The Darkest Night - Ally G. Dickson - E-Book

The Darkest Night E-Book

Ally G. Dickson

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Beschreibung

"Egal, was du vor hast: Lass es!", rief er mir zu, als ich den letzten Schritt auf ihn zu ging und seine Kinnpartie ein letztes Mal nachfuhr. Ich prägte mir ein, wie er mich ansah, wie er sich anfühlte. Alles an ihm. "Es tut mir leid. Alles. Ich wünschte, es gäbe eine andere Möglichkeit." ___________ Es ist so weit. Megan erfährt endlich welches ihr Schutztier ist. Nur zwingt sie dieses Wissen aus der Stadt zu fliehen und alle ihre Freunde hinter sich zu lassen. Sie wäre schon längst über alle Berge, wenn ihre neue, seltsame Verbindung zu Blake nicht wäre. Der dunkelhaarige, gutaussehende Kriegerprinz, der ihr mit jeder Sekunde, die er bei ihr ist, den Verstand raubt. Die Geheimnisse und Lügen türmen sich um Megan auf und gerade jetzt beschließt Blakes Vater ihre Fortschritte in Augenschein zu nehmen. Er kommt Megans Geheimnissen gefährlich nah, während sie versucht Blake vor diesen zu schützen. Sie muss sich zwischen ihrem Glück und Blakes Sicherheit entscheiden, bevor ihr diese Entscheidung abgenommen wird. Und die Zeit ist definitiv nicht auf Megans Seite, genauso wenig wie die Hunter-Armee. Oder vielleicht doch?

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Ally G. Dickson lebt in der historischen Stadt Regensburg und ist mit der vollen Unterstützung ihrer Familie und Freunde schon seit Jahren begeisterte Schriftstellerin. Während ihres Studiums in Englischer Literatur und Geschichte schrieb und veröffentlichte sie den ersten Teil zu ihrer Hüter-Trilogie.

Verpasse keine Updates! Instagram/TikTok: @allygdicksonwww.allygdickson.de

Für alle, die noch nicht wissen, was wirklich in ihnen steckt.

Warnhinweise

The Darkest Night ist ein Fantasy-Buch, welches in einer fiktiven, magischen Welt spielt, in der tödliche Schattenmonster namens Hunter ihr Unwesen treiben. In diesem Buch kommen Kriegselemente vor. Themen wie Gewalt, Hinrichtungen, Kämpfe, Blut und Tod werden bildhaft und detailliert geschildert. Auch derbe Sprache, Alkoholkonsum, sexuelle Handlungen, Depression und Traumata werden behandelt.

Leserinnen und Leser, die solchen Dingen gegenüber empfindlich sind, mögen dies bitte zur Kenntnis nehmen und sich wappnen, um die gefährliche Welt von Megan und der Hunter zu betreten.

Inhaltsverzeichnis

Warnhinweise

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Epilog

Prolog

Du musst hier verschwinden!“, zischte eine leise, melodische Stimme und klang dabei ziemlich dringlich. Sie versuchte zu flüstern, als würde sie fürchten, dass sie jemand hören könnte.

Ihre Angst war so überwältigend, dass sie auf mich übersprang. Mein Herz begann immer schneller zu schlagen. Das alles, obwohl ich die Sprecherin gar nicht sah. Ich war immer noch in der Dunkelheit gefangen. Ich irrte in ihr umher. Doch kaum folgte ich der Stimme, schon wurde es heller um mich. Nur ein wenig, aber es machte einen Unterschied.

Zumindest für den Moment.

„Megan, du musst aus Fairyville verschwinden! Hinter den Hunter Angriffen steckt so viel mehr als du weißt!“, zischte die Frau und schien mich immer weiter ins Licht zu ziehen. Und das obwohl ich sie nicht sah. Ich spürte nur wie mich eine unsichtbare Hand hinter sich herzog. „Du wirst ihn nicht aufhalten können. Du wirst ihn nicht besiegen können. Dafür bist du nicht stark genug“, murmelte die Stimme nun mehr zu sich selbst, als zu mir.

Ich wusste, dass sie es war. Die weißhaarige Frau mit den scharlachroten Augen und dem Hanfu. Sie musste es sein. Aber warum zeigte sie sich nicht? Ich wollte sie unbedingt sehen.

„Wo warst du so lange? Und was meinst du damit?“, wollte ich wissen und runzelte die Stirn, während ich mich von ihr weiterziehen ließ. Ich vertraute ihr bedingungslos. Sie würde mir helfen. So wie sie es schon einmal getan hatte.

„Die Wahrheit über dich wird ans Licht kommen. Dann ist niemand mehr sicher. Sie werden alle sterben. Deine Freunde. Deine Verbündeten. Alle werden sterben“, erklärte sie und wurde nun immer schneller. Schon bald rannten wir wieder auf das Licht zu.

Langsam erkannte ich auch wieder ihre Umrisse. Sie trug immer noch den Hanfu von letztem Mal. Ihre weißen Haare wehten hinter ihr her und wieder hinterließ sie eine Spur aus rötlich-weiß leuchtenden Fäden. Als würde sie sich auflösen bevor sie sich richtig materialisieren konnte.

„Das verstehe ich nicht“, meinte ich und runzelte verwirrt die Stirn. Es ergab keinen Sinn.

„Es wird bald Sinn ergeben. Das alles“, versprach sie und ich schüttelte nur den Kopf.

Ich hatte diesen Satz inzwischen schon oft gehört. Zu oft. Von allen möglichen Leuten. Von Heilern, Wissenschaftlern, Lehrern, Freunden. Doch diese Frau, von der ich nicht mal ihren Namen kannte, schien so viel mehr zu wissen. Als würde sie über das Universum wachen und alles überblicken. Vielleicht tat sie das auch. In meiner Welt war so etwas nicht mal unlogisch. Wahrscheinlich wusste sie bereits was passieren würde. Es hörte sich zumindest so an.

„Aber bis es soweit ist, musst du aus Fairyville verschwunden sein. Versteck dich in den Wäldern und den Bergen vor der Mauer. Wenn du es erstmal verstehst, wird es zu spät sein.“ Ihre Stimme war eindringlich und auf meinem ganzen Körper breitete sich Gänsehaut aus. Ihre Worte erfüllten meinen gesamten Verstand und ich musste mich ehrlich anstrengen meine eigenen Gedanken noch zu fassen zu bekommen.

„Was ist mit Blake? Und mit Roy und Henry?“, wollte ich wissen und versuchte die Hand der Frau etwas fester zu drücken, aber es war, als würde ich Sand zu fest in der Faust halten. Je fester ich zusammendrückte, desto mehr schien mir zu entgleiten.

„Du wirst sie zurücklassen müssen. Das Schicksal all jener, mit denen du dich umgibst, wird der Tod sein“, stellte die Frau todernst fest.

„Aber die Hunter werden Fairyville überrennen“, widersprach ich und schüttelte entschlossen den Kopf. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein! Ich konnte nicht ganz Fairyville zurücklassen! Eine ganze Stadt mit etwas über zwei Millionen Einwohnern einfach den Huntern – also dem sicheren Tod überlassen? Nein. Niemals.

„Was haben sie dir schon jemals gegeben? Sie haben dich nur ausgenutzt! Wenn du nicht gehst, wirst du sterben und dann sind sowieso alle dem Untergang geweiht!“ Ihre Stimme duldete keine Widerrede. Aber ihre Worte ergaben keinen Sinn. Es war wie einer dieser Träume, in denen man genau wusste, dass etwas falsch lief und man sich selbst zwingen wollte aufzuwachen. Nur irgendwie konnte ich nicht aufwachen.

Das bedingungslose Vertrauen verrauchte so schnell, wie es gekommen war. Ich musterte sie misstrauisch. Ich wusste nichts über sie.

„Warum sollte ich dir vertrauen? Ich kenne dich nicht mal!“, behauptete ich und wollte stehen bleiben, doch das ließ die Frau nicht zu. Es tat beinahe weh, als sie mich weiterzog. Weiter auf das Licht zu. Woher sie so genau ausmachen konnte wo das Licht war, wusste ich nicht, aber sie lief stehts zielgerichtet darauf zu.

„Wenn du mir nicht vertraust, zahlen deine Freunde mit dem Leben. Oder du. Vielleicht auch ihr alle“, murrte sie schlecht gelaunt, seufzte dann aber leise. „Ich kann dich nicht dazu zwingen etwas zu tun. Aber ich will meine kleine, wunderbare, starke Tochter nicht sterben sehen“, murmelte sie und wurde langsamer, ehe sie die Dunkelheit wieder wie einen Vorhang teilte und mich zurück ins Licht zwang.

Als ich wieder ins Licht trat war mein erster Instinkt die Flucht.

Und dann schlug ich die Augen auf.

Kapitel 1

Du bist ja auch ein Idiot. Du verstehst das nicht, weil du eben nicht an meiner Stelle bist“, schnauzte ich Blake an und wandte mich wieder meinem Block zu. Seit der Sache im Palast, schien Blake vergessen zu haben, dass er eigentlich Regelversessen war und im Unterricht zu reden – oder zu schlafen – für ihn eine Todsünde war.

Sein eiskalter Blick wischte sofort alle Emotionen aus seinem Gesicht. Ja. Das war der Blake, den ich kannte. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Offenbar hatte er genug davon mich überzeugen zu wollen es doch noch langsam angehen zu lassen. Für mich war das Thema vor fünf Minuten eigentlich schon vorbei gewesen, noch bevor Mrs. Lurenn zum siebten Mal um Ruhe gebeten hatte.

Es hatte die Runde gemacht, was ich beim Palast getan hatte. Genauso wie sich das Video wie ein Lauffeuer verbreitet hatte. Inzwischen hatten es sogar die, die unter einem Stein lebten mitbekommen. Ich, Megan, die Komische, die ohne Schutztier, die mit der kaum einer freiwillig sprach, die mit den grottigen Noten und dem noch grottigerem Kleidungsstiel, hatte die Hunter besiegt. Angeblich unbezwingbare, gruselige, rauchartige, brutale Monster, die Alles und Jeden töten, der ihnen in den Weg kam. Und gerade ich hatte Fairyville – die magische Hauptstadt der Schutztier-Hüter – vor den Huntern beschützt.

Die Tatsache, dass ich das schon zig Mal getan hatte, bevor es irgendwer mitbekommen hatte, interessierte natürlich keinen. Dafür interessierte es alle, wie ich das getan hatte. Denn auf dem College of Magic and Mystery, welches ich im letzten Semester besuchte, gab es für die Studenten nur ein einziges Ziel im Leben: Hunter töten. Und dass gerade die Einzige, die nicht so ein primitives Ziel verfolgte, es tatsächlich geschafft hatte, frustrierte hier offenbar alle.

Ich konnte nur froh sein meinen kleinen Freundeskreis um mich zu haben. Hauptsächlich bestand der zwar aus den Leuten, die ich gerettet hatte, aber das konnte mir ja egal sein. Immerhin waren sie die Besten. Roy und Henry waren so treu und lieb, dass ich sie vermutlich eher als Hunde beschrieben hätte. Aber vielleicht hätten mir das ihre Schutztiere – Panther und Jaguar – übelgenommen.

Roy, der Panther. Der Ordnung liebende Roy, der nur die Regeln bog, wenn wir ihn dazu anstifteten. Der dunkelhaarige Allicorianer, der mir neue Rezepte beibrachte und sich voll reinhängte, wenn es darum ging einen Kampf zu gewinnen. Ob jetzt gegen einen Hunter oder meine Unhöflichkeit war egal.

Und Henry, der Jaguar. Der liebe, etwas chaotische, nette Typ mit der Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfischs. Henry, der mich als Erster von Allen beim Surfen kennengelernt hatte. (Bei den Schutztieren, ich vermisste das Surfen!) Der immer versuchte alle bei Laune zu halten, egal wie mies es uns gerade ging. Der mit seinen goldenen Locken, seinen Sommersprossen, seinen Pockennarben und seiner ganzen meriadischen Art wirkte wie ein Engel.

Außerdem war da noch Jake Pinewood. Ihn hatte ich nicht gerettet. Er war nur ein Freund. Er war noch relativ neu in der Gruppe. Es gab einen holprigen Start, aber ich hatte den Kerl schon immer leiden können. Aus dem einfachen Grund, dass er mich noch nie wegen meines Schutztieres genervt hatte. Der Rothaarige lebte mit dem Kopf in den Wolken und war mitunter sehr verpeilt, aber ich hing trotzdem gerne mit ihm rum.

Und dann war da natürlich noch Blake. Die Kampfmaschine. Der Kriegerprinz. Der Todesgott, der nicht nur mit seiner Ausbildung als Assassine, sondern auch mit seinem unverschämt guten Aussehen für jedes Herz gefährlich werden konnte. Besonders für meines. Denn nach allem was in den letzten zwei Monaten durchgemacht hatten, waren wir einander wirklich… nahegekommen. Auf mehr als einer Ebene.

Jetzt kannte ich ihn aber besser. Ich wusste nun zum Beispiel endlich, dass er einen Drachen zum Schutztier hatte. Trotz seiner Mordlust und Brutalität, die manchmal durchschimmerten, hatte ich ihn in mein Herz geschlossen. Und das, obwohl er mich anfangs wirklich genervt hatte. Schlussendlich hatte er mir aber doch sein Herz ausgeschüttet. Zwar als ich halb bewusstlos war, aber das zählte trotzdem… Irgendwie zumindest. Die Wahrheit ist, …dass ich denke, dass ich langsam beginne mich in dich zu verlieben. Das hatte er gesagt und diese Worte hallten immer und immer wieder durch meine Gedanken. In den seltsamsten und willkürlichsten Momenten. Selbst wenn er nur dasaß und ein Buch las oder einen seiner Briefe an die Königin schrieb. Oder wenn er sich die Zähne putzte oder mit mir den Abwasch machte. Immer wieder tauchten diese Worte auf.

Und obwohl uns beiden mehr als bewusst war, dass wir darüber reden sollten, ließ sich einfach nie der richtige Moment finden.

Ich war am ersten Dezember wieder aufgewacht – vermutlich hatte mich der eisige Wind oder das heftige Schneetreiben aufgeweckt. Eigentlich liebte ich Schnee, wenn er bloß nicht so verdammt kalt wäre.

Henry hatte geweint, als ich meine Augen endlich wieder aufgemacht hatte. Es war wohl kurz nachdem die Heiler ihnen gesagt hatten, dass sie sich von mir verabschieden sollten, da ich nie wieder aufwachen würde. Das zumindest hatte mir Roy so erklärt. Er hatte Henry getröstet, während Blake sich an mein Bett gesetzt hatte und mir erstmal etwas zu trinken gegeben hatte. Ich hatte die ganze Karaffe Wasser in wenigen Minuten geleert. Anscheinend war ich völlig ausgetrocknet.

Mir wäre das ganze Wasser aber fast wieder hochgekommen, als Blake mir erzählte was in den letzten fünf Tagen passiert war. Es hörte sich an, als wäre die Fantasie mit ihm durchgegangen und er hätte sich das alles ausgedacht. Aber das Ganze war so abgedreht, dass ich bezweifelte, dass man sich so etwas überhaupt ausdenken konnte.

Laut Blake hatte ich vor meiner viertägigen Ohnmacht im Palast vier unfassbar mächtige Hunter besiegt, die die ganze Garde auseinandergenommen hatten. Anscheinend hatte ich bei der Gelegenheit meinen Wert vor der Königin untermauert. Das schien Blake irgendwie stolz zu machen. Wobei ich das nicht wirklich nachvollziehen konnte. Daraufhin hatte ich offenbar die erledigte Garde wieder aus dem Totenreich zurückgeholt. Ja. Blake klang völlig gaga, aber als ich lachte, hatten die drei Jungs nur mit den Köpfen geschüttelt. Anscheinend schienen sie davon fest überzeugt zu sein.

Tja. Ich musste ihnen wohl glauben. Denn jetzt saß ich hier. In Mrs. Lurenns Unterricht über Zaubersprüche und wurde ununterbrochen angestarrt. Zwischendurch hatte ich sogar überlegt Mrs. Lurenn zu fragen, ob ich mich nicht zu ihr hinters Pult stellen sollte, damit sie zumindest mal in ihre Richtung sahen. So bekam sicher kein Einziger von ihnen etwas von dem komplexen Zauberspruch mit, den Mrs. Lurenn erklärte. Wenn das so weiter ging, konnte mich die kleine, rothaarige Lehrerin sicher niemals ins Herz schließen. Erst jagte ich aus Versehen eines ihrer Klassenzimmer in die Luft und jetzt stahl ich ihr auch noch die Show.

Zugegebenermaßen passte ich aber auch nicht auf. Genau wie bei meinen Kommilitonen waren meine Gedanken ganz wo anders. Entgegen Blakes Erwartungen dachte ich aber definitiv lange nicht mehr an unser Streitgespräch von gerade. Er war ein Idiot. Damit hatte ich alles gesagt, was ich zu sagen hatte.

Meine Gedanken waren ungefähr bei tausend Dingen gleichzeitig. Ich hatte versucht auf meinem Block meine Gedanken festzuhalten und irgendwie zu verknüpfen, aber schon nach etwa vier Minuten war es das reinste Chaos und spiegelte so meine Gedankenwelt perfekt wider.

Einmal war da natürlich der Hunter Angriff im Palast, an den ich mich wiedermal nicht erinnerte. Dann war da noch die Tatsache, dass ich Tote wieder zum Leben erwecken konnte, was dann doch etwas gruselig war. Irgendwie galten meinen Gedanken zuerst Zombies. Wer konnte mir das verübeln? Mit allem was hier gerade abging wären Zombies leider nicht das, das am weitesten hergeholt wäre.

Und außerdem war da mein seltsamer Nicht-Traum aus der Schattenwelt von der Frau, die nicht nur behauptete meine Mutter zu sein, sondern mir auch noch ans Herz legte Fairyville so bald wie möglich zu verlassen. Angeblich, da sonst alle Menschen, die mir nahestanden, sterben würden.

Und dann war da natürlich noch ihre Andeutung, dass hinter den Angriffen „mehr steckte als ich dachte“ und das ich „ihn nicht aufhalten konnte“. Ihn. Den, der hinter den Hunter Angriffen steckte. Blake hatte so etwas Ähnliches mal behauptet, doch der hatte ebenfalls schon den Überblick von meinem Gekritzel verloren. Deswegen hatte er die Augen geschlossen und sich mit verschränkten Armen auf seinem Stuhl zurückgelehnt.

Inzwischen wusste jeder, dass er ein Major der königlichen Garde war und eigentlich nur zu meinem Schutz abgestellt worden war. Was für ihn wohl hieß, dass er nicht länger vorspielen musste, als hätte er das Zeug, das wir lernten noch nie gehört. Sein Katana versteckte er trotzdem noch, als würde er den Schein doch noch ein wenig wahren wollen.

Nachdem die Sache mit den Huntern raus war, hatte mich die ganze Welt durchleuchtet. Denn die Hunter waren nicht nur in Fairyville ein Problem. Zwar hatten sie sich auf die magische Hauptstadt konzentriert, aber jeder der sieben Hüter-Königreiche hatte ein mehr oder weniger kleines oder großes Hunter-Problem. Natürlich erwarteten alle, dass der Messias, der sie rettete, in strahlender Rüstung auf einem weißen Ross angeritten kam. Sie erwarteten jemanden wie Blake, wenn ich es mir recht überlegte. Starkes Schutztier, kampferfahren und ein Killer. Jetzt wo sie mich bekamen, konnte man ihre leichte Enttäuschung doch irgendwie nachvollziehen.

Auch wenn sie nach der ersten Enttäuschung anfingen unendlich viele Fragen zu stellen. Ich hatte mich inzwischen von Social Media abgemeldet und die Nummer gewechselt. Nicht, dass ich viele Kontakte gehabt hätte, die ich in mein neues Handy eintragen hätte müssen. Die ganze Aufmerksamkeit mochte für andere sicherlich super aufregend sein, doch mich stresste sie nur.

Mehr als ich jemals zugeben würde.

Denn ich fühlte mich bei jedem Atemzug beobachtet. Das wurde ich auch, ich spürte die Blicke der Leute um mich herum. Da war es natürlich auch nicht von Vorteil, dass nun meine Schulter vom Hunterangriff an meinem Geburtstag wieder zu schmerzen begann. Zwar waren die tiefen Furchen in meiner Haut mit einer Kruste bedeckt, aber der pochende Schmerz war ein ständiger Begleiter. Die Königin und Blake hatten mir jedoch „empfohlen“ jetzt unter keinen Umständen Schwäche zu zeigen. Das war einfacher gesagt als getan.

Immerhin konnte ich keine Sekunde für mich allein durchatmen.

„Ich denke nicht, dass es noch viel schlimmer wird“, behauptete Blake plötzlich leise und ich sah zu ihm auf. Von der ganzen Gedankenachterbahn war ich wieder furchtbar müde geworden. Ich war am nächsten Tag, nachdem ich aufgewacht war, gleich wieder in meine Kurse gegangen. Blake hatte mich gebeten es langsam angehen zu lassen, aber ich hatte unter keinen Umständen noch mehr Stoff verpassen wollen. Im Nachhinein betrachtet hätte ich auf ihn hören sollen. Meine Schulter machte mich fertig und ich hatte keine Energie für nichts mehr. Aber obwohl ich es erwartet hätte, rieb er mir diesen Triumph nicht unter die Nase.

„Hm?“, machte ich nur, mit dem Kopf immer noch auf den Armen liegend und dösend. Irgendwie erwartete ich halb, dass er das Streitgespräch von eben nochmal aufgreifen würde und darauf hatte ich absolut keine Lust.

Leise tippte Blake auf meinen Block, den ich von mir weggeschoben hatte, als könnte ich so auch all die wirren Gedanken ebenfalls loswerden.

FAIRYVILLE VERLASSEN?

Das stand direkt über seinem rechten Zeigefinger. Eine Weile starrte ich die Worte an, ehe ich mich erinnerte, weswegen ich die Worte dort hingeschrieben hatte. Leise gähnte ich und zuckte mit den Schultern. Diese Bewegung bereute ich sofort und musste all meine Willenskraft zusammennehmen, um nicht scharf einzuatmen. Deswegen hatte ich auch nicht die Energie Blake das Ganze zu erklären. Eigentlich konnte ich das auch nicht erklären. Denn es machte für mich selbst keinen Sinn. So wie gar nichts, das auf dem Blockblatt stand.

Unauffällig lehnte sich Blake wieder etwas zurück, um mir eine Hand auf den linken Oberschenkel zu legen. In den letzten vier Stunden konnte er mich so am besten beruhigen. Er strahlte einfach immer noch diese unglaubliche Gelassenheit aus, als wäre das alles gerade nur halb so schlimm, wie ich es mir ausmalte.

Selbst, wenn meine Welt in Flammen aufzugehen schien, war Blake die Ruhe in Person. Ganz so als hätte er immer einen Plan. Als könnte er immer dafür sorgen, dass alles genauso ablief, wie er es brauchte. Das Talent hätte ich auch gerne.

Langsam legte ich meine linke Hand auf seine drauf und er drückte sie kurz, ehe er sie wieder locker festhielt.

Wir hatten über nichts von dem gesprochen was Blake am Krankenbett zu mir gesagt hatte und auch nicht zu dem was ich gesagt hatte, bevor ich beim Palast das Bewusstsein verloren hatte. War ja klar, dass ich mich an nichts erinnern konnte, außer daran, wie ich Blake offen ins Gesicht gesagt hatte, dass ich ihn küssen wollte. Ich presste die Lippen aufeinander. Das zu besprechen würde sicher noch ein Spaß werden. Aber für den Moment mussten wir das zum Glück nicht. Ehrlich gesagt hatte ich dafür, weiß Gott, keinen Kopf. Blake respektierte das. Oder er wollte es einfach wieder vergessen. Aber warum sollte er dann das mit der Hand machen, wenn er das alles wirklich hinter sich lassen wollte?

Nein! Nein. Darüber konnte ich mir nicht auch noch den Kopf zerbrechen. Mein Kopf war sowieso schon völlig ausgelastet. Zum Beweis hatte ich den Block vor mir. Ich sollte für den Moment einfach dankbar sein, dass Blake mich nicht drängte und einfach so für mich da war. Als Freund. Oder was auch immer.

Oh man… Ich bekam wieder Kopfweh. Es kündigte sich mit einem ersten leichten Pochen an, ehe mein Kopf einfach zu explodieren schien. Und ich hatte schon wieder Hunger. Und das obwohl ich sowohl ein üppiges Frühstück als auch einen Mittagssnack hatte und vorhin auch schon einen Schokoriegel aus Roys Sporttasche gemopst hatte, den ich zwei Minuten zuvor abgelehnt hatte. Blake schien das nicht zu wundern und es war erst dieser Moment in Mrs. Lurenns Unterricht in dem mir aufging, dass das der Fressflash war. Die Fressflashs unter denen die meisten Prüflinge des Senior-Years öfters litten, nachdem sie einen unglaublich anstrengenden Test hatten. Ich seufzte leise und versuchte mein Magengrummeln und meine sich schon wieder meldende Schulter genauso zu ignorieren, wie die Blicke meiner Kurs-Kameraden, die an mir klebten wie klebriger, ekliger Kaugummi unter der Schuhsohle.

Für einen Moment schloss ich die Augen und atmete tief ein. Aus den ganzen Gerüchen, die im Hörsaal umherschwirrten, suchte ich mir einen raus und fokussierte mich darauf. Nur darauf. Und es wurde ein winziges bisschen besser, als ich den Geruch nach Nadelbäumen und Wald einatmete. Blakes Geruch.

Nachdem die Glocke geläutet hatte, nahmen das alle als Startschuss an meinen Tisch zu kommen und mich mit Fragen zu überhäufen. Ich ließ ein paar Minuten die Fragen einfach auf mich niederprasseln, doch mein Körper spannte sich immer mehr an und meine Hände verkrampften sich. Das war leider weder für meine Kopf-, noch für meine Schulterschmerzen förderlich. Ich war einfach zu müde, um ihnen verbal Kontra zu bieten. In der ersten Stunde hatte ich es noch geschafft, aber jetzt?

Blake war ganz nah an mich herangerückt, um dafür zu sorgen, dass mir keiner zu nah kam. Als würde er mich in seine Killer-Aura mit aufnehmen und jedem klar machen, dass der Todesgott kein Erbarmen haben würde, wenn mich jemand berührte. Tatsächlich klappte es auch. Sie hielten alle einen Meter Abstand. Aber das war bei weitem nicht genug.

Und als wir das Klassenzimmer verlassen wollten, ging Blake voraus und drückte jeden zur Seite, der in unserem Weg stand. Teilweise etwas grob für meinen Geschmack, aber anders wären sie nicht weggegangen. Ehrlich gesagt hätte ich auch etwas gesagt, aber ich war einfach zu müde und hatte zu viele Schmerzen, die ich verstecken musste, um irgendwie zu funktionieren. Ich hob mein Kinn an, obwohl ich mich auf den Boden werfen und weinen wollte. Ich versuchte genau dieselbe kühle, unnahbare Maske wie Blake aufzusetzen und ich bekam es auch einigermaßen hin. Gut genug jedenfalls für unsere Zwecke.

Kein Wunder, dass ich mir nicht die Mühe machte in mein Zimmer zu gehen, sondern mich gleich auf eine Couch im Gemeinschaftsraum fallen ließ und ohne einen weiteren Kommentar einschlief. Ich wäre schon fast beim Laufen eingeschlafen, aber Blake drückte dann immer meine Hand kurz bevor ich mit dem Gesicht im Dreck landen konnte. Tatsächlich waren mir die Hausaufgaben an diesem Nachmittag egal. Ich hätte fast den ganzen Tag verschlafen, hätte Blake mich nicht zum Abendessen mit Roy und Henry geweckt.

„Vielleicht solltest du doch noch etwas Pause machen. So wie Blake gesagt hat“, meinte Henry vorsichtig, als ich mir die Augen reibend meine Küche betrat, die die Jungs bereits hergerichtet hatten. Es gab wohl Nudeln mit irgendeiner Tomatensauce. Dem ordentlichen Arbeitsbereich nach zu urteilen, hatten Blake und Roy wohl heute gekocht.

„Und ich sage dir dasselbe wie Blake heute Morgen“, murrte ich mit noch rauer Stimme vom Schlaf. Ich wusch mir die Hände in der Spüle. Blake hasste es, wenn ich das tat. Aber er räusperte sich nur kurz, verzichtete aber darauf, mich darauf hinzuweisen. Ich schaufelte mir eiskaltes Wasser ins Gesicht, da ich befürchtete sonst mit dem Kopf in den Nudeln zu landen. „Ich werde nicht noch mehr Stoff verpassen. Außerdem bekommt kein Senior nach einem großen Zauber frei. Allen anderen würdet ihr sagen, dass sie ordentlich essen und ausschlafen sollen. Was anderes ist es hier auch nicht.“

Ich wiederholte fast eins zu eins das, was ich zu Blake gesagt hatte. Er hatte sich weiter beschwert und nicht aufgehört, bis wir von den ersten Schülern belagert worden waren. Henry und Roy hingegen schwiegen nun.

„Irgendwie schon“, stellte Blake nun ruhig fest und reichte mir ein Handtuch, um mir die Hände und das Gesicht abzutrocknen, ehe er Anstalten machte, mir meinen Stuhl rauszuziehen.

„Das kann ich selbst“, grummelte ich und legte meine Hand neben die von Blake an die Stuhllehne und hielt sie so lange fest, bis Blake seine Hand löste. Als ich den Stuhl nun meinerseits rauszog, zuckte ein Schmerz von meiner Schulter durch meinen Körper. Immer wenn ich fast vergessen hatte, dass das blöde Ding weh tat, machte ich eine dumme Bewegung und wurde schmerzhaft wieder daran erinnert.

„Inwiefern ist es etwas anderes?“, wollte ich dann wissen, als ich mich auf den Stuhl fallen ließ und den randvollen Topf mit Nudeln ansah. Ich hatte Hunger. Unglaublichen Hunger. Meine Müdigkeit vorhin war der einzige Grund gewesen, warum ich nicht noch mehr gegessen hatte. Jetzt aber war ich einigermaßen wach genug, um mir den Bauch vollzuschlagen.

„Du hast Tote wieder zum Leben erweckt, Megan“, machte er nüchtern klar, ohne mich dabei anzusehen. Er füllte lediglich meinen Teller mit Spaghetti. Seine Hände waren ruhig und trotzdem schien er angespannt. Als würde ihm das Ganze nicht behagen.

„War es wirklich so übel wie alle sagen?“, hakte Roy vorsichtig nach. Blake hielt inne und sah ganz kurz zu mir.

„Es war schlimmer. Es waren vielleicht noch eine Hand voll Wächter übrig, als Megan eingegriffen hat. Niemand hatte auch nur das Geringste gegen diese Hunter auszurichten. Wir wollten den Palast aufgeben, aber dazu haben die Hunter es nicht kommen lassen“, erklärte Blake und legte die Nudelzange ab. „Sie hatten eine wirklich gute Strategie. Als hätten sie uns systematisch ausgeschaltet.“ Letzteres flüsterte er nur, aber wir konnten ihn alle gut verstehen.

Sofort dachte ich an die Worte der Frau aus der Finsternis. Sie hatte gemeint, dass hinter den Hunter-Angriffen mehr steckte, als ich dachte und dass ich „ihn“ nicht aufhalten konnte.

Tatsache war auf jeden Fall eines: „Sie werden mit jedem Kampf schlauer, mächtiger und schwieriger zu besiegen“, murmelte ich vor mich hin und starrte die Nudeln an, als hätte das Wirrwarr aus verworrenen Nudeln und Soße tatsächlich die Antwort auf all meine Fragen. Aber im Moment spiegelte dieser Nudelhaufen eher meine Gedanken wider.

Ich fragte mich, wann sie so mächtig werden würden, dass ich sie nicht mehr besiegen konnte. Vielleicht hatte die weißhaarige Frau das gemeint. Vielleicht wollte sie mir sagen, dass die Hunter zu mächtig werden würden, wenn ich weiter gegen sie kämpfte. Ich spürte ja gerade am eigenen Leib, was so ein Hunter Angriff für Auswirkungen auf mich haben konnte.

„Willst du damit sagen, dass du sie irgendwann nicht mehr besiegen kannst?“, wollte Henry wissen und ich blinzelte. Langsam hob ich meinen Blick, seufzte und strich mir die Haare aus dem Gesicht.

„Vielleicht. Aber ich habe ja noch euch“, meinte ich leicht lächelnd und nahm das Besteck in die Hand. Mein Appetit hatte sich verabschiedet, aber ich wusste, dass der Fressflash mir die Nacht zerstören würde, wenn ich jetzt nicht weiter aß. Also zwang ich mich den ganzen Teller bis auf die letzte Nudel aufzuessen.

„Denkst du, dass du deine Kraft nochmal teilen kannst, wie im Schwimmbad?“, überlegte Blake, während wir alle unsere Portionen auffutterten und ich zuckte mit den Schultern.

Bei den Schutztieren! Ich musste wirklich damit aufhören! Das tat immer wieder höllisch weh. Offenbar schien ich nichts daraus zu lernen. Aber tatsächlich hatte ich mir diese Frage auch schon gestellt. Jedoch hatte ich wirklich immer noch keine Ahnung was zur Hölle hier abging. Gerade wenn ich dachte, dass ich irgendein Geheimnis fast gelöst hätte, tauchte ein Neues auf.

Ich stand irgendwann auf und räumte die leeren Teller in die Spülmaschine. Wenn ich mich jetzt nicht bewegte, würde ich noch im Sitzen einschlafen. Eigentlich wollte ich den Jungs unbedingt dabei helfen die Ereignisse der letzten Tage zusammenzufassen und auf unserer Pinnwand festzuhalten, aber ich gähnte schon bevor sie die Pinnwand aufgestellt hatten. Noch bevor Henry die erste Karteikarte fertig geschrieben hatte, fielen mir die Augen zu.

Im Traum erkannte ich immer wieder kleine Fetzen von Erinnerungen, von denen ich wusste, dass ich sie noch nie gesehen hatte. Mir kamen sie bekannt vor. Als wäre alles ein einziges, riesiges Déjà-vu. Gewissermaßen hatte ich ja auch alles bereits gesehen.

Aber kein Fetzen ergab Sinn oder ließ sich mit etwas verbinden. Ich sah Blake wie er ein Katana schwang. Er trug seinen Wächter-Kimono. Dann sah ich mein Surfboard, einen rauchigen Tentakel und einen Hunter, der bestimmt mal ein Elch war. Aber die Fetzen, die wie Momentaufnahmen durcheinander auftauchten, schienen in keiner Konstellation zusammenzupassen.

Und je mehr ich mich auf sie konzentrierte, desto unschärfer wurden sie. Als würde ich mich, je schneller ich darauf zu rannte, immer weiter entfernen. Ehe ich aufgeben konnte und vermutlich aus Frust anfangen konnte das Kissen im Schlaf zu schlagen, klingelte auch schon Blakes nervtötender Wecker.

Kapitel 2

Da mir nicht viel anderes übrigblieb als die Blicke und das Getuschel zu ertragen, versuchte ich mich im Unterricht und den Pausen damit abzulenken alle Fragen aufzuschreiben, die mir seit meinem Geburtstag im Kopf herumschwirrten. Mein Block bestand praktisch nur noch aus solchen Seiten. Zwischendrin vielleicht kurze Unterrichtsnotizen, aber an den Rändern der Stoffsammlungen, standen nur Fragen und die galten nie dem Stoff. Irgendwie hoffte ich immer noch, dass sich ein weiterer kleiner Brocken meiner Erinnerungen lösen würde, wenn ich nur oft genug daran rüttelte. Ich konnte nur beten, dass ich nicht mitten in ein Wespennest pikste.

Immerhin war der einzige, mir bekannte Weg meine Erinnerungen zu triggern, die Schmerzen aus meiner Schulter auszunutzen.

Kurz versuchte ich die Fetzen zu rekonstruieren, die ich in der vergangenen Nacht gesehen hatte, gab es aber schnell auf. Da ich jedoch auch nicht wieder mit meinem Schutztier anfangen wollte, begann ich mit den Huntern. Zu denen häuften sich die Fragen inzwischen auch bis ins Unendliche.

Neben der Tatsache, dass wir absolut gar nichts über ihre Entstehung, geschweige denn mein Besiegen der Hunter wussten, versuchte ich mich allgemein zu halten. Wurden die Hunter stärker? Was war ihr Ziel? Hatten sie überhaupt ein Ziel?

Wir wussten nur, dass sie sich, wann immer möglich, den stärksten Hüter schnappen und ihn abmurksen wollten. Jedoch war Blake nicht der Einzige, dem auffiel, dass die Hunter mit jedem Angriff stärker und frecher wurden. Die Bevölkerung hatte Angst. Die Hunter hatten immerhin den Palast gestürmt. Das sicherste Gebäude der Welt. Natürlich stürzten sich alle auf die einzige gute Neuigkeit bei der ganzen Geschichte. Wobei ich im Leben nicht gedacht hätte, dass gerade ICH diese gute Neuigkeit sein würde.

In jeder Stunde des Tages klapperte ich ein weiteres Thema ab und versuchte die Lücken zu füllen, die auf unserer Pinnwand auch schon aufgelistet waren. Ich würde heute noch aufarbeiten müssen, was die anderen drei gestern besprochen hatten.

Ich reckte genervt die Nase gen Sonne, um wenigstens ein paar Sonnenstrahlen abzubekommen, während Blake und ich quer über den Innenhof des Colleges zu den Turnhallen gingen. Und diesmal erlaubte ich mir selbst die Schulter zu massieren. Es war einfach zu anstrengend es jetzt zu ignorieren.

„Deine Laune ist noch mehr im Keller als gewöhnlich“, kommentierte Blake plötzlich und ich sah ihn kurz an, verdrehte dann aber nur die Augen und lief etwas schneller. Ja, meine Laune war im Keller. Und zu allem Überfluss konnte ich mich nicht wie gewöhnlich bei meinen Freunden darüber auskotzen. Roy und Henry hatten Kampf-Team-Nero-Captain-Tätigkeiten zu erledigen und Blake… Nun ja, Blake war ja so eine Sache zurzeit.

Denn ich wusste nicht, wie ich mit ihm umgehen sollte. Ja, wir tauschten unauffällig und heimlich Zärtlichkeiten aus, aber ich konnte nicht mit ihm darüber reden. Über keine dieser Fragen. Nicht solange wir den riesigen, rosa ‚Elefanten‘ im Raum nicht beseitigt hatten.

Also schluckte ich meinen Frust so gut es ging runter und sah mich auf dem Hof des inneren Kreises des Colleges um. Das College war um das antike Amphitheater in dessen Zentrum aufgebaut. Die Gebäude, in denen die verschiedenen Lehrstühle untergebracht waren, reihten sich wild und vielleicht einigermaßen kreisförmig um das Amphitheater auf und wurden im äußeren Kreis nochmal von den Wohnheimen umringt, in denen alle Studenten untergebracht waren. Es gab vier Wohnheime wobei Eines davon bis auf mich und Blake total unbewohnt war. Nicht, dass ich eine Seuche hätte oder sowas, aber die Blumen vor meinem Wohnheim waren eingetrocknet, genauso wie die Bäume und Büsche. Die Natur war dort einfach tot. Niemand wusste warum und da Fairyvilles Bewohner etwas abergläubisch angehaucht waren, hielt man es für einen Fluch. Man glaubte, dass böse Geister von Kitsunes das Wohnheim heimsuchten. Kitsunes waren von den Bewohnern von Fairyville und der restlichen magischen Welt systematisch ausgerottet worden. Durch dieses historische Event wurde auch die Hexenjagd bei den Menschen ausgelöst.

Daraus waren auch unsere ersten drei, obersten Gesetzte entstanden.

Gesetz eins: Man durfte keine Schutztiere töten. Niemals.

Gesetz zwei: Man durfte keine anderen Hüter töten, außer in Notwehr.

Gesetz drei: Ausgenommen es handelt sich bei besagten Hütern um Kitsune-Hüter, oder irgendeiner anderen Interaktion mit Kitsunes, deren Magie oder Praktiken.

Wenn man eine Kitsune hütete lief das darauf hinaus, dass man auf einem Scheiterhaufen verbrannt wurde.

Hexenjagd. Sag ich ja.

An Karma glaubte ich im weitesten Sinne zwar schon, aber ich glaubte nicht, dass böse Geister-Kitsunes sich an den Kitsune Killern rächen würden indem sie ein paar Blümchen vertrocknen ließen. Also wenn mich mal jemand fragen würde, würde ich sagen, dass die Kitsunes etwas fantasievoller waren als das.

„Ich weiß nicht, ob du und Isabelle die Köpfe inzwischen schon wieder zusammengesteckt habt, oder nicht“, fing ich an, wurde aber prompt durch Blake unterbrochen, der pikiert nach Luft schnappte.

„Du meinst die Königin?!“, quiekte er, wie ein dreizehnjähriges Schulmädchen. Sofort wirkte er aufgescheucht, als hätte ich ein Wurfmesser in der Hand, statt meiner Sporttasche.

„Isabelle. Sag ich doch.“

Die Königin hatte mir bei unserem letzten Treffen das Du angeboten. Im Nachhinein war es ein einigermaßen armseliger Versuch gewesen mein Vertrauen zu gewinnen, aber Blake brachte es völlig aus Häuschen, wenn ich sie nicht mit ihrem formalen Titel benannte. Also war es das Ganze mehr als wert.

„Auf jeden Fall… wo war ich? Ach richtig…“ Ich sah Blake einen Moment ernst in die Augen und er versuchte sich von seinem halben Hysterieanfall zu erholen. „Habt ihr schon wieder den neuesten Tratsch ausgetauscht? Ich meine die Sache mit meinen Erinnerungen?“, wollte ich wissen und Blake mahlte mit dem Kiefer und sah kurz zur Seite. Ich fragte mich, ob ihn immer noch die Vornamens-Sache aufregte oder ob er inzwischen bei meinem eigentlichen Thema angekommen war.

„Sie hat erwähnt, dass du dich an den Kampf an deinem Geburtstag ohne das Video erinnert hast. Sie hat mir zu diesem Fortschritt gratuliert“, murmelte Blake und sah mich nicht an. Er starrte auf den schneebedeckten Schotterweg vor uns. Der Schnee schien nun etwas lauter unter seinen Kampfschuhen zu knirschen. Als würde er mit etwas mehr Kraft auftreten als zuvor. Pisste ihn das etwa an?

„Ich frage nur, weil ich keine Gelegenheit hatte es dir zu erzählen, bevor alles den Bach runtergegangen ist“, erwähnte ich wie beiläufig und vergrub meine kalten Hände in den Taschen meiner warmen Winterjacke.

„Es war nicht toll so etwas von ihr zu erfahren und nicht von dir“, gab Blake grummelnd zu und kickte einen Kiesel, der aus dem Schnee hervorlugte, weg. Er war offensichtlich angepisst. Sein Gesicht zeigte tiefe Schatten. Seltsam… Sonst war er viel besser seine Gefühle hinter einer steinharten, eiskalten Maske zu verstecken. Offenbar hielt er es hierbei nicht für nötig.

„Tut mir leid. Aber die Königin weiß auch nicht alles. Die exklusiven Infos habe ich natürlich für dich aufgehoben“, grinste ich und er wirbelte zu mir herum und fing meinen Blick sofort auf.

„Kennst du dein Schutztier?“ Wissbegierig blieb er stehen, so dass ich ihm ausweichen musste.

„Denkst du dann wäre ich noch hier? Ich hätte mir schon längst einen Pass geholt und wäre auf Reisen gegangen“, witzelte ich und lief rückwärts vor ihm her, bis er wieder aufgeholt hatte, was natürlich nicht lange dauerte. Blakes Supergeschwindigkeit war etwas, woran ich mich nie gewöhnen würde.

„Und was sonst? Es gibt ja wohl nichts anderes, was man als exklusiv betiteln könnte, oder doch?“ Langsam hoben sich seine Augenbrauen und ich schmunzelte. Ich begann es wirklich zu genießen ihn zappeln zu lassen. Immerhin würde er mich gleich im Training foltern, da durfte ich wenigstens hierbei meinen Spaß haben.

„Ich weiß jetzt so einiges… Drache“, flötete ich, überholte Blake und lachte ihn schamlos aus, als er kurz erstarrte. Ich lief etwas voraus und hopste nun seltsam gut gelaunt auf die Turnhalle zu.

Blake brauchte einige Sekunden, um damit klar zu kommen, dass ich mich wirklich an jedes Detail des Kampfes erinnern konnte. Während er mich durch die Übungen jagte, versuchte er alle möglichen Infos aus mir rauszubekommen, aber ich tat so als wäre ich völlig außer Atem.

„Das nächste Mal, wenn du dich an etwas erinnerst, sagst du es mir gefälligst zuerst“, murrte er und ich rieb mir meine Haare trocken, bevor wir die Halle wieder verließen.

Ich beschloss meine freie Zeit damit zu verbringen Mrs. Gwyneth beim Aufräumen der Bücher zu unterstützen. Sie hatte mir schon oft gesagt, dass ich das nicht tun musste, aber ehrlich gesagt fand ich es irgendwie meditativ und auf eine gewisse Weise spannend. Denn ich wusste nie, welches Buch mir in die Hand fallen würde.

Vielleicht… ganz vielleicht erhoffte ich mir auch eine kleine Weissagung oder einen Rat von Mrs. Gwyneth. Oder zumindest hoffte ich auf ihren tröstenden Früchtetee. Doch als ich heute die alten Türen der Bibliothek aufstemmte, war sie anders als sonst nicht wie ausgestorben. Es tummelten sich massenhaft Schüler in dem Raum und sicher lungerten noch einige mehr zwischen den Regalen. Die meisten jedoch saßen in der Mitte unter der schneebedeckten Buntglass Kuppel an den Studiertischen. Instinktiv setzte ich meine Kapuze wieder auf und senkte den Kopf. Ich drückte mich an Blake vorbei, der mindestens so überrascht über die plötzlich angestiegenen Besucherzahlen in der Bibliothek war, wie ich. Immerhin war ich mir ziemlich sicher, dass er Mrs. Gwyneths Gesellschaft ebenfalls etwas abverlangen konnte.

Ich ließ Blake stehen und schlich mich in Mrs. Gwyneths kleines Büro, das sich zwischen die deckenhohen Regale einreihte und ausnahmsweise geschlossene Jalousien hatte. Trotz der Tatsache, dass sich Mrs. Gwyneth darin befand, wie ich nach einem leisen Klopfen feststellte.

Als sie mich hereinbat, huschte Blake mit seiner Supergeschwindigkeit ebenfalls mit hinein. Offenbar hatte er bemerkt, dass ich ihn hatte stehen lassen, um den neugierigen Blicken zu entkommen.

„Da sind ja meine zwei Lieblinge!“, flötete Mrs. Gwyneth und winkte uns mit einer, mit bunten Ringen bestückten Hand zu. Ihre Lesebrille, die sonst immer an dem Band baumelte, trug sie heute ausnahmsweise auf der Nasenspitze. Heute durchzogen weinrote Strähnen ihre graumelierten Haare. Jedes Mal, wenn ich die endevierziger Frau sah, hatten die Strähnen eine andere Farbe. Und jedes Mal trug sie ein neues, farbenfrohes Outfit.

„Ich hab Sie wirklich vermisst, Mrs. Gwyneth“, lächelte ich und setzte mich auf ihre Einladung hin gegenüber von ihr auf den Boden. Sie hatte sich hinter dem Drehstuhl auf den Boden gesetzt, einige Tücher ausgebreitet und eine große Kerze in die Mitte gestellt. Blake bedeutete sie vor den Tüchern stehen zu bleiben. Er schnappte sich also den Drehstuhl und ließ sich darauf sinken, während er uns interessiert zusah.

Mrs. Gwyneth hatte mir schon oft aus der Hand gelesen, kleine Tipps gegeben oder augenzwinkernd ein Buch in die Hand gedrückt, wenn ich wegen irgendwelchen Tests am Verzweifeln war. Irgendwie hoffte ich, dass sie mir heute etwas Weltbewegendes offenbaren würde. Immerhin gab es genug Fragen auf dessen Antworten ich sehnsüchtig wartete. Ich reichte ihr bereitwillig meine Hand, aber sie schüttelte nur schweigend den Kopf und sah mich an. Eine Weile passierte gar nichts, dann legte sie den Kopf etwas schief. Ich fühlte einen kalten Lufthauch in meinem Nacken. Jedes Mal, wenn Mrs. Gwyneth in die Zukunft sah, spürte ich die Aura von dieser alten, weisen Macht. Python, die Schlange, die laut den alten Mythologien ein Orakel bewacht hatte, bis Apollo – ein Sonnengott – sie abgeschlachtet hatte. Durch ein paar Legenden ging aber hervor, dass die Schlage selbst auch ein Orakel war. Was auch stimmte. Zumindest konnte das Schutztier diese Fähigkeit an Mrs. Gwyneth weitergeben.

„Ich kann dir heute leider nur ein wenig Lektüre mitgeben, Liebes“, flüsterte sie bedauernd und lugte kurz zu Blake hinauf. Lektüre? Na super…

Langsam richtete sich die alte Dame auf und ging zu ihrem Schreibtisch hinüber vor dem Blake saß. Ich folgte ihr, mit einem bedeutungsschwangeren Blick zu Blake, der aber nur mit den Schultern zuckte. Sie legte eine Hand auf die Bücher und reichte mir dann eines nach dem Anderen.

Zunächst wäre da „Das 1x1 der Hüter: Teil 3 – Fressflashs und Ausbrennen“ und „Das Hüter Justizgesetzbuch“. Außerdem gab sie mir einen Klassiker: „Drachen, Adelsgeschlechter und Jägerfamilien“. Sicherlich war Letzteres dafür gedacht, dass ich etwas über Blake und sein Schutztier lernte. Wie mich das bei meinen Problemen weiterbringen sollte, wusste ich selbst nicht. Ich musterte die drei dicken Schinken und legte den Kopf schief. Das Erste und das Letzte leuchteten mir irgendwo ein, aber wozu sollte ich etwas über Justiz lernen? Aber wenn ich fragen würde, hätte Mrs. Gwyneth nur etwas Kryptisches gesagt, was ich sowieso nicht verstanden hätte.

Stattdessen bedankte ich mich einfach und verstaute die Bücher in meiner Sporttasche.

„Aber eigentlich wollte ich Ihnen helfen die Bücher aufzuräumen. Heute ist ja einiges los.“ Ich nickte zum Hauptraum der Bibliothek. Die Buntglasfenster-Kuppel war schneebedeckt, sodass keine bunten Sonnenstrahlen Muster auf den Boden warfen. Ohne diese magischen Lichtspiele wirkte die Bibliothek fast langweilig.

„Ich habe bereits einen Freiwilligen gefunden. Ihr kennt ihn sogar. Jake Pinewood. Ein schrecklich netter Junge. So zuvorkommend“, erzählte Mrs. Gwyneth und ich hob überrascht die Augenbrauen. Jake hatte ich inzwischen fast wieder vergessen. Es war irgendwie so viel los. In meinem Kopf ging es drunter und drüber.

Ich beschloss ihm gleich mal Hallo zu sagen.

„Und ich hatte mir schon Hoffnungen gemacht, dass wir ihn nicht mehr sehen müssen“, murrte Blake und folgte mir, nachdem wir uns von Mrs. Gwyneth verabschiedet hatten, aus ihrem Büro.

Tatsächlich entdeckte ich Jakes roten Haarschopf beim Einräumen der Regale und wie immer, wenn ich mit ihm sprach, fühlte ich mich ausgelassen und einfach akzeptiert. Vielleicht lag es daran, dass Jake mehr an mir als Person, als an meinem Schutztier interessiert war, oder einfach an seiner Art, vielleicht war er auch einfach ein guter Zuhörer, aber ich fühlte mich gut, wenn ich mit ihm sprach. Als Blake uns, auf einem Wink mit dem Zaunpfahl meinerseits, etwas Freiraum gab, brachte ich Jake auf den neuesten Stand. Irgendwie fand ich es unfair, dass wir Jake die letzten Tage so ausgeschlossen hatten.

Ich erzählte ihm alles, was ich von meinem Geburtstag wusste und entschuldigte mich bei der Gelegenheit auch gleich ihn nicht eingeladen zu haben. Er winkte ab und meinte, dass er auch nicht dran gedacht hatte und behauptete im Prüfungsstress zu stecken. Vermutlich hatte er Letzteres nur gesagt, damit ich mich nicht so mies fühlte.

Wir sprachen über die Hunter, über meine Erinnerungen und über die Königin und all den Mist, den ich auf meinen Block gekritzelt hatte, um ihn aus meinem Kopf zu bekommen. Während Jake mir zuhörte und tatsächlich hilfreiche Tipps und Kommentare hier und da fallen ließ, räumten wir die Bücher zurück, die unsere Kommilitonen auf dem Bücherwagen abluden.

„Nein, wirklich!“, lachte Jake gerade über etwas was ich gesagt hatte und schob ein Buch über meinem Kopf hinweg ins Regal. Diese Bewegung machte meiner Schulter zwar zu schaffen, aber ich war so auf mein Gespräch mich Jake konzentriert, dass der Schmerz wenigstens für kurze Zeit in den Hintergrund rückte. „Ich glaube aber wirklich, dass das Beste, was du jetzt tun kannst, ist abzuwarten. Immerhin hört es sich so an, als würde dein Schutztier langsam Kontakt zu dir aufnehmen. Und so wie ich das sehe immer dann, wenn dich keiner dazu zwingt.“ Letzteres sagte Jake mit einem kurzen, etwas giftigen Blick zu Blake, der das Justizgesetzbuch von Mrs. Gwyneth durchblätterte, während er mich aus dem Augenwinkel im Auge behielt.

„Ich hab mein ganzes Leben lang gewartet. Und jetzt, wo die Hunter wissen wer ich bin, wo es tatsächlich wichtig wäre…“, murmelte ich wieder etwas genervt. Jake seufzte und legte mir eine Hand auf den Oberarm.

„Schutztier oder nicht, Megan. Ich bin immer für dich da“, lächelte Jake und ich lächelte zurück. Das war eigentlich ziemlich süß. So etwas hätte ich von Jake nie erwartet. Mrs. Gwyneth hatte recht. Er war nett und zuvorkommend!

„Du bist toll. Danke.“ Ich wurde etwas rot, als er mir eine Haarsträhne hinters Ohr strich und den Blick langsam senkte.

„Immer doch.“ Er drehte sein Handgelenk und sah kurz auf seine Uhr, dann hob er überrascht die Augenbrauen. Jake drehte sein Handgelenk, sodass ich auch auf die Uhr sehen konnte. Es war schon fast Zeit fürs Abendessen.

„Hey, hast du Lust heute mit uns zu essen? Es gibt wahrscheinlich Pfannkuchen. Henry und Roy würden auch kommen“, lud ich ihn ein, aber er schüttelte lächelnd den Kopf.

„Danke für die Einladung, aber ein anderes Mal. Ich glaube Blake will mich sowieso schon erwürgen“, witzelte Jake und ich drehte mich um. Tatsächlich sah Blake wirklich mit seinem Serienmörderblick zu uns herüber. Ich verdrehte nur die Augen. Dieser Typ war echt unmöglich. Sein angepisster Geruch, zog sich durch den ganzen Raum zu mir hin. Als wollte Blake ganz sicher gehen, dass es auch sicher jeder mitbekam.

„Vermutlich würde ich sowieso wieder einschlafen. Hoffentlich schaffe ich es noch davor runterzuschlucken.“ Jake spielerisch anstoßend, schob ich noch ein letztes Buch ins Regal, ehe ich mich verabschiedete.

Kapitel 3

Jake sollte Recht behalten. Kaum zwang ich mich nicht mehr dazu jede freie Minute an meine nicht vorhandenen Erinnerungen zu denken, schon kamen sie zurück. Und noch mehr. Je ungezwungener ich an das Ganze heranging, desto besser schien ich die einzelnen Fetzen auch einordnen zu können. Aber meine Schulter-Theorie bewies sich ebenfalls. Immer wenn ich mich nicht darauf konzentrierte und meine Schulter zu pochen begann, lockerte sich ein Teil meiner Erinnerungen.

Der Elch-Hunter zum Beispiel war der Hunter, vor dem ich Roy gerettet hatte. Bei Henry war es eine Riesenkrake gewesen. Die Leichtigkeit, mit der ich plötzlich auf all diese Informationen zugreifen konnte, erschreckte und faszinierte mich zugleich.

Zunächst hielt ich über all die neuen Erkenntnisse die Klappe. All die Lücken, die sich auf der Pinnwand der Verzweiflung langsam schlossen, machten mich glücklich. Und je besser ich drauf war, desto einfacher kamen die Erinnerungen. Natürlich war es immer noch zusammenhangslose Schnipsel. Einzelne Puzzlestücke von einem Gesamtbild, das ich nicht sehen konnte, aber es war so viel mehr, als ich mein ganzes Leben lang hatte, also genoss ich jeden noch so kleinen Moment.

Es zog sich fast zwei Tage hin bis ich endlich mal eine konkrete, vollständige Erinnerung bekam. In der Zeit ging ich Blake und seinen permanenten Fragen ziemlich aus dem Weg. Er wurde schon misstrauisch, da ich immer mehr Zeit mit Jake verbrachte, aber ich konnte einfach feststellen, dass mich Jake im Moment weiter voranbrachte, als Blake. Außerdem befürchtete ich, dass Blakes ständiger Druck mein neu gefundenes Gleichgewicht aus Schmerz zulassen und zwangloses Erinnerungen-Abrufen zerstören würde.

„Hey Megan?“, flüsterte Blake dann eines Abends, als wir beide schon im Bett lagen. Ich drehte mich zu ihm um.

„Hm?“, murmelte ich und blinzelte ihn schläfrig an. Er hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und starrte den Stoff an, der über sein Bett gespannt war. Über meinem Bett hatte ich Lichterketten gespannt, die bis eben noch sanft gefunkelt hatten.

„Sag mal… Vertraust du mir noch?“, wollte er leise wissen und ich runzelte verwirrt die Stirn. Ich war schon halb eingeschlafen und irgendwie brachte mich diese Frage aus dem Konzept. Woher kam das denn? Oh…

„Natürlich. Du mir denn nicht?“, stellte ich die Gegenfrage und er drehte sich zu mir. Seine grünen Augen blitzten in der Dunkelheit kurz gelb auf. Die Augen eines Drachen. Ich lächelte. Dieser Anblick, den ich nun mit dieser Information verbinden konnte, machte mich glücklich.

„Ja. Aber… du redest kaum noch mit mir. Ich weiß gar nicht… wo wir stehen“, murmelte er und nun wachte ich langsam wieder etwas auf. Ich stütze meinen Kopf ebenfalls auf meinen Arm und runzelte die Stirn noch etwas tiefer.

„Wir? Du und ich oder ich und mein Schutztier?“, hakte ich nach und realisierte einige Sekunden später, was ich da wirklich gefragte hatte. Fast hätte ich gesagt, dass ich es nicht so meinte, aber ich wollte nun doch wissen, was Blake darauf antwortete.

„Beides“, flüsterte er und spielte mit dem Stoff seiner Bettdecke.

„Nun ja… Ich würde sagen, dass sich bei beidem kaum etwas verändert hat. Oder siehst du das anders?“, erkundigte ich mich und fand, dass ich das eigentlich ganz hübsch und einigermaßen nichtssagend formuliert hatte. Solch ein Gespräch im Halbschlaf zu führen war gefährlich.

„Okay…“, wisperte Blake und rollte sich auf den Rücken. Ich tat es ihm nach.

„Wolltest du denn, dass sich etwas ändert?“, erkundigte ich mich leise gähnend und er lehnte den Kopf etwas nach hinten, sodass das dämmrige Mondlicht seine Kieferpartie perfekt betonte.

„Ich weiß nicht.“ Blake hielt kurz inne. „Du denn?“, hakte er nach, aber ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, also schloss ich einfach die Augen und tat so als wäre ich einfach eingeschlafen.

Hätte ich gewusst, mit welchem Wissen ich an diesem Morgen aufwachen würde, hätte ich gerne weitergeschlafen. Ich hätte sogar lieber das peinliche Gespräch mit Blake weitergeführt. Viel lieber.

Zunächst wurde ich von einem brennenden, intensiven Schmerz in meiner Schulter geweckt. Ich musste wohl etwas doof dagelegen haben. Aber der Schmerz war bald vergessen, denn als ich die Augen an diesem bestimmten Tag öffnete, passierte es.

Es war so unspektakulär, dass ich erst dachte ich hätte alles nur geträumt. Mein ganzes Leben wartete ich darauf. Nichts hatte funktioniert. Kein hartes Training, kein Trotz, keine Träne, keine Meditation oder Übung. Niemand konnte mir helfen. Kein Ratgeber, kein Lehrer und kein neunmalkluger Mitschüler. Das Adrenalin rauschte natürlich gleich durch meine Adern.

Denn an diesem verschneiten Tag Anfang Dezember schaffte ich es den Namen meines Schutztiers zu greifen und an die Oberfläche meines Bewusstseins zu ziehen.

Eigentlich war ich noch im Halbschlaf. Ich hatte es nicht darauf angelegt. Wegen meiner Schulter war ich aufgestanden und hatte mir eine Schmerztablette geholt. Die Sonne war gerade erst dabei langsam aufzugehen. Mein Zimmer wurde also nur mit dämmrigem Licht beleuchtet. In dem Moment, als ich das Glas zur Hälfte gelehrt hatte und die Heizung mit der anderen Hand etwas aufdrehte, war es soweit.

Kein Feuerwerk. Kein gleißendes, episches Licht, das den Moment hervorhob. Keine Geigenklänge, die dem Moment vielleicht weniger alltäglich hätten wirken lassen. Ich stand einfach nur auf dem Teppich vor meinem Bett, mit meinem Glas in der Hand und musterte mit halb geschlossenen Augen die Pinnwand, die wir gestern erst noch um ein paar weitere Fragen erweitert hatten.

Jedoch blieb ich diesmal an der Karteikarte ganz in der Mitte hängen. Normalerweise überflog ich sie, oder startete nur einen halbherzigen Versuch in mich hineinzurufen. Eigentlich hatte ich gerade nur die Karteikarte „Schutztier?“ auf der Pinnwand gesehen.

Und plötzlich war mein Kopf wie leergefegt. Bis auf ein Wort.

Ich keuchte leise auf. Scheiße. Mein ganzer Körper kribbelte und meine Fingerspitzen prickelten, während sich meine Beine seltsam taub anfühlten. Das Einzige, was ich noch intensiv spüren konnte, war meine pochende Schulter. Der Rest meines Körpers wurde etwas taub.

In diesem Moment war ich wie erstarrt. Für einige Sekunden konnte ich mich nicht bewegen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und alles in mir straffte sich. Jeder Muskel war bis zum Zerreißen gespannt. Alles in mir war völlig außer sich.

Aber es ergab alles Sinn. Einfach alles. Warum ich mir selbst die Erinnerungen genommen hatte, warum ich Roy, Henry und Blake retten konnte und warum es so unglaublich wichtig war, dass niemand von meinem Schutztier erfuhr.

All die großen Fragezeichen in meinem Kopf verschwanden und wurden durch Erkenntnis ersetzt. Ich sah zu unserer Pinnwand der offenen Fragen, die ich gestern vergessen hatte aufzuräumen. Jede Frage, die darauf stand konnte ich nun mit einem Wort beantworten.

Ich sah in die Mitte: „Schutztier?“ und meine Gedanken antworteten plötzlich völlig automatisch, als wäre es das normalste auf der Welt.

Kapitel 4

Kitsune.

Eine Kitsune. Ein neunschwänziger Fuchs. Ein Feuerfuchs. Wesen, die sich laut Legende in Menschen verwandeln konnten. Meistens junge Frauen, die sich in Männer verliebten. Doch wenn der Mann herausfand, was sie wirklich war, verschwanden die Feuerfüchse auf Nimmerwiedersehen. Letzteres hatte sich aber erst so richtig in den Mythen festgesetzt, als die Kitsune-Jagd in den magischen Königreichen losging. Davon wussten die Menschen zwar nichts, aber trotzdem hatten sie es in ihre Legenden aufgenommen.

Heute wurden Kitsunes getötet. Ohne Fragen zu stellen.

Sie waren mächtig und gefährlich. Das war so ziemlich alles, was man über diese Wesen heute wusste.

Und bisher dachte selbst ich, dass Kitsunes Unheil brachten. Irgendwie hatte ich zwar schon immer daran gezweifelt, dass sie wirklich an allem Schlechten auf der Welt schuld waren, aber trotzdem… Die Tatsache, dass ich selbst eines dieser Wesen hütete, überforderte mich gerade etwas.

Und dennoch. Ich wusste es jetzt. Ich wusste, welches mein Schutztier war.

Ich wusste es.

Der Raum schien sich zu erhitzen und eine Last, von der ich nicht wusste, dass sie so schwer auf mir lastete, fiel von mir ab. Einfach so. Und dabei nahm sie jegliche Schmerzen in meiner Schulter mit sich und ließ mich mit der Antwort zurück, auf die ich schon mein ganzes Leben lang gewartet hatte.

Ich spürte wie die Kitsune in mir wohlig brummte. Aber nun konnte ich jeden Aspekt davon wahrnehmen. Mit einem Schlag war einfach alles da. Mein unwissendes Ich vermischte sich nun endgültig mit dem Teil von mir, der Bescheid wusste und der Vergessens-Zauber verschwand, als hätte er nie existiert. Zögernd atmete ich ein. Wow.

Die Erinnerungen prasselten auf mich herein. Zuerst ging alles super schnell. Ich beschloss später nochmal ganz genau alles zu rekapitulieren, aber im Moment wollte ich einfach versuchen meinen Frieden mit dem Ganzen zu schließen. Dieses seltsame Gefühl analysieren, das mich erfüllte. Es fühlte sich an, als würde sich mein Geist ausdehnen. Als wäre ich endlich ganz.

Es war unmöglich alles auf einmal zu verarbeiten. Es waren zu viele Informationen auf einmal. Ich musste mich zusammenreißen ja keinen Laut von mir zu geben. Den kleinen Freudentanz verkniff ich mir jedoch nicht. Ich hatte ihn mir verdient. Ich war zwanzig. Zwanzig Jahre hatte ich auf diese eine Antwort gewartet…

Mein Blick glitt zu Blake, der – obwohl er schlief – immer noch ziemlich fertig aussah. Das stetige wegschieben von Leuten, die mir auf die Pelle rückten, war immerhin auch anstrengend. Leise schlich ich mich ins Bad und sperrte hinter mir ab. Jetzt ruhig zu bleiben schien unmöglich. Ich setzte mich langsam und mit etwas zitternden Beinen auf den Rand der Badewanne und stellte das Glas auf den Boden.

Okay… Eins nach dem anderen.

Ehrfürchtig schloss ich die Augen und streckte zögerlich meine spirituelle Hand nach meiner Kitsune aus. So wie ich es schon eine Milliarde Mal im Unterricht, in meinem Zimmer, mit Blake und auch bei jeder anderen Gelegenheit getan hatte. Doch diesmal war es anders. Ich griff nicht in die Leere.

Die Kitsune reagierte sofort.

Ohne zu zögern verband sie sich mit mir und ich spürte, wie sich mein Körper veränderte. Wie ich schrumpfte, wie sich die Knochen und Muskelstrukturen in meinem Körper verschoben. Eigentlich hätte ich erwartet, dass es schmerzhaft war, oder es sich zumindest seltsam und falsch anfühlen würde, tat es aber nicht.

Langsam, es dauerte fast volle fünf Minuten, bis ich meine Augen wieder öffnete und mir bewusstwurde, dass es kein menschlicher Körper war, in dem ich steckte. Meine Gestalt hatte sich verändert. Ich sah langsam von meinen Händen auf, die schwarz zulaufenden, zierlichen Pfoten gewichen waren. Mein verformter Kopf, mit der sanft schnüffelnden Schnauze, der empfindlichen, pechschwarzen Nase und die abgerundeten, schwarzen Ohren, die sich auf meinem Kopf in alle Richtungen drehten.

Alles war intensiver. Ich spürte sogar die Luft, die durch mein weißes Fell streifte, als ich mich auf dem Badewannenrand hin und herbewegte. All meine Schritte waren elegant und wohlplatziert. Als wüssten meine Muskeln in diesem Körper besser, wie sie sich bewegen mussten. Meine Tatzen fühlten den glatten Marmor auf dem Badewannenrand und ich konnte jede noch so kleine Kerbe darin ertasten. Ich wandte meinen Blick wieder zu dem Waschbeckenspiegel und starrte mich selbst an.

Mich. Und die Kitsune, in die ich mich verwandelt hatte.

Aber neben meinen scharlachroten Augen, die mir nun entgegenleuchteten, waren definitiv meine Fuchsschweife das Beeindruckendste. Es waren vier Stück. Mein eigener und die drei, die meine drei Geretteten symbolisierten. Meine Weggefährten. Mein weißes Fell leuchtete mir kräftig entgegen und ich spürte die Macht, die in jeder Faser und jeder Zelle dieses Körpers steckte.

Natürlich hatte ich schon oft Zeichnungen von der physischen Verfestigung von Schutztieren gesehen, aber eigentlich war ich bisher immer davon ausgegangen, dass man sich nicht selbst in sein Schutztier verwandeln kann. Zumindest nicht vollständig. Ein paar Teile, wenn man zu den wenigen Gestaltwandlern gehörte, aber völlig? Eigentlich nicht. Naja… Der Macht, die gerade durch meine Adern pulsierte, konnte ich es durchaus zutrauen, dass meine Kitsune das möglich machte. Ich hatte schon oft Erfahrungsberichte von dem Erwachen seines Schutztieres gelesen. Jeder musste in der Middle-School so einen Aufsatz schreiben. Außer mir natürlich. Es wurde immer als etwas Besonderes geschildert. Etwas Aufregendes.

In Echt war es etwas völlig anderes.

Ich fühlte mich mit einem Mal mächtig, unbesiegbar und… vollständig.

Da es sehr gefährlich war sein Schutztier anderen zu zeigen, tat es natürlich niemand. Deswegen hatte ich nie die Schutztiere von irgendjemand anderem gesehen. Das was dem noch am nächsten kam, waren Blakes bernsteinfarbene Drachenaugen. Aber es war nichts im Vergleich zu einer vollständigen Verwandlung. Es war unfassbar.

Der Körper der Kitsune schien, je länger ich ihn anstarrte immer mehr Details zu zeigen. Das Fell des Fuchses färbte sich immer deutlicher zu dem schneeweiß, als würde sich die Kitsune immer noch etwas zurechtfinden. Meine Pfoten als auch die Spitzen meiner Ohren waren inzwischen Pechschwarz, als hätte man sie in Tinte getunkt. Ich sah mich selbst mit freundlichen, scharlachroten, feurigen Augen an. Als würde ein echtes Feuer in den Knopfaugen brennen.

Hallo, fing ich wenig einfallsreich an in unsere mentale Verbindung zu sprechen. Ich versuchte meine Stimme gesenkt zu halten, obwohl ich innerlich gerade völlig ausrastete. Es freut mich dich endlich richtig kennenzulernen.

Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich glatt gesagt, dass der Fuchs im Spiegel mich anlächelte. Es war ein unglaubliches Gefühl der Euphorie, das mich bei diesem Anblick befiel. Aber es kamen nur meine eigenen Worte zurück, als würde ich in eine Höhle sprechen und das Echo zurückhallen. Vielleicht war sie noch genauso geschockt wie ich es war. Ich beschloss der Kitsune Zeit zu lassen. Immerhin ließ sie mir auch Zeit diesen völlig neuen Körper zu bewundern.

Ich konnte es kaum glauben, als ich nun mit meinen Vorderpfoten über mein Gesicht rieb, als müsste ich mir die Augen reiben. Was in diesem Körper aber eigentlich ziemlich süß aussah. Die Kitsune ließ mich sogar diesen Körper steuern. Ich musste mich zusammenreißen nicht freudig auf dem Wannenrand auf- und ab zu hüpfen. Mein Fell war ordentlich und unglaublich weich. Ich sah auch einzelne rote Linien auf dem Fell der Kitsune. Sofort fragte ich mich, ob sie eine Bedeutung hatten. Die Kraft, die bei jedem Atemzug durch mich hindurchpulsierte war unglaublich. Ich atmete tief durch, um jede Sekunde in mich aufzunehmen.

Wow. So etwas hatte ich noch nie gefühlt. Es gab nichts, womit man dieses Gefühl der puren, flüssigen, warmen Macht vergleichen konnte. Das war es also…

Mein Schutztier.

Eine Kitsune.

Eines der mächtigsten Schutztiere dieser Welt. Ein Teil von mir war immer noch völlig euphorisch es endlich zu wissen, doch langsam kam meine rationale Seite zum Vorschein.

Ich war die Hüterin einer Kitsune.

Ich wusste was das bedeutete. Im PEV-Unterricht wurde das jedes Jahr mindestens einmal im Semester besprochen. Mir wurde seltsam kalt. Hinrichtung. Das drohte mir, wenn irgendjemand davon erfuhr. Mir und jedem der mich beschützte. Alle die mir etwas bedeuteten würden sterben. Das hatte die Frau in der Schattenwelt gemeint. Meine Mutter. Eine andere Kitsune. Automatisch aktivierten sich meine Kräfte. Wieder floss diese Macht durch mich hindurch. Ich sah, wie durch die Schweife nun kleine, intensive, scharlachrote Flammen tanzten.