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Band 2 einer neuen, süchtig machenden Reihe über eine Gruppe von Männern, die heimlich Liebesromane lesen ... Echte Männer lesen Liebesromane. Findet zumindest Geschäftsmann Braden Mack. Er gehört einem geheimen Buchclub an, in dem Männer über Romances diskutieren, um Frauen und deren Wünsche besser zu verstehen. Theoretisch klappt das bestens, praktisch stellt ihn Liv, die kratzbürstige Schwägerin seines Freundes Gavin, vor ein Rätsel. Für sie sind Liebesromane nichts als Zeitverschwendung. Als sie ihren Job verliert, weil ihr Chef sexuelle Belästigung für ein Berufsrisiko hält, ist das die perfekte Mission für Mack: Er hilft Liv, diesen widerlichen Mistkerl zu ruinieren, und beweist ihr nebenbei, dass es auch im echten Leben Happy Ends gibt …
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Seitenzahl: 416
Lyssa Kay Adams
Roman
Echte Männer lesen Liebesromane!
Das findet zumindest Geschäftsmann Braden Mack. Er gehört einem geheimen Buchclub an, in dem Männer über Romances diskutieren, um Frauen und deren Wünsche besser zu verstehen. Theoretisch klappt das bestens, praktisch stellt ihn Liv, die kratzbürstige Schwägerin seines Freundes Gavin, vor ein Rätsel. Für sie sind Liebesromane nichts als Zeitverschwendung. Als sie ihren Job verliert, weil ihr Chef sexuelle Belästigung für ein Berufsrisiko hält, ist das die perfekte Mission für Mack: Er hilft Liv, diesen widerlichen Mistkerl zu ruinieren, und beweist ihr nebenbei, dass es auch im echten Leben Happy Ends gibt …
«Die exzellente Charakterzeichnung, der wunderbare Humor und die authentische Entwicklung zwischen Liv und Mack machen dieses Buch zu einem Volltreffer.» Publishers Weekly
«Eine Kombination aus Komödie, Liebesroman und Sozialkritik … dieses Buch stammt von einem kommenden Star des Genres.» Book Page
«Die Geschichte lässt einen daran glauben, dass die richtigen Menschen sich finden.» Shondaland
Lyssa Kay Adams hat ihren ersten Liebesroman vom Bücherregal ihrer Oma geklaut. Das war in der achten Klasse, und seitdem ist sie ein treuer Fan des Genres. Das merkt man auch ihren eigenen Büchern an. In ihrer Reihe «The Secret Book Club» über Männer, die heimlich Romances lesen, findet man nicht nur hinreißende Liebesgeschichten, sie ist auch eine Hommage an das Genre selbst. Nach zwanzig Jahren als Journalistin schreibt Lyssa Kay Adams inzwischen in Vollzeit Romane. Sie lebt in Michigan und tauscht sich gern mit ihren Lesern aus. Mehr Informationen sind auf ihrer Homepage zu finden: www.lyssakayadams.com
Die Übersetzerin Angela Koonen ist am Niederrhein aufgewachsen und liest schon, seit sie denken kann. Sie studierte aus Neugier Theologie, hat einen Sohn großgezogen und übersetzt seit zwanzig Jahren Unterhaltungsromane jedes Genres. Wenn sie nicht gerade liest oder übersetzt, hört sie gern Opern, Funk und Heavy Metal oder beschäftigt sich mit Malerei.
Die Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel «Undercover Bromance» als Jove Book bei Berkley/Penguin Publishing Group/Penguin Random House, LLC, New York.
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, September 2020
Copyright © 2020 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg
«Undercover Bromance» Copyright © 2020 by Lyssa Kay Adams
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.
Covergestaltung ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung Shutterstock
Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation
Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
ISBN 978-3-644-00600-3
www.rowohlt.de
Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.
Für Mom
Danke, dass du mich zu einer starken Frau erzogen und mir beigebracht hast, dass es eigentlich nur solche gibt.
Braden Mack lenkte seinen Porsche SUV am hinteren Rand des dunklen Parkplatzes in eine Parklücke und wartete auf das Zeichen. Zwei Reihen weiter stand ein Chevrolet mit eingeschalteten Scheinwerfern.
Ein Augenblick verging. Dann noch einer.
Endlich flammte das Fernlicht zweimal kurz auf.
Es war so weit.
Mack stellte den Motor ab, schaltete sein Handy stumm und steckte es in die Lederjacke. Als er ausstieg, taten das auch die Männer in dem Chevrolet. Ein muskulöser Körper nach dem anderen schob sich aus dem Wagen. Ihr Atem bildete weiße Wölkchen. Mack ging ihnen entgegen, sie trafen sich auf halber Strecke zwischen den Autos.
«Du bist zu spät», sagte Del Hicks, einer seiner engsten Freunde.
«Ich musste eine Ehe retten.»
«Wieder eine einsame Ehefrau?» Das kam von Derek Wilson, einem örtlichen Bauunternehmer.
«Manche Männer lernen es nie.»
«Und genau deshalb sind wir hier, oder nicht?», sagte Malcolm James mit seiner tiefen Zen-Meister-mäßigen Stimme. Sein dichter Bart reichte ihm inzwischen bis zum Schlüsselbein.
«Richtig.» Mack sah sie der Reihe nach an und versuchte abzuschätzen, ob alle bereit waren, das hier durchzuziehen. «Wer noch aus der Nummer rauswill, muss es jetzt sagen, denn sobald wir reingehen, gibt es kein Zurück.»
«Ich bin dabei», sagte Derek.
«Ja, Mann.» Del rieb sich die behandschuhten Hände. «Tun wir’s.»
«Was machen wir hier noch mal?», fragte Gavin Scott, eins der neuesten Mitglieder des Clubs. Sein Tonfall war jammernd, und er zog gegen den kalten Wind die Schultern hoch. «Außer uns die Eier abfrieren?»
Mack drehte sich um und sah zu dem Gebäude. Ein hellrotes Neonschild prangte über dem geschäftigen Bürgersteig vor dem Einkaufszentrum. Music City Books. Drei Jahre lang hatten sie ihren Buchclub geheim gehalten. Heimlich gelesen. Sich hinter verschlossenen Türen getroffen. Sie waren insgesamt zehn Männer – Profisportler, Lokalpolitiker, Technikgenies, Unternehmer. Mack gehörten mehrere Bars und Nachtclubs in Nashville. Sie alle teilten eine Vorliebe für ein Genre, das sie zu besseren Männern, besseren Liebhabern und besseren Ehemännern gemacht hatte.
Na ja, Letzteres galt nicht für Mack, er war einer der letzten Singles in der Gruppe. «Was wir hier machen?», wiederholte er und sah die anderen Männer an. «Wir werden in aller Öffentlichkeit Liebesromane kaufen, verdammt noch mal.»
Er stemmte die Hände in die Hüften und wartete auf eine Reaktion. Die ersten Takte einer dramatischen Filmmelodie oder lautes Jubeln wären nicht schlecht. Stattdessen bekam er lediglich einen lauten Furz zu hören, und zwar vom sechsten Mitglied ihrer Truppe, einem russischen Eishockeyspieler namens Vlad, der keine Milchprodukte vertrug. Wirklich überhaupt keine.
Vlad verzog das Gesicht und griff sich an den Bauch. «Ich muss zur Toilette.»
Mack schüttelte nur den Kopf. «Gehen wir.»
Leicht gebeugt setzte sich Vlad als Erster in Bewegung, die anderen folgten ihm mit Mack an der Spitze. Sie warteten am Rand des Parkplatzes ein paar vorbeifahrende Autos ab, bevor sie zum Bürgersteig hinüberliefen. Vlad verschwand nach drinnen, ohne sich noch einmal umzusehen, mit jedem Schritt wurde er schneller. Die Situation war offensichtlich kritisch. Die arme Toilette ahnte nicht, was bevorstand. Ruhe in Frieden, Frischluft im Buchladen.
Mack holte tief Luft, die Hand am Türgriff. Noch einmal sah er die anderen an. «Okay. Das sind die Regeln: Jeder von uns kauft mindestens ein Buch für den Club, das als unsere nächste Lektüre in Frage kommt. Niemand versteckt das Cover. Und wenn euch irgendwer darauf anspricht, ihr kauft es nicht als Geschenk. Ihr kauft es für euch selbst. Noch Fragen?»
«Was, wenn uns jemand erkennt?», brummte Gavin mürrisch. Tatsächlich war er momentan wohl der Berühmteste von ihnen, er wurde häufiger erkannt. Als Spieler der Nashville Legends, der Major-League-Baseball-Mannschaft der Stadt, war er vergangenes Jahr zur nationalen Berühmtheit geworden, weil er in einem Playoffspiel einen grandiosen Homerun hingelegt hatte.
«Und wenn schon», antwortete Malcolm. Er war der Runningback der Football-Mannschaft von Nashville und daher selbst ziemlich berühmt. «Wir reden regelmäßig darüber, wie unfair es ist, dass die Atmosphäre toxischer Maskulinität in unserer Gesellschaft uns dazu bringt, uns zu schämen, weil wir auf Liebesromane stehen. Aber wir kaufen uns die Bücher trotzdem heimlich. Es ist Zeit, dass wir uns an das halten, was wir predigen.»
«Hätte es nicht besser sagen können», bemerkte Mack und stellte sich sehr gerade hin.
«Natürlich nicht.» Gavin lachte trocken. «Malcolm hat den IQ eines Genies, Dumpfbacke.»
Mack zeigte ihm den Stinkefinger.
Gavin tat dasselbe.
Del seufzte und drückte die Ladentür auf. «Ich gehe rein.»
Sowie sie das Geschäft betraten, zogen sie Aufmerksamkeit auf sich. Aber Mack bezweifelte, dass es daran lag, dass einer von ihnen erkannt wurde. Wie oft ging schließlich eine Gruppe breitschultriger gutaussehender Typen zusammen in eine Buchhandlung? Sie wirkten wie eine Offensive Line der Literary League.
«Wo stehen die Liebesromane?», fragte Del leise.
Mack schüttelte den Kopf und überflog die Hinweisschilder, die von der Decke hingen. «Ich sehe nichts.»
«Dann müssen wir fragen», sagte Malcolm.
Fluchend zog Gavin sich den Schirm seiner Baseballcap tief in die Stirn.
Sie näherten sich dem Informationsschalter, wo eine Frau von ihrem Bildschirm aufblickte. Sie trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck I read banned books. «Was kann ich für Sie tun?»
«Können Sie mir sagen, wo die Romance-Abteilung ist?», fragte Malcolm.
Sie kniff die Augen zusammen. «Sie meinen die Abteilung für romanische Sprachen?»
«Nein.» Mack trat neben Malcolm. Er stützte eine Hand auf den Tresen und neigte sich lächelnd zu ihr. «Wir meinen Liebesromane.»
«Sie wollen zu den Liebesromanen», sagte sie langsam, und ihre Skepsis triefte aus jeder Silbe.
«Ganz genau.» Mack zwinkerte sie an.
Sein Flirten brachte die Frau zum Erröten. «Ich habe noch nie erlebt, dass Männer nach Liebesromanen fragen.»
Mack neigte sich noch näher zu ihr und senkte halb verführerisch, halb verschwörerisch die Stimme, worauf sie noch mehr errötete. «Es gibt viele wie uns», raunte er.
Sie deutete in den hinteren Teil des Ladens. «Die letzten beiden Regale rechts.»
Hinter Malcolm her gingen sie in die angegebene Richtung. Gavin schnaubte angewidert. «Gibt es eigentlich auch Frauen, mit denen du nicht flirtest?», fragte er.
Mack zuckte mit den Achseln. «Ich kann nichts dafür. Mein Charme ist angeboren.»
Vor einem der letzten Seitengänge, die eine magere Auswahl an Taschenbüchern boten, blieben sie stehen. Nur ein Regal war mit Liebesromanen bestückt. «Das ist erbärmlich», meinte Malcolm kopfschüttelnd.
Gavin blickte sich nervös um. «Ich hätte nichts dagegen, weiter online einzukaufen.»
«Stell dich nicht so an.» Mack neigte den Kopf auf die Seite, um die Buchrücken zu lesen.
Vlad stieß wieder zu ihnen. «Die Toiletten hier sind gut. Sehr sauber.»
Der Kerl konnte einem die besten öffentlichen Toiletten in jeder Großstadt der Vereinigten Staaten nennen. Wenn er das Hockeyspielen eines Tages aufgab, könnte er eine Klo-Ranking-App erstellen und damit mehr Geld verdienen als vorher im Profisport.
Mack fand seine Lieblingsautorin und zog The Protector aus dem Regal, ihr neustes Buch, das sich um einen Geheimdienstagenten und die Tochter des Präsidenten drehte. Er mochte Verfolgungsjagden und Action und so was in seinen Liebesromanen, deshalb las er mit Vorliebe das Subgenre Romantic Suspense. Und eine besondere Schwäche hatte er für Enemies-to-lovers-Geschichten. Es hatte einfach etwas Befriedigendes, wenn zwei Leute entdeckten, dass der Grund für ihre Streitigkeiten auch der Grund war, warum sie perfekt zusammenpassten.
«Treffen wir uns Freitagabend?», fragte Gavin, den Blick auf einen roten Buchrücken gerichtet. «Das Spiel geht wahrscheinlich erst nach sieben zu Ende, Del und ich können also erst spät.»
«Bei mir ginge es erst Samstag», sagte Mack, der sein Buch aufschlug, um die erste Seite zu lesen. «Ich bin Freitag mit Gretchen verabredet.»
In seinem Bauch machte sich Anspannung breit. Morgen Abend ginge er offiziell seit drei Monaten mit Gretchen aus, einer Anwältin, die er bei einer Party kennengelernt hatte, und er scheute keine Kosten, damit es ein ganz besonderer Abend für sie wurde. Er hatte seine Beziehungen spielen lassen, um einen Tisch im ständig ausgebuchten Savoy zu bekommen, einem der schicksten Restaurants in Nashville, das einem berühmten Fernsehkoch gehörte. Und wenn es gut lief, würde er etwas tun, das er noch nie getan hatte, und eine ganz spezielle Frage ansprechen – die Frage nach der Zukunft. Die Kannst-du-dir-etwas-Ernstes-zwischen-uns-vorstellen?-Frage.
Die Stille hinter ihm war viel zu offensichtlich, als dass es ein Zufall sein konnte. Er drehte sich um und sah die Jungs ein stummes Gespräch mit Hilfe von Augenbrauen und Händen führen. Del griff in sein Portemonnaie und gab Vlad einen Zwanziger.
«Was zum Teufel soll das? Was macht ihr da?»
Schuldbewusst zuckten die fünf zusammen. «Er hatte Geld geliehen», erklärte Vlad und steckte den Schein ein.
«Bullshit. Worum geht es wirklich?»
Vlad ließ den Kopf sinken wie ein Welpe, der gerade ausgeschimpft wird, weil er auf den Teppich gepinkelt hat.
«Er hat die Wette gewonnen.»
Mack zog die Brauen zusammen. «Welche Wette?»
«Dass du einen Romantic-Suspense-Titel aussuchst», sagte Del rasch.
Mack verschränkte die Arme, sodass das Buch an seiner Seite ruhte. «Und ihr meint, das kaufe ich euch ab?»
Vlad pfiff vor sich hin und schaute sich um. Del schlug ihm gegen den Hinterkopf.
«Ach fuck.» Gavin seufzte. «Sie haben eine Wette laufen, wie lange es dauert, bis du mit Gretchen Schluss machst.»
Mack blinzelte überrascht. «Wollt ihr mich verarschen?»
«Seine Idee.» Vlad zeigte auf Del.
Del stritt es nicht ab. Stattdessen zuckte er die Achseln. «Ich hab schon einiges an Geld verloren, aber ich bin beeindruckt, dass du so lange bei ihr bleibst. Das muss inzwischen ein Rekord sein.»
Mack klappte den Mund auf und wieder zu und versuchte, nicht beleidigt zu sein. Aber … Scheiße, wie kamen sie darauf? Okay, vermutlich verdiente er den Ruf, jedes Wochenende eine andere Frau an seinem Arm zu haben. Er war einfach noch keiner begegnet, mit der er sich etwas Ernstes vorstellen konnte. Und auch wenn die meisten Leute etwas anderes glauben mochten, er wünschte sich eine feste Beziehung. Aber jetzt wetteten seine eigenen Freunde gegen ihn? Wenn das kein Tritt in die Eier war, was dann?
Mack zeigte auf Del. «Nur zu deiner Information, Blödmann. Ich bleibe zufällig bei ihr, weil ich sie mag. Sie ist schön, intelligent und ehrgeizig.»
«Und die Falsche», stellte Malcolm fest und mischte sich zum ersten Mal in das Gespräch ein. Bisher hatte er sich weiter Bücher angesehen, sich jetzt aber mit vier Stück in seinen großen Händen zu ihnen umgedreht.
«Wie … wie bitte?», stieß Mack perplex hervor. «Wieso ist sie die Falsche?»
«Weil du dir immer die Falschen aussuchst», schnaubte Gavin.
Wieder blieb ihm der Mund offen stehen, bevor Mack antwortete. «Mann, du kennst mich noch keine sechs Monate.»
«Und in der Zeit bist du mit sechs verschiedenen Frauen ausgegangen. Phantastischen Frauen. Alle intelligent, begabt, umwerfend. Perfekt.»
«Und das ist ein Problem?» Er klang, als wollte er sich verteidigen. Verdammt, er fühlte sich auch so, als müsste er sich verteidigen. Sie sollten hier Bücher kaufen, nicht sein Liebesleben analysieren.
Gavin zog die Augenbrauen hoch. «Sag du es mir. Du hast sie alle fallengelassen.»
«Weil es mit ihnen nicht funktioniert hat», knurrte Mack.
«Und bei Gretchen ist das anders?»
«Ja.»
«Inwiefern?», fragte Malcolm.
Darauf hatte Mack keine Antwort. Mit Gretchen war es anders, weil … verdammt, weil er wollte, dass es anders war. Weil er dazu bereit war. Reichte das nicht? Er war es leid, dem glücklichen Eheleben seiner Freunde zuzusehen, während er erfolglos nach der künftigen Mrs. Mack suchte – einer Frau, die er verwöhnen, mit der er alt werden und die er für den Rest seines Lebens lieben konnte. Er war der Gründer des verdammten Buchclubs, aber der Einzige, der noch nie wirklich verliebt gewesen war. Also, ja, er strengte sich diesmal wirklich an, damit etwas Festes daraus wurde, weil er, verdammt noch mal, auch ein Happy End haben wollte.
Gavin hob beschwichtigend die Hände. «Weißt du, wir wollen damit ja bloß sagen, dass du zwar immer behauptest, der Experte zu sein, aber anscheinend hast du die wichtigste Lektion der Bücher nicht kapiert.»
«Und welche soll das sein?» Jetzt klang er gereizt, aber es passte ihm nun mal nicht, vom jüngsten Mitglied des Clubs über die Lektionen der Handbücher, wie sie die Liebesromane nannten, belehrt zu werden.
«Dass jemanden zu verführen und jemanden zu lieben zwei ganz unterschiedliche Sachen sind.»
Mack rollte die Augen. «Du hast leicht reden. Du hast dich auf den ersten Blick in die perfekte Frau verliebt.»
Gavin wurde ernst. «Meine Frau ist nicht perfekt. Sie ist nur perfekt für mich. Und unsere Ehe war alles andere als einfach.»
Wieder verkrampfte sich Macks Magen, aber diesmal nicht vor Nervosität, sondern vor Schuldgefühlen. Gavin und Thea hätten sich vor sechs Monaten beinahe scheiden lassen, bevor der Buchclub sich eingemischt und ihm geholfen hatte, seine Frau zurückzugewinnen.
Aber statt sich zu entschuldigen, weil er sich wie ein Arsch verhalten hatte, schaltete er auf stur. «Ich werde euch zeigen, dass ihr falschliegt», fauchte er.
Mit klopfendem Herzen riss er sein Portemonnaie aus der Hosentasche, sich völlig im Klaren darüber, dass er den anderen etwas beweisen wollte. Er warf Del einen Hunderter hin.
«Fünf zu eins, dass ich ab morgen Abend in einer ernsthaften Beziehung bin.»
«Du siehst heute Abend sehr hübsch aus.»
Mack griff über den Tisch nach Gretchens schlanken Fingern. Sie lächelte, als er ihr mit dem Daumen über die Knöchel strich. Die Ohrringe, die er ihr letztes Wochenende zum Geburtstag geschenkt hatte, hingen an ihren zarten Ohrläppchen und funkelten im Kerzenschein.
«Danke. Du sagst das so oft, dass ich mich tatsächlich so fühle.»
«Neues Kleid?»
Lachend sah sie an sich hinunter. «Äh, nein. Das habe ich vor zwei Jahren bei Macy’s gekauft. Im Ausverkauf.»
«Es steht dir.»
Sie zog ihre Hand zurück. «Noch einmal danke.»
Sie wandte den Blick ab und schaute durchs Restaurant. Von ihrem VIP-Tisch auf der Empore hatte man freie Aussicht auf den urban-elegant eingerichteten Raum. Schmiedeeiserne Kronleuchter hingen von der hohen Decke, und nackte Ziegelmauern verliehen dem Raum etwas Unfertiges. Aber das dunkle Holz und die goldfarbenen Akzente gaben ihm auch eine altertümliche Opulenz.
«Ich habe mich immer gefragt, wie es hier drin wohl aussieht», sagte Gretchen.
«Wie findest du es?»
«Es ist, hm …» Sie schien Skrupel zu haben, sich kritisch zu äußern. «Es ist ein bisschen übertrieben.»
«Genau wie Royce.»
«Du kennst ihn?»
Mack zog sein Jackett zurecht, als er sich zurücklehnte. «Wir sind uns ein paar Mal begegnet. Beim Wohltätigkeitsgolfen und so was. Als Unternehmer verkehrt man unweigerlich in denselben Kreisen.»
«Ah, natürlich.» Sie kniff die Augen ein wenig zusammen. «Das sind eigentlich nicht die Kreise, in denen ich mich bewege, weißt du.»
«Weil deine Kreise wichtiger sind.» Gretchen war Pflichtverteidigerin und hatte sich auf Einwanderungsfragen spezialisiert.
Der Kellner trat mit einer Flasche Dom Pérignon an den Tisch. Mack hatte sie schon bei der Reservierung bestellt, ebenso das berühmte Dessert des Hauses, den Sultan Cupcake. Die Nachspeise war so aufwendig und teuer, dass sie im Voraus geordert werden musste. Er konnte kaum erwarten, Gretchens Gesicht zu sehen, wenn man ihnen den Cupcake servierte.
«Champagner?», fragte Gretchen, als der Korken ploppte.
«Wir feiern heute», sagte Mack zwinkernd.
Der Kellner schenkte ihnen ein, stellte die Flasche in den Sektkühler neben dem Tisch und sagte, er werde in ein paar Minuten zurückkommen, um ihnen die Tageskarte zu präsentieren.
Gretchen nahm ihre Sektflöte in die Hand. «Was ist der Anlass?»
Auch Mack hob sein Glas. «Ich habe heute den Kaufvertrag für das neue Gebäude unterschrieben. Aber vor allem möchte ich auf uns anstoßen. Auf drei Monate. Und hoffentlich viele weitere.»
Beim Anstoßen lächelte sie, aber nicht mit den Augen. Zuerst glaubte er, es hätte nichts zu bedeuten, aber als sie trank, sah sie an ihm vorbei.
«Alles okay?»
Sie schluckte und nickte. «Das hier ist wunderbar.»
«Genau wie du.»
Da war es wieder, das auf den Mund beschränkte Lächeln. Mack stellte das Glas hin und griff erneut nach ihrer Hand. «Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?»
«Ja, natürlich. Es ist nur … Um ehrlich zu sein, fühle ich mich ein bisschen schuldig, wenn ich in so einem Restaurant sitze.»
«Warum?»
«Viele meiner Mandanten können sich für ihre Kinder kaum eine Fertigpackung Käsemakkaroni leisten.»
«Das heißt aber doch nicht, dass ich dich nicht verwöhnen darf, oder?»
«Niemand muss mich verwöhnen, Mack.»
«Du hast es verdient.» Er versuchte es noch mal mit Augenzwinkern und Lächeln. Diesmal wirkte es. Ihre Finger entspannten sich.
«Danke. Du weißt auf jeden Fall, wie man einen Abend voller Luxus plant.»
«Immer zu Diensten.» Er drückte noch mal ihre Finger und ließ sie los. «Ich hoffe, du hast Hunger. Denn ich habe später noch eine Überraschung für dich.»
Gretchen trank von ihrem Champagner und sah auf die Uhr.
«Sie könnten die tausend Dollar auch einfach anzünden. Das ginge deutlich schneller.»
Liv Papandreas trat von der Arbeitsfläche zurück, um angewidert ihr kulinarisches Meisterwerk zu betrachten. Als Konditorin des Savoy sollte es sie nicht mehr überraschen, wie die oberen Zehntausend ihr Geld verschwendeten. Aber traurigerweise tat es das immer noch. Als ihr Boss den mit Gold veredelten Cupcake auf die Karte setzte, war ihr eigentlich klar gewesen, dass die Promis und Angeber der Stadt ihn haufenweise bestellen würden. Und das einfach nur, weil sie es konnten.
Und damit sie für ein Instagram-taugliches Foto mit Royce Preston posieren konnten, dem Promikoch aus dem Fernsehen und dem Arschloch, das ihre Gehaltsschecks unterschrieb.
Jede Woche schalteten Millionen Fans Kitchen Boss ein, seine Kochshow, um sich eine Portion von seinem geschwätzigen Charme reinzuziehen. Sie hatten ja keine Ahnung, dass der genauso falsch war wie seine Haare. Sobald die Kameras abgeschaltet waren, verwandelte er sich wieder in einen streitsüchtigen Widerling, der die meisten seiner Rezepte von seinen Angestellten klaute. Liv hatte es irgendwie geschafft, ein Jahr in seiner Küche zu überleben, vermutlich weil sie für reiche Angeber nur Verachtung übrighatte. Schon in ihrer Jugend hatte sie auf Belehrungen von Autoritätsfiguren stets mit sturem Schweigen reagiert. Wer hätte gedacht, dass ihre rebellische Teenagerzeit ihr eines Tages noch mal nützen würde?
Gerüchten zufolge war der heutige Cupcake-Blödmann ein Nachtclubbesitzer. Liv kannte sich da nicht aus. Nachtclubs waren nicht ihr Ding. Wegen der Leute. Leute waren auch nicht ihr Ding.
Plötzlich klopfte ihr eine Mitgefangene, äh, Kollegin auf die Schulter. «Du glaubst nicht, dass dein Können tausend Dollar wert ist?», fragte Riya Singh.
«Mein Können ist sehr viel mehr wert. Nur eben der bescheuerte Cupcake nicht. Jeder, der einen bestellt, sollte gezwungen werden, einen Scheck für wohltätige Zwecke auszustellen. Für Leute, die sich überhaupt kein Essen leisten können.»
«Angefangen bei Royce.»
Als ob. Männer wie Royce spendeten nicht an karitative Einrichtungen. Sie horteten ihr Geld, protzten damit. Nutzten es für Bestechungen, damit ihre Kinder auf ein Elitecollege gehen konnten. Und er verdiente höllisch viel Geld. In einem Monat würde das erste Kitchen-Boss-Kochbuch herauskommen – ein Kochbuch voll geklauter Rezepte. Von ihr selbst war auch eins drin, ein Baklava mit Granatapfelkernen und Honig.
«Ich verstehe echt nicht, warum du nicht kündigst und das Angebot deiner Schwester annimmst», sagte Riya. «Du könntest diesen Laden ein für alle Mal hinter dir lassen. Der Rest von uns bleibt nur, weil wir keine andere Wahl haben.»
Thea hatte ihr schon ein Dutzend Mal das nötige Geld angeboten, damit sie ein eigenes Restaurant eröffnen konnte. Sie war mit einem Baseballspieler der Major League verheiratet, der entsprechend gut verdiente. Niemand, einschließlich Thea, konnte nachvollziehen, dass Liv nicht mit fremdem Geld zu Erfolg kommen wollte. Sonst könnte sie genauso gut ihren reichen Vater anrufen und endlich seine ewigen Angebote annehmen, mit denen er sich wieder Einlass in ihr Leben erkaufen wollte. Doch sie wollte sein vor Schuldgefühlen triefendes Geld nicht.
Sie hatte zu hart gearbeitet und zu vieles überstanden, um jetzt den leichten Weg zu wählen, fand sie. Man brauchte Tatkraft und Talent, dann konnte man es auch aus eigener Kraft schaffen, und genau das würde sie tun. Wenn sie noch ein Jahr hier durchhielt, würde sie sich anschließend im gnadenlosen Restaurantgewerbe ihre nächste Stelle aussuchen können, denn jeder wusste, dass jemand, der Royce überlebt hatte, mit allem fertigwerden konnte. Die Tage im Savoy waren ein Kampf, aber Liv hatte zu viel investiert, als dass sie ihre Karriere aufs Spiel setzte, indem sie ihrem Chef den Frühstückssmoothie mit Rattengift aufpeppte.
Nicht, dass sie daran schon mal gedacht hätte. Nope. Ganz bestimmt nicht.
Jessica Summers, eine junge Empfangsdame, die gerade vor einem Monat angefangen hatte, kam angeschlichen und biss sich auf die Lippe. «So sieht er aus?», fragte sie atemlos staunend.
«Jep.»
«Bisher wurde in meiner Schicht noch keiner bestellt. Man kann das Gold wirklich essen?» Mit großen Augen beugte sie sich über den Cupcake. «Wie schmeckt denn das?»
«Nach unverhohlener Gier.»
Jessica blinzelte. «Ist das gut?»
«Reiche Leute mögen es.»
Die Schwingtüren wurden aufgestoßen. Alle hielten den Atem an, als Royce hereinrauschte. Er trug wie immer einen Maßanzug, ein blütenweißes Hemd, bei dem die obersten drei Knöpfe offen standen und ein paar Brusthaare sehen ließen, sowie eine Lederhalskette, die er angeblich von irgendeinem indigenen Stamm geschenkt bekommen hatte. Aber Liv würde kaltes hartes Bargeld darauf verwetten, dass es aus einem Andenkenladen in der Innenstadt stammte.
«Olivia», schnauzte Royce, denn er weigerte sich, wie alle anderen die Kurzform zu verwenden. Das war für ihn irgendein bizarres Machtspielchen.
Jessica schluckte mühsam und schloss die Augen, als Royce auf sie zukam. Armes Mädchen. Sie würde nicht lange durchhalten, wenn sie nicht mal seinen harschen Ton ertrug. Man durfte sich einfach nicht davon einschüchtern lassen.
«Wird er rechtzeitig fertig?», knurrte Royce.
«Habe ich mich jemals verspätet?»
Eine helle Röte breitete sich über sein Gesicht aus. Er blickte sie von oben bis unten an und schüttelte den Kopf. «Machen Sie sich sauber. So können Sie den Sultan nicht rausbringen.»
Großartig. Sie musste diese goldstrotzenden Monstrositäten nicht nur herstellen, sie musste auch noch hinter seiner Majestät herdackeln, um sie den Gästen zu servieren. Royce ging es vor allem um die Show. Liv sah an sich hinunter. Ihr Kittel war mit Schokolade beschmiert. Berufsrisiko. Royce schnippte vor Riyas Nase mit den Fingern. «Geben Sie ihr Ihren Kittel. Los. Machen Sie schon.»
Liv seufzte lautlos. Während sie die Kittel tauschten, warf sie ihrer Freundin einen entschuldigenden Blick zu.
«Zurück an die Arbeit», befahl er Riya anschließend und rauschte wieder hinaus.
Jessica atmete auf, und Liv hätte schwören können, dass in ihren Augen Tränen glänzten. Oh Mann, sie würde dem Druck definitiv nicht lange standhalten. Ich muss ihr helfen, einen anderen Job zu finden, bevor sie einen Nervenzusammenbruch kriegt.
Und bevor ich doch noch zum Rattengift greife.
Vorsichtig hob Liv das Tablett mit dem Cupcake an und ging damit zur Tür, wo Royce auf sie wartete. Sie versuchte, nicht zu offensichtlich mit den Augen zu rollen, als er bellte, dass sie es gefälligst nicht fallen lassen solle.
Als wäre ihr das schon mal passiert!
Sowie sie das Restaurant betraten, verwandelte sich Royce in den allseits beliebten, entspannten Typ aus der Kochshow im Fernsehen. An den Tischen hinter ihnen wurde aufgeregt geflüstert, und er schwelgte darin, die Herzlichkeit in Person, winkte Leuten zu oder machte das Peace-Zeichen. Handykameras fingen jede seiner Gesten ein, und Liv tat, als wäre sie stolz auf das protzige Machwerk, das sie hinter ihm hertrug. Das Tablett hielt sie auf der rechten Hand in die Höhe, das Gesicht eine lächelnde Maske, hinter der sie sich wünschte, Royce möge in Flammen aufgehen. Sie folgte ihm in den VIP-Bereich, wo eine rote Samtkordel die Auserwählten von den Normalsterblichen trennte. Liv ließ Royce natürlich als Ersten an den Tisch treten, das war schließlich seine Show. Drei Schritte hinter ihm blieb sie stehen. Im gedämpften Licht erkannte sie zwei Gäste an dem Tisch, einen breitschultrigen Mann mit Jackett und eine Frau mit glänzenden Haaren und klugen Augen. Wer immer der Kerl war, er trug für sein Date dick auf. Auf ihren Tellern lagen die Reste von Steak, Hummer und Trüffelpastete.
«Meine Freunde», sagte Royce in seiner besten TV-Moderator-Stimme. «Ich präsentiere Ihnen den Sultan.»
Der Mann drehte sich zu ihnen und – oh Scheiße. Liv kannte ihn.
Wie hieß er noch gleich? Mike? Nein. Mack. Brad Mack? Braden. Braden Mack. Er war ein Freund ihres Schwagers Gavin. Der Kerl, der Gavin in irgend so einen komischen geheimen Liebesroman-Buchclub für Männer geschleppt hatte, um ihm zu helfen, Thea zurückzugewinnen. Vor allem aber war er der Wichser, der sich einfach ihren Rest chinesisches Essen aus dem Kühlschrank genommen und verspeist hatte, gleich bei ihrer ersten Begegnung. Das Lo Mein sollte damals ihr Abendessen werden. Sie hatte sich den ganzen Tag lang darauf gefreut. Was für ein Mensch aß einem anderen das Abendessen weg? Offenbar einer, der kein Problem damit hatte, tausend Dollar für einen Cupcake auszugeben.
Der Typ stand auf und streckte die Hand aus. «Royce. Schön, Sie zu sehen.»
Natürlich. Natürlich kannte er ihren Boss. Denn ein Typ, der das Monatseinkommen eines gewöhnlichen Menschen für ein Abendessen verschwenden konnte, verkehrte ganz bestimmt in denselben Kreisen wie Royce Preston.
Royce schüttelte Mack die Hand, und sie machten dieses Männerding mit Halbumarmung und Rückenklopfer. «Ich hatte keine Ahnung, dass Sie hier sind. Ich werde ein Wort mit unserer Empfangsdame reden müssen.»
Oh nein. Die arme Jessica. Vielleicht blieb noch Zeit, sie zu warnen, bevor Royce ihr den Kopf abriss.
«Das ist Gretchen Winthrop.» Mack deutete galant auf seine Begleiterin. «Sie ist Anwältin.»
«Anwältin, hm?»
Die Frau gab Royce die Hand. Anstatt sie zu schütteln, zog er sie an die Lippen und küsste sie auf die Knöchel. «Schön und intelligent. Es ist mir ein Vergnügen.»
Ich kotze gleich, dachte Liv.
Die Frau zog sanft ihre Hand weg. «Gleichfalls.»
Nur dass sie das nicht ernst zu meinen schien. Liv mochte sie sofort. Gretchen Winthrop war zu klug für die beiden Blödmänner.
«Wie läuft das Geschäft?», fragte Royce, als Mack sich wieder hinsetzte.
«Bestens. Habe gerade ein Gebäude im alten Industrieviertel gekauft.»
«Das waren Sie?»
«Das war ich.»
«Ich hatte die Immobilie selbst ins Auge gefasst.»
Mack breitete bedauernd die Arme aus. «Tut mir leid. Ich überlege, dort ein Restaurant aufzumachen.»
«Ah, Sie erweitern Ihr Imperium. Beeindruckend. Unterhalten wir uns doch mal und sehen, ob wir vielleicht etwas gemeinsam auf die Beine stellen können.»
Das war der unverbindliche Alles-ist-möglich-Quatsch, den Royce jedem reichen Mann auftischte, der ins Savoy kam. Doch er machte nie Ernst. Er teilte mit niemandem sein Geld oder das Rampenlicht.
«Ich unterbreche nur ungern», sagte Gretchen, «aber mir ist nicht wohl dabei, dass Ihre Mitarbeiterin die ganze Zeit mit dem Dessert da stehen muss. Sie kann das Tablett doch einfach absetzen, oder?»
Royce warf Liv einen trügerisch neutralen Blick zu, in dem sie allerdings Wut kochen sah. Seine linke Braue zuckte beinahe unmerklich. Dann setzte er ein breites Lächeln auf. «Natürlich. Olivia, wären Sie so gut?»
Den Blick auf alles, nur nicht auf Mack, gerichtet, schritt sie an den Tisch und senkte das Tablett so weit, dass Gretchen den Cupcake bewundern konnte. Dabei hielt sie den Kopf zur Seite gedreht, weg von Mack, obwohl er sie wahrscheinlich sowieso nicht erkennen würde. Ihre lockigen Haare steckten unter der Kochmütze, und Mack hatte sicher nicht groß auf ihr Gesicht geachtet, als er ihre Nudeln futterte.
«Der Sultan ist das Dessert, für das unser Haus berühmt ist. Wir verwenden Schokoladensorten aus zwölf verschiedenen Ländern», erklärte Royce. «Es ist mit einem Champagnergelee gefüllt, mit Blattgold verziert und wird mit einem Löffel aus vierundzwanzigkarätigem Gold und einer Kugel Eis serviert, in der beste ugandische Vanille steckt.»
«Wow», sagte Gretchen – und ihr Ton war dabei so trocken, dass Liv beschloss, Gretchen zu ihrer neuen besten Freundin zu machen. «Ich habe beinahe Skrupel, es zu essen.»
«Wie wär’s mit einem Foto?» Royce ging hinter Gretchens Stuhl in Pose.
Nur ein einziges Mal wollte Liv erleben, dass jemand ablehnte.
Und – oh mein Gott – heute war es so weit.
«Oh, das ist – nein, danke», sagte Gretchen, und irgendwo über ihnen begannen die Engel zu singen. Wenn Liv doch nur Gedanken übertragen könnte, denn in ihrem Kopf schrie sie: Du bist meine beste Freundin.
Royce’ Augenbraue zuckte wieder. Es war schlimm genug, dass eine Frau sich nicht mit ihm fotografieren lassen wollte, aber vor einer Angestellten zurückgewiesen zu werden … Verdammt, das Gebrüll würde heute Abend echt laut werden. Aber das war es definitiv wert.
Liv räusperte sich leise und wollte gerade das Tablett absetzen, als …
«Hey, ich kenne dich.» Mack beugte sich vor und musterte ihr Gesicht. «Du bist Theas Schwester.»
Ohne abzuwarten, ob sie das bestätigte oder verneinte, nickte er seiner Begleiterin zu. «Das ist ja toll. Ich hatte keine Ahnung, dass sie hier arbeitet. Ich habe dir doch von Gavin erzählt, nicht wahr? Das ist seine Schwägerin.»
«Freut mich, Sie kennenzulernen», sagte Gretchen. «Ich würde Ihnen ja die Hand geben, aber Sie haben gerade keine frei. Das sieht übrigens köstlich aus. Vielen Dank.»
Liv lächelte. «Freut mich auch.»
Royce räusperte sich laut. Oh Scheiße. Sie hatte es gewagt, etwas zu sagen. Das war schlecht. Dafür würde sie später die Quittung kriegen.
«Ich schwöre, ich wusste nicht, dass du hier arbeitest», beteuerte Mack, ohne zu ahnen, was er anrichtete. «Gavin hat nur erzählt, du hättest einen Job in einem Restaurant in der Innenstadt.»
«Olivia arbeitet seit mehreren Monaten für mich», erklärte Royce, um nicht weiter außen vor zu bleiben.
«Seit einem Jahr», korrigierte Liv leise. Royce räusperte sich wieder. Leise, aber die Botschaft war eindeutig: Du bist so was von tot.
Mack stand plötzlich auf. «Wir sollten ein Foto machen. Ich schicke es Gavin.»
Liv sah hastig zu Royce, dessen gezwungenes Lächeln andeutete, dass er ganz und gar nicht glücklich darüber war, in den Schatten gestellt zu werden. Er teilte das Licht der Kameras nicht.
«Das ist sehr nett», sagte Liv ruhig. «Aber ich ziehe es vor, hinter den Kulissen zu bleiben.»
«Kommt nicht in Frage», widersprach Mack. «Du solltest die Anerkennung für deine Arbeit kriegen.»
Liv stellte sich vor, wie Dampf aus Royce Ohren schoss und sein Toupet fliegen ließ, doch er war zu sehr Showmaster, um etwas anderes zu tun, als zu lächeln und zu sagen: «Absolut. Olivia, bitte.»
Oh Mann. Dafür würde sie teuer bezahlen. Dass sie Mack durch nichts ermuntert hatte, spielte keine Rolle. Royce würde es ohnehin anders sehen.
«Moment», sagte Mack. «Was ist dir lieber, Liv oder Olivia? Gavin nennt dich immer nur Liv.»
«Tatsächlich Liv. Aber Royce spricht mich mit Olivia an.»
«Warum?»
Liv blickte auf. «Ja, Royce. Warum?»
Sein aufgesetztes Lächeln war so kalt, es summte praktisch Ice Ice Baby.
Mack zuckte die Achseln und reichte sein Handy über den Tisch an Royce. Liv fiel die Kinnlade herunter. Er … bat Royce, die Aufnahme zu machen? Niemand nahm sich das heraus. Niemand. Oh mein Gott, jetzt bloß nicht grinsen! Nicht grinsen! Wenn sie auch nur mit den Mundwinkeln zuckte, würde sie den Cupcake nicht servieren, sondern ins Gesicht kriegen.
Royce nickte, weiterhin freundlich, aber Liv kannte dieses Lächeln. Dahinter brodelte Zorn. Und den würde sie später abkriegen, samt fliegenden Speicheltröpfchen und Sprüchen wie Ich hab schon rohe Lammhaxen gesehen, die klüger waren als du. Aber was zum Teufel sollte Liv denn tun? Mack das Tablett an den Kopf knallen und fliehen?
Eigentlich … eine verlockende Idee.
Mack ging um den Tisch herum und stellte sich neben Liv, warf einen Arm um ihre Schultern und …
Das Tablett wackelte auf ihrer Hand. Sie versuchte, es auszugleichen, es mit der anderen zu stabilisieren, doch ihre Reflexe waren zu langsam.
Nahezu in Zeitlupe entfaltete sich die Horrorszene vor ihren Augen. Sie sah zu, wie der Cupcake zum Rand des Tabletts rutschte und für einen Moment auf der Kante kippelte wie ein Auto in einem Actionfilm, das noch rechtzeitig bremsen kann und dann doch in den Abgrund stürzt.
Es dauerte nur einen Moment. Aber er war lang genug, um ihre Karriere an sich vorbeiziehen zu sehen. Lang genug, sich all die Dinge auszumalen, die sie Braden Mack für das hier antun würde. Lang genug für ein einzelnes, gedehntes Wort: «Fuuucck».
Dann machte die Schwerkraft ihr Ding.
Und der Cupcake landete in Gretchens Schoß.
«Oh mein Gott, es tut mir so leid.» Liv fiel neben Gretchen auf die Knie.
«Schon okay», sagte die und hob die Hände, die mit dem dunklen Frosting des Cupcakes bedeckt waren.
«Das war meine Schuld», erklärte Mack. «Ich habe ihr das Tablett aus der Hand geschlagen.»
«Olivia, in die Küche», blaffte Royce. «Wir werden für Sie einen neuen Sultan zubereiten.»
«Das ist nicht nötig», erwiderte Gretchen und beförderte den Cupcake von ihrem schokoladenbeschmierten Schoß auf ihren Teller.
«Darf ich Ihnen helfen, das sauber zu machen?», bat Liv. «Bitte. Lassen Sie mich …»
Royce fiel ihr ins Wort. «Selbstverständlich geht Ihr Essen heute Abend aufs Haus.»
Liv stöhnte.
«Und bitte erlauben Sie mir, für die Reinigungskosten Ihres Kleides aufzukommen.»
«Wirklich, das ist nicht nötig», wehrte Gretchen ab. «Das war nur ein Missgeschick.»
«Es war meine Schuld», betonte Mack noch einmal.
«Mein Personal ist geschult, in jeder Situation richtig zu reagieren», sagte Royce. «Offensichtlich ist das heute nicht gelungen. Wir werden das wiedergutmachen.»
«Es gibt nichts wiedergutzumachen», widersprach Gretchen ruhig. «So etwas kann passieren.»
«Wir schicken sofort jemanden, der das Chaos beseitigt.»
«Es tut mir so leid», sagte Liv noch einmal zu Gretchen.
«Das wäre alles, Olivia», hörte sie Royce sagen.
Sie warf Mack noch einen mörderischen Blick zu, bevor sie das Tablett an sich nahm. Dann drehte sie sich um und lief im Schnellschritt Richtung Küche, ohne sich noch einmal umzusehen. Ihr blieben schätzungsweise neunzig Sekunden, bis Royce sie einholte. Das reichte vielleicht, um sich etwas zu beruhigen.
Sie ging direkt in den Umkleideraum und zog sich die Mütze vom Kopf. Als Riya hereingehastet kam, sank sie gerade auf die Bank vor ihrem Spind.
«Was ist passiert?», fragte sie und knöpfte sich den Kittel auf, um ihn Liv zurückzugeben.
«Du solltest dich nicht mehr mit mir sehen lassen.»
«Mist, warum das denn?»
«Ich habe ihn fallen lassen!»
Riya zuckte zusammen. «Oh Liv.»
Als die Schwingtüren gegen die Wand knallten, fuhren beide erschrocken zusammen. «OLIVIA!»
Liv wappnete sich. Hoch aufgerichtet stand sie da, als Royce hereinplatzte. Er bebte vor Wut und war krebsrot im Gesicht.
«Sie», er zeigte auf Riya, «raus hier.»
Riya drückte mitfühlend Livs Arm und ging.
Royce hob drohend einen Finger. «In meinem Büro. In zwanzig Minuten.»
Dann drehte er sich um, und beim Hinausstürmen brüllte er: «Schickt Jessica zu mir!»
Scheißescheißescheiße.
Mack wäre Liv beinahe nachgelaufen, um sich noch mal zu entschuldigen, aber dann fiel ihm Gretchen ein. Er drehte sich nach ihr um und sah sie mit ihrer Serviette das Frosting von den Fingern wischen.
«Wie geht es dir?» Er ging neben ihr auf ein Knie.
«Ich habe einen Cupcake auf den Schoß bekommen, Braden. Ich wurde nicht angeschossen.»
«Ja, aber so habe ich mir den Abend nicht vorgestellt.»
«Ich mache mir mehr Sorgen darüber, wie dieser Abend für deine Freundin Liv ausgehen wird.»
«Sie ist nicht meine Freundin.»
Gretchen blickte ihn stirnrunzelnd an. Mack beeilte sich, die Bemerkung zu erklären. «Ich meine damit, dass ich sie kaum kenne. Aber ja, natürlich hoffe ich auch, dass sie keinen Ärger bekommt.»
Gretchen stützte die Hände auf die Armlehnen, um aufzustehen. «Ich gehe mich frisch machen.»
«Klar. Natürlich.» Mack erhob sich und zog ihr den Stuhl zurück.
Wie viel Schaden ihr Kleid genommen hatte, wurde deutlich, als sie vom Tisch wegtrat. Die feine grüne Seide hatte einen großen dunkelbraunen Fleck. Nach allem, was er über empfindliche Stoffe wusste, war das Kleid nicht zu retten.
Er schlüpfte aus dem Jackett. «Möchtest du das überziehen?»
Sie schüttelte lächelnd den Kopf. «Ich denke, dadurch würde ich nur noch mehr auffallen.»
Mack schaute ihr nach, dann setzte er sich wieder hin. Na großartig. Wirklich großartig. Es war so gut gelaufen bis zu dem Zwischenfall.
Zwei Hilfskellner in Schwarz kamen mit Eimern und nassen Lappen. Nachdem sie sich für die Umstände entschuldigt hatten, hoben sie Teller und Löffel vom Boden auf, wischten geschmolzene Eiscreme weg und reinigten Gretchens Stuhl.
Mack machte ihnen Platz und räusperte sich leise. «Wissen Sie, äh, wissen Sie, ob die Frau, die den Cupcake gemacht hat – wird sie Ärger bekommen?»
Die jungen Männer wechselten einen nervösen Blick, mit dem sie sich wortlos verständigten. Einer zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf. «Dazu können wir nichts sagen.»
Als sie gingen, warf Mack zwei Zwanziger auf den Tisch. Nur weil er das Essen nicht zu bezahlen brauchte, sollte das Personal nicht leer ausgehen.
Ein paar Minuten später kehrte Gretchen zurück. Anstelle des Schokoladenfrostings hatte sie nun einen nassen Fleck auf dem Kleid.
«Wollen wir gehen?», fragte Mack. «Ich dachte, ich fahre dich nach Hause, damit du dich umziehen kannst, und dann …»
«Mack.» Sie schnitt ihm ruhig das Wort ab. «Wie viel hat der Cupcake gekostet?»
Ah, Scheiße. Jetzt sollte er besser nichts Falsches sagen. «Warum?»
«Eine Frau auf der Toilette hat mir erzählt, dass der Sultan tausend Dollar kostet. Ist das wahr?»
Mack fühlte sich wie am Rand eines Minenfelds. Also tastete er sich erst mal nur mit einem kleinen Schritt voran. «Ich wollte, dass du das volle Savoy-Erlebnis bekommst.»
Gretchen fächelte sich Luft zu, als wäre sie einer Ohnmacht nahe. «Oh mein Gott», hauchte sie. «Du wolltest tausend Dollar für einen Cupcake ausgeben?»
«Jeder, mit dem ich gesprochen habe, meinte, das sei er wert.»
«Kein Cupcake ist tausend Dollar wert!»
Er lächelte und versuchte, die Blicke der anderen Gäste zu ignorieren. «Dann ist es ja gut, dass wir nicht bezahlen mussten, oder?»
Ups. Er war auf eine Mine getreten. Gretchen nahm ihre Handtasche, und ihre Bewegungen hatten etwas Endgültiges, das ihm den Schweiß ausbrechen ließ.
Gretchen erhob sich, und Mack tat es ihr nach. «Es tut mir leid, wenn das übertrieben war. Ich wollte bloß, dass der Abend perfekt wird.»
Sie schüttelte den Kopf. «Ich muss gehen.»
Er folgte ihr, als sie den Tisch in Richtung des Ausgangs verließ. Sie wollte definitiv gehen.
«Gretchen, warte.» Auf der Treppe holte er sie ein. «Möchtest du nach Hause und dich umziehen?»
Sie lächelte, schüttelte aber den Kopf. «Ich denke, ich rufe mir ein Uber.»
Mack ging einen Schritt voraus, um ihr die Tür aufzuhalten. Dann trat er hinter ihr nach draußen. «Lass mich dich heimfahren. Ich möchte nicht, dass der Abend so endet.»
Sie drehte sich um und legte die Hand auf seinen Arm. «Ich sollte ehrlich zu dir sein.»
Verdammt. Das klang nicht gut. Das klang, als würde sie gleich mit ihm Schluss machen. Aber was wusste er schon? Bisher hatte noch keine Frau mit ihm Schluss gemacht.
«Wir hatten viel Spaß miteinander.»
«Finde ich auch.»
«Aber ich denke, ich kenne dich nicht besonders gut.»
Er hätte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Zwei Mal machte er den Mund auf und wieder zu, ohne etwas zu sagen. «Mich? Wieso das? Ich bin Mack. Ich bin ein offenes Buch.»
«Eigentlich nicht.»
«Was willst du wissen?»
Gretchen verschränkte die Arme. «Du hast mir von deinen Unternehmen erzählt, über deine Autos gesprochen, aber über dich selbst weiß ich nichts. Wir haben so viel miteinander geredet, aber wenn ich dich etwas über dein Leben frage, etwas Persönliches, das nicht nur an der Oberfläche kratzt, machst du dicht.»
«Nein, das tue ich nicht. Ich möchte nur lieber mehr über dich erfahren.»
«In den fünf Minuten mit Liv eben hast du mehr von dir preisgegeben als in drei Monaten mit mir.»
Er war noch dabei, das zu verarbeiten, als sie auf ihr Handy schaute. «Mein Fahrer ist fast da.»
«Ich lese Liebesromane», platzte er heraus.
Gretchen blickte auf. Sie blinzelte zweimal. «Du … liest Liebesromane.»
«Ja. In einem Buchclub zusammen mit anderen Männern, die sie auch heimlich lesen.»
«Äh, okay.»
«Du hast gesagt, du willst etwas Persönliches über mich wissen. Jetzt weißt du etwas.»
Sie zog die Brauen hoch. «Das ist … persönlich. Und es erklärt so einiges.»
«Was meinst du damit?»
«Die schicken Abendessen, die teuren Weine, die ständigen Blumen.» Sie klemmte sich ihre Tasche unter den Arm.
«Was ist damit?»
«Es ist perfekt.»
«Und perfekt ist schlecht?» Mensch, wieso hatte plötzlich jeder was gegen perfekt?
«Ja, wenn es nichts bedeutet.» Sie wandte sich ab, um nach dem bestellten Wagen Ausschau zu halten.
«Gretchen, warte. Wie kommst du auf die Idee, dass es nichts bedeuten würde?»
Sie drehte sich zu ihm um. «Weißt du, das alles ergibt jetzt Sinn. Der Sex mit dir war phantastisch, und ehrlich gesagt ist er einer der Gründe, weshalb ich so lange mit dir ausgegangen bin. Denn, wow, jedes Mal. Es fühlte sich an, als hättest du ein Lehrbuch über das weibliche Lustempfinden gelesen.»
Hatte er tatsächlich. Alles, was er über Sex wusste, darüber, wie man eine Frau befriedigte, das hatte er sich angelesen. Und bisher hatte er noch keine Beschwerden gehört. Er war stolz darauf, keine Frau unbefriedigt aus seinem Bett zu entlassen. «Wieso ist das schlecht?»
Ein Wagen hielt vor ihr am Straßenrand. Sie öffnete die hintere Tür und drehte sich noch mal um. «Weil keine Frau das Gefühl haben will, nach Lehrbuchanweisung flachgelegt worden zu sein. Irgendwann muss es sich echt anfühlen.»
Mack griff sich mit beiden Händen an den Kopf. Das passierte doch gerade nicht wirklich.
«Du verstehst es, um eine Frau zu werben, Mack. Aber ich bin mir nicht sicher, ob du weißt, wie man mit einer zusammen ist.»
Sie stieg ein, ohne ihm Gelegenheit zu einer Antwort zu geben. Nicht, dass ihm darauf etwas eingefallen wäre. Denn im Grunde hatte sie genau das Gleiche gesagt wie Gavin gestern.
Mack sah den Rücklichtern hinterher, bis sie im dichten Verkehr verschwanden.
Was war da gerade passiert?
Del hatte beschissene fünfhundert Dollar gewonnen. Das war gerade passiert.
«Wenn ich da nicht lebend rauskomme, soll das hier dir gehören.»
Liv gab Riya ihren besten Schneebesen. Die nahm ihn entgegen, ohne irgendwelche blödsinnigen Plattitüden von sich zu geben, und Liv mochte sie dafür umso mehr. Jeder wusste, was es hieß, wenn man zu Royce ins Büro gerufen wurde. Selbst wenn sie hinterher ihren Job noch haben sollte, stand sie jetzt offiziell auf seiner Abschussliste. Also würde ihr Leben so oder so ein einziger Haufen Scheiße werden. Sie würde die schlimmsten Schichten kriegen (nicht, dass es im Savoy gute gäbe), die nervigsten Aufgaben erledigen und sich die gemeinsten verbalen Ausfälle anhören müssen. Ein Jahr harte Arbeit, ein Jahr, in dem sie diesen ganzen Mist klaglos ertragen hatte, und plötzlich zählte das nichts mehr.
Wegen Braden Mack.
Liv verzog die Lippen. Vermutlich war es unfair, ihm die Schuld zu geben, aber das wäre alles nicht passiert, wenn er den blöden Cupcake nicht bestellt hätte. Er verdiente es, für irgendetwas die Schuld zu bekommen.
Riya umarmte sie hastig. «Viel Glück.»
«Das wird mir jetzt auch nicht mehr helfen.»
«Stimmt, aber ich fände es unhöflich zu sagen: ‹Besser du als ich.› Nichts für ungut.»
«Schon klar.» Wären sie in der umgekehrten Situation, würde Liv genauso empfinden. Im Savoy war jeder sich selbst der Nächste, ob man befreundet war oder nicht.
Liv fuhr mit dem Aufzug in den dritten Stock, wo sich die Büros befanden. Die Tür öffnete sich am Ende eines langen dunklen Flurs – wenn das kein böses Omen war. Die meisten Verwaltungsangestellten waren schon vor Stunden nach Hause gegangen, und ihre Computermonitore warfen einen gespenstischen bläulichen Schein in die Arbeitsnischen. Liv war erst zweimal hier oben gewesen. Das erste Mal, als sie eingestellt wurde und einen Haufen Papiere samt Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben musste. Damals fand sie das übertrieben, aber jetzt verstand sie es. Royce konnte sein makelloses Image nur wahren, wenn alle, die ihn hinter den Kulissen kannten, den Mund hielten.
Das zweite Mal war sie hier gewesen, weil sie an einem Sensitivitätstraining für das Küchenpersonal teilnehmen musste, das sich als einstündiger Test ihrer Selbstbeherrschung entpuppte. Hatten diese Leute je erlebt, wie sich Royce in der Küche aufführte? Die Mitarbeiter der Personalabteilung waren entweder total ahnungslos oder absolut scheinheilig.
Royce’ Büro lag am Ende des Flurs. Es nahm die gesamte Breite ein und ging vorn auf die Straße hinaus. Bei den letzten beiden Malen konnte sie durch eine Glaswand hineinsehen, die Royce wahrscheinlich hatte einbauen lassen, um mit seiner Luxusbude anzugeben und damit sich die Loser in den Nischen noch mieser fühlten. Heute Abend hatte er jedoch die Jalousien geschlossen.
Liv zwang sich, weiterzugehen. Sie musste die Sache hinter sich bringen. Was immer sie da drinnen erwartete, sie würde damit fertigwerden. Die Bürotür war bloß angelehnt, sodass ein schmaler Streifen Licht in den Flur fiel. Liv hob die Hand, um anzuklopfen, doch da hörte sie drinnen leise Stimmen und hielt inne.
«Bitte, Royce. Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass ich Ihnen Bescheid sagen muss, wenn er hier ist.»
Um Himmels willen. Er traktierte noch immer die arme Jessica?
«Magst du deinen Job?», fragte er.
«J-ja.»
«Und möchtest du ihn behalten?»
«Ja, aber nicht so. Bitte.»
Kalter Schweiß brach ihr aus. Was ging da drinnen vor? Sie schlich zur Seite neben die Tür, um nicht durch den Spalt gesehen zu werden, und lauschte.
«Ich muss wieder an die Arbeit», sagte Jessica.
«Deine Schicht ist vorbei, Schätzchen.»
«Aber ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen.»
«Du bist Empfangsdame. Was sollten das für Dinge sein?»
«Ich … ich muss mich mit der Stechkarte abmelden und …»
«Du weißt, was du tun musst, um deinen Job zu behalten.»
Wut ließ Säure in Livs Magen hochkochen, und ihre Gedanken überschlugen sich. Was sollte sie tun? Auf keinen Fall durfte sie einfach weggehen. Sie würde es sich nie verzeihen, wenn sie das arme Mädchen dadrin sich selbst überließ. Aber Royce zu konfrontieren würde definitiv das Ende ihrer Karriere bedeuten. Er würde sie nicht bloß feuern. Er würde dafür sorgen, dass sie in der Branche nie wieder arbeiten konnte.
«Royce, warten Sie», flehte Jessica.
Liv hielt den Atem an. Was zum Teufel ging da vor? Ach verdammt, wem wollte sie eigentlich etwas vormachen? Sie wusste genau, was Royce von dem Mädchen wollte, und der ganze Ablauf klang ziemlich routiniert.
«Ich kann deine Karriere fördern», sagte er in diesem schleimigen Ton. Liv kam die Galle hoch, als sie sich vorstellte, was er damit meinte.
«Bitte, Royce. Ich muss gehen.»
«Du bist nicht daran interessiert … Neues zu lernen?»
«Ich will nur meine Arbeit machen.»
«Ich denke, du willst mehr als das.»
Es raschelte. Ein Schlurfen auf dem Teppich. Geflüster, das sie nicht verstand.
«Bitte, lassen Sie das», bat Jessica verzweifelt.
Liv hatte genug gehört. Sie stieß die Tür genau in dem Moment auf, in dem Royce seinen Mund gegen Jessicas zusammengepresste Lippen drängte.
«Hände weg, Sie widerliches Arschloch!»
Jessica riss sich keuchend los und taumelte erschrocken rückwärts gegen den Schreibtisch, wobei sie das gerahmte Foto seiner Frau umstieß. Royce fuhr herum und …
«OH MEIN GOTT, ZIEHEN SIE SICH AN!»
Liv schlug sich die Hände vor die Augen, aber das Bild hatte sich bereits unauslöschlich in ihre Netzhaut gebrannt. Royce mit heruntergelassener Hose und sein schrumpeliger Penis schlenkernd wie ein Stück roher Kabeljau.
«Oh mein Gott. Ich habe ihn gesehen. Ich habe ihn gesehen. Ich brauche eine Therapie.» Dann riss sie sich zusammen, ließ die Hände sinken und sah Jessica an. «Geh. Du musst nicht hierbleiben. Ich habe alles gehört. Ich komme mit, wenn du ihn anzeigst.»
Jessica blinzelte hektisch. «Was …? Anzeigen?»
Royce packte gemächlich seinen Schwanz ein und zog den Reißverschluss zu. «Das geht Sie nichts an, Olivia. Ich schlage vor, Sie verlassen das Büro und kommen erst wieder, wenn ich Sie dazu auffordere.»
«Ich bin hier, weil Sie mich aufgefordert haben. Ein Glück für Jessica, dass Sie ein schlechtes Zeitgefühl haben.» Liv sah wieder zu ihr. «Die Personalabteilung hat eine Nummer für Notfälle nach Feierabend.» Liv blickte Royce mit schmalen Augen an. «Er wird nicht ungestraft davonkommen. Auch wenn das hier bestimmt nicht das erste Mal war.»
Royce kam langsam und drohend auf sie zu. «Sie sollten jetzt wirklich verschwinden.»