The Vyrus: Bis zum letzten Tropfen - Charlie Huston - E-Book
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The Vyrus: Bis zum letzten Tropfen E-Book

Charlie Huston

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Beschreibung

Niemand lebt für immer: Der nervenaufreibende Thriller »The Vyrus: Bis zum letzten Tropfen« von Charlie Huston jetzt als eBook bei dotbooks. Ein Geheimnis mit katastrophalen Folgen … Seit eine fürchterliche Krankheit New York verwüstet hat, wird die einstmals so stolze Stadt von brutalen Klans terrorisiert. Dem Privatdetektiv Joe Pitt bleibt nichts anderes übrig, als in der Bronx Zuflucht zu suchen. Doch schließlich holen ihn die Fehler seiner Vergangenheit ein, und Joe ist gezwungen, in die mörderische Schattenwelt Manhattans zurückzukehren: Für die mächtige »Koalition« soll er einen verfeindeten Klan ausspionieren, der angeblich kurz davor steht, ein Heilmittel für das Virus zu entwickelt. Bei seinen Nachforschungen stößt er auf ein uraltes Geheimnis, das in der New Yorker Unterwelt einen Krieg entfesseln könnte. Plötzlich wird Joe zum meistgesuchten Mann der Stadt. Eine atemlose Hetzjagd nimmt ihren Lauf … Rasant, dreckig und so unfassbar spannend, dass man nicht aufhören kann zu lesen: »Charlie Hustons Actionsequenzen suchen im gesamten Spannungsbereich ihresgleichen.« Publishers Weekly Jetzt als eBook kaufen und genießen: »True Detective« meets »The Walking Dead« – der abgründige Thriller »The Vyrus: Bis zum letzten Tropfen« von Charlie Huston, der spektakuläre vierte Band in seiner Reihe um den Privatermittler Joe Pitt, in der alle Bände unabhängig voneinander gelesen werden können. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Ein Geheimnis mit katastrophalen Folgen … Seit eine fürchterliche Krankheit New York verwüstet hat, wird die einstmals so stolze Stadt von brutalen Klans terrorisiert. Dem Privatdetektiv Joe Pitt bleibt nichts anderes übrig, als in der Bronx Zuflucht zu suchen. Doch schließlich holen ihn die Fehler seiner Vergangenheit ein, und Joe ist gezwungen, in die mörderische Schattenwelt Manhattans zurückzukehren: Für die mächtige »Koalition« soll er einen verfeindeten Klan ausspionieren, der angeblich kurz davor steht, ein Heilmittel für das Virus zu entwickelt. Bei seinen Nachforschungen stößt er auf ein uraltes Geheimnis, das in der New Yorker Unterwelt einen Krieg entfesseln könnte. Plötzlich wird Joe zum meistgesuchten Mann der Stadt. Eine atemlose Hetzjagd nimmt ihren Lauf …

Rasant, dreckig und so unfassbar spannend, dass man nicht aufhören kann zu lesen: »Charlie Hustons Actionsequenzen suchen im gesamten Spannungsbereich ihresgleichen.« Publishers Weekly

Über den Autor:

Charlie Huston wurde 1968 in Oakland, Kalifornien geboren. Nach einem Theaterstudium zog er nach New York, wo er als Schauspieler und Barkeeper arbeitete, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Seine »Vyrus«-Reihe, für die er unter anderem mit dem wichtigsten amerikanischem Krimipreis, dem Edgar-Award, nominiert wurde, erzählt den Überlebenskampf von Privatermittler Joe Pitt in der New Yorker Unterwelt. Charlie Huston lebt mit seiner Frau, einer bekannten Schauspielerin, in Los Angeles.

Bei dotbooks veröffentlichte der Autor seine packende Serie um den New Yorker Privatermittler Joe Pitt:

»The Vyrus: Stadt aus Blut«

»The Vyrus: Blutrausch«

»The Vyrus: Das Blut von Brooklyn«

»The Vyrus: Bis zum letzten Tropfen«

»The Vyrus: Ausgesaugt«

Außerdem bei dotbooks erschienen ist sein Thriller »Killing Game«.

***

eBook-Neuausgabe Dezember 2022

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2008 unter dem Originaltitel »Every Last Drop« bei Ballantine Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2010 unter dem Titel »Bis zum letzten Tropfen« bei Heyne

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2008 by Charlie Huston

This edition published by arrangement with Ballantine Books, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2010 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/Geobor, Karin Wabre, Anastasios71

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-98690-535-4

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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blog.dotbooks.de/

Charlie Huston

The Vyrus:Bis zum letzten Tropfen

Ein Joe-Pitt-Thriller

Aus dem Amerikanischen von Kristof Kurz

dotbooks.

Kapitel 1

Sie sind reif.

Das ist mein einziger Gedanke, während ich sie beobachte.

Die Menge strömt aus dem Stadion, Zehntausende verstopfen die River Avenue und den Grand Concourse und die Straße unter der Haltestelle der Linie 4, auf der die Züge kreischend ein- und ausfahren. Die Leute quetschen sich wie Sardinen in die Waggons, stolpern die Treppen hinauf, drängen sich in die Tunnel und in den Stan the Man’s Fanartikelladen. Der Verkehr in nördlicher Richtung zum Cross Bronx Expressway und nach Triborough kommt zum Erliegen, weil die Menschen die Straßen verstopfen. Sie sind betrunken oder auf dem besten Weg dazu, entweder überglücklich über einen Sieg oder stinksauer über eine Niederlage. Tausende in blau-weißen Nadelstreifen-Baseballklamotten.

Alle bis zum Platzen gefüllt.

Jeder von ihnen würde reichen, um einen von uns armen Teufeln wochenlang auf den Beinen zu halten. Wahrscheinlich sogar monatelang, eine gewisse Erfahrung und Selbstdisziplin vorausgesetzt. Viele von ihnen kennen sich in der South Bronx nicht aus, haben außer dem Weg von der U-Bahn-Haltestelle oder dem Parkplatz zum Stadion noch nichts gesehen. Und jeder Einzelne ist bis zu seinem pumpenden Herzen randvoll mit Blut.

Wen wundert’s also, dass es nach jedem gottverdammten Spiel Ärger gibt?

Klar, ist schließlich kein großes Geheimnis. Deshalb sind auch so viele Cops unterwegs. Die Cops regeln den Verkehr, so gut es eben geht. Sie halten die fanatischen Yankees davon ab, denjenigen Sox-Fans die Ohren abzubeißen, die dumm genug waren, das Spiel ihres siegreichen Teams bis zum Ende anzusehen. Sie haben ein Auge auf Taschendiebe und passen auf, dass die Besoffenen nicht unter die Busse geraten.

Würde mich dieser ganze Scheiß auch nur im Geringsten interessieren, würde ich auf der Stelle hingehen, einem der Beamten auf den Rücken klopfen und ihm ein Bier ausgeben.

Doch das Ganze geht mir, gelinde gesagt, am Arsch vorbei.

Was mir Sorgen bereitet, sind die Wilderer, die halbverhungerten Eindringlinge, die Gierigen und Schwachen, die Kranken, Verirrten und die, die einfach nur bescheuert sind. Die beschäftigen mich so sehr, dass ich versuche, mich nach jedem Spiel hier zu zeigen. Nur um einige Dinge klarzustellen.

Zum Beispiel, dass sie besser aus der Gegend hier verschwinden, bevor ich mich eines Nachts in einer dunklen Seitenstraße an sie ranschleiche und ihnen zwei Kugeln in ihre bescheuerte Rübe jage, bevor sie überhaupt wissen, wie ihnen geschieht.

Die Schwachen und Kranken haben hier nichts verloren. Nicht, solange ich hier oben gestrandet bin.

Hier oben.

Wenn man, lange nachdem das Spiel vorbei ist, auf dem Bahnsteig der Linie 4 steht und Richtung Süden blickt, kann man sie sehen. Die Stadt. Gleich hinter dem Fluss.

Aber für mich ist sie so weit entfernt wie Scheißchina.

Wenn man dann runter zur Straße geht, an den eisernen Treppengeländern und Drehkreuzen vorbei, unter den Stahlpfeilern der Haltestellen hindurch, kommt man sich vor, als würde man in einem Käfig hin und her tigern.

Aber es handelt sich um meinen Käfig.

Und niemand scheißt in meinen Käfig.

Deshalb sehe ich mich nach jedem Spiel hier um. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich würde vermutlich auch ohne diese praktischen Überlegungen hier auftauchen. Denn nach einem Spiel ist so ziemlich der einzige Zeitpunkt, an dem ich mich auf der River Avenue blicken lassen kann, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.

Ein weißes Gesicht in der South Bronx bei Nacht, das fällt zwangsläufig auf. Tagsüber sind hier zwar eine Menge Weiße unterwegs, Cops, Anwälte und gelegentlich sogar jemand von der Anklägerseite. Aber sobald es dunkel wird, machen sie sich auf den Heimweg. Und sie wohnen alle in sicherer Entfernung von der 161st Street und dem Concourse, also in Jersey, Queens oder allerhöchstens Riverdale.

Am helllichten Tag könnte ich mich also ohne weiteres unters Volk mischen. Ich müsste mir nur was zum Mitnehmen von der Havanna Sandwich Queen holen und mich auf eine der Bänke neben der Statue von Moses setzen, der gerade die Zehn Gebote den Berg hinunterträgt. Ein Blick auf meine Statur, mein Gesicht, meine schwarzen Stiefel, die schwarze Hose, die ich trotz des Sommertages trage, und die Lederjacke, die auf der warmen Steinbank liegt, und die Leute würden denken: undercover. Sie würden mich für einen Cop halten, der hier oben eine Aussage macht.

Aber das würde natürlich voraussetzen, dass ich am helllichten Tag draußen unterwegs bin.

Was aber nicht passieren wird. Niemals.

Es sei denn, ich kriege irgendwann Lust darauf, an plötzlich aus meinen Augen wuchernden Krebsgeschwüren zu krepieren.

Wenn ich also ein bisschen Luft schnappen will, muss das im Schutz der Dunkelheit geschehen. Aber genau das ist das Problem ‒ sobald die Sonne untergeht, lässt sich kein Scheißweißer mehr in der Gegend blicken. Und ich habe kein Interesse daran, allzu viel Aufsehen zu erregen.

Was is’n das für einer?

Hast du den schon mal gesehen?

Wahrscheinlich ein Bulle.

Nee, der schwirrt hier schon seit Monaten rum. Hat noch keinen festgenommen.

Wird ja wohl kaum hier wohnen.

Keine Ahnung, vielleicht doch.

Wo denn? Welche Straße? Welches Haus?

Man muss nur in einer heißen Sommernacht die Straße runtergehen: Die alten Knacker haben den Kartentisch und die Lieblingsgartenstühle ihrer Frauen auf den Gehsteig gestellt und spielen Domino; die Jungspunde stehen vor einem geleasten Cadillac, dessen Bassboxen ihre Baggy Pants erzittern lassen, und schicken eine SMS an ihre Späher, die auf den Feuerleitern auf der anderen Straßenseite Ausschau halten; durch die geöffneten Fenster hört man die Mütter, Großmütter und schwangeren jungen Frauen lachen; sie trinken Sangria aus billigem Rotwein und 7Up; doch sobald mich einer von ihnen bemerkt, ist die Party vorbei. Man hört nichts mehr außer meinen Stiefeln auf dem Asphalt, ihre Blicke folgen mir, bis ich am Ende der Straße um die Ecke biege, und dann sehen sich alle an.

Wer ist denn das beschissene Weißbrot?

Und vermutlich würde diese Frage manchen Leuten keine Ruhe lassen. Leuten, die es genauer wissen wollen. Früher oder später würde mich jemand anquatschen. Und das nimmt dann ein böses Ende.

Aber das wäre noch nicht mal das größte Scheißproblem.

Das eigentliche Scheißproblem bestände darin, dass besagte Frage die Runde macht, dass die Gerüchteküche zu brodeln beginnt. Die Leute erzählen sich Geschichten, und diese Geschichten breiten sich aus.

Auch wenn ich selbst den Fluss nicht überqueren kann, diese Leute können es. Und wenn sie es tun, bringen sie ihre Fragen und Gerüchte und Geschichten mit nach drüben. Sobald dieser ganze Scheiß die Insel erreicht, kann niemand vorhersehen, was dort damit passiert. Kann sein, die Geschichte kommt dem Falschen zu Ohren. Jemandem, der sich entschließt, der Sache auf den Grund zu gehen, der hier aufkreuzt, herumschnüffelt und mich erkennt. Wenn mich jemand von der Insel hier aufspürt, ist das Spiel aus. Dann bin ich ein toter Mann.

Tja, diese Gefahr besteht. Aber ich werde mich wohl später darum kümmern müssen. Im Moment hab ich Wichtigeres zu tun.

Ich habe Termine. Muss Leute treffen.

Und Leute umbringen.

Ehrgeiz und ein klares Ziel vor Augen ‒ das hält einen auf Trab.

Wie dem auch sei, in dieser eher feindlich gesinnten Nachbarschaft stellt ein Baseballspiel die einzige Möglichkeit dar, mich unters Volk zu mischen. Mal wieder rauszukommen. Inkognito. Um die Luft der Freiheit zu schnuppern, wenn man es so ausdrücken will. Aber ich will jetzt nicht ironisch werden.

Und da ich schon mal unterwegs bin, um mir die Beine zu vertreten, kann ich mich ebenso gut gleich umsehen, selbst ein bisschen herumschnüffeln. Vielleicht wittere ich ja was, das mir nicht gefällt. Dann kann ich feststellen, wer der Stinker ist, und vielleicht finde ich ja sogar inmitten der Menge einen Augenblick der Ruhe und Vertraulichkeit, um ihm meine Bedenken vorzutragen.

Und prompt ergibt sich an diesem Abend so eine Gelegenheit.

Während des letzten Innings hocke ich vor einem Plastikbecher mit Bier bei Billy’s, zähle im Kopf das Kleingeld in meinen Taschen zusammen und überlege, ob es noch für einen richtigen Drink reicht, bevor ich mich auf den Heimweg mache. Plötzlich weht von der Straße ein bestimmter Geruch rein. Ich knalle den Becher auf den Tisch, beobachte, wie der Schaum aufsteigt und sich wieder legt, kippe den letzten lauwarmen Schluck und trete hinaus auf die Straße. Die ersten Zuschauer verlassen nach einer ziemlich eindeutigen Niederlage bedrückt das Stadion.

Man macht sich keine Vorstellung davon, wie sehr ein paar tausend Baseballfans an einem schwülen Abend nach einer schweren Niederlage stinken. Durchgeschwitzte Pullover, uringetränkte Turnschuhe, Nacho-Käse-Spritzer, eine Wolke aus Erdnussatem und Hot-Dog-Fürzen.

Unangenehm.

Trotzdem, ich kann es wittern.

Ein Gestank wie nach verdünnter Säure beißt in meinen Nasenlöchern. Scharfes, starkes Gift.

Das Vyrus.

Ich dränge mich durch die Menge, überquere auf der Fährte des Geruchs in Zickzacklinien die Straße. Dann stoße ich darauf. Die Luft ist geschwängert davon.

Der Trottel vor mir folgt offensichtlich einer ähnlichen Fährte, allerdings hat er es auf eine andere Art Beute abgesehen. Er sucht nach einem Opfer, das sich im Suff von der Herde getrennt hat und eine falsche Straße hinunterstolpert, direkt auf eine dunkle Ecke zu, in der alle möglichen üblen Dinge passieren können.

Ich übe mich in Geduld. Ich warte, bis er zielstrebig geradeaus geht. Wenn er irgendwann aufhört, Schlangenlinien zu laufen und seinen Gestank überall zu verbreiten, ist das ein Zeichen, dass er gefunden hat, wonach er sucht. Der Vollidiot hat tatsächlich die Nerven, in aller Öffentlichkeit auf die Jagd zu gehen wie ein Taschendieb.

Oder.

Ach du Scheiße.

Wer ist hier der Vollidiot?

Genau. Ich bin’s.

Es ist nicht nur eine Duftspur in der Menge.

Es sind mehrere.

Ein Rudel. Ein beschissenes Rudel, mitten im Getümmel. Ein Rudel Frischinfizierter, das nach dem Spiel auf Raubzug geht. Gemeinsam, ohne Angst und dumm wie Brot.

Mann, das erinnert mich doch an jemanden.

An mich selbst nämlich, bevor ich ein paar einschneidende Erfahrungen gemacht habe.

Ich weiß nicht, wie viele es sind. Ihr Geruch vermischt sich in der stehenden Luft rund um die dahintrottende Menge, ist aber so stark, dass es mindestens drei sein müssen. Oder vier, aber keinesfalls mehr. Wenn sie zu viert arbeiten, kann das nicht lange gutgehen. Früher oder später werden sie sich gegenseitig an die Gurgel springen.

Also auf keinen Fall mehr als vier. Eher drei. Zwei?

Das ist Wunschdenken.

Herr im Himmel, gib, dass es nicht mehr als drei sind.

Für mehr habe ich nicht genügend Munition. Es sind noch genau drei Kugeln übrig. Drei Kugeln, ebenso viele Dollar und wahrscheinlich auch genauso viele Tage bei einigermaßen guter Gesundheit, bevor ich selbst wieder Blut brauche.

Also, natürlich nicht mein eigenes Blut, sondern Blut von jemandem, der vielleicht ein, zwei Liter entbehren kann. Aber solche Leute sind rar gesät. Die meisten wollen ihr Blut nämlich selbst behalten. Und andere, Leute wie wir, nehmen alles, was wir in die Finger kriegen können.

Bis zum letzten Tropfen.

‒ Los! Macht schon! Verpisst euch endlich!

‒ Leck mich!

‒ Ja, leck mich!

‒ Gehört diese Scheißstraße vielleicht euch?

‒ Ihr macht gleich Bekanntschaft mit der Straße. Ich lass euch nämlich am Bordstein schnüffeln, mit den Händen hinterm Kopf. Wie richtige Gangster.

‒ Leck mich!

Ich drehe mich um und entdecke ein paar Cops, die sich mit vier Jugendlichen rumschlagen, die auf grellen, winzigen Motorrädern durch die Menge düsen. Ihre Knie stehen weit von den nur einen halben Meter hohen Pocket Bikes ab. Die Motoren heulen beständig auf, da sie immer wieder Gas geben, um in Bewegung zu bleiben.

Der vorderste Cop rückt seinen Pistolengürtel zurecht.

‒ Sag das noch mal! Los, komm schon, und ich schieß dich mit meinem Taser glatt aus dem Sattel. Weißt du, was passiert, wenn so ein Taser dich erwischt? Du scheißt dir in die Hose, Kleiner. Du liegst da und schreist mit vollgeschissenen Hosen nach deiner Mami. Mami, Mami. Wie ein Baby.

Einer der Jugendlichen gibt Gas, so dass die Enden seines Kopftuchs flattern.

‒ Taser doch deine Mutter, Mann.

‒ Was? Wie war das?

Die Kids schlängeln sich zwischen Autos und Passanten hindurch, ohne auch nur einmal aus dem Gleichgewicht zu geraten. Sie halten ausreichend Abstand zu den Cops, damit sie schnell abhauen können, wenn den Beamten der Geduldsfaden reißt.

‒ Deine Mutter kann sich den Taser in ihre stinkige Muschi stecken.

Die Cops grinsen fast unmerklich, als sie langsam vorwärtsgehen und die Jungs von der Menge abdrängen, die aus dem Stadion strömt. Sie genießen die Ablenkung.

Und ganz offensichtlich sind sie sich nicht zu schade, diesen Rotznasen ihre kleinen Fressen zu polieren, sollten sie sie in die Finger bekommen.

Der Cop an der Spitze spielt mit dem Griff seines Schlagstocks und reckt das Kinn in Richtung seines Partners.

‒ Der kennt deine Mutter offensichtlich nicht, Olivera. Sonst wüsste er nämlich, wie gut ihre Muschi riecht.

Olivera streckt ihm den Mittelfinger entgegen.

‒ Nicht so gut wie mein Schwanz, wenn man deiner Mutter glauben kann.

Der Kopftuchjunge stellt sich auf die Fußrasten.

‒ Ihr Cops habt nix im Kopf als gegenseitig eure Mütter zu ficken. Aber wenn ihr grade schön zugange seid, komm ich eure Töchter nageln.

Die Finger des Cops schließen sich um den Schlagstock.

‒ Das find ich nicht lustig, du kleiner Scheißer.

Olivera schiebt sich die Mütze zurecht.

‒ Ich hab zwar keine Tochter, find’s aber auch nicht lustig.

Kopftuch zuckt mit den Schultern und umrundet eine Traube Baseballfans, die das Spektakel beobachtet.

‒ Macht ja nichts, Mann. Dann fick ich halt deine Frau.

Die beiden Cops rennen auf die Kids zu, während sich zwei andere Polizisten, die von der Nordseite des Stadions kommen, ebenfalls in Bewegung setzen. Die Kids geben Gas, die kleinen 49-Kubik-Motoren heulen auf, und die Menge spritzt auseinander. Sobald sich der Staub etwas gelegt hat, sieht man die Kids um die Ecke verschwinden. Einer von ihnen wedelt mit der Mütze, die er einem der Cops vom Kopf gerissen hat.

Die Menge trottet im alten Rhythmus und in alter Formation weiter. Alle versuchen, Augenkontakt mit den fluchenden Cops zu vermeiden. Die Beamten stehen im Kreis zusammen und überlegen, ob sie die Kids schon mal gesehen haben, wo sie wohl wohnen, und wie weit sie ihnen den Arsch aufreißen, wenn sie sie erwischen.

Ich überquere die Straße und kreuze die Duftspur, die die Kids auf der Flucht hinter sich hergezogen haben. Die Cops können von Glück reden, wenn sie die kleinen Hosenscheißer nie wieder zu Gesicht bekommen.

Giftgestank hängt in der Luft.

Ausdünstungen, die das Rudel hinterlassen hat.

Sie können nicht älter als dreizehn gewesen sein. Oder doch? Bei ausreichender Ernährung könnten es alte Männer in Kinderkörpern sein. Aber das glaube ich nicht. Alte Männer würden niemals so eine Show abziehen. Alte Männer provozieren keine Cops. Nein, das sind Frischlinge.

Neu im Geschäft.

Himmel, mit dreizehn ist man wohl in jedem Geschäft neu. Und wird wahrscheinlich auch nicht alt werden. Nicht, wenn man wie diese Kids Schilder umhängen hat. Große, grelle Neonschilder, auf denen steht: LEG MICH UM!

Ich überquere die Straße Richtung Gerard Avenue, dort ist weniger los als in Richtung CBE und Triborough, und gehe am flachen Bunker eines Parkhauses entlang.

Im Gehen denke ich nach.

Ja, ich mache mir tatsächlich Gedanken über diese Kids, aber auch noch über ein paar andere Dinge. Ich überlege, wer sie zu dem gemacht hat, was sie sind. Wer ihnen sein Blut gegeben hat. Und wie viele einen grässlichen Tod sterben mussten, um diese vier zu infizieren.

Ich denke über das Leben nach. Es ist kurz und beschissen wie eine Hühnerleiter. Sagt man doch so. Auf jeden Fall keine leichte Sache. Man muss es genießen, sooft sich die Gelegenheit bietet. Denn es ist durchaus möglich, dass sich manche Gelegenheiten nur einmal bieten.

Gerade male ich mir aus, wie sehr ich es genießen würde, den Kerl zu skalpieren, der diese Jungs infiziert hat. Wie viel Spaß es mir bereiten würde, seine Kopfhaut abzuziehen und ihm den Lappen aus Haut und Haaren in die Kehle zu stopfen, um seine Schreie zu ersticken; um mir dann zu überlegen, wie ich ihn möglichst lange am Leben halten kann, während ich ihm die Rippen rausreiße.

Diese Gedanken lenken mich ab, und so ist es kein Wunder, dass ich ihren Gestank erst bemerke, als ich schon fast fünf Meter an der mit einer Gittertür versperrten Seitengasse vorbeigegangen bin.

Ich bleibe stehen und mache kehrt. Die Gasse führt direkt am Bürogebäude von Cassisi-and-Cassisi-Schadensregulierung vorbei. Se habla espanõl. Als ob nicht alle Aasgeier hier espanõl sprechen würden.

Durch die rotlackierten Gitterstäbe kann ich zwischen den Gebäuden einen schmalen Gang erkennen. Der rasiermesserscharfe Stacheldraht auf den alten Steinmauern lässt auf gute Nachbarschaftsverhältnisse schließen. Eine Betontreppe führt zu den Hintereingängen der Gebäude an der Walton Avenue. Am Fuß dieser Treppe leuchtet ein roter Spritzer, viel heller als der Lack auf den Gitterstäben.

Ich drücke das Gatter auf. Die Kette, die es eigentlich verschließen sollte, baumelt herunter. Ihre Glieder wurden sauber durchtrennt. Das Geräusch, das aus dem hinteren Teil der Seitengasse dringt, erinnert mich an eine Katze, die ich mal gesehen habe. Ihre Hinterbeine waren von einem Bus zerquetscht worden. Sie streckte die Vorderbeine aus, ihre Krallen kratzten über den Asphalt. Verzweifelt versuchte sie, Halt zu finden, dem Schmerz davonzukriechen. Die Leute auf dem Gehweg starrten die verstümmelte Katze einfach nur an. Ich trat ihr ins Genick, und sie hörte auf, sich zu bewegen. Die Leute glotzten mich an, als wäre ich an allem schuld.

Sie haben sie auf dem Pflaster liegen lassen. Blut quillt zwischen ihren Lippen hervor, künstliche rote Fingernägel kratzen über den Boden. Sie sieht zu mir auf, als mein Schatten auf sie fällt, keucht und versucht zu sprechen.

‒ nchch gwaltgt.

Ich brauche einen Augenblick, dann kapiere ich.

Sie hat Recht. Sie haben sie nicht vergewaltigt. Was sie anscheinend nicht so recht verstehen kann, denn immerhin hat ihr die Gang tollwütiger Kids soeben die Zunge rausgebissen.

Ihre Augen rollen noch einmal herum, diesmal in den Hinterkopf, und sie wird ohnmächtig.

Ich sehe mich um. In manchen Wohnungen brennt Licht. Neben mir steht eine ganze Batterie von Müllcontainern. Eine Kette führt durch ihre Griffe. Es ist eine jener Seitenstraßen, wo die Leute sogar Müllcontainer klauen. Am oberen Ende der Treppe entdecke ich eine kleine dunkle Nische, von der eine Tür ins verlassene Untergeschoss des Gebäudes führt.

Ich hebe die Frau auf, werfe sie mir über die Schulter, gehe die Treppe hoch und in die Nische. Die Tür ist aus Stahl, aber das Schloss ist von der billigen Sorte. Als ich es zum zweiten Mal mit der Schulter ramme, springt es auf. Ich trage sie hinein und lege sie in eine Ecke.

Sie hat aufgehört zu bluten. Und zwar aus demselben Grund, aus dem ich darauf verzichte, ihr Blut zu trinken. Die Kids haben sie infiziert. Möglicherweise absichtlich, möglicherweise war es ein Unfall. Wenn man jemandem die Zunge abbeißt, besteht durchaus die Möglichkeit, dass man dabei in die eigenen Lippen gebissen wird. Egal, wie es abgelaufen ist ‒ das Blut der Kids befindet sich in ihrem Kreislauf.

Was sie anscheinend gut verträgt.

Besser gesagt, irgendetwas, das in ihr lauert, verträgt es gut.

Oder so ähnlich.

Hätte es nicht funktioniert, also, hätte sie nicht zu jenen Menschen gehört, die das Vyrus verkraften, läge sie jetzt tot in einer Pfütze aus weißem Speichel. Tatsache ist jedoch, dass sich die Wunde in ihrem Mund und die anderen Kratzer und Schrammen, die sie sich im Handgemenge zugezogen hat, bereits schließen. Das Vyrus macht sich sofort ans Werk. Und ich mach’s mir erst mal gemütlich.

Ich könnte sie töten.

Ich sollte sie töten.

Wenn ich es nicht tue, wird sie wegen ihres neuen Zustands entweder Alarm schlagen und allen anderen damit das Leben schwermachen; oder sie akzeptiert ihn und ist damit nur ein weiteres Maul, das gestopft werden muss. Was wiederum den Wettbewerb für alle anderen verschärft. Nicht, dass mich die anderen interessieren. Trotzdem steht fest, dass es keine Zukunft für sie gibt, die mein Leben nicht auf die eine oder andere Weise schwieriger machen würde. Grund genug, sie sofort zu töten.

Was ich aber nicht tue.

Vor langer Zeit hatte mal jemand die Gelegenheit, dasselbe mit mir zu machen, und hat es sich ebenfalls anders überlegt. Ich rede nicht mehr mit diesem Jemand ‒ nicht, seit ich ihm einen Nagel in die Oberschenkelvene gerammt habe ‒, aber das war damals ein feiner Zug von ihm.

Ich kann zumindest versuchen, mich ähnlich anständig zu verhalten.

Indem ich ihr eine Chance gebe.

Sie eine eigene Entscheidung treffen lasse.

Ich rauche und warte. Warte, bis das Vyrus vollständig die Kontrolle übernommen hat. Dann können wir uns unterhalten.

Himmel, ich hoffe, sie kriegt keinen Schreikrampf, wenn ich ihr das alles erzähle.

‒ Pass auf, der Rest deines Lebens läuft folgendermaßen ab: Du bist im Arsch. Du wirst deine Familie nie wiedersehen. Genauso wenig wie deine Freunde. Deinen Job kannst du vergessen, ebenso wie die Wohnung, in der du bisher gehaust hast. Wenn du jemanden auf der Straße siehst, den du kennst, gehst du in die andere Richtung. Du wirst vielleicht das Bedürfnis verspüren, dich mit deinen Leuten zu unterhalten. Um ihnen alles zu erklären. Dass du krank bist. Dass es nicht so ist, wie sie denken. Dass es ein Virus ist. Ein Organismus, der in dir lebt und der dich kränker macht, als sie es sich vorstellen können. Aber leider gibt es nur einen Weg, die Symptome zu behandeln ‒ nämlich, das Vyrus zu füttern. Und es gibt nur eine Möglichkeit, es zu füttern. Mit Blut. Menschenblut. Was glaubst du, wird passieren, wenn du ihnen das erzählst? Sie werden genauso blöd aus der Wäsche gucken wie du jetzt gerade. Aber weißt du, wo der Unterschied liegt? Sie sind nicht infiziert. Sie wurden nicht überfallen und verprügelt. Ihnen wurde nicht von einem Haufen Irrer die Zunge herausgebissen, und keiner hat anschließend an ihrem Mund gesaugt, als wäre es ein verdammter Trinkbrunnen. Und weil ihnen das nicht passiert ist, können sie auch nicht verstehen, was dir gerade passiert. Dieses Brennen in deinem Inneren, die Wärme und das Prickeln um die Wunden herum. Sie können nicht sehen, wie sich die Schnitte in deinem Arm wieder schließen, wie sich rote Haut in weiße verwandelt. Sie spüren nicht den Schorf auf deinem Zungenstummel, spüren nicht, wie er sich löst und wie glatt und perfekt die Haut darunter ist. Fast, als würde die Zunge nachwachsen. Daher geht es ihnen anders als dir: Wenn sie so eine Geschichte hören, haben sie allen Grund anzunehmen, dass du nicht mehr alle Tassen im Schrank hast. Dann lassen sie dich einweisen. Wobei das noch die beste Option ist. Schlimmer wäre es, wenn sie dir glauben. Wenn jemand aus irgendeinem Grund rausfindet, dass du die Wahrheit sagst. Dann denken sie todsicher nicht mehr, dass du krank bist, sondern halten dich für ein beschissenes Monster. Und dann solltest du mal ihre Gesichter sehen. Fazit: Mit deinem bisherigen Leben ist es vorbei. Genau wie mit ein paar anderen liebgewordenen Gewohnheiten. Du wirst nie mehr die Sonne sehen. Nicht, wenn du keinen grausamen Tod sterben willst. Das Virus in dir flippt aus, wenn es mit kurzwelligen UV-Sonnenstrahlen bombardiert wird. Dein ganzer Körper verkrebst. Und zwar rasend schnell. Aber hier kommt die gute Nachricht: Der ganze andere Scheiß ist kein Problem. Kreuze, Weihwasser, Knoblauch, das alles kann dir nichts anhaben. Du bist infiziert, nicht verflucht. Oder vielleicht doch, keine Ahnung. Ein Pflock ins Herz wird dich umbringen, genau wie jeden anderen auch. Aber wenn man das Vyrus füttert, wird es deinen Kreislauf auf Vordermann bringen. Du wirst stärker und schneller. Härter. Deine Sinne werden schärfer. Allerdings besteht darin auch das große Problem: Es regelmäßig zu füttern. Ein halber Liter die Woche Minimum. Blut. Menschenblut. Mehr, wenn möglich. Stell dir vor, wie es ist, Blut zu trinken. Keine schöne Vorstellung. Jetzt überleg dir, wie du an Blut kommst. Die Kids, die dich angegriffen haben, sind nicht die Norm. Na ja, hier oben vielleicht schon, aber das war selbst für hiesige Verhältnisse ganz schön grotesk. Manhattan dagegen ist organisiert. Die Clans haben es unter sich aufgeteilt. Es gibt die Koalition, die Society und noch andere. Alle haben ihre eigenen Ziele. Vielleicht nimmt dich einer auf und hilft dir. Wenn du dich anpasst. Oder du arbeitest auf eigene Faust, wirst unabhängig. Dann hältst du dich besser von Clangebiet fern und vergisst die Insel am besten gleich. Was bedeutet, du musst dir dein Blut selbst organisieren. Was wiederum bedeutet, du musst anderen Menschen wehtun, und ab und zu wird einer draufgehen. Obwohl man das vermeiden sollte. Du musst systematisch vorgehen. Such dir einen Junkie im Tran und zapf ihn an. Dem Vyrus sind Drogen scheißegal, genauso wie Krankheiten oder Gifte. Kümmere dich um das Vyrus, und es kümmert sich um dich. Aber vielleicht täusche ich mich ja auch in deinen Freunden und Verwandten, und du hast jemanden, dem du sehr nahestehst. Dein Freund oder deine Schwester. Jemand, der sich gern ausnutzen lässt, wenn du verstehst, was ich meine. Vielleicht lässt der dich ja alle paar Wochen an seine Schlagadern. Das würde die ganze Sache enorm vereinfachen. Dann ist es zwar immer noch kein Zuckerschlecken, aber mit einer Lucy wird alles einfacher. Und einfach ist ein Wort, das du in diesem Leben nicht oft zu hören bekommen wirst. Was noch? Die Menschen wissen über uns Bescheid. Nicht viele, aber doch ein paar. Na ja, manche wissen es mit Sicherheit, andere hoffen nur, dass wir echt sind. Manche wollen mitspielen, wollen zur Szene gehören. Beschissene Renfields. Andere haben das Kriegsbeil ausgegraben. Und das meine ich wörtlich. Die Van Helsings. Ein echter Van Helsing ist kein Spaß. Jemand, der es sich leisten kann, am helllichten Tag rumzuschnüffeln, und der genug Geld hat, um sich ganz legal Waffen und Munition und so weiter zu beschaffen, ist eine echte Bedrohung. Was noch? Es gibt ein paar Infizierte, die glauben, das Vyrus sei kein Virus. Sondern eher etwas, na ja, Übernatürliches. Das ist die Enklave. Die sind komplett durchgeknallt. Dann gibt es da noch ein Bakterium. So ähnlich wie das Vyrus, nur dass es die Leute in Hirnfresser verwandelt. Zombies. Kommt aber nur selten vor. Tja, das war’s, glaube ich. Sonst fällt mir nichts mehr ein. Normalerweise rede ich auch nicht so viel.

Ich blase Rauch an die Decke.

‒ Irgendwas hab ich doch vergessen. Vyrus. Clans. Zombies. Nicht in die Sonne gehen. Nicht anschießen lassen. Bisheriges Leben aufgeben. Blut trinken, um zu überleben.

Ich schüttle den Kopf.

‒ Nein. Das war so ziemlich alles.

Ich schnippe den Zigarettenstummel weg.

‒ Die Frage ist, packst du das? Ich hab dir erklärt, wie’s läuft. Glaubst du, du hast das Zeug dazu?

Sie wischt sich die Tränen von den schmutzigen Wangen, steckt einen Finger in den Mund und betastet ihre heilende Zunge.

Sie schweigt.

Ich nicke und deute auf das verbarrikadierte Fenster im Erdgeschoss und den Nachthimmel darüber.

‒ Guck mal nach oben.

Sie guckt nach oben.

Ich ziehe meine Waffe und verbrauche meine letzten drei Kugeln.

Kapitel 2

Als ich die Straße Richtung Norden hinaufgehe, dröhnen meine Ohren noch von den Schüssen, die ich abgefeuert habe.

Ich bin ein guter Schütze. Aber da ich aus der Hüfte schießen musste, wollte ich nicht, dass die erste Kugel ihr Hirn verfehlt, und sie noch ein paar Sekunden länger Zeit hatte, um über alles nachzudenken. Oder etwas zu spüren. Da war es besser, ihr alle drei Patronen sofort ins Gesicht zu jagen und nichts dem Zufall zu überlassen.

Sie war nicht dumm; ihr war klar, dass sie es niemals allein geschafft hätte.

Wer mich genauer kennt, könnte vermuten, dass ich versuchte, einen Fehler aus der Vergangenheit wiedergutzumachen. Den Schlamassel, den ich auf der Insel hinterlassen habe, wieder geradezubiegen. Abbitte zu leisten für einen Moment, in dem ich zu langsam war und dadurch jemanden verloren habe.

Aber hier kennt mich niemand genauer.

Genau das ist der Grund, warum ich in der Bronx bin. Sonst fällt mir beim besten Willen keiner ein.

Am nördlichen Ende des Joyce Kilmer Parks kommt ein Kombi neben mir zum Stehen, der mit Rost, Grundierung und weißer Farbe gesprenkelt ist und aussieht, als hätte man vor kurzem eine Brandbombe darauf abgeworfen. Im Inneren leuchtet ein Streichholz auf.

‒ Sag mal, Joe.

Ich lege eine Hand auf meine Waffe und bereue, nicht nur zwei Kugeln abgefeuert zu haben.

Die Streichholzflamme berührt eine Zigarettenspitze zwischen roten Lippen.

‒ War das gerade so unangenehm, wie’s ausgesehen hat?

‒ Hast du gesehen, wer es war?

‒ Ja.

‒ Und willst du’s mir auch erzählen?

‒ Weißt du was über Kids auf Taschenraketen, die hier nach Blut wildern?

Sie sieht mich an, legt den Kopf schief und sieht wieder weg.

‒ Ja, von denen hab ich schon gehört.

Sie lässt den Arm aus dem offenen Fenster des schrottreifen Kombis hängen und betrachtet die hochaufragende Glasfassade des Bezirksgerichts von Bronx County direkt gegenüber vom Concourse-Plaza-Einkaufszentrum, vor dem sie parkt.

‒ Waren die das?

Jetzt lege ich den Kopf schief.

‒ Ob die vier Spastis, die um das Stadion rumgeschwirrt sind, der Tussi die Zunge rausgebissen haben? Hör mal, Esperanza, ich war nicht dabei, aber ich geh mal stark davon aus.

Sie schnippt ihren Zigarettenstummel aus dem Fenster.

Ich puste Rauchringe gegen die Windschutzscheibe und sehe zu, wie sie sich auflösen.

Sie nimmt die Herausforderung an, zündet sich eine frische Pall Mall an und bläst ihrerseits einen Rauchring in die Luft.

‒ Bei dieser Frau ohne Zunge hast du ordentlich Radau gemacht. Die Cops sind schon da.

‒ Na ja, selbst hier rufen die Leute anscheinend die Polizei, wenn in ihrem Hinterhof rumgeballert wird.

‒ Wir sind ja keine Wilden.

‒ Hab ich auch nicht behauptet.

Rauch quillt aus ihren Nasenlöchern.

‒ Eine Frau ohne Gesicht erregt Aufsehen.

‒ Vielleicht. So viel Aufsehen wie alle anderen Mordopfer heutzutage.

‒ Möglicherweise sogar etwas mehr, wenn man dich beobachtet hat. Ein weißer Kerl, der in der Bronx eine Puertoricanerin abknallt. Das könnte für Ärger sorgen. Vielleicht ist sie aufs College gegangen und musste ihre Oma und ihre Schwester versorgen. So was kann weite Kreise ziehen, nach dem Motto: Weiße Männer kommen in die Bronx, um Jagd auf unsere Latina-Schwestern zu machen. Das sorgt für Unruhe, und bevor man sich’s versieht, steht Reverend Sharpton am Tatort und gibt Interviews.

Ich rupfe einen Stoffstreifen von der zerfetzten Innenverkleidung des Wagendachs.

‒ Du solltest die New York Post anrufen und ein Exklusivinterview geben, bevor’s zu spät ist.

Sie wischt sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Das tätowierte Kreuz zwischen Daumen und Handrücken glänzt feucht.

‒ Ich sage ja nicht, dass es falsch war. Ich sage nur, du hättest es etwas ruhiger angehen sollen.

‒ Klar. Ich hätte auch eine schöne, mucksmäuschenstille Frauenleiche mit gebrochenem Genick zurücklassen können. Dann hätten sie eine Autopsie durchgeführt und rausgefunden, dass sie nur noch eine halbe Zunge hat. Die wäre jedoch hübsch rosa und makellos gewesen, als wäre sie damit geboren. Wenn ihre Familie das rausgefunden hätte, hätte sie garantiert Wirbel gemacht. Eine halbe Zunge? Wovon sprechen Sie? Ach ja, und der Gerichtsmediziner hätte sich sicher auch gefragt, wo die Hälfte ihres Bluts hingekommen ist, obwohl keine einzige Wunde zu sehen ist.

Sie drückt den Filter ihrer Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger platt.

‒ Scheiße, ich hätte dich an die Mungiki ausliefern können, als du hier aufgekreuzt bist. Dann lägst du jetzt im gottverdammten Fluss. Aber du hast versprochen, dass du mir keinen Stress machst. Wenn ich also mit dir über Sachen reden will, die mir doch Stress machen, hast du gefälligst zuzuhören und nicht den harten Mann zu spielen, klar?

Ich schnippe etwas Asche ab.

‒ Ich wusste nicht, dass du was mit den Mungiki am Laufen hast.

Sie zündet sich eine weitere Pall Mall an.

‒ Tja, anscheinend weißt du nicht alles, was hier abgeht, oder?

‒ Nein.

‒ Mit den Mungiki hat keiner was am Laufen. Aber seit sie nach Queens gekommen sind, tu ich ihnen ab und zu einen Gefallen.

‒ Wie kommt’s?

‒ Ich war mal mit einem zusammen.

‒ Du warst mit einem Mungiki zusammen? Hatte der auch angespitzte Zähne?

Sie wirft mir einen ihrer vielsagenden Blicke zu.

‒ Glaub doch nicht alles, was du hörst. Mann, die feilen sich nicht die Zähne.

Sie beobachtet eine Handvoll Pärchen, die nach der letzten Vorstellung aus dem Multiplex strömen.

‒ Jedenfalls nicht alle. Außerdem war er da noch kein Mungiki. Nur ein ganz normaler Kerl.

‒ Also, das ist ja alles sehr interessant. Aber wenn wir uns jetzt gegenseitig genug bedroht haben, würd ich mich gerne wieder auf die Socken machen. Rausfinden, was das für Kids sind.

Sie pustet Asche von ihrer Zigarettenspitze.

‒ Lass die Kids in Ruhe.

Ich mustere sie.

‒ Gibt’s dafür einen Grund?

Sie erwidert meinen Blick.

‒ Weil ich es gesagt habe.

Wir starren uns an, während ich diese Information verdaue.

Sie sieht aus wie einundzwanzig, höchstens. Ist sie älter? Ja, aber nicht viel. In der Bronx kann man einfach nicht genug Blut auftreiben, um den Alterungsprozess vollständig aufzuhalten. Ich zum Beispiel sah vor ein paar Jahren noch wie Ende zwanzig aus. Inzwischen gehe ich gerade noch als fünfunddreißig durch. Wenn es so weitergeht, sieht man wirklich bald die achtundvierzig, die ich auf dem Buckel habe.

Sie hat den Vorteil der Jugend. Echter Jugend, nicht einfach geborgter Zeit.

Sie hat lange Beine, trägt Khakihosen und weiße Retroturnschuhe, ein schwarzes Tanktop, das sie in die Hose gestopft hat und das sich über ihrem schwarzen Sport-BH spannt. Ihre Schultern, Arme, Hände und der Nacken sind mit Tätowierungen bedeckt, dunkle Muster auf brauner Haut. Ihr schwarzes Haar ist kurzgeschnitten und mit Gel an den Kopf geklatscht. Sehnen zeichnen sich an ihren langen Armen ab. Ihre Muskeln hat sie vom Basketballspielen mit den Jungs im Rucker Park auf der anderen Seite des Flusses.

Eszperanza Lucretia Benjamin.

Sie ist wohl das, was in der Gegend um den Concourse einem Boss am nächsten kommt. Sie ist die Einzige, die aufpasst, dass nichts an die Öffentlichkeit dringt, und die Einzige, die mit den Mungiki verhandeln kann und danach noch den Kopf auf den Schultern trägt. Sie ist eine echt harte Nummer.

Und so eine Art Gefängnisdirektorin.

Es gibt zwei Möglichkeiten, das Gefängnis durchzustehen.

Die eine ist, den Ball flach zu halten, sich an die Wand zu drücken, wenn die großen Tiere vorbeikommen und zu hoffen, dass niemand mitkriegt, wie harmlos du eigentlich bist, und wie gerne du deine Zeit hier bereits abgesessen hättest, um wieder in dein normales Leben zurückzukehren. Du verbringst die Tage damit, die Minuten zu zählen, bis irgendwann jemandem auffällt, dass du einen sehr schönen Mund hast.

Die zweite Möglichkeit ist, sich erst mal umzusehen und sich dann den Stuhl auszusuchen, von dem aus man den besten Blick auf den Fernseher hat. Du gehst zu dem Skinhead hinüber, der gerade drauf sitzt, spuckst ihm ins Gesicht und rammst ihm das zugespitzte Ende deiner Zahnbürste ins Ohr. Dann weiß jeder Bescheid: Du bist hier kein Gast, das hier ist dein Zuhause. Wenn du dann aus der Einzelhaft entlassen wirst, wartet der leere Stuhl bereits auf dich. Du musst dich einfach nur hineinfallen lassen und kannst in Ruhe General Hospital angucken.

Man kann sich ja denken, für welche Variante ich mich entschieden habe.

Ich hab mir seinerzeit ein Plätzchen im Franz Sigel Park gesucht, direkt an der Ecke Walton Avenue und Mabel Wayne Place, wo dieses lustige rot-weiß-blaue Schild steht: The Bronx. All-American City. Es war ein kleines Versteck mit Bäumen, Unkraut und Felsen, das roch, als wäre hier irgendein Arsch schon jahrelang am Werk.

Ich beobachtete das Versteck, wartete, bis er jemanden an seinen Lieblingsplatz geschleppt hatte, und als er gerade das Buffet eröffnen wollte, schlich ich mich an ihn ran und brach ihm an drei Stellen das Rückgrat. Dann ließ ich ihn gelähmt da liegen, damit er mir zugucken konnte, wie ich an der gedeckten Tafel Platz nahm.

Ich hab ihm in seinen Hinterhof geschissen, sozusagen.

Dann hab ich ihn getötet.

Es hat nicht lange gedauert, dann stand Esperanza auf der Matte. Hat mir klargemacht, dass sie hier das Gesetz ist und wie ihre Vorstellungen von guter Nachbarschaft aussehen. Hat mir verklickert, dass in der Bronx die Gegend um die 161th Street und den Concourse dem, was man als Zivilisation bezeichnet, wohl am nächsten kommt. Und dass ich den Ball flach halten muss, wenn ich hier mitspielen will. Ich habe ihr klargemacht, dass sie mir aus der Seele spricht, und lieferte den Beweis, indem ich ihr die Leiche des Kerls zeigte, der im Franz Sigel Park sein Unwesen getrieben hatte. Wie sich herausstellte, war der Kerl die Ursache für die ganzen Monster-im-Park-Storys, die unter den Anwohnern kursierten. Genau die Art von Geschichten, die unerwünschte Aufmerksamkeit erregen.

Sie war hocherfreut.

Und ich war in der Bronx zu Hause.

Mal wieder.

Nicht, dass mich irgendwann ein Anfall von Nostalgie nach Hunt’s Point zu meinem Elternhaus geführt hätte. Da hätte ich mich wohl schwer zurückhalten müssen, um es nicht niederzubrennen. Und die Mühe hätte sich sowieso nur gelohnt, wenn meine Eltern noch dort gewohnt hätten. Was ich jedoch stark bezweifle.

Auf jeden Fall war es nicht leicht, gut Wetter bei dieser Frau zu machen. Und hat man das erst mal geschafft, will man auf keinen Fall ins Fettnäpfchen treten.

Vor allem nicht, solange man sich auf ihrem Territorium befindet.

Unsere Zigaretten gehen aus, und wir hören kurz auf, uns anzustarren, um uns die nächsten anzuzünden.

Ich inhaliere Rauch und blase ihn wieder aus.

‒ Okay, ich halte mich von den Kids fern.

Sie sieht mich prüfend an und nickt.

‒ Gut, das hätten wir also geklärt.

Ihre Fingerspitze berührt ihren Mundwinkel.

‒ Hast du für den Rest der Nacht schon was vor?

Ich wedle mit meiner Zigarette.

‒ Rauchen. Geld für mehr Zigaretten klauen. Mich vor allen verstecken.

‒ Klingt gut.

‒ Klar. Und später mach ich’s mir dann gemütlich mit einem guten Buch und einer exzellenten Flasche Chardonnay.

‒ Brauchst du Gesellschaft?

Ich betrachte sie. Erst aus den Augenwinkeln, dann direkt. Wieso auch nicht? Sie weiß sowieso, dass ich sie ansehe.

Diese Lady, eine wirklich verteufelt heiße Braut, fragt mich, ob ich Gesellschaft brauche.

Tja.

Ich nehme einen tiefen Zug, halte den Rauch in der Lunge, atme aus und steige aus dem Auto.

‒ Wenn ich Gesellschaft brauche, kauf ich mir einen Hund.

Sie dreht den Zündschlüssel um und startet den Kombi.

‒ Wie du meinst, Joe. Dann lass dich mal nicht aufhalten.

Sie legt den Gang ein und fährt mit qualmendem Auspuff davon.

Ich blicke ihr hinterher, bis ihre Rücklichter im Verkehr verschwinden.

Sie hat mich nicht zum ersten Mal gefragt. Nicht, dass ich damit angeben will. Es ist nur so, dass eine Frau wie sie das Leben eines Mannes ganz schön verkomplizieren kann.

Die South Bronx macht einem zwangsläufig das Hirn mürbe. Daher könnte man vermuten, dass ich in der letzten Zeit nicht viel nachgedacht habe. Was sicher clever von mir gewesen wäre.

Leider fällt das Wort clever nicht sehr oft, wenn sich Leute über mich unterhalten. Und ich bin clever genug, zu wissen, warum das so ist.

Aber nicht clever genug, um etwas dagegen zu unternehmen.

Jenseits des Flusses hatte ich ein richtiges Leben. Oder zumindest etwas, was einem richtigen Leben mehr oder weniger gleichkommt. Ich hatte sogar einen gewissen Ruf in der Welt der normalen Menschen. Die braven Bürger, die keine Ahnung von unserem anderen Leben haben, hielten mich für den örtlichen Mann fürs Grobe. Der Kerl, den du anrufst, wenn der Türsteher deines Clubs wegen bewaffnetem Raubüberfall festgenommen wurde, und du jemanden für die Nachtschicht brauchst. Der Typ, an den du dich wendest, wenn dein Exfreund vier Monate, nachdem du mit ihm Schluss gemacht hast, immer noch in deiner Wohnung hockt. Du zahlst diesem Kerl ein paar Kröten, dafür begleitet er besagten Exfreund vor die Tür. Er stöbert Leute für dich auf, treibt überfällige Wettschulden ein. Er hat natürlich kein Büro, aber wenn du die richtigen Leute kennst, steckt man dir seine Nummer zu mit dem Hinweis, dass das der Typ ist, der vielleicht deine Probleme lösen kann.

Klar, das ist kein geregelter Job, aber immerhin konnte ich die Arbeitszeit selbst bestimmen. Und das war in Anbetracht der Umstände auch ziemlich wichtig.

Nebenher habe ich noch Aufträge für die Clans erledigt, immer unter dem Radar natürlich, unauffällig und inoffiziell. Zum Schluss hatte ich sogar einen richtigen Job bei der Society. Aber das ging nicht lange gut. Ich war mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden, und das Beschäftigungsverhältnis wurde in beiderseitigem Einvernehmen beendet. Leider fiel mein Arbeitszeugnis recht negativ aus.

Lag wahrscheinlich an dem Nagel in der Schlagader. Vielleicht hab ich auch die Kündigungsfrist nicht beachtet. Eins von beiden wird’s gewesen sein.

Wie dem auch sei. Auf der Insel hatte ich einen gewissen Ruf; und mit einem gewissen Ruf kommt man an Geld, Aufträge und all die anderen Dinge, die man zum Leben benötigt.

Essen. Ein Dach überm Kopf. Klamotten.

Blut. Munition. Geld.

Solches Zeug eben.

Am schwierigsten ist es, an Blut ranzukommen. Das war schon immer so. Geld kann dabei helfen, trotzdem bleibt es verdammt heikel. Wie zu erwarten, ist es hier oben noch schwieriger. Da es keine Clans gibt, existiert auch kein organisierter Handel, keine Infrastruktur, die es einem Dealer erlauben könnte, den Junkies ihr Blut abzukaufen und einigermaßen den Überblick zu behalten, wie viel im Umlauf ist. Vor dem Bronx-Lebanon, St. Barnabas oder anderen Krankenhäusern warten keine freundlichen Leute, die einem für ein paar Kröten einen Beutel in die Hand drücken.

Nein, hier heißt es: von der Hand in den Mund.

Eigentlich ein recht unkompliziertes Leben. Ein Raubtierleben. Keine Arbeit. Kein fester Wohnsitz. Keine Zukunft. Seine Besitztümer trägt man am besten am Leib, da man jederzeit damit rechnen muss, die Beine in die Hand zu nehmen. Die unmittelbaren Bedürfnisse zu erfüllen, ist die einzige und wesentliche Aufgabe.