The Florist - C.L. Pattison - E-Book + Hörbuch
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The Florist Hörbuch

C.L. Pattison

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Beschreibung

Eine Überraschungsparty, eine Floristin und Blumen, die zum Sterben schön sind »Ein rasanter Thriller« Woman's Weekly Amy Mckenzie steckt alles, was sie hat, in ihren Londoner Blumenladen ›Darling Blossoms‹ und das Einzige, was ihr noch zum gesellschaftlichen Aufstieg fehlt, sind ein paar weitere einflussreiche Kunden. Als Amy von einem erfolgreichen Architekten damit beauftragt wird, die Blumen für die Geburtstagsparty seiner Schwägerin Isabel zu liefern, fühlt sie sich ihrem Ziel zum Greifen nah. Und Isabel ist alles, was Amy sich immer erträumt hat zu sein: schön, selbstbewusst und beliebt. Immer mehr wird Amy Teil von Isabels Leben, doch dann kommt jemand furchtbar zu Tode, und alle Augen sind auf Amy gerichtet. Sie muss alles tun, um den Verdacht von sich zu lenken, denn in ihrer Vergngenheit lauert eine Tat, die niemals entdeckt werden darf, und auch die Elliotts scheinen nicht unschuldig zu sein ... - Perfekt für alle Fans von Psychospannung mit schockierenden Plottwists - Ein Thriller um toxische Freundschaft, Familiengeheimnisse und das, was es kostet, dazuzugehören

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Zeit:9 Std. 27 min

Veröffentlichungsjahr: 2025

Sprecher:Sarah Liu

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Über das Buch

Es läuft gut für Amy Mackenzie.

Ihr Luxus-Blumengeschäft floriert, bei der Londoner Oberschicht geht sie ein und aus. Für die junge Frau ist nichts faszinierender als die glamouröse Welt der Reichen und Schönen. Und niemand ist glamouröser als der Architekt James Elliott. Als er Amy mit dem Ausrichten einer extravaganten Feier beauftragt, scheint sie endlich Teil seiner Welt zu werden − bis ein Partygast zu Tode kommt.

Alle Augen sind auf die Außenseiterin Amy gerichtet, und die scheinbare Erfüllung ihres Traums wird zum Albtraum …

C.L. Pattison

The Florist

Thriller

Aus dem Englischen von Wolfgang Thon

Jetzt

»Bitte erzählen Sie uns mit Ihren eigenen Worten, was im Sanctuary passiert ist.«

Ich lege zwei Finger auf die empfindliche Stelle zwischen meinen Augenbrauen. »Also ehrlich gesagt ist alles ein bisschen verschwommen«, sage ich, und die Worte kleben irgendwie in meinem Mund. »Ich glaube, ich stehe immer noch unter Schock.«

Mitgefühl zeichnet sich auf Detective Inspector Kate Kilners Gesicht ab, als sie sich nach vorne beugt und einen Ellbogen auf das gestärkte weiße Laken meines Krankenhausbettes stützt. »Das war gerade ein absolut traumatisches Erlebnis für Sie, da ist es ganz natürlich, dass Sie ein wenig verwirrt sind.«

Ich lehne mich zurück auf die Kissen und atme ein paarmal langsam und tief ein. Es ist kaum vierundzwanzig Stunden her, dass ich das Bewusstsein wiedererlangt habe, und mein Gehirn fühlt sich wund an. Es herrscht Stille im Raum. Sie dehnt sich aus, wird dünner, bis sie unangenehm wird.

»Wie wäre es, wenn wir zurückspulen, ganz an den Anfang zurückgehen?«, schlägt Detective Kilners Kollege vor. Sein Name ist mir entfallen. Er ist ein großer, korpulenter Mann, der den Raum auf eine Weise ausfüllt, die leicht aufdringlich wirkt. »Wie haben Sie die Familie Elliott kennengelernt?«

Wenn die die Wahrheit wüssten … Dass dies alles begann, lange bevor ich die Elliotts jemals zu Gesicht bekam. Bevor ich überhaupt wusste, dass sie existieren.

»Über die Arbeit«, sage ich. »Darling Blossoms beliefert die Geschäftsräume von James Elliott schon seit einigen Jahren mit Blumen. Er ist einer unserer besten Kunden.«

»Und seine Frau, Eleanor?«

»Ist auch eine Kundin. Wir haben für einige gesellschaftliche Veranstaltungen in ihrem Haus die Blumendekoration geliefert.«

Detective Kilner schreitet ein. »Waren Sie also am Morgen des 22. September beruflich im Haus der Elliotts?«

Eine Welle der Erschöpfung schwappt über mich hinweg und hinterlässt eine bleierne Müdigkeit. Die Art von Müdigkeit, die sich von hinten anschleicht und einem ihre klammen Tentakeln um die Kehle legt. Ich glaube nicht, dass ich dazu jetzt imstande bin. Ich brauche mehr Zeit, um die Fakten in meinem Kopf zu sortieren und alle Unebenheiten glattzubügeln.

»Tut mir leid, ich weiß, dass Sie nur Ihren Job machen, aber ich glaube nicht, dass ich im Moment in der Lage bin, Ihre Fragen zu beantworten. Vielleicht können Sie morgen wiederkommen?«

Detective Sergeant Pearce, dessen Name mir gerade wieder eingefallen ist, lächelt etwas steif. »Ihr Arzt hat uns die Erlaubnis gegeben, mit Ihnen zu sprechen. Es wäre besser, wenn wir das jetzt hinter uns bringen, solange die Ereignisse noch frisch in Ihrem Gedächtnis sind. Ein Mensch ist tot, und eine weitere Person befindet sich in einem kritischen Zustand. Sie sind die Einzige, die uns sagen kann, was passiert ist.«

»Das ist nicht ganz richtig«, korrigiert Kilner ihn. »Wir haben noch einen weiteren Zeugen.«

Im Rücken, genau in der Mitte meiner Wirbelsäule, spüre ich ein Flackern der Überraschung. Was meint sie damit? Wir waren nur zu dritt in diesem Raum.

Sie holt ihr Mobiltelefon heraus. »Hier, ich zeige es Ihnen.« Sie drückt eine Taste, um die Lautstärke einzustellen, und legt das Telefon dann auf das Bett, wo ich es sehen kann.

Als ich auf den Bildschirm schaue, sind Kilners Augen auf mich gerichtet, gespannt auf jede kleinste Regung. Ich schaffe es, einen neutralen Gesichtsausdruck aufzusetzen, aber es kostet mich sämtliche Energie, die ich noch aufbringen kann. Als das Video zu Ende ist, schließe ich die Augen. Ich spüre, wie die Kopfschmerzen in meinen Schläfen zu pochen beginnen. Meine Gedanken sind wie Ratten in einem brennenden Gebäude, die eine Wand nach der anderen entlanglaufen und verzweifelt nach einem Fluchtweg suchen. Ich bin geneigt, den Rat von Detective Pearce zu befolgen. Ihnen alles zu erzählen.

Und habe ich denn eine andere Wahl angesichts der überraschenden neuen Informationen, die mir Detective Kilner gerade präsentiert hat?

Drei Monate zuvor

1

Der Mann am Telefon hat ein schlechtes Gewissen. Sein Tonfall ist leicht verlegen, und er spricht etwas lauter als nötig; als müsse er sich einreden, dies sei nur ein weiterer langweiliger Geschäftsvorgang in seinem ach so geschäftigen Tag. Einer, den er gerne seiner Assistentin überlassen würde, aber er ist sich nicht sicher, ob sie wirklich alles richtig macht – nicht, wenn so viel auf dem Spiel steht.

»Ich brauche etwas ganz Besonderes«, sagt er. »Für meine Frau.«

»Verstehe. An was haben Sie gedacht?«

»Keine Ahnung, ich hatte gehofft, Sie könnten mich da beraten.«

»Ja, auf jeden Fall! Wie viel wollen Sie denn ausgeben?«

»Es gibt keine Obergrenze.«

Okaaay. Das hört sich an, als säße der Typ wirklich in der Klemme. »Gibt es einen bestimmten Anlass?«

»Nicht wirklich.« Er zögert. »Es ist eher so, dass ich meine Frau für selbstverständlich genommen habe. Ich will ihr zeigen, wie viel sie mir bedeutet.«

Mit anderen Worten: Er ist fremdgegangen und hat sich erwischen lassen. Ich zupfe mit den Zähnen an meiner Unterlippe und gehe im Geiste ein paar Möglichkeiten durch. Freesien werden nicht ausreichen, um ihm aus der Patsche zu helfen, nicht einmal ein üppiger Strauß Floribunda-Rosen. Nein, da muss ich schon die ganz großen Geschütze auffahren.

»Was ist die Lieblingsfarbe Ihrer Frau?«

»Keine Ahnung.«

Echt jetzt?

»Kein Problem. Dann möchte ich Sie Folgendes fragen: Wie würden Sie die Persönlichkeit Ihrer Frau beschreiben?«

Er stößt einen Seufzer aus. »Ist das wirklich nötig? Ich möchte nur ein paar schöne Blumen für meine Frau, ganz einfach.«

Nur ist es das nicht; die Angelegenheit ist tatsächlich sehr komplex, aber ich würde nicht erwarten, dass ein Mann wie er – ein Mann, der nicht einmal weiß, was die Lieblingsfarbe seiner Frau ist – das versteht.

»Versuchen Sie einfach, sich darauf einzulassen, in Ordnung? Wenn Ihre Frau mit dem Endergebnis nicht zufrieden ist, gebe ich Ihnen Ihr Geld zurück, das verspreche ich Ihnen.«

Ein weiterer Seufzer. »Sie ist ruhig und sensibel; definitiv eher introvertiert als extrovertiert.« Er schnaubt ein wenig. »Allerdings verliert sie ihre Zurückhaltung, wenn sie ein paar Gin Tonics getrunken hat.«

Ich ignoriere die Spitze. »Ist sie lieber in der Stadt oder auf dem Land?«

»Auf dem Land, definitiv. Sie sagt schon seit Ewigkeiten, dass wir aus London wegziehen sollten.«

Ich kritzle ein paar Notizen auf den Block vor mir; das hat die Möglichkeiten schon erheblich eingegrenzt.

»Wie sieht es mit ihrem Geschmack bei der Inneneinrichtung aus? Traditionell? Minimalistisch? Modern?«

»Ähm … vielleicht rustikal? Können Sie sich darunter was vorstellen?«

»Ja, rustikal ist gut.«

Wir machen noch ein oder zwei Minuten so weiter, bis ich endlich bereit bin, meine Empfehlung abzugeben: »Aufgrund der Informationen, die Sie mir gegeben haben, schlage ich einen unserer handgeflochtenen Weidenkörbe vor, gefüllt mit rosa und weißen Ranunkeln, pastellfarbenen Himalaja-Moschusrosen – ihr Duft ist wirklich nicht von dieser Welt –, lila Rittersporn und weißen Mini-Orchideen. Von den hundertfünfzig Pfund, die das kostet, wird er nicht viel zurückbekommen – aber he, Vergebung hat ihren Preis. »Wie klingt das?«

»Gut«, sagt er schnell. »Wann können Sie liefern?«

Ich werfe einen Blick auf die Uhr über der Tür. »Morgen früh.«

»Oh.« Er klingt enttäuscht. »Gibt es keine Möglichkeit, dass Sie ihr den Korb heute noch bringen?«

Der arme Kerl hat offenbar Angst, dass seine Frau morgen früh weg sein könnte.

»Bleiben Sie bitte kurz dran.«

Ich drücke den Hörer an meine Brust und wende mich an meine Assistentin Claire. Ihre Kiefermuskeln sind angespannt, während sie die Blätter von Dutzenden von Gerbera-Stängeln abschneidet – ich muss zugeben, sie gehören nicht zu meinen Lieblingsblumen, aber sie sind so beliebt, dass wir dumm wären, wenn wir sie nicht auf Lager hätten. Unser regulärer Fahrer hat bereits Feierabend, aber der Lieferwagen steht draußen, und Claires Jobbeschreibung ist ziemlich breit gefasst.

»Könntest du in einer halben Stunde nach Clapham fahren?«, frage ich sie.

»Kein Problem, Amy«, sagt sie und blickt auf. »Gib mir einfach Bescheid, wenn die Bestellung fertig ist.«

Ich lege den Hörer wieder an mein Ohr. »In Ordnung, Mr Prout, wir können heute Nachmittag liefern, aber dann kommt noch ein Aufschlag in Höhe von fünfzehn Pfund dazu.«

Seine Erleichterung ist deutlich spürbar. »Das ist großartig, danke für Ihr Entgegenkommen.«

Ich nehme meinen Kugelschreiber zur Hand. »Und was soll auf der Karte stehen?«

»In Liebe, Antony«, sagt er. »Ohne H.«

Meine Augenbrauen verziehen sich in einem Stirnrunzeln. Dieser Typ tut sich wirklich keinen Gefallen. »Ich will Ihnen nicht zu nahetreten, aber vielleicht würde sich Ihre Frau über ein paar Worte mehr freuen, etwas, das ein bisschen … persönlicher ist.«

Es herrscht so lange Stille, dass ich tatsächlich glaube, er hätte aufgelegt. »Es tut mir leid«, sagt er schließlich, und ich höre, wie seine Stimme stockt. »Das können Sie auf die Karte schreiben. ›Es tut mir leid und ich verspreche, dass es nie wieder vorkommt. In Liebe, Antony‹.«

 

Hochzeiten, Geburtstage, Jubiläen, Versöhnungsblumen, Trennungsblumen, Blumen zur Feier eines neuen Lebens, zum Trost der Kranken und zum Gedenken an die Verstorbenen: Meine Kreationen werden individuell zugeschnitten auf alle nur denkbaren Ereignisse und menschlichen Dramen. Hinter jedem einzelnen Auftrag steckt eine Geschichte, und wenn man es richtig machen will, muss man die psychologischen Grundlagen beherrschen. Denn bei Floristik geht es nicht nur um Farbkombinationen und das Wissen, was gerade Saison hat, sondern auch um die Fähigkeit, Emotionen hervorzurufen und die Stimmung eines Menschen im Handumdrehen zu beeinflussen. Wie ich oft zu meinen Kunden sage: Ich verkaufe nicht nur Blumen, sondern Gefühle.

Als ich jünger war, wollte ich unbedingt Grafikdesignerin werden, aber gegen Ende meines ersten Jahres am Art College hatte ich bereits ernsthafte Zweifel. In den Sommerferien bewarb ich mich auf eine Anzeige für einen Teilzeitjob in einem Blumenladen. Und das war’s – der Beginn meiner Liebesbeziehung zu Blumen. Ich bin nie wieder zurück ans College gegangen.

Nach sechs Monaten leitete ich den Laden und machte in meiner Freizeit eine Ausbildung zur Floristin, und innerhalb eines Jahres hatte ich einen viel besser bezahlten Job beim Artisan Florist’s in Shoreditch gefunden. Dort arbeitete ich bis vor fünf Jahren, als ich in der Forest Hill High Street, nicht weit von meiner Wohnung entfernt, einen heruntergekommenen Laden entdeckte. Das war die Geburtsstunde von Darling Blossoms.

Ein eigenes Unternehmen zu führen ist harte Arbeit, und es gab Zeiten, in denen ich mich fragte, ob ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Ich habe mich ein paar Jahre lang abgerackert, mich handwerklich entwickelt und meine Marketingfähigkeiten verfeinert, aber wie ich es auch drehte und wendete, ich verdiente kaum genug, um die Rechnungen zu bezahlen.

Aber als ein Boutique-Hotel im Westen Londons mich beauftragte, eine große, ungewöhnliche Blumeninstallation – man stelle sich vor: Amazonas-Regenwald trifft englischen Landgarten – für die Eröffnung eines neuen Spas zu entwerfen, wurde alles anders. Ich kannte die PR-Abteilung des Hotels über den Freund eines Freundes und erklärte mich bereit, den Auftrag für einen Bruchteil dessen zu übernehmen, was jeder andere verlangt hätte – nur um diese Erfahrung zu machen.

Die Installation war ein immenser Erfolg – noch mehr als die kostenlosen Handmassagen, und aufgrund der Publicity konnte ich einige lukrative Aufträge an Land ziehen. Von da an ging es Schlag auf Schlag.

Natürlich sind die Blumensträuße nach wie vor mein Hauptgeschäft, aber hin und wieder kommt ein Großprojekt rein – ein Auftrag, einen extravaganten Türbogen für eine Restauranteröffnung oder eine üppige Blumenwand für eine festliche Hochzeit zu kreieren. Dann kann ich meiner Fantasie freien Lauf lassen und zeigen, wozu ich wirklich fähig bin. Was mich daran erinnert, dass ich, sobald ich die Bestellung von Antony-ohne-H fertiggestellt habe, meinen Instagram-Account aktualisieren muss. Ich poste, so oft ich kann. Das muss ich tun, ich darf nicht riskieren, auch nur kurz vom Radar zu verschwinden, nicht, wenn so viele andere Floristen – jünger, erfolgshungriger, mit ständig neuen Insta-Feeds und fröhlichen, superinteressanten Vlogs – um eine begrenzte Anzahl an Aufträgen konkurrieren.

 

Anderthalb Stunden später sitze ich in der Werkstatt, schlürfe eine Tasse Pfefferminztee und starre auf meinen Laptop. Die sozialen Medien waren ein Segen für Darling Blossoms. All diese Likes und Shares sind mehr wert als jede Werbekampagne, und das Beste daran ist, dass ich eine ganz andere Amy Mackenzie sein kann – eine flamboyante und lebenslustige Amy, die sich auf jedem sozialen Parkett wohlfühlt. Meine 15700 Instagram-Follower wären wahrscheinlich ziemlich enttäuscht, wenn sie mir jemals persönlich begegnen würden. Manchmal habe ich das Gefühl, dass viele verschiedene Versionen von mir in mir schlummern – eine ganze Reihe von Zweitbesetzungen, manche sympathischer als andere, und sie alle warten darauf, endlich die Bühne zu betreten.

Das heutige Foto ist ein zartes Hochzeitsbukett – ein Bausch aus Rosen, Löwenmäulchen, Zuckererbsen, Pelargonien, Phlox und Eukalyptus. Die Braut war eine totale Zicke, ein pedantischer Kontrollfreak, und wollte ein Jahr im Voraus jede einzelne Blume vorschreiben. Ich habe versucht, ihr klarzumachen, dass es dank des Klimawandels unmöglich sei, vorherzusagen, was im nächsten Frühjahr verfügbar sein werde, und dass sie weder für Geld noch für gute Worte Pfingstrosen haben könne, wenn sie einen Monat früher blühen sollten. Natürlich werde ich nichts davon in meinem Beitrag erwähnen. Da geht es schließlich nicht um die Realität, sondern um eine sorgfältig kuratierte, duftende Fantasie.

Am Tag der Hochzeit lieferte ich die Blumen an den Veranstaltungsort – einen Haufen antiker Steine am Arsch der Welt. Als ich mit dem Lieferwagen vorfuhr, entdeckte ich ein altes Norton-Motorrad, das im Schatten eines Kirschbaums geparkt war. Ich wusste nicht, wem es gehörte, und ehrlich gesagt war es mir auch egal; ich erkenne ein gutes Motiv, wenn ich eines sehe. Wenige Augenblicke später legte ich das Bukett vorsichtig auf den abgenutzten Ledersattel des Motorrads und betete, dass sein Besitzer nicht gleich auftauchen und mich fragen würde, was zum Teufel ich da tue.

Ich öffne den Fotoordner auf meinem Laptop und scrolle durch das halbe Dutzend Bilder, die ich gemacht habe. Sie sind sogar noch besser, als ich dachte. Das Motorrad mit seinen geschwungenen Kurven und dem glänzenden Chrom bildet einen ansprechenden Kontrast zu den zarten Blumen, während die frühe Morgensonne der Szene einen weichen, fast ätherischen Glanz verleiht.

Nachdem ich eines der Bilder ausgewählt habe, verbringe ich einige Minuten damit, es mit Photoshop zu perfektionieren. Jetzt fehlt nur noch eine prägnante Bildunterschrift. Ich denke kurz nach, dann kehren meine Finger zur Tastatur zurück.

Mit Vollgas ins Glück! Danke dir, Kayla, der schönsten Braut, mit der ich je zusammenarbeiten durfte. Danke, dass Darling Blossoms deinen großen Tag mit Blumen zum Brummen bringen durfte.

Perfekt, denke ich mir, während ich auf Teilen klicke. Wenn das echte Leben nur so einfach wäre. Alles gefiltert, glatt poliert und weichgezeichnet, zusammengefasst in einem ordentlichen kleinen Quadrat.

2

Ich ziehe die Jalousien hoch und öffne das Schiebefenster zum Garten raus. Die Sonne glitzert am Himmel und ich höre den zwitschernden Gesang einer Amsel. Ich liebe es, dass ich einen privaten Außenbereich habe; das ist einer der Gründe, warum ich eine Erdgeschosswohnung wollte. Als ich das Haus letztes Jahr kaufte, war der Garten eine einzige Wildnis, ein von der Sonne verbranntes Rasenstück, umgeben von wuchernden Unkrautbüscheln und der einen oder anderen kranken Funkie. Aber langsam und mühsam habe ich ihn wieder zum Leben erweckt und mit meinen Lieblingsblumen bepflanzt – Azaleen, Stockrosen, Nelken und Hypericum. Und natürlich Rosen. Jede Menge Rosen in allen erdenklichen Rosatönen, von Zartrosa bis hin zu Himbeertönen. Es ist ein so schöner, ruhiger Ort. Die Farben und der angenehme Mangel an Symmetrie haben etwas an sich, das die dunklen Knoten in mir löst. Ich schlüpfe in Ballerinapantoffeln und mache mich auf den Weg in die Küche. In diesem Raum verbringe ich die meiste Zeit – nicht, weil ich viel koche, sondern wegen der angenehmen Proportionen und des natürlichen Lichts, das durch das Oberlicht hereinströmt. Während ich durch den Raum schlendere und mein Frühstück zusammenstelle, denke ich daran, wie schön es ist, dass ich mich um niemanden außer mir selbst kümmern muss. Ich bin jetzt schon eine Weile Single. Mit meinem letzten Freund, Rob, war ich sechs Jahre lang zusammen. Es gab kein großes Drama um unsere Trennung, es war eher ein allmählicher Liebesschwund. Wie oft ich auch die Einzelheiten unseres gemeinsamen Lebens Revue passieren lasse, es gab nie eine zufriedenstellende Erklärung dafür, wie wir uns so spektakulär auseinandergelebt haben.

Es dauerte lange, bis ich überhaupt merkte, dass etwas nicht stimmte. Schließlich war das Gefüge unserer Beziehung immer noch da – die gemeinsame Wohnung, die gemeinsame Plattensammlung, unsere Maine Coon, Delilah. Ich habe nicht mit Rob um das Sorgerecht gekämpft – sie hat ihn immer mir vorgezogen. Aber langsam, tröpfchenweise, verblasste der Glanz und alles wurde ein bisschen dunkler. Zuerst tat ich so, als würde ich es nicht bemerken, aber irgendwann war der Punkt erreicht, an dem ich die Warnzeichen nicht mehr ignorieren konnte. Rob, der im Wohnzimmer saß, eine Musikzeitschrift in den Händen, las sie nicht, sondern starrte einfach nur ins Leere. Wenn ich seinen Blick erhaschte, schenkte er mir ein kurzes, überschwängliches Lächeln, bevor er sich eilig wieder den Konzertankündigungen zuwandte. Auch sein Äußeres veränderte sich auf subtile Weise: Er nahm mehr als drei Kilo ab und kaufte sich teure Leinenhemden für die Arbeit – und das bei einem Mann, der zuvor nicht vor Polyesterhemden zurückgescheut ist. Dann erzählte er mir eines Tages, dass er bei der Arbeit jemanden kennengelernt hatte, mit der er lieber zusammen sein wollte als mit mir. Es flossen ein paar Tränen, aber es gab keine Beleidigungen und kein Flehen in letzter Minute zu bleiben. Es war ein zivilisiertes Ende für eine zivilisierte Beziehung. Jetzt wünschte ich mir, ich hätte mich mehr empört.

Nach dem Frühstück dusche ich und ziehe mich an, wobei ich ein wenig mehr Sorgfalt auf mein Outfit verwende als sonst. Dann steige ich ins Auto für die kurze Fahrt zur Arbeit.

Als ich im Laden ankomme, steht Claire draußen und hilft einem Kunden bei der Auswahl aus den bunten Sträußen in unserem Angebot auf dem Bürgersteig. Ich bin sehr stolz auf unsere Fassade. Es sind keine hässlichen Plastikeimer zu sehen, sondern eine liebevoll zusammengestellte Auswahl an »Requisiten«, darunter eine Milchkanne, ein paar alte Verpackungskisten, ein paar verzierte Jardinieren und mein persönlicher Favorit – ein alter Kinderwagen. Ich nicke Claire anerkennend zu, bevor ich die schmale Gasse an der Seite des Ladens hinuntergehe, die zu meinem Atelier führt. Dem ehemaligen Lagerraum des Gemüseladens, der früher in dem Gebäude untergebracht war. Jetzt ist es der Ort, an dem wir unsere Kundenaufträge zusammenstellen. Das Atelier ist nicht luxuriös, aber es bekommt natürliches Licht durch mehrere große Fenster und es bietet Platz für eine lange Werkbank. Sie ist groß genug, dass wir zu zweit nebeneinander arbeiten können, und beherbergt noch einen kompakten Küchenbereich mit einem Tisch und Stühlen.

Drinnen finde ich Ewan, der sich gerade über ein McDonald’s-Frühstück hermacht. Ewan ist unser Teilzeitkurier und arbeitet erst seit ein paar Monaten für uns. Er ist ein netter Kerl, Ende dreißig, und sieht fit aus. Er hat sich letztes Jahr von seiner langjährigen Partnerin getrennt und wohnt bei einem Freund, während er sich eine eigene Wohnung sucht. Auf jeden Fall ist er eine große Verbesserung gegenüber seinem Vorgänger – einem mürrischen, leichenblassen Mann, der heimlich an seinen Achselhöhlen schnüffelte, wenn er dachte, dass ihn niemand beobachtete.

Als Ewan mich sieht, legt er sein Essen zur Seite und erhebt sich. »Tut mir leid, Amy, ich wollte nur kurz frühstücken, bevor ich mich auf den Weg mache, aber wenn ich dir im Weg bin …«

»Alles gut, Ewan, es gibt keinen Grund zur Eile.«

Er setzt sich wieder hin. »Gibt’s heute viel zu tun?«

»Ich habe später eine Beerdigung.« Ich ziehe meine Jeansjacke aus und hänge sie an einen Wandhaken. »Für eine junge Frau namens Iris.«

»Wenn du sagst ›jung‹ …«

»Zweiundzwanzig.«

»Scheiße!« Er sieht mich entgeistert an. »War sie krank?«

Ich schüttle den Kopf. »Autounfall. Ihre beste Freundin ist gefahren. Sie hat eine Kurve zu schnell genommen und ist mit dem Auto frontal gegen einen Baum geprallt.«

»Und die Freundin?«

»Hat überlebt und nur einen Kratzer davongetragen.«

Ewan trinkt einen Schluck aus seinem Pappbecher und tupft sich dann überraschend geziert die Mundwinkel ab. »Findest du diese Art von Arbeit nicht ein bisschen deprimierend?«

Ich zucke mit einer Achsel. »Ich mache eigentlich gerne Trauerfloristik. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich etwas getan habe – auch wenn es nur eine Kleinigkeit sein mag – , um Personen zu helfen, die einen geliebten Menschen verloren haben. Es ist erstaunlich, wie Blumen dazu beitragen können, einen wirklich schrecklichen Anlass in etwas Schönes zu verwandeln.«

»Das ist eine nette Art, die Sache zu betrachten.«

Ich nehme eine Schürze vom Haken und streife sie mir über den Kopf. Die Schnüre schlinge ich zweimal um meine Taille und binde sie vorne zu einem Doppelknoten zusammen. »Sicher, früher waren Blumen bei Beerdigungen natürlich nicht dazu da, ein schönes Ambiente zu liefern. Sie dienten einem viel praktischeren Zweck.«

»Ach? Und welchem?«

»Um den Gestank zu überdecken, der aus dem Sarg kam.«

Ewan würgt. »Das ist ekelhaft.«

»Entschuldigung, verderbe ich dir die Lust auf dein McMuffin?«

Er klopft sich auf den Bauch. »Keine Sorge, das ist schon sicher verstaut.« Er steht auf und trägt die Verpackungen seiner Mahlzeit zum Mülleimer. »Ich würde ja gerne noch bleiben und mir mehr von deinen grausigen Anekdoten anhören, aber es wird Zeit, dass ich mich auf den Weg mache.«

»Hast du den Lieferplan?«

»Ja, Claire hat ihn mir ausgedruckt. Ich habe sie gebeten, mir auch ein paar Visitenkarten mitzugeben, für den Fall, dass irgendwelche Kunden danach fragen.«

Ich lächle ihn anerkennend an. Ich mag Mitarbeiter mit Initiative.

Als ich ihm nachsehe, frage ich mich – und das nicht zum ersten Mal – , warum jemand wie Ewan Lust auf so einen monotonen, schlecht bezahlten Job wie diesen hat. Das war tatsächlich eine meiner Fragen im Vorstellungsgespräch, auch wenn ich sie nicht ganz so unverblümt formuliert habe. Er sagte, er habe seinen früheren Job im Verkauf als sehr stressig empfunden und wolle etwas weniger Anspruchsvolles machen. Ich hatte das Gefühl, dass da mehr dahintersteckte, und überlegte, ob er vielleicht eine Art Zusammenbruch erlitten hatte. Aber solche Fragen kann man heutzutage in einem Vorstellungsgespräch nicht mehr stellen, ohne sich vor einem Gericht wiederzufinden. Außerdem geht es mich auch nichts an. Ich mochte Ewan, seine Referenzen waren einwandfrei und er hatte keinerlei Strafpunkte auf seinem Konto. Das ist letztendlich alles, was zählt.

Ich schiebe den Gedanken beiseite, konzentriere mich und mache mich an die Arbeit. Der erste Anlaufpunkt sind die Lagerregale aus Metall, die nach meinen spezifischen Vorgaben angefertigt wurden und eine ganze Wand des Raumes belegen. Darin stehen mit Wasser gefüllte Eimer mit Blumen in jeder Größe, Form und Farbe. Ich treffe meine Auswahl schnell und selbstbewusst, gehe zwischen Regal und Werkbank hin und her, bis ich alles habe, was ich brauche. Als Nächstes gehe ich zu einem anderen Wandregal und nehme eine Handvoll Werkzeuge heraus: Messer, Stielentdorner und Blattschäler, Drahtrollen, Bindfaden.

Zunächst bereite ich das Rohmaterial vor, entferne vorsichtig überschüssiges Laub und beschädigte Blütenblätter und schneide die Stiele auf die gewünschte Länge zu. Erst dann beginnt der spaßige Teil: die Konstruktion. Mein Ziel ist es, nicht nur etwas Schönes zu schaffen, sondern die inneren Qualitäten der Blumen zum Vorschein zu bringen, so wie ein Bildhauer einem Klumpen Ton Leben einhaucht. Obwohl jede meiner Kreationen sehr individuell ist, habe ich eine bestimmte Ästhetik, und es ist mir wichtig, dass sich jeder, der die Blumen sieht, von ihnen willkommen geheißen fühlt und nicht überwältigt.

Das ist mein erster Beerdigungsauftrag seit Monaten. Wir bekommen nicht mehr so viele Anfragen wie früher; viele Leute bitten um Spenden für wohltätige Zwecke anstelle von Blumen. Das ist natürlich ihr gutes Recht, aber ich finde es schade. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Blumen Menschen in Zeiten der Trauer oder des Kummers sehr viel Trost spenden können.

In meinem ersten Job als Floristin hatte der Geschäftsinhaber einen Ringordner mit laminierten Seiten zusammengestellt, den er den Hinterbliebenen mit großem Aufwand überreichte, als wäre es eine Erstausgabe. Ein gutes Dutzend Kränze, die sich nur durch Seriennummern unterschieden – grässliche, schablonenhafte Angebote, die förmlich »Beerdigung« schrien und deren Anblick schon deprimierte. Es wurde keine maßgeschneiderte Alternative angeboten; es gab das oder gar nichts. Selbst wenn ich jetzt noch daran denke, gerät mein Blut in Wallung. Meiner Meinung nach sollten Blumen für die Toten genauso einzigartig sein wie Blumen für die Lebenden. Deshalb versuche ich immer, die Hinterbliebenen persönlich zu beraten, statt mich mit einem kurzen Telefonat oder ein paar Zeilen in einer SMS zu begnügen. Ich habe festgestellt, dass dies der beste Weg ist, um die Informationen zu sammeln, die ich brauche, um einen passenden Blumenschmuck zu entwerfen, der die Persönlichkeit und die Leidenschaften des Verstorbenen möglichst gut widerspiegelt. Gleichzeitig möchte ich nicht, dass meine Entwürfe trivial oder vorhersehbar wirken – das ist der Grund, warum Schwertlilien bei der heutigen Beerdigung nicht vorkommen werden.

Die Eltern von Iris haben mir ungewöhnlicherweise einen Freibrief ausgestellt. »Stellen Sie einfach ganz besondere Blumen zusammen«, sagte ihre Mutter, als sie in mein Geschäft kam. »So besonders wie meine Tochter.« Ehrlich gesagt, glaube ich, dass sie froh war, die Verantwortung für die Auswahl der Blumen auf jemand anderen abwälzen zu können. Das kann ich ihr nicht verdenken. Ein Bestattungsunternehmer, mit dem ich viel zusammenarbeite, sagte mir einmal, dass bei einer durchschnittlichen Beerdigung etwa zweitausend Entscheidungen getroffen werden müssen. In einer Zeit, in der sich Hirn und Herz anfühlen, als würden sie durch einen Schredder gejagt, wird von den Menschen erwartet, eines der wichtigsten Ereignisse in ihrem Leben zu organisieren – und das Schlimmste daran ist, dass sie nur ein paar Wochen Zeit dafür haben. Das ist eine enorme Belastung und etwas, womit viele Menschen zu kämpfen haben. Wenn ich den Druck ein wenig mindern kann, habe ich das Gefühl, etwas wirklich Sinnvolles getan zu haben.

Als ich die Bestellung abgeschlossen habe, ist es kurz vor elf. Also habe ich noch etwa eine Stunde Zeit, um die Kirche zu schmücken, bevor die ersten Trauergäste eintreffen. Während Ewan die Lieferungen an die Privatkunden und die meisten unserer Firmenkunden (Büros, Hotels, Restaurants usw.) übernimmt, kümmere ich mich um das »Event«-Geschäft, bei dem eine persönliche Note sehr wichtig ist. Wenn, wie jetzt, der mit Werbung beklebte Van von Darling Blossoms nicht zur Verfügung steht, nutze ich meinen geräumigen SUV.

Die Kirche ist nur eine kurze Autofahrt entfernt, und heute scheint Gott mir wohlgesinnt zu sein, denn ich ergattere direkt vor der Kirche einen Parkplatz. Ich kenne das Innere des Gotteshauses gut, und es dauert nicht lange, bis ich die Vorbereitungen getroffen habe. Doch jedes Mal, wenn ich zurücktrete, habe ich das Bedürfnis, eine kleine Anpassung vorzunehmen. Ich kürze das Band am Ende einer Kirchenbank, verschiebe einen Krug um ein paar Zentimeter, schneide ein vorwitziges Laubblatt ab. Es ist schon komisch, wie etwas völlig »falsch« aussehen kann und die kleinste Änderung es dann absolut perfekt macht, selbst wenn man nicht genau sagen kann, warum. Sobald ich mit der Kontrolle aus der Nähe zufrieden bin, entferne ich mich rückwärts durch den Mittelgang, damit ich die volle Wirkung ermessen kann. Ich bin so konzentriert, dass ich geradewegs in eine Person hineinlaufe, die laut aufstöhnt, als ich sie mit dem Ellbogen erwische. Als ich mich umdrehe, stelle ich zu meiner Verlegenheit fest, dass es Iris’ Mutter Jill ist.

»Es tut mir leid, Jill, ich habe Sie nicht gesehen«, sage ich erschrocken. »Ich habe Ihnen doch hoffentlich nicht wehgetan?«

Sie lächelt schwach. »Nein, mir geht’s gut, ehrlich.« Sie hat die Schultern hochgezogen und angespannt, und unter ihren Augen liegen dunkle Schatten. Trotz ihres schicken marineblauen Kleides und der dazu passenden hohen Schuhe sieht sie so niedergeschlagen und mitleiderregend aus, dass ich der Versuchung widerstehen muss, meine Arme auszustrecken und sie zu umarmen. »Ich wollte nur kurz mal schauen, wie Sie vorankommen.«

Ich trete zur Seite, damit sie einen freien Blick auf das Kirchenschiff hat. »Ich bin so gut wie fertig. Was halten Sie davon?«

Sie geht ein paar Schritte weiter, die Hand schützend vor den Bauch gepresst. Sie betrachtet die Blumensträuße, die am Ende jeder Kirchenbank hängen – leuchtend gelbe Sonnenblumen drängeln sich neben stacheligen blauen Kugeldisteln, zart orangefarbener Kapuzinerkresse und leuchtend rosa Dahlien – , eine Kakofonie aus widerstreitenden Farben und kontrastreichen Formen. Als sie mit der Hand leicht über die Blütenblätter streicht, seufzt sie leise, sagt aber nichts. Ihr Blick wandert zu den Buntglasfenstern und den breiten Steinsimsen darunter, die jetzt mit einem Füllhorn von nicht zusammenpassenden Milchkännchen und Teetassen gesäumt sind, aus denen Miniaturblüten hervorquellen – Lobelien, Vergissmeinnicht, flauschige Wolken von Schleierkraut.

Als sie sich immer noch nicht äußert, werde ich unruhig. Ich mache mir Sorgen, ob ich es vielleicht zu weit getrieben habe. Vielleicht, wenn ich meine Vorstellungen erkläre …

»Sie sagten, Iris war ein Freigeist, ein wirklich einzigartiger Mensch«, beginne ich. »Ich habe versucht, all diese wunderbaren Eigenschaften mit Blumen darzustellen – ihre Lebensfreude, ihren schrulligen Sinn für Humor, ihren eklektischen Sinn für Mode. Sie wissen es vielleicht nicht, aber Iris war die griechische Göttin des Regenbogens. Deshalb habe ich alle erdenklichen Farben verwendet, vom Violett des Lavendels bis zum Rot der Amaryllis.«

Jill sieht mich an, und die angespannten Falten in ihrem Gesicht lösen sich auf, als würden sie plötzlich von einem sanften, warmen Lichtstrahl erfasst. »Ach, Amy«, murmelt sie, und eine dicke Träne kullert über ihre Wange. »Die Blumen sind absolut perfekt.«

Ich lächle erleichtert. »Das ist gut zu hören. Das Letzte, was ich wollte, war, Sie – oder Iris – zu enttäuschen.« Ich zeige auf den kleinen Holztisch neben dem Taufbecken. Darauf liegt ein Besucherbuch, daneben ein cremefarbener Pappkarton. »Da ist noch etwas, das ich Ihnen zeigen möchte.«

Sie folgt mir zum Tisch und sieht zu, wie ich den Deckel von der Schachtel nehme. In den Falten des Seidenpapiers liegen Dutzende von duftenden Kräuterzweigen, einfach mit Bast zusammengebunden.

»Das ist Rosmarin, zum Gedenken«, erkläre ich. »Für jeden Gast gibt es einen Zweig. Sie können ihn im Knopfloch tragen oder als Andenken mitnehmen. Das mache ich bei jeder Beerdigung, bei der ich das Privileg habe, den Blumenschmuck zu gestalten. Das kostet nichts extra.«

Bevor sie antworten kann, taucht ein Mann in der Vorhalle auf. Er ist groß und bärtig und trägt seinen schwarzen Maßanzug wie eine Strafe.

»Amy, ich möchte Ihnen meinen Mann Liam vorstellen«, sagt Jill, als er zu uns tritt.

Er schüttelt mir die Hand – einmal, kurz. Da ich nicht weiß, was ich sagen soll, frage ich ihn, was er von den Blumen hält.

Er schaut sich im Kirchenschiff um und zieht die Augenbrauen hoch, als er die Teetassen bemerkt.

»Das ist nicht ganz das, was ich erwartet habe. Ist es nicht ein bisschen … ich weiß nicht … frivol?«

Jill strafft die Schultern und richtet sich auf wie eine durstige Pflanze, die gerade gegossen wurde. »Heute geht es nicht um uns, Darling, sondern um Iris«, erinnert sie ihn sanft. »Und ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass sie sich über Amys Blumen wahnsinnig gefreut hätte.«

Er holt tief Luft, und einige längere Haare auf seinem Schnauzbart flattern. »Natürlich, Liebes, du hast absolut recht – wie immer.« Er wendet sich mir zu. »Tut mir leid, Amy, ich wollte nicht undankbar wirken. Ich sehe, dass Sie sich sehr viel Mühe gegeben haben. Ich wünschte nur, Iris wäre hier, um es mit eigenen Augen zu sehen.« Sein Mund verzieht sich zu einer Grimasse. »Aber das ist sie nicht; sie wurde uns gestohlen von dieser … dieser Person, die die Frechheit besessen hat, sich als beste Freundin meiner Tochter zu bezeichnen.«

Seine Worte rühren etwas in mir an, und mein Magen verkrampft sich mit einem Gefühl, das ich nicht recht zuordnen kann. Ich fühle mich unwohl und mache mich auf den Weg zu der Bank, wo ich die Verpackungen der Blumen abgelegt habe. »Ich räume nur noch auf und dann bin ich schon weg«, sage ich. Ich vermute, dass das Paar wahrscheinlich ein paar Minuten allein sein möchte, bevor die Liebsten ihrer Tochter eintreffen.

 

Bevor ich zum Laden zurückfahre, habe ich noch eine Lieferung zu erledigen. Cole & Elliott ist ein renommiertes Architekturbüro, dessen Geschäftsräume quasi auf dem Weg liegen. Ich übernehme schon seit Jahren die Blumendekoration für den Empfangsbereich. Das Büro war sogar der erste Firmenkunde von Darling Blossoms überhaupt. Ich könnte die wöchentliche Bestellung problemlos in Ewans Dienstplan integrieren, aber aus verschiedenen Gründen ziehe ich es vor, die Deko persönlich zu liefern. Heute sitzt der unsympathischere Teil des Empfangsduos an der Rezeption – eine junge Frau mit zu viel Augen-Make-up und einem extrem nervigen Tonfall. Als ich das Gebäude betrete, nimmt sie meine Anwesenheit kaum zur Kenntnis. Sie ist zu sehr damit beschäftigt, eine SMS in ihr Handy zu tippen, wobei ihre fuchsiafarbenen Schellacknägel auf dem Display leise klicken. Als ich die Blumen auf den hufeisenförmigen Tresen lege, blickt sie mich vorwurfsvoll an.

»Danke.« Sie klingt dabei so wenig dankbar, wie es nur möglich ist.

»Ich schicke die Rechnung wie üblich per E-Mail«, informiere ich sie.

»Super«, sagt sie und gähnt.

Ich schaue mich um, zögere noch zu gehen. In dem gläsernen Besprechungsraum zu meiner Linken sitzen zwei Männer, die heftig gestikulierend diskutieren, wie man das eben macht, wenn es ums ganz große Geschäft geht. Einen von ihnen kenne ich: Adam Cole. Er ist einer der Partner und hat mich unterstützt, als ich gerade angefangen hatte. Dafür werde ich ihm ewig dankbar sein – und auch für die glänzende Kritik, die er für die Website von Darling Blossoms geschrieben hat.

»Sonst noch was?«, fragt die unsympathische Hälfte des Empfangsduos.

»Nein …«, antworte ich. »Dann bis nächste Woche.«

Als ich an mir herunterschaue, bemerke ich, dass sich der Schnürsenkel an einem meiner Schuhe zu lösen droht. Ich bücke mich und binde ihn umständlich neu. Meine Verzögerungstaktik wird durch eine glückliche Fügung belohnt.

»Ist das nicht meine Lieblingsfloristin?«, dröhnt eine vertraute Stimme.

Ich stehe rasch auf, als James Elliott durch den Flur auf mich zukommt. James ist der andere Teilhaber des Unternehmens. Um ehrlich zu sein, muss ich gestehen, dass ich ein bisschen in ihn verknallt bin. Er hat markante, ebenmäßige Gesichtszüge und leuchtend kornblumenblaue Augen. Unter seinem gut sitzenden weißen Hemd ist ein trainierter Oberkörper zu erkennen. Nicht die Muskulatur eines Fitnessstudio-Freaks, sondern die unaufdringliche Kraft eines Mannes, der bei Bedarf den widerborstigen Deckel eines Chutney-Glases öffnen oder ein kaputtes Auto in die nächstgelegene Parklücke schieben könnte.

»Hi James«, antworte ich. »Wie geht’s?«

»Zum Glück ist bald Freitag. Es war eine echt harte Woche.«

Sein Blick bleibt an meinem Etuikleid hängen. Ich habe es schon seit Jahren, aber es ist eines meiner Lieblingsstücke: Der gewagte geometrische Druck lenkt den Blick praktischerweise von meiner kaum vorhandenen Oberweite ab.

»Ein sehr schönes Outfit«, sagt er. »Ich glaube, ich habe Sie noch nie in einem Kleid gesehen, oder?«

Hitze kriecht mir in den Nacken. »Danke, ich habe vorhin die Blumen für eine Beerdigung geliefert, da wollte ich angemessen gekleidet aussehen.«

Er bemerkt die Blumen, die auf dem Tresen liegen. »Was haben Sie diese Woche für uns?«

Ich ziehe den Rand der Papiertüte ab, die sie verdeckt. »Paradiesvogel, Helikonie, Protea und Tigerlilie«, sage ich und zeige nacheinander auf die einzelnen Pflanzen. »Ich habe sie so gebunden, dass man sie nur noch in die Vase stellen muss, und sie arrangieren sich fast von selbst.« Mein Blick fällt auf das quadratische Glasgefäß, in dem die Deko der letzten Woche steht. Erfreulicherweise sind sie kaum verwelkt, obwohl das Wasser einen eher unerquicklichen Schlammton hat.

»Soll ich die für Sie austauschen, während ich hier bin?«

»Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber das übernimmt Olivia sicher gern, richtig, Olivia?«

»Natürlich, Mr Elliott.« Unter der aufgesetzten Beflissenheit der Empfangsdame klingt ihr Tonfall angestrengt und etwas gequält.

James dreht sich wieder zu mir um. »Bevor Sie gehen, Amy, hätten Sie vielleicht fünf Minuten Zeit für mich? Ich würde gerne etwas mit Ihnen besprechen.«

»Selbstverständlich«, willige ich prompt ein. James ist ein sehr geschätzter Kunde – sowohl auf persönlicher als auch auf geschäftlicher Ebene. Er kommt regelmäßig in den Laden, um Blumen für seine Frau zu kaufen. Anders als viele Männer nimmt er nicht einfach das Erstbeste, was er sieht, sondern wählt sorgfältig und mit Bedacht aus – und gibt sich bei der Wahl der Verpackung ebenso viel Mühe wie bei den Blumen selbst. Während er seine Auswahl trifft, unterhalten wir uns oft – nicht nur über die Blumen, sondern über alles Mögliche. Ich bin mir sicher, dass James nicht nur höflich ist – er scheint sich wirklich dafür zu interessieren, was in meinem Leben so passiert. Selbst wenn er sich mit mir über banale Themen unterhält – das Wetter, den Benzinpreis, den neuen Vinyl-Schriftzug auf der Schaufensterscheibe –, gibt mir die Art, wie er mich dabei ansieht, das Gefühl, dass er der einzige Fixpunkt in einer sich drehenden Welt ist. Diese Art von Verbindung habe ich zu den wenigsten Menschen. Zu niemandem, um genau zu sein. Das ist einer der Gründe, warum ich mich so sehr freue, ihn zu sehen.

»Wir gehen am besten in mein Büro, da können wir uns in Ruhe unterhalten.« James sieht Olivia an. »Bringen Sie uns bitte einen Kaffee – oder möchten Sie lieber Tee, Amy?«

»Ein Kaffee wäre toll, danke.«

Olivia hievt ihren knackigen Hintern vom Stuhl. Als sie in ihren zehn Zentimeter hohen Absätzen durch den Flur stöckelt, wünsche ich mir boshafterweise, sie würde stolpern und sich den Knöchel brechen.

Ich war noch nie in James’ Büro. Hinter einem großen Schreibtisch aus hellem Holz steht ein Designerschreibtischstuhl. Er sieht bequem genug aus, um darin schlafen zu können. Aber den Raum dominiert der Tisch in der Mitte, auf dem ein maßstabsgetreues Modell eines Hauses ausgestellt ist. Es ist nicht die Art von Haus, in der ich gerne leben würde, mit all den scharfen Winkeln und riesigen raumhohen Fenstern, aber es ist trotzdem sehr beeindruckend.

»Haben Sie das selbst gebaut?«, frage ich James.

»Um Himmels willen, nein – selbst wenn ich die nötigen Fähigkeiten hätte, hätte ich nicht die Geduld dafür. Alle unsere Modelle werden von einer Spezialfirma hergestellt. Sie verwenden eine Laserschneidetechnik, die eine außergewöhnliche Genauigkeit gewährleistet.«

Ich zucke fast zusammen, weil es mir peinlich ist, dass ich die Frage überhaupt gestellt habe. Wie konnte ich glauben, dass ein Mann wie James bis spät in die Nacht im Büro säße und winzige Gesimse aus Balsaholz bastelte?

»Das ist mein neuestes Projekt«, fährt er fort. »Alle achttausend Quadratfuß. Die Lage ist spektakulär, das Haus liegt am Ufer eines privaten Sees.«

Er stellt sich neben mich, und ich nehme einen schwachen Zitrusduft von seinem Aftershave wahr. Plötzlich verspüre ich den Drang, näher an ihn heranzutreten, um den Duft tiefer einatmen zu können.

Er zeigt auf einen schmalen Pfad auf Stelzen, der zu einem kleinen Kreis aus blauem Plexiglas führt. »Das Haus hat einen erhöhten Steg, der von der vorderen Terrasse bis hinunter zum Wasser führt.«

»Es ist atemberaubend«, sage ich mit einem Hauch von Neid in der Stimme. Ich kann mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie es sein muss, so reich zu sein, so privilegiert. »Ich wette, so ein Haus ist nicht gerade billig.«

Er lacht leise. »Damit liegen Sie ganz richtig. Glücklicherweise ist mein Kunde ein sehr erfolgreicher Hedgefonds-Manager mit sehr tiefen Taschen.«

Unser Gespräch wird durch Olivias Erscheinen unterbrochen. Sie trägt ein Tablett mit einer Cafetière und einem Teller mit Keksen. Nicht die Art von Keksen, die wir in der Küche von Darling Blossoms haben – Jaffa Cakes oder Choco-Digestives –, sondern dicke Shortbread-Finger, die mit Schokolade und Ingwerstückchen gespickt sind. Sie stellt das Tablett auf den Tisch und schenkt den Kaffee ein. Ich bin froh, als James sie mit einer Handbewegung hinausscheucht. »Ist gut, Olivia, danke, den Rest machen wir selbst.«

Er geht zum Schreibtisch und lädt mich ein, auf einem der davorstehenden Stühle im Retro-Look Platz zu nehmen. »Greifen Sie zu«, sagt er und deutet auf die Kekse, während er den Kaffee einschenkt.

Ich zögere, weil ich nicht gierig erscheinen will. »Nehmen Sie keinen?«

»Und ob! Ich bekomme die nur hier im Büro.« Er verzieht spöttisch das Gesicht, während er mir den Kaffee reicht. »Kekse sind bei uns zu Hause verboten. Meine Frau ist eine schreckliche Naschkatze. Sie sagt, wenn wir so was im Haus haben, kann sie nicht aufhören, bis sie die ganze Packung aufgegessen hat.«

»Das geht mir genauso.« Ich nehme einen Shortbread-Finger, wobei ich darauf achte, meine Ellbogen an den Seiten zu halten, damit James die dunklen Schweißflecken an den Armausschnitten meines Kleides nicht entdeckt. Es ist ein warmer Tag, und seine Nähe macht mich nervös. Ich widerstehe dem Drang, mir das Gebäck in den Mund zu schieben wie einen Baumstamm in ein Sägewerk, und nehme einen zierlichen Bissen. Auf James’ Schreibtisch fällt mir ein Foto in einem silbernen Rahmen auf. Es zeigt eine attraktive blonde Frau, die ein Kleinkind im Arm hält. »Ist das Eleanor?« Ich krame den Namen seiner Frau aus den Tiefen meines Gedächtnisses hervor.

»Ja.« Er lächelt schief. »Und das ist unser Sohn Toby. Er ist zweieinhalb Jahre alt.«

»Ach, er sieht so süß aus.« Das tut er nicht wirklich; ich bin nur höflich.

»Das ist er … manchmal«, sagt James. »Manchmal ist er auch ziemlich nervig. Aber ich kann mich nicht beklagen, ich war in seinem Alter genauso. Erst jetzt, wo ich selbst Vater bin, wird mir bewusst, was meine armen Eltern durchmachen mussten.« Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück, eine Hand im Nacken, seine Finger kneten die Sehnen dort. »Haben Sie Kinder?«

»Nein.« Da ich das Bedürfnis verspüre, meine Kinderlosigkeit zu rechtfertigen, füge ich rasch hinzu: »Aber das liegt an meiner persönlichen Entscheidung, nicht an einer biologischen Fehlfunktion – oder an meiner Unfähigkeit, einen geeigneten Partner zu finden.«

Er lacht, ein tiefes, kehliges Lachen, das mir eine Gänsehaut über den Rücken jagt. »Gut zu wissen. Und gibt es sonst jemand Bedeutsamen?«

Ich schüttle den Kopf. »Ich bin Single und sehr glücklich damit, danke.«

»Das ist das Beste«, sagt er mit einem Augenzwinkern. »Es gibt Zeiten, da wünschte ich, ich wäre noch Single – nicht, weil ich meine Frau und meinen Sohn nicht liebe, sondern weil es manchmal sehr anstrengend sein kann, Ehemann und Vater zu sein.«

Unsere Blicke treffen sich, und in diesem Moment scheint es, als ob etwas zwischen uns passiert, obwohl das wahrscheinlich nur Wunschdenken meinerseits ist.

»Eigentlich wollte ich mit Ihnen über meine Frau sprechen – oder vielmehr über Eleanors Schwester Isabel.« Er greift nach seiner Tasse und trinkt einen Schluck Kaffee. »Izzy hat es in letzter Zeit nicht leicht gehabt. Anfang des Jahres hat sie eine hässliche Scheidung hinter sich gebracht, und dann wurde auch noch ihr Job wegrationalisiert.«

»Oje«, murmle ich mitfühlend und wünschte, er würde zur Sache kommen, denn die Spannung bringt mich noch um.

»Izzys vierzigster Geburtstag steht vor der Tür, und Eleanor und ich geben eine Party für sie am 15. August, mit allem Drum und Dran – Festzelt, Caterer, Live-Band … das volle Programm.« Er greift nach einem weiteren Shortbread-Finger. »Wir fänden es toll, wenn Sie die Blumenarrangements machen könnten. Aber da der 15. ein Feiertag ist, habe ich natürlich Verständnis, wenn Sie andere Verpflichtungen haben.«

Habe ich nicht. De facto habe ich seit der Trennung von meinem letzten Freund kaum noch soziale Kontakte. Es kommt nicht selten vor, dass ich ein ganzes Wochenende lang mit niemandem außer dem Postboten spreche. Ich weiß, dass ich etwas dagegen tun sollte – einem Chor beitreten oder einen Abendkurs besuchen –, aber aus irgendeinem Grund, den ich nicht ganz ergründen kann, schiebe ich es immer wieder auf.

»Nein, nein!«, sage ich schnell. »Ich würde sehr gerne die Blumenarrangements für die Feier machen. Vielen Dank, dass Sie an mich gedacht haben. In welche Richtung sollen die Arrangements denn gehen?«

»Ich fürchte, es wäre fruchtlos, mich zu fragen. Ich habe keine Ahnung, was meiner Frau vorschwebt. Wahrscheinlich wäre es das Beste, wenn Sie und Eleanor gemeinsam ein paar Ideen durchsprechen. Noch ist nichts in Stein gemeißelt, und ich bin sicher, dass sie gern Ihre Vorschläge hören würde.«

»Wunderbar – soll ich sie anrufen?«

»Ich glaube, sie würde Sie lieber persönlich treffen, falls das okay ist. Ich habe ihren Kalender auf meinem Handy; wenn Sie möchten, können wir gleich einen Termin vereinbaren. Vielleicht nächste Woche, wenn Sie Zeit haben?«

»Das klingt gut.«

Er nimmt sein Telefon vom Schreibtisch. »Wir wohnen in West Dulwich. Besuchen Sie die Leute normalerweise zu Hause, oder wäre es Ihnen lieber, wenn Eleanor zu Ihnen in den Laden käme?«

Ich zögere. Es wäre praktischer, wenn sie zu mir käme, aber ich bin sehr neugierig darauf, zu sehen, wo James wohnt. »Ich kann gerne vorbeikommen und Ihre Frau zu Hause besuchen, wenn das für sie einfacher ist.«

Er konsultiert den Kalender auf seinem Handy. »Wie wäre es mit Donnerstag – sagen wir zwei Uhr nachmittags?«

Die Fältchen um meine Augen verziehen sich in einem Lächeln. »Abgemacht.«

 

Als ich die Büroräume von Cole & Elliott verlasse, platze ich beinahe vor Freude. Das könnte die Gelegenheit für Darling Blossoms sein. Es ist offenkundig, dass die Elliotts wohlhabende Leute sind. Das sieht man an James’ gestärktem Hemd, an seiner unbekümmerten Haltung, an den schweren Goldgliedern des Uhrarmbands an seinem Handgelenk. Ich denke schon seit einer Weile, dass ich, wenn ich das Geschäft weiterbringen will, Zugang zu größeren Fischen brauche – Bankern, Anwälten, Leuten mit Geld und Geschmack – , die Art von Kreisen, in denen sich James und Eleanor zweifellos bewegen. Es ist ja ganz schön und gut, Sträuße im mittleren Preissegment an Pendler zu verhökern und die eine oder andere schicke Hochzeit zu gestalten oder Firmendeko zu liefern. Aber wenn ich Darling Blossoms auf das nächste Level bringen will, brauche ich andere Kunden – besser vernetzte, mit höheren Einkommen. Die Art von Menschen, für die frische Blumen eher eine Notwendigkeit als ein Luxus sind. Wenn ich gute Arbeit leiste, könnte diese Party ein Sprungbrett zu lukrativeren Aufträgen und einkommensstärkeren Kunden sein. Ich muss nur dafür sorgen, dass ich es nicht vermassle.

3

Das Haus der Elliotts ist der feuchte Traum eines jeden Immobilienmaklers: ein extravaganter Umbau einer Kirche im Stil der Neugotik mit Bögen, Kragsteinen, Wasserspeiern, Endstücken und einer Vielzahl anderer architektonischer Elemente, deren Namen ich nicht kenne. Die rechte Seite des Gebäudes wird von einer wunderschönen Rosette beherrscht, deren einzelne Buntglasscheiben durch filigrane Steinmetzarbeit in Segmente unterteilt sind. Noch beeindruckender ist der gedrungene Glockenturm auf der gegenüberliegenden Seite mit seinen hübschen Sprossenfenstern. Der Kirchturm, falls es jemals einen gab, ist längst verschwunden. An seiner Stelle steht ein moderner Glaskasten, der aus der Seite des Turms herausragt. Dieses Nebeneinander von Alt und Neu sollte eigentlich irritieren, doch die Gesamtwirkung ist total ansprechend. Ich starre noch immer ehrfürchtig nach oben, als sich die Eingangstür öffnet.