch niemand beobachtet mich. Das nächste Lagerfeuer liegt ein gutes Stück entfernt, und die Soldaten sind in Schatten getaucht und schauen nicht in meine Richtung.

Warum sollte jemand einen Weg freischaufeln, um es einer Gefangenen leichter zu machen, zu ihrem Gefängnis zu kommen? Ein rascher Rundumblick zeigt, dass die anderen Zelte nicht dieselbe Behandlung erfahren haben. Dort wurden lediglich Stiefelspuren in den dicken Schnee getrampelt.

Unfähig, mein Unbehagen abzuschütteln, drehe ich mich wieder zum Zelt um und schlüpfe unter den schwarzen Lederklappen hindurch. Drinnen empfängt mich sofort ein sanfter Lichtschein, und eine Decke aus Wärme umhüllt mich, lässt meinen zitternden Körper erleichtert erschlaffen.

Ich streife meine Stiefel am Eingang ab und bürste so viel Schnee von mir ab, wie ich kann. Dann richte ich mich wieder auf und sehe mich um.

Eine Laterne steht auf einem umgedrehten Eimer neben mir, aber die herrliche Wärme und noch mehr Licht kommen von einem sorgfältig arrangierten Stapel glühender Kohlen auf dem Fußboden in der Mitte des Zelts. Sie sind von geschwärzten Steinen umringt und geben genug Wärme ab, um mich wohlig aufstöhnen zu lassen.

In einer Ecke liegt ein Stapel glänzender schwarzer Felle, und in der anderen bildet eine Pritsche ein behelfsmäßiges Bett. Genau wie vom Kommandanten versprochen wartet ein hölzernes Tablett mit meinem Abendessen auf mich, und es gibt sogar einen Krug Wasser neben einer Schüssel, ein winziges Stück Seife und einen Waschlappen.

Ich schaue die Zeltklappen näher an, doch entdecke keine Möglichkeit, sie abzusperren. Aber mal ehrlich – was würde eine Lederschnur auch nützen? Wenn jemand hier hereinkommen will, dann schafft er es auch.

Nachdenklich kaue ich auf meiner Lippe. Ich kann nicht einfach nur hier herumstehen und mich ängstigen. Also ziehe ich das Fell von meinen Schultern und lege es auf den Boden, obwohl dort bereits Felle ausgebreitet sind, um die Kälte fernzuhalten. Ich lasse mich drauf nieder, ziehe die Beine unter mich und nehme das Tablett auf meinen Schoß.

Es gibt eine dicke Scheibe Brot und ein Stück Pökelfleisch, dazu eine Schale mit einer Art Brühe. Obwohl es nur eine bescheidene Soldatenration ist, läuft mir das Wasser im Mund zusammen, und mein Magen knurrt, als wäre es das köstlichste Mahl, das mir je unter die Augen gekommen ist.

Sofort mache ich mich darüber her. Ich esse jeden einzelnen Krümel auf und schlürfe die lauwarme Brühe in mich hinein, ohne dabei Luft zu holen. Das Essen trifft auf meinen leeren Magen, stillt seinen wütenden Hunger, und sofort fühle ich mich besser.

Als alles aufgegessen ist, lecke ich mir die Finger und Lippen und wünsche mir, es gäbe noch mehr. Doch ich weiß, dass ich mich glücklich schätzen kann, überhaupt so viel bekommen zu haben. Jeder in dieser Heerschar wird sich auf dem Marsch einschränken müssen, und ich bezweifle, dass sie es gut aufnehmen würden, wenn ihre Gefangene nach mehr Essen verlangt.

Mit großen Schlucken leere ich den Trinkschlauch mit eiskaltem Wasser, zweifellos aus geschmolzenem Schnee gewonnen. Mir ist egal, dass die Kälte meine Zähne schmerzen lässt, denn es stillt meinen Durst augenblicklich.

Nun, da ich genug gegessen und getrunken habe, rufen die verlockend weichen Felle nach mir. Doch ich weiß, dass ich mich zuerst waschen muss. Vermutlich bilde ich es mir ein, aber ich schwöre, dass ich Kapitän Fane immer noch riechen kann. Und ich will mir die Haut von ihm sauber schrubben, als könnte ich damit die Erinnerung an seine Hände auf meinem Körper fortwaschen, an meine Zeit auf seinem Schiff.

Dabei ist es wahrscheinlich nicht hilfreich, dass ich den Mantel trage, den ich aus seiner Kajüte gestohlen habe. Aber es ist ja nicht so, als hätte ich etwas anderes anzuziehen, meinen eigenen Mantel habe ich Polly gegeben.

Vorsichtig, um die braunen Federn nicht zu knicken, lege ich den Mantel auf den Boden und schlüpfe dann rasch aus meinem schweren Wollkleid. Mich ohne die Hilfe meiner Bänder auszuziehen, fühlt sich beinahe an, als fehlte mir ein Arm … oder eher vierundzwanzig Arme.