The Secret Book Club – Ein fast perfekter Liebesroman - Lyssa Kay Adams - E-Book
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The Secret Book Club – Ein fast perfekter Liebesroman E-Book

Lyssa Kay Adams

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Beschreibung

Die erste Regel des Book Club lautet: Ihr verliert kein Wort über den Book Club! Der Auftakt einer hinreißenden Serie über eine Gruppe von Männern, die heimlich Liebesromane lesen ... Die Ehe von Profisportler Gavin Scott steckt in der Krise. Genau genommen ist sie sogar vorbei, wenn es nach seiner Frau Thea geht. Und das darf nicht sein. Thea ist die Liebe seines Lebens! Und er versteht, verdammt noch mal, nicht, was überhaupt passiert ist. Eigentlich müsste SIE sich bei IHM entschuldigen! Gavin ist ratlos und verzweifelt – bis einer seiner Freunde ihn mit zu einem Treffen nimmt. Einem Treffen des Secret Book Club. Hier lesen und diskutieren Männer heimlich Liebesromane, um ihre Frauen besser zu verstehen. Gavin hält das für Schwachsinn. Wie sollen Liebesschnulzen ihm helfen, seine Ehe zu retten? Doch die Lektüre überrascht ihn. Und Thea steht eine noch viel größere Überraschung bevor!

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Seitenzahl: 407

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Lyssa Kay Adams

The Secret Book Club – Ein fast perfekter Liebesroman

Roman

 

 

Aus dem Englischen von Angela Koonen

 

Über dieses Buch

Die erste Regel des Book Club lautet:

Ihr verliert kein Wort über den Book Club!

 

Die Ehe von Profisportler Gavin Scott steckt in der Krise. Genau genommen ist sie sogar vorbei, wenn es nach seiner Frau Thea geht. Und das darf nicht sein. Thea ist die Liebe seines Lebens! Und er versteht, verdammt noch mal, nicht, was überhaupt passiert ist. Eigentlich müsste SIE sich bei IHM entschuldigen! Gavin ist ratlos und verzweifelt – bis einer seiner Freunde ihn mit zu einem Treffen nimmt. Einem Treffen des Secret Book Club. Hier lesen und diskutieren Männer heimlich Liebesromane, um ihre Frauen besser zu verstehen. Gavin hält das für Schwachsinn. Wie sollen Liebesschnulzen ihm helfen, seine Ehe zu retten? Doch die Lektüre überrascht ihn. Und Thea steht eine noch viel größere Überraschung bevor!

 

«Eines dieser seltenen Bücher, die ebenso humorvoll wie herzerwärmend, ebenso romantisch wie intelligent sind …» Bookreporter

 

«Ein absolut perfektes Buch!» Entertainment Weekly

Vita

Die Autorin

Lyssa Kay Adams hat ihren ersten Liebesroman vom Bücherregal ihrer Oma geklaut. Das war in der achten Klasse, und seitdem ist sie ein treuer Fan des Genres. Das merkt man auch ihren eigenen Büchern an. In ihrer Reihe «The Secret Book Club» über Männer, die heimlich Romances lesen, findet man nicht nur hinreißende Liebesgeschichten, sie ist auch eine Hommage an das Genre selbst. Nach zwanzig Jahren als Journalistin schreibt Lyssa Kay Adams inzwischen Vollzeit Romane. Sie lebt in Michigan und tauscht sich gern mit ihren Lesern aus. Mehr Informationen sind auf ihrer Homepage zu finden: www.lyssakayadams.com.

 

Die Übersetzerin

Angela Koonen ist am Niederrhein aufgewachsen und liest schon, seit sie denken kann. Sie studierte aus Neugier Theologie, hat einen Sohn großgezogen und übersetzt seit zwanzig Jahren Unterhaltungsromane jeden Genres. Wenn sie nicht gerade liest oder übersetzt, hört sie gern Opern, Funk und Heavy Metal oder beschäftigt sich mit Malerei.

Impressum

Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel «The Bromance Book Club» als Jove Book bei Berkley/Penguin Publishing Group/Penguin Random House, LLC, New York.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Mai 2020

Copyright © 2020 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«The Bromance Book Club» Copyright © 2019 by Lyssa Kay Adams

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung Shutterstock

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-644-00599-0

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

Für Grandma

 

Jetzt sehe ich definitiv selber wie ein Wurm mit Glöckchen aus, oder?

Kapitel 1

Gavin Scott trank selten, und das aus gutem Grund.

Er war schlecht darin. Richtig schlecht.

Wie zum Beispiel jetzt: Er war mit dem Gesicht auf dem Boden gelandet, als er das letzte Mal nach der Flasche gegriffen hatte. Und er konnte nicht mehr geradeaus gucken. Besser er blieb gleich liegen.

Deshalb stand er auch nicht auf, als Del, sein bester Freund, energisch an die Tür seines deprimierend beigen Hotelzimmers klopfte, das ihn jeden Augenblick daran erinnerte, dass er sein Leben verbockt hatte.

«Is offen», nuschelte Gavin.

Die Tür ging auf. Del schaltete das grelle Deckenlicht ein und fluchte. «Scheiße. Mann am Boden. Hilf mir mal.»

Del und ein riesiger Kerl trampelten auf ihn zu, dann packten ihn vier kräftige Hände unter den Schultern. Im Nu lehnte er mit dem Oberkörper an der hässlichen Couch. Die Zimmerdecke drehte sich, und sein Kopf fiel nach hinten gegen die Polster.

«Komm schon.» Del klatschte ihm auf die Wangen. «Tu wenigstens so, als wärst du nicht tot.»

Gavin holte Luft und schaffte es, den Kopf zu heben. Er blinzelte zweimal, dann drückte er sich die Handballen auf die Augen. «Ich bin besoffen.»

«Ach, sag bloß. Was hast du getrunken?», fragte Del.

Gavin zeigte zum Sofatisch, auf dem eine Flasche Bourbon stand, ein Geschenk von einer örtlichen Brennerei. Jeder in der Mannschaft hatte zum Ende der Baseballsaison eine bekommen. Del fluchte wieder. «Scheiße, Mann. Warum kippst du nicht einfach direkt Ethanol rein?»

«Hatte keinen.»

«Ich bring ihm ein Wasser», sagte der andere Typ – dessen verschwommenes Gesicht ihn an Braden Mack erinnerte, Besitzer von ein paar Nachtclubs in Nashville. Aber das war Unsinn. Warum sollte der hier sein? Sie waren sich nur ein Mal beim Wohltätigkeitsgolfen begegnet. Seit wann war er mit Del befreundet?

Ein dritter Mann kam ins Zimmer, und den kannte Gavin genau. Es war Yan Feliciano aus seiner Mannschaft. «Como es el?»

Wie geht es ihm? Das hatte Gavin verstanden. Heilige Scheiße, er konnte Spanisch, wenn er besoffen war.

Del schüttelte den Kopf. «Noch ein Schluck, und er hätte zu Ed-Sheeran-Balladen geheult.»

Gavin hickste. «No me gusta Ed Sheeran.»

«Klappe», sagte Del.

«Ich stottere nich’, wenn ich spanisch bin.» Gavin hickste wieder. Etwas Saures kam diesmal mit hoch. «Wenn ich b’soffen bin.»

Yan fluchte. «Que paso?»

«Thea will die Scheidung», sagte Del.

Yan brummte ungläubig. «Meine Frau meinte, es gibt ein Gerücht, die beiden hätten Probleme, aber ich konnte es nicht glauben.»

«Ganstu klauben», stöhnte Gavin und ließ den Kopf auf die Couch fallen. Scheidung. Seine Frau, die Mutter seiner Zwillingstöchter, die Frau, durch die er vor drei Jahren erkannt hatte, dass es die Liebe auf den ersten Blick tatsächlich gab, war mit ihm fertig. Und das war seine eigene verdammte Schuld.

«Trink das.» Del gab ihm eine Flasche Wasser. «Er wohnt hier seit zwei Wochen», sagte er zu Yan.

«Sie hat mich rausg’woffen.» Gavin ließ die ungeöffnete Wasserflasche fallen.

«Weil du dich verhalten hast wie ein Blödmann.»

«Ich weiß.»

Del schüttelte den Kopf. «Ich habe dich gewarnt, Mann.»

«Ich weiß.»

«Ich hab dir gesagt, dass sie dir einen Arschtritt verpasst, wenn du dich nicht zusammenreißt.»

«Ich weiß», stöhnte Gavin genervt und hob den Kopf. Zu schnell. Viel zu schnell. Aufwallende Übelkeit warnte ihn, dass der Bourbon wieder ans Tageslicht wollte. Gavin schluckte und holte tief Luft, aber, oh Scheiße … ihm brach der Schweiß aus.

«Oh verdammt, er wird grün», rief Vielleicht-Braden-Mack.

Kräftige Hände packten ihn und hievten ihn hoch. Seine Füße berührten kaum den Boden, als Del und Ziemlich-sicher-Braden-Mack ihn ins Bad wuchteten. Gavin stolperte zur Toilette, gerade als etwas in der Farbe mieser Entscheidungen aus seinem Mund geschossen kam. Mack fluchte, würgte und rannte hinaus. Del blieb, sogar als Gavin ächzte wie ein Tennisspieler beim Rückhandschlag und sich mehrmals übergab.

«Du hast das harte Zeug noch nie vertragen», sagte Del.

«Ich sterbe», stöhnte Gavin, während er auf ein Knie sank.

«Du stirbst nicht.»

«Dann erlösch mich aus mei’m Elend.»

«Glaub mir, ich bin schwer in Versuchung.»

Gavin ließ sich auf den Hintern plumpsen und lehnte sich an die beige Badezimmerwand. Dabei stieß er mit dem Knie gegen die beige Duschwanne, die hinter dem beigen Duschvorhang verborgen war. Er verdiente fünfzehn Millionen Dollar im Jahr und schlief in einem Hotel, das schäbiger war als die Unterkünfte in seiner Minor-League-Zeit. Er hätte sich ein viel besseres leisten können, aber das war seine Strafe. Die selbst auferlegte. Durch seinen Stolz hatte er das Beste, was ihm je passiert war, ruiniert.

Del spülte, klappte den Deckel herunter und ging raus. Einen Moment darauf kam er mit dem Wasser zurück. «Trink. Und diesmal meine ich es ernst.»

Gavin öffnete die Flasche und trank sie halb aus. Nach ein paar Minuten drehte sich der Raum nicht mehr. «Was machen die hier?»

«Das erfährst du noch.» Del setzte sich auf den Toilettendeckel und stützte die Ellbogen auf die Knie. «Geht’s?»

«Nein.» Gavins Halsmuskeln krampften. Scheiße. Er würde Del vor die Füße kotzen. Er kniff die Augen zu und presste den Daumen zwischen die Brauen.

«Wein ruhig, Mann.» Del stieß Gavin mit der Schuhspitze am Fuß an. «Das ist keine Schande.»

Gavin lehnte den Kopf an die Wand, als ihm zwei Tränen über die Wangen liefen. «Ich kann nicht fassen, dass ich sie verloren habe.»

«Du hast sie nicht verloren.»

«Sie w-w-will die Scheidung, Arschloch.»

Del reagierte nicht auf sein Stottern. Das tat von der Mannschaft keiner mehr, vor allem weil Gavin aufgehört hatte, in ihrem Beisein dagegen anzukämpfen. Auch so eine Sache, die er Thea zu verdanken hatte. Bevor er sie kennenlernte, war er unsicher gewesen. Es war ihm schwergefallen, vor anderen zu sprechen, sogar vor Leuten, die er gut kannte. Aber Thea war beim ersten Mal, als er vor ihr stotterte, total ungerührt geblieben. Sie versuchte nicht, seine Sätze zu beenden, schaute nicht verlegen weg. Sondern wartete einfach ab, bis er seinen Satz zu Ende gebracht hatte. Niemand sonst, von seiner Familie einmal abgesehen, hatte ihm je das Gefühl gegeben, dass er mehr war als ein peinlicher stotternder Muskelprotz.

Deshalb fühlte er sich umso mehr betrogen, als er vor einem Monat entdeckte, dass sie ihn belogen hatte. Genau das war es nämlich gewesen, eine Lüge.

Seine Frau hatte ihm ihre verdammten Orgasmen vorgetäuscht. Seit der Hochzeit. Drei Jahre lang.

«Hat sie das genau so gesagt?», wollte Del wissen. «Oder hat sie gesagt, sie denkt an Scheidung?»

«Wo ist der Unterschied?»

«Das eine heißt, sie ist endgültig mit dir fertig. Das andere heißt, du hast vielleicht noch eine Chance.»

Gavin drehte den angelehnten Kopf kraftlos hin und her. «Es gibt keine Chance. Du hast ihren Ton nicht gehört. Sie hat mit mir geredet wie mit einem Fremden.»

Del erhob sich und blickte auf ihn hinab. «Willst du um deine Ehe kämpfen?»

«Ja.» Gott, ja. Mehr als alles andere. Und Scheiße, ihm wurde schon wieder die Kehle eng.

«Und wie weit bist du bereit, dafür zu gehen?»

«So weit wie nötig.»

«Meinst du das ernst?»

«W-w-was soll das? Fuck, natürlich meine ich es ernst.»

«Gut.» Del hielt ihm die Hand hin. «Dann komm hoch.»

Gavin ließ sich von ihm auf die Füße ziehen und folgte ihm ins Zimmer. Er fühlte sich tonnenschwer, als er auf die Couch zuwankte und sich auf die Kissen sinken ließ.

«Nettes Zimmer, Scott», sagte Mack, der gerade aus der winzigen Küche kam. Er rieb sich einen grünen Apfel an der Schulter sauber und biss herzhaft hinein.

«Das ist meiner», brummte Gavin.

«Du hast ihn nicht gegessen.»

«Hatte ich noch vor.»

«Sicher. Zum Dessert nach der Flasche Bourbon.»

Gavin zeigte ihm den Stinkefinger.

«Lass das», sagte Del zu Mack. «An dem Punkt sind wir alle schon gewesen.»

Moment. Was? Was sollte das denn heißen?

Yan beanspruchte das andere Ende der Couch für sich und legte die Füße auf den Tisch. Mack lehnte sich gegen die Wand.

Del sah die beiden an. «Was meint ihr?»

Mack biss in den Apfel und redete mit vollem Mund. «Ich weiß nicht. Meinst du wirklich, er kriegt das hin?»

Gavin fuhr sich übers Gesicht. Er kam sich vor wie in einem Film. Einem miesen Film. «Kann mir bitte jemand erklären, w-was hier läuft?»

Del verschränkte die Arme. «Wir werden deine Ehe retten.»

Gavin schnaubte, aber die drei Männer wirkten vollkommen ernst. Er stöhnte. «Ich bin geliefert.»

«Du hast gesagt, du bist zu allem bereit, um Thea zurückzugewinnen», sagte Del.

«Ja», murmelte Gavin.

«Okay, dann musst du jetzt ehrlich sein.»

Gavin spannte sich unwillkürlich an. Del setzte sich ihm gegenüber auf den Sofatisch, der unter seiner Eins-fünfundneunzig-Statur ächzte.

«Erzähl uns, was passiert ist.»

«Hab ich doch schon. Sie hat gesagt …»

«Ich meine nicht heute Abend. Was ist passiert?»

Gavin sah alle drei an. Selbst wenn Yan und Apfelklauer-Mack nicht dabei stünden, würde er nicht darüber reden. Es war zu demütigend. Es wäre schlimm genug zuzugeben, dass er seine Frau im Bett nicht befriedigen konnte. Aber auch noch zuzugeben, dass er komplett bescheuert war? Dass er ausgeflippt und ins Gästezimmer gezogen war, seine Frau mit Schweigen bestraft und sich geweigert hatte, mit ihr zu reden, weil sein Ego nicht damit klarkam, dass sie ihre Orgasmen vorgetäuscht hatte? Tja, kam nicht in Frage. Nein danke, das würde er für sich behalten.

«Kann ich dir nicht sagen», brummte er schließlich.

«Warum nicht?»

«Ist zu persönlich.»

«Wir sprechen von deiner Ehe. Natürlich ist das persönlich», erwiderte Del.

«Aber das ist zu …»

Mack schnitt ihm frustriert schnaubend das Wort ab. «Er will wissen, ob du sie betrogen hast, Hohlbirne.»

Gavin blickte Del wütend an. «Das glaubst du? Du glaubst tatsächlich, ich wäre fremdgegangen?» Allein bei dem Gedanken wollte er sich über die Toilette beugen und den Rest seines flüssigen Abendessens von sich geben.

«Nein», sagte Del. «Aber wir müssen das fragen. Das gehört zu den Regeln. Wir helfen Fremdgehern nicht.»

«Wer zum Teufel ist wir? Was ist hier eigentlich los?»

«Du hast gesagt, sie hätte mit dir gesprochen, als wärst du ein Fremder», erklärte Del. «Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, ihr könntet euch tatsächlich fremd geworden sein?»

Was zum …? Gavin schoss ihm einen irritierten Blick zu.

«Alle Eheleute werden sich irgendwann fremd», sagte Del. «Menschen entwickeln sich, und wir entwickeln uns nicht alle im selben Tempo. Wer weiß, wie viele Leute geschieden wurden, nur weil sie nicht erkannt haben, dass ihre scheinbar unüberwindlichen Probleme eigentlich nur vorübergehende Phasen waren?» Del breitete die Arme aus. «Aber verdammt, ihr beide? Es ist ein Wunder, dass ihr euch überhaupt kennengelernt habt.»

«Soll ich mich jetzt etwa b-b-besser fühlen?»

«Ihr seid – wie lange, vier Monate? – miteinander ausgegangen, bevor sie schwanger wurde.»

«Drei.»

Mack hustete in die Hand. Es klang wie «Shotgun».

«Okay», fuhr Del fort. «Noch bevor ihr so recht wusstet, was geschah, habt ihr geheiratet, und noch bevor die Zwillinge auf der Welt waren, wurdest du in die Major League berufen. Meine Güte, Gavin, du warst die meiste Zeit deiner Ehe im Trainingslager oder bei Auswärtsspielen, und sie hat die Mädchen praktisch allein erzogen, noch dazu in einer fremden Stadt. Und da denkst du, sie ist noch derselbe Mensch wie zu Beginn eurer Ehe?»

Nein, das tat er nicht. Aber verdammt, das Problem zwischen ihm und Thea lag woanders. Sicher, sie hatte sich verändert. Er auch. Aber sie waren gute Eltern, und sie waren glücklich. Zumindest hatte er das geglaubt.

Del zuckte mit den Achseln und setzte sich aufrechter hin. «Damit will ich nur sagen, dass unser Berufsleben schon für Paare belastend ist, die sich jahrelang kennen und vor der Heirat genau wissen, was auf sie zukommt. Aber ihr beide seid gleich ins tiefe Ende des Pools gesprungen, ohne vorher schwimmen gelernt zu haben. Das überlebt keine Ehe, nicht mal unter den besten Bedingungen. Nicht ohne ein bisschen Hilfe.»

«Für eine Ehetherapie ist es zu spät.»

«Unsinn. Aber darum geht es hier sowieso nicht.»

«Worum denn dann, verdammt?»

Anstatt zu antworten, blickte Del wieder zu Yan und Mack. «Also?»

«Ich sage ‹Ja›», antwortete Yan. «Er wird nächste Saison komplett nutzlos sein, wenn wir die beiden nicht wieder zusammenkriegen.»

Mack zuckte die Schultern. «Bin dabei, wenn auch nur, um ihn hier rauszukriegen. Ich meine, Scheiße, Mann.» Er machte eine weitschweifige Geste, die den ganzen Raum umfasste.

Gavin ließ sich zur Seite auf die Polster sinken. «Was heißt auf Spanisch ‹Verpisst euch›?»

Mack biss das letzte große Stück von dem Apfel ab und warf das Kerngehäuse über die Schulter. Es landete genau in der Spüle. Gavin hasste ihn mehr als jeden anderen auf der Welt. «Meine Töchter haben mir den Apfel geschenkt.»

«Ups.»

«Hör zu», sagte Del. «Werd erst mal wieder nüchtern, und morgen Abend kommst du zum ersten offiziellen Treffen.»

«Das erste offizielle Treffen von was?»

«Von der Lösung für deine Probleme.»

Die drei sahen ihn an, als wäre damit alles klar.

«Aha. Klar. War’s das?»

«Nur eins noch», sagte Del. «Auf gar keinen Fall darfst du mit deiner Frau reden.»

Kapitel 2

Nichts und niemand ist stärker als eine wirklich angepisste Frau.

Von all den Alltagsweisheiten, die ihre Gran Gran im Lauf der Jahre verkündet hatte, war diese hoffentlich wahr. Denn, verflixte Hacke, der Vorschlaghammer wog eine Tonne. Vier Versuche, mit dem Ding zuzuhauen, und Thea Scott hatte nichts vorzuweisen außer einer kleinen Delle in der Wand und einer großen Muskelzerrung im Rücken. Aber verdammt, sie würde nicht aufgeben. Drei Jahre lebte sie jetzt in diesem Haus, und genauso lange überlegte sie schon, diese Wand einzureißen.

Nachdem gestern schon ihre Ehe offiziell in die Brüche gegangen war, kam heute die Wand an die Reihe. Das war nur passend.

Außerdem musste Thea wirklich dringend auf etwas einschlagen.

Noch einmal schwang sie ächzend den Vorschlaghammer. Endlich traf er mit einem befriedigenden Donkauf die Wand und riss ein klaffendes Loch. Unter Siegesgeheul zog sie den Hammerkopf aus dem Loch und lugte hindurch. Auf der anderen Seite war die Wand noch intakt, aber sie konnte schon beinahe fühlen, wie das Licht hindurchströmte. Wer kam bloß auf die Idee, da eine Wand hinzusetzen? Welcher Architekt mit zwei funktionierenden Gehirnzellen würde das Wohnzimmer derart vom Esszimmer abtrennen und das wunderbare Tageslicht daran hindern, das Erdgeschoss zu fluten?

Thea schlug erneut zu, und ein zweites Loch erschien. Ein Trümmerstück fiel ihr vor die Füße, eine Staubwolke stieg auf, und Gipspartikel rieselten auf ihre Arme. Oh Mann, was für ein gutes Gefühl.

Keuchend legte Thea den Hammer auf die Plastikplane, die sie zum Schutz des Holzbodens ausgebreitet hatte. Während sie sich mit einer Hand die Schulter massierte, drehte sie sich um und ließ ihren Blick durchs Wohnzimmer schweifen. Ja. Genau da. Gleich neben der Terrassentür. Das war genau die richtige Stelle für eine Staffelei. Eines Tages, wenn sie ihren Abschluss gemacht hatte, würde sie sich vielleicht ein eigenes Atelier einrichten. Aber fürs Erste wäre sie damit zufrieden, einfach nur wieder zu malen. Sie hatte keine Leinwand mehr unter den Fingern gehabt, seit die Mädchen zur Welt gekommen waren. Ihre größte künstlerische Leistung bestand dieser Tage darin, ihre weißen T-Shirts so zu färben, dass die Flecken wie Absicht aussahen.

Sie hatte versucht, der Wand einen Sinn zu geben. Hatte Familienfotos aufgehängt und Handabdrücke und andere Bilder der Mädchen gerahmt. Auch Gavins Lieblingsbaseballschläger von der Highschool hatte sie dort ausgestellt. Alles mit dem Gedanken, es eines Tages richtig zu machen, indem sie die Wand in einer lebhafteren Farbe strich oder vielleicht ein Einbauregal davorsetzte. Oder das blöde Ding einfach einriss und den Platz neu gestaltete.

Eines Tages war heute. Das war ihr klar gewesen, sowie sie aufwachte; mit geschwollenen Augen, weil sie in der Nacht einen schwachen Moment gehabt und im Badezimmer geweint hatte, die Hand auf den Mund gepresst, um keinen Laut von sich zu geben.

Tränen waren sinnlos. Reue würde ihr bei ihrem Neuanfang nicht helfen. Es gab nur ein Mittel, um weiterzumachen: Sie musste Stärke zeigen.

Buchstäblich.

Daher hatte sie die Mädchen nach dem Frühstück mit ihrer Schwester Liv, die bei ihr wohnte, seit Gavin gegangen war, zum Tanzunterricht geschickt. Und dann hatte sie ihren alten Maloverall hervorgewühlt, war zum Baumarkt gefahren und hatte den Vorschlaghammer gekauft.

«Sie wissen, wie man den benutzt?», fragte der Mann an der Kasse. Seine hochgezogenen Brauen schrien praktisch Mansplaining. Ein Herrklärer.

Thea krümmte die Lippen zu einem Pseudolächeln. «Jep.»

«Achten Sie darauf, das Stielende mit der kräftigeren Hand zu packen.»

«Jep. Kapiert.» Sie steckte das Wechselgeld ein.

Der Mann zog an seinen Hosenträgern. «Was wollen Sie einreißen?»

«Patriarchalische Machtstrukturen.»

Er sah sie verständnislos an.

«Eine Wand.»

«Prüfen Sie vorher, ob es eine tragende ist.»

Das Bedürfnis, auf etwas einzuschlagen, wallte wieder auf. Thea hievte den Vorschlaghammer auf die Schulter, aber als sie zum Schwung ansetzte, flog die Haustür auf. Die Mädchen stürmten herein in ihren rosa Strumpfhosen und wippenden Tutus. Butter Ball, ihr Golden Retriever, folgte ihnen geduldig wie ein Kindermädchen auf vier Pfoten. Liv, die ihn an der Leine führte, bildete das Schlusslicht.

«Mommy, was machst du?» Amelia blieb abrupt stehen, halb ehrfürchtig, halb beklommen. Thea konnte es ihr nicht verdenken. Mommy sah vermutlich nicht wie Mommy aus.

«Ich reiße die Wand ein», antwortete sie möglichst unbekümmert.

«Oh ja.» Liv rieb sich die Hände. «Da will ich mitmachen.» Sie ließ die Hundeleine fallen und griff nach dem Vorschlaghammer. «Darf ich so tun, als wäre es sein Gesicht?»

«Liv», mahnte Thea leise. Ihre Schwester würde vor den Mädchen nicht absichtlich schlecht über Gavin reden. Liv und Thea hatten am eigenen Leib erfahren, dass nur die Kinder litten, wenn ein Elternteil den anderen runtermachte. Aber Livs Mundwerk führte manchmal ein Eigenleben. Wie jetzt.

«Wessen Gesicht, Tante Livvie?», wollte Amelia wissen.

Thea schoss ihrer Schwester einen vielsagenden Blick zu.

«Das von meinem Chef», schwindelte Liv rasch. Sie arbeitete für einen tyrannischen Promikoch in einem berühmten Restaurant in Nashville und beschwerte sich so oft über ihn, dass die Mädchen ihr sofort glaubten.

«Dürfen wir auch mal?», fragte Amelia.

«Das ist gefährliche Erwachsenenarbeit», erklärte Thea. «Aber ihr dürft zusehen.»

Liv schlug mit einem Tarzanschrei zu, und ein weiteres Trümmerstück fiel auf den Boden. Die Mädchen jubelten und hüpften. Ava verband eine Art Karatetritt mit ihrem Freudenschrei, und Amelia versuchte, ein Rad zu schlagen. Damit ging im Wohnzimmer offiziell die Post ab.

«Verdammt, tut das gut!» Liv gab Thea den Hammer zurück. «Wir brauchen Musik dazu.»

Als Thea das Werkzeug wieder an sich nahm, holte Liv ihr Handy hervor, wischte ein paarmal übers Display, und im nächsten Moment schallte aus den Bluetooth-Lautsprechern im ganzen Haus Aretha Franklin, die RESPECT forderte.

Liv nahm Gavins Baseballschläger vom Boden, hielt ihn wie ein Mikrophon und sang lauthals mit. Sie streckte Thea die Hand hin, worauf die um ihrer Töchter willen mit einfiel. Die Mädchen lachten, als wäre das Spontankonzert das Lustigste, was sie je gesehen hatten.

Und plötzlich waren Thea und Liv wieder Teenager, die in dem altmodischen Zimmer, das sie sich in Gran Grans Haus geteilt hatten, lauthals zur Musik mitgrölten. Dort hatten sie – während ihre Mutter, benebelt von Wut und dem großzügigen Unterhalt, versuchte, sich selbst zu finden, und ihr Vater damit beschäftigt war, Ehefrau Nummer zwei zu betrügen – P!nk-Songs auswendig gelernt und sich fest vorgenommen, nie einem Mann zu trauen und nie so schwach wie ihre Mutter, nie so egoistisch wie ihr Vater und immer füreinander da zu sein.

Sie beide würden zusammenhalten gegen den Rest der Welt. Immer.

Und jetzt auch. Nur musste Thea diesmal nicht nur für ihre kleine Schwester da sein, sondern vor allem für ihre Töchter. Und das würde sie. Unter allen Umständen. Sie würde dafür sorgen, dass die beiden nie erfuhren, wie es war, in aggressiver Atmosphäre aufzuwachsen oder für die gemeinen Schachzüge ihrer Eltern herzuhalten.

Plötzlich brannten Tränen in ihren Augen, und ein schweres Gewicht drückte auf ihre Brust. Die Worte blieben ihr im Hals stecken, als ihre Kehle eng wurde. Hastig drehte sie sich von den Mädchen weg, um sich über die Wangen zu wischen.

Liv überspielte die Situation geschickt. «Hey, Mädels, lauft schon mal nach oben und zieht euch um, okay? Wer als Erste auf der Treppe ist, darf den Film für heute Abend aussuchen.»

Die Chance, sich miteinander zu messen, verlieh den Mädchen Flügel. Sekunden später war Arethas Song zu Ende.

«Alles okay?»

Thea konnte mit dem schmerzhaften Kloß im Hals kaum reden. «Was, wenn ich ihnen damit schade?»

«Das tust du nicht», widersprach Liv scharf. «Du bist die beste Mutter, die ich kenne.»

«Alles, was ich will – alles, was ich je wollte –, ist, ihnen die Kindheit zu geben, die wir nie hatten. Sie sollen sicher und behütet aufwachsen und …»

Liv nahm sie bei den Schultern und drehte sie zu sich herum. «Er ist derjenige, der ausgezogen ist.»

«Ja, weil ich ihn rausgeworfen habe.» Wochenlang hatte er ihr die kalte Schulter gezeigt, sich geweigert, mit ihr zu reden, und lieber im Gästezimmer geschmollt. Schließlich konnte sie es keine Minute länger aushalten. Zwei Kleinkinder im Haus waren ihr Limit.

«Und er konnte gar nicht schnell genug von dir wegkommen.»

Das stimmte. Trotzdem nagte das schlechte Gewissen an ihr. Es gab Dinge, von denen Liv nichts wusste. Gavin hatte kein Recht, so zu reagieren, als ihm aufging, dass sie ihm im Bett etwas vorgespielt hatte. Aber sie hätte ihn das nicht auf diese Weise merken lassen dürfen. «Um eine Beziehung zu ruinieren, braucht es immer zwei.»

Liv nickte. «Klar. Aber ich bin deine Schwester, da bin ich schon biologisch dazu veranlagt, auf deiner Seite zu stehen.»

Sie blickten einander an und dankten wieder einmal dem Himmel, weil sie wenigstens einen Menschen hatten, auf den sie immer zählen konnten.

Thea hatte einmal geglaubt, Gavin wäre auch so ein Mensch.

Zur Hölle mit ihm! Sie hob den Vorschlaghammer auf. Es war Zeit, auf eigenen Beinen zu stehen. Da weiterzumachen, wo sie aufgehört hatte, als sie für ihn und seine Karriere alles aufgab. Zeit, endlich wahrzumachen, was sie sich zusammen mit Liv damals geschworen hatte.

Thea holte aus, und der Schlag riss ein weiteres Loch in die Wand.

Liv lachte. «Ich bin nicht die Einzige, die sich sein Gesicht vorstellt, oder?»

«Nein», knurrte Thea und holte erneut aus.

«Gut. Lass es raus. Du bist eine knallharte Bitch, die keinen Mann braucht.»

Aus den Lautsprechern tönte ein zorniger Taylor-Swift-Song über das Verbrennen von Fotos.

Liv nahm sich Gavins Schläger. «Mach mal Platz. Ich will auch.»

«Nein, warte! Das ist sein Lieblingsschläger!»

«Dann hätte er ihn mitnehmen sollen», erwiderte Liv.

Thea duckte sich, als Liv ihn schwang. Es gab einen lauten Knall beim Aufprall auf der Gipswand.

Thea ließ den Hammer los und riss Liv den Schläger aus der Hand. «Wir dürfen ihn nicht kaputt machen.»

«Das ist nur ein Baseballschläger.»

«Er hat damit die Highschool-Meisterschaft gewonnen.»

Liv rollte die Augen. «Männer und ihr Spielzeug.»

«Er ist ihm wichtig», sagte Thea.

«Ist das nicht genau das Problem?», schnauzte Liv. «Baseball war ihm immer wichtiger als du.»

«Nein, war es nicht.» Gavins tiefe Stimme ließ sie beide herumfahren.

Da stand er, nur ein paar Meter entfernt, als hätten sie ihn mit ihren Worten aus dem Nichts beschworen. Butter bellte und lief schwanzwedelnd zu ihm. Verräter.

Ein Zittern durchlief Thea, als sie zusah, wie Gavin Butter seine Hand hinhielt und ihn abgelenkt am Ohr kraulte. Er trug eine ausgebleichte Jeans und ein schlichtes graues T-Shirt. Seine feuchten Haare standen wild vom Kopf ab, als hätte er gerade geduscht und sie nur mit dem Handtuch trocken gerubbelt. Seine Augen waren gerötet, dunkle Ringe zeichneten sich darunter ab, und gemessen an den Bartstoppeln hatte er sich mindestens zwei Tage nicht rasiert.

Und trotzdem schaffte er es unfairerweise, unwiderstehlich sexy auszusehen.

Liv drehte die Musik leiser und verschränkte die Arme. «Was willst du hier, Arschloch?»

«Liv», mahnte Thea wieder. «Du wohnst hier nicht mehr», sagte sie dann zu Gavin. «Du kannst nicht einfach reinspazieren.»

Er deutete hinter sich zur Tür. «Ich habe angeklopft.» Sein Blick schnellte zwischen der löchrigen Wand und dem Vorschlaghammer auf dem Boden hin und her. «Was … was tust du da?»

«Ich reiße die Wand ein.»

«Das sehe ich», sagte er langsam. «Aber warum?»

«Weil ich sie nicht leiden kann.»

Gavin zog die Brauen zusammen. «Ist das da mein Schläger?»

Etwas Heißes, Gemeines brannte sich einen Weg durch ihre Vernunft. «Jep. Es geht prima damit.» Sie wandte sich ab und rammte den Schläger in die Wand.

Gavin duckte sich instinktiv.

«Ich will meine Staffelei hier aufstellen.» Sie schlug erneut zu. «Diese dämliche Wand blockiert das ganze Licht.»

«Vielleicht hätten wir darüber reden sollen, bevor du …» Gavin zuckte zusammen, als Thea zum dritten Mal zuschlug.

«Vielleicht hätten wir über vieles reden sollen», erwiderte sie gereizt und trat von der Wand weg. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Plötzlich ertönte ein Quietschen auf der Treppe. «Daddy!» Amelia sprang von der untersten Stufe und rannte zu ihm. Sie schlang die Arme um seine Beine. «Mommy macht die Wand kaputt!» Sie lachte und streckte die Hände aus, damit er sie hochhob.

Gavin nahm sie auf die Arme, während er Thea argwöhnisch anblickte. Amelia musterte sein Gesicht. «Bist du krank, Daddy?»

«Äh, nein, Liebling. Ich habe nur nicht gut geschlafen.» Er küsste sie auf die Wange. «Du riechst nach Sirup. Hat Mommy euch Pfannkuchen zum Frühstück gemacht?»

«Ja, sogar mit Schokostückchen!», rief sie. Allerdings hörte es sich mehr nach «’ogar mit Schoko’tückchen» an, weil sie das S verschluckte.

Gavin und Thea blickten sich an, und aus Gegnern wurden sofort wieder Eltern. Amelia fing seit mehreren Monaten immer mal wieder an zu lispeln, und Gavin hatte Angst, dass daraus ein dauerhafter Sprachfehler wie bei ihm wurde. Thea lächelte ihn sanft an. «Es ist nur ein Lispeln», sagte sie leise.

Gavin streckte die freie Hand nach Ava aus, die zögernd ihrer Schwester hinterhergekommen war. «Hey, Krümel.»

Ava ignorierte ihn und ging stattdessen zu ihrer Mutter. Ihre Kleine versuchte instinktiv, sie zu beschützen, und es brach Thea das Herz. Aber Ava setzte noch eins drauf, indem sie das Kinn hob und erklärte: «Mommy hat geweint.»

Oh nein. Seit Gavin ausgezogen war, kroch Ava jede Nacht zu ihr ins Bett. War sie etwa aufgewacht, als Thea ins Bad geschlichen war? Verdammt. Sie wollte nicht, dass ihre Mädchen sie je weinen hörten.

Gavin schluckte sichtlich. Er betrachtete ihr Gesicht, als sähe er sie zum ersten Mal, registrierte Sommersprossen und Rötungen, die sie nicht überschminkt hatte. Dann sah er ihr in die Augen. Ihr wurde heiß unter seinem ernsten Blick. Warum blickte er sie so an, verdammt?

«Können wir mit Butter spazieren gehen?», fragte Amelia. Das war ihr Vater-Töchter-Ding gewesen, nur zu dritt mit dem Hund durchs Viertel spazieren. Oder zumindest war es das, bis Gavin ausgezogen war.

«Ein andermal, Schätzchen», sagte er. «Ich muss mit Mommy reden.»

Amelia zog einen Schmollmund – eine neue, umwerfend wirksame Masche, die sie kürzlich für sich entdeckt hatte. Gavin schluckte schwer, und fast hatte Thea Mitleid mit ihm. «Ich komme am Montag zu eurem Musical. Vielleicht können wir danach mit Butter spazieren gehen?»

«Dann gehe ich eben mit ihnen raus.» Liv legte gerade genug Schärfe in ihren Ton, dass man das «du Scheißkerl» am Ende des Satzes deutlich hören konnte.

Butter tänzelte an der Tür, während Liv ihm die Leine anlegte und den Mädchen in die Fleecemäntel half. Gerade als sie draußen waren, steckte Liv noch mal den Kopf zur Tür herein. «Macht nicht so lange. Wir müssen noch dein Online-Dating-Profil erstellen, Schwesterherz.»

Die Tür schlug zu.

Gavin gab ein schwer zu deutendes Geräusch von sich.

Thea verkniff sich ein Lächeln.

«Du bist nicht ans Telefon gegangen», sagte Gavin, sowie die Mädchen außer Hörweite waren.

«Der Akku ist seit gestern Abend leer. Hatte keine Lust, ihn aufzuladen.»

Mit weicher, besorgter Miene trat er näher. «Bist du okay?»

Theas Herz hüpfte in ihrer Brust, aber sie ignorierte das. «Ich bin nicht derjenige, der riecht, als hätte er die Nacht mit einer Flasche Whiskey verbracht.»

«Ich habe mich gestern Abend betrunken.»

Thea wandte sich ab, um der Wand den nächsten Schlag verpassen. «Hast du deine Freiheit gefeiert?»

«Wenn du das wirklich glaubst, hab ich es schlimmer verbockt als gedacht.»

Diesmal war das knallende Geräusch des Aufpralls nicht mehr so befriedigend wie vorher. «Tja, das ist dein Problem, Gavin. Denn du hast es voll und ganz verbockt.»

Er widersprach nicht. «Willst du wirklich ein Dating-Profil erstellen?»

«Gott, nein.» Sie schnaubte und wischte sich über die Stirn. «Das ist das Letzte, was ich jetzt brauche.» Noch ein Mann in ihrem Leben? Noch mehr Versprechungen, auf die man sich nicht verlassen konnte? Nein danke.

Gavin nickte sichtlich erleichtert.

«Wenn du gekommen bist, um deine Sachen zu holen, dann beeil dich. Die Mädchen werden bald wieder da sein.»

«Deswegen bin ich nicht hier.»

«Weswegen dann?»

«Ich w-w-w…»

Ihr Herz machte schon wieder einen ärgerlichen kleinen Hüpfer, als sie zusah, wie seine Halsmuskeln arbeiten, und auf die Antwort wartete.

Schließlich stieß Gavin seinen Satz hervor. «Ich will reden.»

«Es gibt nichts mehr zu reden.»

«Bitte, Thea.»

Gottverdammtes hüpfendes Herz. «Na schön.» Sie drückte ihm seinen Schläger in die Hand und stampfte zur Küche. Mit dem Rücken zu ihm füllte sie ein Glas unter dem Wasserhahn und schäumte im Stillen, während er den Kalender an dem riesigen Whiteboard neben dem Kühlschrank studierte. Früher war sie gern impulsiv und spontan gewesen, aber inzwischen lebte und atmete sie nach diesem farbkodierten Kontrollzentrum, mit dem sie jede Minute des Familienlebens plante – Tanzstunden, Zahnarzttermine, Kindergartenelterntage und der in grellem Vergiss-das-nur-wenn-du-lebensmüde-bist-Rot notierte Hinweis, dass sie Avas Lieblingsstrumpfhosen für das Musical am Montag heraussuchen musste.

Bis vor kurzem war der Kalender auch mit gemeinnützigen und sonstigen Verpflichtungen gefüllt gewesen, die sie als Spielerfrau hatte. Als eine der Nashville Legends WAGs – Wifes and Girlfriends der Baseballmannschaft von Nashville. Aber seit das Gerücht ging, dass sie und Gavin Beziehungsprobleme hatten, waren die anderen auf Abstand gegangen. Sie hatten sie diesen Monat nicht mal mehr zu ihrer blöden Mittagsrunde eingeladen, und da hatte sie das Wort Scheidung noch nicht mal in den Mund genommen.

Na ja. Sie hatte sowieso nie das Gefühl gehabt, dazuzugehören, egal, wie sehr sie sich bemühte. In Gegenwart dieser Frauen wurde sie den Eindruck nicht los, dass sie über sie die Nase rümpften. Die meisten von ihnen gingen bestimmt davon aus, dass sie sich absichtlich hatte schwängern lassen, um einen reichen Profisportler an sich zu binden.

Das zeigte nur, dass niemand von denen sie kannte. Denn des Geldes wegen hätte Thea niemals geheiratet. Das war das Allerletzte. Sie hatte mit eigenen Augen gesehen, dass Geld alles und jeden verdarb.

Nein. Sie hatte Gavin aus Liebe geheiratet.

Wobei … wenn sie jetzt sah, was daraus geworden war, hätte sie vielleicht doch wegen des Geldes heiraten sollen.

Sie hatte vorher nicht die geringste Ahnung gehabt, wie ihr Leben als Frau eines Profisportlers aussehen würde. Plötzlich berühmt-berüchtigt zu sein und eine gewisse Verantwortung zu tragen. An Wohltätigkeitsveranstaltungen und Promotion-Auftritten teilnehmen zu müssen. Mit den anderen WAGs. Es war so, als wäre sie unfreiwillig in einer Studentinnenverbindung gelandet. Sie hatte nichts gegen Verbindungen. Im College war sie sogar in einer Mitglied gewesen, wo sich vor allem Studentinnen von Fächern wie Theaterwissenschaft, Musik oder Gender Studies sammelten und gegen Mittelkürzungen des Frauenzentrums protestierten.

Aber bei den WAGs ging es anders zu. Diese Frauen verlangten Konformität und Gehorsam – das Gegenteil von allem, wofür Thea früher eingetreten war. Und sie hatte mit allem allein zurechtkommen müssen, auch mit den Zwillingen, denn Gavin war selten zu Hause gewesen. Irgendwann im Laufe der letzten drei Jahre hatte sie sich selbst verloren, bis sie sich nicht einmal mehr selbst erkannte. Wieso kam sie auf einmal in der Southern Lifestyle vor, in einer Artikelserie über Tennessees Profisportler und ihre Familien? Mustergültiges Pastell. So der Titel. Und sie hatten recht. Ihr gesamter Kleiderschrank war eine Huldigung an Zuckerwatte. Früher hatte sie alte Depeche-Mode-T-Shirts und schwarze Chucks getragen, verdammt noch mal.

Der Zeitschriftenartikel war wie eine eisige Dusche. Ein Weckruf. Sie hatte fassungslos nach Luft geschnappt, weil sie ein Leben führte, das sie früher verachtet hätte. Und Gavin war entweder nicht aufgefallen, dass sie sich in eine glattgebügelte Pastellversion ihrer selbst verwandelt hatte, oder es war ihm egal gewesen.

Oder schlimmer noch, ihm war die Pastellversion lieber als die alte Thea.

Er räusperte sich, sodass sie sich zu ihm umdrehte. Die Schatten unter seinen Augen wirkten unter der Küchenlampe noch dunkler, wie zwei Blutergüsse. Er sah wirklich furchtbar aus. Gavin vertrug nichts Hartes. Weder harten Alkohol noch harte Wahrheiten.

Sie schob ihm das volle Wasserglas über die Kücheninsel zu. «Möchtest du ein Aspirin?»

«Hab schon eins genommen.»

«Hat nicht geholfen, was?»

«Nicht so richtig.» Schief grinsend griff er nach dem Glas und rieb mit dem Daumen das Kondenswasser weg. Sie konnte nicht verhindern, dass bei diesem Anblick Sehnsucht in ihr aufflammte, die gewisse Körperstellen schmerzen und andere kribbeln ließ. Gott, sie musste ein erstaunliches Maß an Jämmerlichkeit erreicht haben, wenn sein das Glas streichelnder Daumen so etwas in ihr auslösen konnte. Seit jener Nacht, der Nacht des großen Orgasmus-Fiaskos, hatte er sie nicht mehr berührt. Und obwohl er augenscheinlich das Gegenteil glaubte, hatte sie es immer geliebt, von ihm angefasst zu werden. Das war nie gespielt gewesen.

Zur Hölle mit ihm. «Ich will das Haus behalten.»

Gavin neigte den Kopf zur Seite, als hätte er sie nicht verstanden. «W-was?»

«Ich weiß, das ist viel verlangt, aber ich brauche nicht viel Unterhalt, falls du bereit bist, es an die Mädchen und mich abzutreten. Ich werde natürlich arbeiten, aber …»

Gavin schob das Glas weg. «Thea …»

«Für Liv und mich wäre es vermutlich leichter gewesen, wenn Dad das Haus nicht verkauft hätte, nachdem er Mom verlassen hatte. Und da das hier das einzige Zuhause ist, das die Mädchen kennen …» Ihre Stimme versagte. Sie räusperte sich, um das zu überspielen. «Wir sollten es ihnen gemeinsam sagen. Ich bin mir nur nicht sicher, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist. Vor den Ferien? Nach den Ferien? Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht mal, ob sie überhaupt verstehen, was das heißt. Sie denken immer noch, du bist nur weg, weil du Baseball spielen musst, aber bald werden sie …»

«Hör auf!»

Der Ton dieses Befehls war ebenso unangenehm wie untypisch. Thea fuhr erschrocken zusammen. «Womit?»

«Ich will das nicht.»

«Das Haus?»

«Nein! Verdammt!» Er fuhr sich durch die Haare. «Ich meine, ja. Ich will das Haus behalten. Ich w-w-will dich und die Mädchen mit dem Haus.»

«Ich verstehe nicht.»

«Ich will dich!»

Thea blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen. Einen Moment lang hatte sie die Sprache verloren, dann setzte sich ihr Zynismus durch. «Lass das, Gavin. Dafür ist es zu spät.»

Gavin krallte die Finger so fest um den Rand der Arbeitsplatte, dass die Adern an seinen Unterarmen hervortraten.

«Nein.»

«Es ist besser, das jetzt zu tun, solange die Mädchen noch klein sind und bald vergessen, dass …» Sie konnte den Satz nicht zu Ende bringen, weil ihr Hals plötzlich schmerzte. Sie hatte jetzt keine Zeit für diesen emotionalen Mist.

Gavins Miene wurde hart. «Was vergessen? Dass ihre Eltern mal verheiratet waren?»

«Mir ist lieber, sie vergessen es schnell, als dass sie wegen unserer Trennung leiden.»

«Dann trennen wir uns eben nicht.»

«Zu spät. Wir sind seit der Minute getrennt, in der du uns verlassen hast.»

«Du hast gesagt, ich soll verschwinden, Thea!»

«Und du konntest gar nicht schnell genug aus dem Haus kommen.»

Er klappte den Mund auf und zu, während er nach Worten suchte. «Ich brauchte Zeit zum Nachdenken», stieß er dann hervor.

«Jetzt hast du alle Zeit, die du brauchst.»

Gavin ließ sich nach vorn sinken, stützte die Ellbogen auf die Platte und legte den Kopf in die Hände. «Das läuft anders, als ich w-wollte.»

Thea drehte sich wütend von der Kücheninsel weg. «Ach, wirklich? Wie hast du es dir denn vorgestellt? Dachtest du, du brauchst nur hier aufzukreuzen, und ich lächle dich an, als wäre alles in Ordnung. Das habe ich drei Jahre lang getan, Gavin. Damit ist jetzt Schluss.»

Sie ging zurück zur Gipswand. Sie musste auf irgendetwas einprügeln.

«W-was soll das heißen?» Er kam dicht hinter ihr her.

«Das heißt, Orgasmen waren das geringste unserer Probleme!» Genau das regte sie am meisten auf. Er war sauer auf sie, weil sie ihm im Bett etwas vorgespielt hatte, wusste aber allen Ernstes nicht, dass sie in ihrem gesamten Alltag etwas vorspielen musste?

Thea hob den Baseballschläger auf und schlug mit aller Kraft gegen die Wand. Ein weiteres Loch entstand.

«Thea, warte.» Gavin legte eine Hand um den Schläger und hielt sie so davon ab, noch mal auf die Wand einzuprügeln. «Bitte hör mir nur einen Moment zu.»

Sie fuhr zu ihm herum. «Über dieses Stadium sind wir hinaus, Gavin. Ich habe dich nach diesem grauenhaften Abend tausendmal gebeten, mir zuzuhören, und du hast dich geweigert!»

«Nicht alles an dem Abend war grauenhaft, Thea.»

Angetrieben von aufgestauter Wut schubste sie ihn von sich weg. «Willst du mich verarschen? Du denkst, jetzt ist ein guter Moment, um mich an deinen glorreichen Grand Slam zu erinnern?»

Wäre es nicht so dermaßen bitter, hätte sie glatt gelacht. Es war ein Witz. Am Abend seines größten sportlichen Erfolgs – einem spielbeendenden Grand Slam im sechsten Spiel der American League Championship – legte er einen noch größeren Homerun zu Hause im Bett hin.

«Ich meine das, was wir nach dem Spiel getan haben.» Gavin trat dicht an sie heran und senkte die Stimme zu einem verführerischen Ton. «Das war nicht grauenhaft.»

«Warum bist du dann hinterher ins Gästezimmer gezogen?»

Gavin hob beschwichtigend die Hände. «Weil ich ein Blödmann bin. Ich habe überreagiert, okay? Ich weiß das. Und ich w-w…»

Sein Mund arbeitete, um die Worte hervorbringen, die seine Muskeln entschlossen zurückhalten wollten. Er strich sich übers Kinn und dann über den Nacken. Schließlich blickte er frustriert knurrend zu Boden und kniff die Lippen zusammen.

Zum zweiten Mal an diesem Vormittag flog die Haustür auf. Gavin fluchte leise, als Amelia und Butter hereingerannt kamen, hinter ihnen Ava und Liv in gemessenerem Tempo. Amelia blieb im Flur stehen und hielt einen Hundekuchen am ausgestreckten Arm in die Höhe. «Daddy, guck mal!»

Amelia befahl Butter zu springen. Der Hund brauchte lediglich den Kopf zu heben, um das Leckerli aus ihren Fingern zu klauben, aber Amelia quiekte, als hätte sie ihm das Sprechen beigebracht.

Gavin lächelte zärtlich. «Total cool, mein Schatz», sagte er, sein Ton war allerdings angespannt.

Auf dem Weg in die Küche fing Liv Theas Blick auf. Sekunden später plärrte «All the Single Ladies» aus den Lautsprechern.

«Sehr subtil», sagte Gavin leise.

«Niemand ist so loyal wie eine kleine Schwester.»

«Wir gehen im Garten Trampolin springen», sagte Liv, die die Anspannung zwischen den beiden offensichtlich wahrnahm. Sie drehte die Musik noch lauter auf, bevor sie mit den Mädchen rausging.

Gavin näherte sich behutsam. «Sag mir einfach, was n-n-nötig ist. Was muss ich tun?»

Sein flehender Gesichtsausdruck erinnerte sie unangenehm an ihren Vater, an das ebenso unterwürfige wie unehrliche «Oh, bitte, Schatz», mit dem er ihre Mutter dazu brachte, ihm eine zweite Chance zu geben. Oder eine dritte oder eine vierte. Wie oft hatte ihre Mutter seinen Versprechungen geglaubt und ihn wieder aufgenommen? Zu oft. Thea würde diesen Fehler nicht begehen.

«Dafür ist es zu spät, Gavin», wiederholte sie seufzend.

Gavin wurde blass. «Gib mir noch eine Chance.»

Sie schüttelte den Kopf.

Verzweifelt schloss er die Augen, und mit halb unterdrücktem Stöhnen drehte er sich weg und legte die Hände auf den Kopf. Sein T-Shirt spannte sich über festen Rückenmuskeln, während er mit sich rang. Ein Moment nervenaufreibender Anspannung verging, dann drehte er sich zu ihr um. Entschlossen ging er auf sie zu. «Ich werde alles tun, Thea. Bitte.»

«Warum, Gavin? Nach all dieser Zeit? Warum?»

Sein Blick glitt zu ihren Lippen, und oh Gott, wollte er etwa …

Gavin knurrte, legte eine Hand um ihren Hinterkopf und küsste sie. Thea taumelte und griff nach der Sofalehne, um nicht zu fallen, aber das war unnötig, denn Gavin schlang einen Arm um ihren Rücken. Einen starken, beschützenden, männlichen Arm, mit dem er sie an seinen harten Körper presste. Sein Mund spielte mit ihrem. Und als er mit der Zungenspitze zwischen ihre Lippen drang, konnte sie ihre Reaktion nicht verhindern. Sie krallte die Finger in sein Shirt und öffnete seufzend den Mund. Er schmeckte nach Zahnpasta und Whiskey und längst verloren geglaubten Träumen.

Verlorene Träume. Bei diesem Gedanken durchzuckten sie Verwirrung und Verrat. War sie wirklich so leicht rumzukriegen? Ein ungestümer Kuss und sie wurde buchstäblich schwach? Ein Kuss, und sie vergaß alles, was passiert war?

Thea riss sich von ihm los. «Was zur Hölle tust du da?»

«Du hast gefragt, warum», keuchte Gavin und sah sie mit dunklen Augen an. «Darum.»

Kapitel 3

«Du hast was?»

Gavin sank auf dem Rücksitz von Dels Pick-up in sich zusammen. Der Geruch von Pizza und Chickenwings drohte seinem eigentlich wieder ruhigen Magen den Krieg zu erklären. Es war mehrere Stunden her, seit er sich zuletzt übergeben hatte, aber der würzige Duft der Buffalo-Soße warnte ihn, dass die Feuerpause schnell vorbei sein könnte. «Ich habe sie geküsst.»

Del fluchte. «Ich habe dir doch extra gesagt, dass du nicht zu ihr gehen sollst!»

«Ich weiß.»

«Und ich habe dir erst recht nicht erlaubt, sie zu küssen.»

«Ich wusste nicht, dass ich deine Erlaubnis brauche.»

«Doch, tust du. Aber was noch viel wichtiger ist: Du brauchst ihre. Scheiße.» Del schlug aufs Lenkrad. «Die Nummer hat dich vermutlich um Wochen zurückgeworfen.»

Gavin widersprach nicht, denn er hatte das dumme Gefühl, dass Del recht haben könnte. Hätte eine Bratpfanne in Reichweite gestanden, Thea hätte sie ihm übergezogen. Nachdem sie ihn weggestoßen hatte, erklärte sie, dass er kein Recht hätte, sie so zu küssen. Und dann warf sie ihn raus.

Aber es hatte auch einen Moment gegeben, wo sie gegen ihn sank, sich ihm öffnete, seine Zunge mit ihrer streichelte und einen kleinen Seufzer von sich gab. Einen echten Seufzer. Seine Frau hatte seinen Kuss erwidert, wenn auch nur kurz. Also hatte er sie noch nicht komplett verloren.

Del nahm die nächste Auffahrt, setzte den Blinker und fädelte sich auf dem Highway ein. Das Innere des Wagens leuchtete gelb von den Scheinwerfern des Gegenverkehrs. Jede Menge Leute waren in die Innenstadt unterwegs, um durch die Bars zu ziehen. Sie fuhren in die entgegengesetzte Richtung. Nach fünfzehn Minuten nahm Del die Abfahrt nach Brentwood, ein Vorort, in dem viele Sportler und Countrystars wohnten.

Gavin zog Franklin vor. Dort lebten auch viele Prominente, aber die alten baumbestandenen Straßen erzeugten eine Kleinstadtatmosphäre. Ihr Haus stand in einer normalen Wohngegend, nicht in einem spießigen Villenviertel. Es lag fußläufig zum kleinen Ortskern, wo sie mit den Mädchen in der Bibliothek Bücher ausleihen und an der Eisdiele ein Eis kaufen konnten und wo sie in dem Diner mit den rissigen Kunstlederbänken Stammkunden geworden waren. Die einzigen Touristen waren die Bürgerkriegsenthusiasten, die zum Schauplatz einer Schlacht von damals pilgerten.

Gavin war zuerst skeptisch gewesen, als Thea vorschlug, dort hinzuziehen. Mit seinem Gehalt hätten sie sich etwas Luxuriöseres leisten können. Als sie jedoch die Anzeige für ein Ziegelhaus aus den dreißiger Jahren mit mehreren Giebeln auf dem Handy aufrief und er ihre Augen aufleuchten sah, wurde der Gedanke absurd, sie zu etwas anderem zu drängen. Und jetzt würde er ihr Kleinstadtleben für nichts aufgeben wollen.

Nur dass er das schon beinahe getan hatte.

Fünf Minuten später balancierte Gavin fünf Schachteln mit Pizza und vier Kartons mit Chickenwings durch einen penibel gepflegten Vorgarten. «Wem gehört das Haus?»

Doch er ahnte es schon. Angesichts der angeberischen Sportwagen in der Garage wahrscheinlich dem Arschloch, das seinen Apfel gegessen hatte.

Er hatte recht. Die Tür ging auf, und Mack empfing sie mit einem Schnauben. «Na sieh mal an, wer da endlich nüchtern ist.»

Gavin drückte ihm die Kartons in die Arme. «Na sieh mal an, wer da noch immer arschig ist.»

«Hört auf mit dem Quatsch», brummte Del und ging ins Haus.

Mack trat die Tür zu. «Alles nur Spaß, stimmt’s, Mann?»

«Nein. Ich kann dich nicht leiden», antwortete Gavin.

Del drehte sich zu Mack um. «Sind alle da?»

«Jep. Im Keller. Ist er bereit für den Initiationsritus? Ich muss das Schaf bis Mitternacht zurückbringen.»

Gavin sah ihn böse an, lief aber hinter den beiden her durch das himmelhohe Foyer und an einer breiten geschwungenen Treppe vorbei. Dahinter betraten sie eine Küche, die doppelt so groß war wie seine und Theas. Der Klang von Stimmen wurde lauter, als sie auf die Kellertür zugingen.

Gavin folgte ihnen hinab.

«Essen ist da», verkündete Mack und verschwand am Fuß der Treppe um die Ecke. Einige Stimmen räusperten sich anerkennend, andere murmelten, es werde aber auch Zeit.

«Sind wir spät dran?», fragte Gavin leise in Dels Rücken.

«Nö. Die anderen sind nur früher gekommen, um schon mal den Plan auszuarbeiten.»

Gavin hielt ihn am Shirt fest. «Moment mal. Was für ein Plan?»

«Der Plan, wie du Thea dazu bringst, einen Blödmann wie dich zurückzunehmen», sagte Del und bog um dieselbe Ecke, hinter der Mack verschwunden war. «Was du dir heute deutlich schwerer gemacht hast.»

Gavin hielt auf der untersten Stufe inne und holte tief Luft. Schließlich raffte er seinen Mut zusammen, indem er sich sagte, dass es hier um die Rettung seiner Ehe ging, und folgte Del.

Zehn Mitglieder von Nashvilles Elite – Profisportler, Geschäftsleute und Politiker – standen an einer schicken Bar und schubsten einander beiseite, weil sie an die Pizza und Chickenwings heranwollten. Del kippte die Papiertüte, die er mitgebracht hatte, auf der Theke aus. Mehrere Packungen Chips fielen heraus. Ein grüner Apfel rollte herunter und fiel auf den Boden.

Mack hob ihn kopfschüttelnd auf und legte ihn auf die Bar. «Du bist ein kleinlicher Bastard.»

«Los, Leute, beeilt euch», rief Del. «Wir müssen anfangen. Unser Vollpfosten hat heute seine Frau geküsst.»

Ruckartig drehten sich alle zu Gavin um, einige sprangen so heftig auf, dass die Barhocker kippten. Ein Hockeyspieler in der Ecke fluchte auf Russisch.

«Was soll der Scheiß, Mann?», schnauzte Mack. «Wir haben doch gesagt, du sollst nicht zu ihr gehen!»

Ein Kerl, in dem er Malcolm James erkannte, Runningback bei der Football-Mannschaft von Nashville, verschluckte sich an seinem Bier. «Hast du wenigstens um Erlaubnis gefragt, oder war es ein Kuss der Sorte Überraschungsattacke?»

«Äh … Überraschungsattacke, denke ich.»

Yan schlug ihm mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. Hart. «Das ist die große Geste, Mann! Die kannst du noch nicht bringen.»

«Die was?»

Die Jungs schossen ihm böse, sehr böse und so richtig böse Blicke zu, während sie sich ihre Teller holten und mit ihnen zu dem riesigen Spieltisch in der anderen Hälfte des Kellerraumes gingen.