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Für die meisten Betriebe sind die strategische Abgrenzung vom Wettbewerb sowie eine eindeutige Positionierung auf den relevanten Märkten längst zur Pflicht geworden. Eine Ausnahme davon bildete lange Zeit der Agrarsektor. Dies lag mitunter auch an den branchenspezifischen Eingriffen und Regulierungsversuchen des Staates, die zahlreichen Unternehmern innerhalb dieser Branche nur wenig Möglichkeit zur wettbewerbsspezifischen Markierung einräumten. Der nun einsetzende Wegfall staatlicher Regulierungsbemühungen schafft Spielräume, um durch Markenbildung auch im Gartenbau eine eindeutige Wiedererkennung des eigenen Betriebes zu gewährleisten. Nach einer theoretischen Einführung rund um die Bedeutung sowie die spezifischen Erfordernisse einer Unternehmensmarke, wendet die Autorin die dargestellten Inhalte auf das konkrete Fallbeispiel eines Gartenbaubetriebes an. Die beigefügte Checkliste animiert die Leser, die gewonnenen Erkenntnisse auch auf den eigenen Betrieb zu übertragen und hilft ganz praktisch bei der Initiierung und dem Aufbau einer eigenen Unternehmensmarke.
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Seitenzahl: 259
Veröffentlichungsjahr: 2017
WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGEAUSDEM TECTUM VERLAG
Reihe Wirtschaftswissenschaften
WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGEAUSDEM TECTUM VERLAG
Reihe Wirtschaftswissenschaften
Band 81
Yvonne Peters
Theorie und Praxis bei der Etablierung einer Unternehmensmarke im Gartenbau
Tectum Verlag
Yvonne Peters
Theorie und Praxis bei der Etablierung einer Unternehmensmarke im Gartenbau
Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag: Reihe: Wirtschaftswissenschaften; Bd. 81
© Tectum Verlag Marburg, 2017
ISBN: 978-3-8288-6654-6 (Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Buch unter der ISBN 978-3-8288-3889-5 im Tectum Verlag erschienen.)
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Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Vorwort
Vor dem thematischen Einstieg würde ich Ihnen, liebe Leserinnen und liebe Leser, gerne erläutern, wie es zu der inhaltlichen Erstellung des Buches kam. In meiner beruflichen Funktion als freiberufliche Hochschuldozentin lehre ich im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, insbesondere Marketing, an diversen Hochschulen im In- und Ausland. Parallel zu meiner wissenschaftlichen Lehrtätigkeit führt mein Mann einen Gartenbaubetrieb. Hierbei handelt es sich um einen Produktionsbetrieb mit der Kultivierung von Zierpflanzen. In Gesprächen mit Gartenbauunternehmern kam es immer häufiger zu der Frage nach der Notwendigkeit einer Unternehmensmarke im Gartenbau. Die mir gestellten Fragen zielten neben der gefragten Notwendigkeit ebenso auf die Frage nach einem möglichen Vorgehen ab. Hieraus resultiert die vorliegende Monografie, in der eine Hinwendung zu dem Thema „Theorie und Praxis bei der Etablierung einer Unternehmensmarke im Gartenbau“ erfolgt. Die Thematik wird vorgelagert durch die Darstellung des Agrarsektors, insbesondere des Gartenbausektors. Es erfolgt die erklärende Darstellung theoretischer Grundlagen, bevor praktisch vertiefend und nachgelagert die theoretischen Inhalte auf ein Praxisbeispiel transferiert werden. Die Bedeutung der Marke ist dabei sowohl wissenschaftlich als auch praktisch unbestritten. Die Macht, die von einer Marke ausgeht, ist dabei zentral und richtungsweisend bei den Beziehungsgruppen und den Marktteilnehmern. Die praktische Anwendbarkeit der Ausführungen ist durch die anwendungsbezogene Checkliste gegeben, die dem anwendenden, gartenbaulichen Betrieb erste Ansätze mit der Thematik offeriert und eine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik ermöglicht. Es werden grundlegende Überlegungen in Gang gesetzt, um eine Hilfestellung bei der Entwicklung und Einführung einer Unternehmensmarke zu offerieren. An dieser Stelle soll jedoch explizit darauf hingewiesen werden, dass eine Expertenmeinung nicht außer Acht gelassen werden sollte. Insbesondere ist diese bei der Prüfung rechtlicher Gegebenheiten und Schutzrechte etc. unerlässlich. Vielmehr ist der Fokus darauf ausgerichtet, dass der Betrieb vor dem Einholen von fachlicher Expertise in der Lage ist, erste Ansätze eigenständig zu erarbeiten, um einem sach- und fachkundigen Experten zu vermitteln, welche Überlegungen bisher erfolgt sind. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und zahlreiche neue Erkenntnisse.
Inhaltsverzeichnis
1Einleitung
2Der primäre gesamtwirtschaftliche Sektor
2.1Allgemeine Kennzeichen des primären Sektors
2.2Besonderheiten der Agrarwirtschaft
2.2.1Begriff und Abgrenzung der Agrarwirtschaft
2.2.2Historische Entwicklung der Agrarwirtschaft
2.2.3Gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Agrarwirtschaft in Deutschland
2.3Besonderheiten der Gartenbaubranche
2.3.1Begriff und Abgrenzung gartenbaulicher Betriebe
2.3.2Gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Gartenbausektors
3Kennzeichen des Mittelstands
3.1Begriff und Abgrenzung des Mittelstands
3.2Gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Mittelstands
3.3Mentale Besonderheiten im Mittelstand
4Marktmechanik der Gartenbaubranche
4.1Abgrenzung des Terminus Marktakteur unter Bezugnahme auf die Anspruchsgruppen
4.2Charakteristika und Struktur der Gartenbaubranche, der Marktakteure, des Absatzes und des Vertriebs
4.3Beschaffungsverhalten und marktrelevante Auswirkungen
4.3.1Privates Konsumentenverhalten
4.3.1.1Psychologische Faktoren
4.3.1.2Soziologische Faktoren
4.3.2Gewerbliches Beschaffungsverhalten
4.3.2.1Gremienentscheide
4.3.2.2Kaufentscheidungsprozess
5Marketing-, Branding- und Markenverständnis
5.1Definition und Abgrenzung des Marketingbegriffs und des Brandingbegriffs
5.2Markenentwicklung
5.3Unternehmensspezifische Voraussetzungen zum Markenaufbau
6Unternehmenskultur als spezifische Voraussetzung zum Markenaufbau
6.1Herkunft der Unternehmenskultur
6.2Kulturbegriff
6.2.1Kulturbegriff im Allgemeinen
6.2.2Kulturbegriff im Speziellen
6.3Grundlagen der Unternehmenskultur
6.4Kulturelle Unternehmensaspekte
6.5Typologie der Unternehmenskultur
6.6Unternehmenskulturell ausgerichtete Akteure
6.7Besonderheiten im Zusammenhang mit der Unternehmenskultur
6.8Prozessorientierung der unternehmenskulturellen Ausrichtung
7Entwicklung, Aufbau und Stärkung einer Unternehmensmarke
7.1Stellenwert einer Unternehmensmarke im Gartenbausektor
7.2Theoretische Herleitung zur Markenentwicklung
7.2.1Verbale Markenaspekte
7.2.2Visuelle Markenaspekte
7.2.3Zusammenführung von verbalen und visuellen Markenaspekten
7.3Gestaltung der Druckerzeugnisse und Verpackungselemente
7.4Gestaltung des markenspezifischen Findungsprozesses
8Markenführung im Beziehungsmarketing
8.1Definition und terminologische Abgrenzung relevanter Begrifflichkeiten
8.2Grundannahmen und Besonderheiten
8.3Marktakteure unter Beziehungsaspekten
8.3.1Primäre Beziehungsgruppen
8.3.2Sekundäre Beziehungsgruppen
8.3.3Kundenbeziehungen aus ethischer Perspektive
8.3.4Ansatz der Prosumenten
8.3.5Besonderheiten bei den sozialen Netzwerken
8.4Marken(ein)führung unter Selektion des Innovationspotenzials
9Fallbeispiel: Entwicklung und Implementierung einer Unternehmensmarke
9.1Darstellung der erfüllten Voraussetzungen zur Entwicklung einer Unternehmensmarke am Beispielunternehmen Gartenbau Marc Peters
9.1.1Deskriptive Darstellung der Unternehmensvision
9.1.2Deskriptive Darstellung der Unternehmensmission
9.1.3Deskriptive Darstellung der Unternehmensleitlinien
9.2Entwicklung der Unternehmensmarke Gartenbau Marc Peters
9.2.1Verbale Aspekte der Unternehmensmarke Gartenbau Marc Peters
9.2.2Visuelle Aspekte der Unternehmensmarke Gartenbau Marc Peters
9.3Einführung der Unternehmensmarke Gartenbau Marc Peters
9.3.1Marktabgrenzung
9.3.2Beziehungspartner
9.3.2.1Primäre Beziehungspartner
9.3.2.2Sekundäre Beziehungspartner
9.3.2.3Ansatz der Prosumenten
9.4Medienselektion
9.5Selektion des Innovationspotenzials
10Zusammenfassung und Ausblick
Quellen- und Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Autorenporträt
Anhang
1Einleitung
In Zeiten zunehmender Internationalisierung und Globalisierung und der daraus resultierenden, zunehmenden Erschließung weltweiter Märkte steigt auch die Substituierbarkeit der Produkte. Umso entscheidender ist es daher für die Betriebe, sich vom Wettbewerb abzugrenzen und auf dem relevanten Markt1 eindeutig zu positionieren.
Eine derartige Positionierung kann beispielsweise durch die Markierung von Unternehmen oder Produkten erfolgen. Bei der Vielzahl vorhandener Unternehmen und Produkte schafft eine eindeutige und unmissverständliche Markierung für den Beziehungspartner (unabhängig ob die Ausrichtung auf privatwirtschaftlicher oder gewerblicher Ebene erfolgt) eine Wiedererkennungsfunktion; ist diese mit positiven Assoziationen verbunden, so kann dies im Idealfall in einer vertrauensvollen Geschäftsbeziehung münden. Die Wiedererkennungs-, bzw. Vertrauensfunktion wirkt dabei folglich wie ein „Leuchtturm“ mit Signalwirkung, übertragen auf den Gartenbau als Wegweiser im Produktions- und Dienstleistungsgartenbau sowie im Segment des Handels gartenbaulicher Erzeugnisse.
Eine Marke kann sowohl auf Unternehmen als auch auf Produkte bezogen sein, konstant mit der Ausrichtung der Identifikations- bzw. Differenzierungsfunktion.
Die Identifikationsfunktion bezieht sich dabei auf das Erkennen, respektive Wiedererkennen von Unternehmen analog von Produkten, beziehungsweise Leistungen.2
Die Markierung von Unternehmen oder Produkten gewinnt zunehmend an Stellenwert. Die Bedeutungszunahme ist im Wesentlichen auf zentrale Ursachen zurückzuführen. Diese Ursachen sind primär die Globalisierung, die Internationalisierung und die Nationalisierung, folglich auch die gegenwärtig vorherrschenden (regionalbezogenen) Betriebszusammenschlüsse und Betriebsübernahmen.
Da die vorliegenden Ausführungen auf eine Markierung des Unternehmens bezogen sind, wird im Folgenden nur marginal auf Produktmarken eingegangen. Der Ansatz der Unternehmensmarke wird an gegebener Stelle vertieft. Wird die Agrarwirtschaft nun global betrachtet, stellt sich heraus, dass bei einer weltweiten Betrachtung circa 20% der irdischen Oberfläche auf den Agrarsektor entfallen. Von diesen 20% sind 9% Waldgebiete, 8% Wiesen und Weiden und 3% entfallen auf Dauerkulturen wie Wein und Obst sowie auf Ackerland. Zur umfassenden Betrachtung ist dabei anzufügen, dass im Jahre 2010 circa 1,6 Milliarden Hektar als Ackerfläche genutzt worden sind; in den nächsten Jahrzehnten werden circa 0,05 bis 0,1 Milliarden Hektar hinzukommen.3
Hierbei ist jedoch kritisch anzumerken, dass in Industrieländern ein leichter Rückgang prognostiziert wird, während in weniger industrialisierten Ländern eine leichte Zunahme erfolgen wird. Zu berücksichtigen ist jedoch ebenfalls, dass jährlich circa 7 Millionen Hektar des landwirtschaftlich genutzten Boden unbrauchbar werden.
Die Gründe der Unbrauchbarkeit des Bodens basieren primär auf der Erosion, der Übersalzung des Bodens, respektive auf einer übermäßigen Kultivierung.
Nicht zu vernachlässigen ist in dem Kontext, dass circa 7 Millionen Hektar des Bodens aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung herausfallen, im Umkehrschluss die Anzahl der Weltbevölkerung jedoch quantitativ zunimmt.
Von den gegenwärtig 7,39 Milliarden Menschen weltweit ist eine Zunahme um 2 Milliarden Menschen bis zum Jahr 2050 prognostiziert. In Bezugnahme auf die Landwirtschaft bedeutet dies, dass die, auf eine Person bezogene Ackerfläche mit zunehmendem Zeitablauf konstant geringer wird.4
In einem zugrundegelegten 100-Jahreszeitraum wird sich die landwirtschaftliche Nutzfläche personenbezogen quantitativ halbiert haben. Im Jahre 1970 entfielen ca. 3.800 qm landwirtschaftliche Nutzfläche auf jede Person. Im Jahre 2005 waren es 2.500 qm pro Person, prognostiziert sind für das Jahr 2050 ca. 1.800 qm pro Person und 2070 werden ca. 1.600 qm pro Person kalkuliert.
In einem Betrachtungszeitraum von ungefähr 100 Jahren wird sich die Ackerfläche pro Person bis zum Jahre 2050 daher nahezu halbiert haben; dies ist eine alarmierende Prognose, denn der Ertrag sollte dennoch zur Grundversorgung der Bevölkerung mit agrarischen Erzeugnissen ausreichen.
Die Sättigung der Güterversorgung und dem darauf begründeten Wandel vom Verkäufermarkt zum Käufermarkt führte ergänzend zu einem Umdenken bei den Produzenten. Der Wandel des Marktes erfolgte zwischen 1965 und 1975.
Im Agrarsektor führte dies jedoch nicht zu Auswirkungen des Erzeuger- und Absatzverhaltens. Durch staatliche Eingriffe in die Agrarmarktpolitik kam es zu staatlich festgelegten und garantierten Mindestpreisen. Aktivitäten und Anstrengungen der Erzeuger hinsichtlich des Vertriebs erfolgten nicht, da dem Erzeuger diesbezügliche Überlegungen durch staatliche Eingriffe abgenommen wurden.
Der Gartenbausektor stellte hierbei jedoch eine Ausnahme dar, er wurde von staatlichen Eingriffen in das Marktgeschehen weitestgehend außen vor gelassen. Hier wurde die Marketingdenkhaltung nur ansatzweise integriert, hat aber vollends auch gegenwärtig noch nicht Einzug gehalten.
Hier greift auch die Thematik des vorliegenden Buches. Durch die teilweise vernachlässigte, rudimentäre Marketing-Denkhaltung sind die Außen- und Innenwirkung sowie die Bedeutung und der Stellenwert eines aussagekräftigen Markennamens nicht bewusst. Das fehlende Bewusstsein führt ebenso zu einer vernachlässigten Außen- und Innenwirkung, einer wenig ausgeprägten Identität und einem ebensolchen Image.
Die Thematik der Etablierung einer Unternehmensmarke im Gartenbau ist wissenschaftlich nicht als „neues Gebiet“ zu betrachten, sondern vielmehr als Schnittstelle im Rahmen des Marketings und der Unternehmensführung anzusehen. Es bedarf zielstrategischer und kernelementarer Ausrichtungen zur Entwicklung und Positionierung einer Unternehmensmarke im Markt. Die Entwicklung einer Unternehmensmarke und die damit verbundenen innerbetrieblichen Auswirkungen tangieren zudem die Organisation in dem Ausmaß, dass zugleich von einer Organisationsentwicklung gesprochen werden kann, da betriebsintern ein sozialer Wandel hervorgerufen wird. In diesem Kontext spricht Rowlandson5 von einer „Interventionsstrategie“. Ergänzend, jedoch mit marginal abweichendem Schwerpunkt formulieren ebenso Bowman und Asch.6 Jedoch muss der Terminus der Organisationsentwicklung umfassender und weiter betrachtet werden, denn ebenso berücksichtigt werden muss auch die Beziehung zu den, innerhalb der Organisation handelnden Individuen; dem zuzuordnen sind die Mitarbeiter und ihr Verhalten, ihre Werte und ihre Einstellung. Somit kann angenommen werden, dass die Markenentwicklung auf die Organisationsentwicklung Einfluss nimmt und als prozessorientiert anzusehen ist.
Die Integration der handelnden Akteure im Kontext der Markenentwicklung ist elementar. Es liegt die Annahme zugrunde, dass eine erfolgversprechende Realisierung dann die höchsten Erfolgsaussichten hat, wenn die Mitarbeiter in den Entwicklungsprozess integriert werden. Diese Integration geht sowohl von aktiven Entscheidungen der Akteure aus, ebenso wie von zwischenmenschlichen Beziehungen und der in dem Betrieb vorherrschenden Kultur.
Sofern organisationsinterne Veränderungen durch die Marke erfolgen sollen, gilt es folglich nicht nur eine einseitige Betrachtung zu vollziehen, vielmehr muss sowohl die personelle Ebene, als auch die organisationsinterne Aufgabenerfüllung zusammenhängend betrachtet werden. Die Frage nach der Notwendigkeit einer Unternehmensmarke ist eine betriebsindividuelle Frage. Schwerpunktmäßig kann jedoch formuliert werden, dass ein Veränderungsprozess in Gang gesetzt werden soll. Mit der aktiven Markierung des Unternehmens sollen sowohl vorökonomische und analog auch ökonomische Zielsetzungen realisiert werden. Ergänzend wird von einigen Unternehmen eine teilweise Humanisierung der unternehmensausgerichteten Ökonomie angestrebt, dies kann ebenso durch eine Markierung realisiert werden. Vorökonomische Faktoren sollen letztlich zur ökonomischen Zielerreichung beitragen, ebenso wie zur Steigerung der Mitarbeitermotivation und analog zur Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen in unternehmensinterner Ausrichtung. Bei einer unternehmensexternen Ausrichtung wird die Markierung, die Orientierung und Wiedererkennung eines Unternehmens im Markt realisiert werden, ähnlich der Funktion eines Leuchtturmes mit Signalwirkung.
In diesem Kontext wird darauf hingewiesen, dass nicht ausschließlich die Markierung zugrunde gelegt wird, denn dies erscheint für die erwarteten Ausführungen als zu eng gefasst. Vielmehr bedarf es der Entwicklung einer Unternehmensmarke und ihrer Integration in die betriebliche Organisation und ihrer Abläufe. Die Entwicklung der Marke und ihrer Komponenten ist daher ein elementarer Bestandteil eines Markenentwicklungsprozesses, welcher in den folgenden Kapiteln nach umfassender theoretischer Hinführung auf den thematischen Schwerpunkt transferiert wird und auf den deskriptiv erläuternd anhand eines Praxisbeispiels eingegangen wird. Zur praktischen Anwendung der theoretischen Inhalte ist in dem Anhang des vorliegenden Buches eine Checkliste beigefügt, die es dem anwendenden Betrieb ermöglicht, eine praktische Grundlage zur Schaffung einer Unternehmensmarke zu entwickeln. Die Checkliste dient dabei als Hilfsmittel. Es soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden kann. Vielmehr müssen betriebsspezifisch –je nach Schwerpunktsetzung- einzelne Aspekte ergänzt, erweitert oder eliminiert werden; zudem erweist sich die Hinzuziehung von Experten (Agenturen) als empfehlenswert, da hier ein erhebliches Potenzial von Sach- und Fachkompetenz vorliegt und die Agenturen über Erfahrungswissen verfügen.
An dieser Stelle soll bereits verdeutlicht werden, dass in den weiteren Ausführungen primär von Beziehungspartnern gesprochen wird und weniger von Kunden. Aus Sicht der Autorin erscheint der Begriff des Kunden als zu eng gefasst, da der Kunde als Bedarfsbestimmer, Bedarfsnehmer und Zahlungsfunktionär agiert. Der Begriff Beziehungspartner umfasst stattdessen weitaus mehr als „nur“ den Kunden, wobei es in diesem Zusammenhang unerheblich ist, ob die Ausrichtung des Gartenbaubetriebes auf den B2C-Sektor7 oder B2B-Sektor8 erfolgt. Der Terminus „Beziehungspartner“ wurde daher aus zweierlei Hinsicht gewählt. Beginnend mit dem ersten Wortteil, der „Beziehung“ soll verdeutlicht werden, dass die Akteure umfassend integriert werden. Die Beziehung soll zu Kunden sowie auch zu Lieferanten, zu Empfehlungsgebern, zu der Industrie, zu staatlichen Einrichtungen sowie sämtlichen Unternehmen und Personen aufgebaut werden, die in einem Kontext zum Unternehmen stehen. Der zweite Begriffsteil ist auf den Terminus „Partner“ ausgerichtet. Der in den folgenden Ausführungen fokussierte „partnerschaftliche Ansatz“ impliziert einen Dialog auf Augenhöhe. In der Vergangenheit dominierte ein klassisches Über- und Unterordnungsverhältnis der Akteure; das Unternehmen, als der „dienende Akteur“ und der Kunde als der „königlich-fordernde Akteur“. Dieser gegenwärtig veralteten Sichtweise soll daher entgegengewirkt werden, so dass in dem vorliegenden Buch primär von Beziehungspartnern und Beziehungsgruppen gesprochen wird.
An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass in der vorliegenden Monografie die Begriffe Unternehmen und Betrieb synonym verwendet werden, ebenso wie die Begriffe Erzeuger und Produzent.
Den im Buch dargestellten Inhalten wird im Anhang eine Checkliste beigefügt, die einen ersten Handlungsansatz zur Initiierung und zum Aufbau einer Unternehmensmarke offerieren soll. Mittels der Checkliste können bereits erste Überlegungen erfolgen, aus denen Handlungsansätze ableitbar sind, um eine gedankliche und praktische Annäherung an die Thematik zu realisieren.
An dieser Stelle wird deutlich hervorgehoben, dass es sich bei den vorliegenden Ausführungen um die Bezugnahme und Entwicklung einer Unternehmensmarke im Gartenbau handelt. Die theoretischen Grundlagen dienen zur Schaffung eines uniformen Grundverständnisses. Neben der Einleitung (Kapitel 1) wird mit den theoretischen Grundlagen begonnen. Hierbei erfolgt eine Beschreibung des primären, gesamtwirtschaftlichen Sektors, dem Sektor der Urproduktion, zur Darstellung der basisschaffenden Grundlagen (Kapitel 2). Anschließend werden die Kennzeichen des Mittelstandes definiert, da zahlreiche Gartenbaubetriebe anhand der zugrundeliegenden Kriterien in den Mittelstand eingeordnet werden können (Kapitel 3). Im Weiteren wird auf die Gartenbaubranche mit der dort vorherrschenden Mechanik des Marktes Bezug genommen (Kapitel 4), bevor auf das Branding- und Markenverständnis eingegangen wird (Kapitel 5). Es soll vorab ein homogenes Begriffsverständnis generiert werden. Zum einheitlichen Begriffsverständnis werden daher die grundlegenden definitorischen Ansätze zum „Branding“, beziehungsweise zur „Markierung“ angeführt. Vorgelagert ist jedoch die Definition des Marketingbegriffs, aus dem im weiteren Verlauf das Branding, beziehungsweise die Markierung abgeleitet wird. Eine Marke beinhaltet neben einem Namen auch Zeichen oder visuelle Elemente, die in ihrer Kombination und Gesamtheit unter dem Begriff „Marke“ subsummiert werden. Ein weiteres Kernkapitel bildet die Unternehmenskultur als spezifische Voraussetzung zum Markenaufbau (Kapitel 6). Es erfolgt eine differenzierte Darstellung der Unternehmenskultur und die spezifische Betrachtung dieser im humanitär-individuellen Kontext sowie im organisatorisch-unternehmerischen Kontext. Ebenso werden weitere unternehmensspezifische Aspekte dargestellt, die auf die Unternehmenskultur bezogen sind. Im Zusammenhang mit der Unternehmensmarke wird auf die Entwicklung, den Aufbau und die Stärkung eingegangen sowie explizit auf die theoretische Herleitung zur Markenentwicklung, respektive des markenspezifischen Findungsprozesses (Kapitel 7). Nicht zu vernachlässigen sind im Weiteren die Beziehungsgruppen, die von der Markenführung tangiert werden (Kapitel 8). Diese werden in primäre und sekundäre Beziehungsgruppen differenziert und dargestellt. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Kunden als Leistungsnachfrager. Im Gesamtzusammenhang erfolgt zudem eine Bezugnahme auf soziale Netzwerke und deren Besonderheiten, da den sozialen Netzwerken gegenwärtig ein zunehmend bedeutender Stellenwert zukommt. Ergänzend, als Transfer der theoretischen Inhalte auf die Praxis wird ein Beispiel angefügt. Gegenstand der praktischen Darstellungen ist die Initiierung und der Aufbau einer Unternehmensmarke auf einen realen Betrieb (Kapitel 9). Hinsichtlich des exemplarisch angeführten Unternehmens wird zuvor auf den Betrieb deskriptiv Bezug genommen, damit der Leser einen ersten Eindruck des gartenbaulichen Produktionsbetriebes erhält. Zudem soll durch den Transfer der zuvor dargestellten Theorie die Praxistauglichkeit nachgewiesen werden.
Die inhaltlichen Ausführungen enden mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick, entsprechend eines persönlichen Resümees der Autorin (Kapitel 10), um die wesentlichen Aspekte abschließend aufzugreifen und darzustellen.
1Der Begriff des „relevanten Marktes“ beinhaltet den Markt, auf dem die Austauschbeziehungen von Angebot und Nachfrage der Produkte, Dienstleistungen und des Handels mit gartenbaulichen Erzeugnissen stattfindet.
2Sowohl die Begriffe Produkte als auch Leistungen sind im theoretischen und praktischen Kontext gebräuchlich. In theoretischer Hinsicht erfolgt jedoch meist eine Abgrenzung. Als Produkte gelten materielle Erzeugnisse haptischer, folglich greifbarer Art, demgegenüber wird von Leistungen gesprochen, wenn Dienstleistungen im Vordergrund stehen.
3Vgl. Mörstedt/Sauerborn, 2012.
4Vgl. Mörstedt/Sauerborn, 2012.
5Vgl. Rowlandson, 1984.
6Vgl. Bowman/Asch, 1987.
7B2C-Sektor: Die Abkürzung B2C meint das Segment der Privatkunden, wirtschaftlich und wissenschaftlich bekannt unter der Bezeichnung Business-to-Consumer.
8B2B-Sektor: Die Abkürzung B2B kennzeichnet das Segment der Geschäftskunden, wirtschaftlich und wissenschaftlich bekannt unter der Bezeichnung Business-to-Business.
2Der primäre gesamtwirtschaftliche Sektor
Betriebe und Unternehmen des produzierenden Sektors einer Volkswirtschaft werden dem primären Sektor zugeordnet. Die Zuordnung von Agrarbetrieben erfolgt daher im primären Sektor. Der Sektor wird auch als Sektor der Urproduktion bezeichnet.
Weitere Branchen die dem primären und zugleich arbeitsintensiven Sektor zugeordnet werden, sind das Fischereigewerbe, Land- sowie Forstwirtschaft und der Bergbau. Insbesondere in Nationen, die industriell weit entwickelt sind, büßt der Primärsektor an Stellenwert ein. Diese Einbußen und die ihm zugewiesene untergeordnete Bedeutung sind jedoch risikobehaftet, da hierbei insbesondere zahlreiche Rohstoffe für Grundnahrungsmittel und zur Deckung des täglichen Bedarfs produziert werden. Zur inhaltlichen Darstellung des primären Sektors werden im nachfolgenden Kapitel die kennzeichnenden Kriterien deskriptiv dargestellt.
2.1Allgemeine Kennzeichen des primären Sektors
Der primäre Sektor weist allgemeine Kriterien auf, die für ihn kennzeichnend sind. Zu diesen kennzeichnenden Kriterien zählen der Rohstoffcharakter (mit der Eigenschaft des natürlichen Monopols), die rasche Verderblichkeit sowie die qualitativen Schwankungen aufgrund biologisch bedingter Eigenschaften und die Standortabhängigkeit.
Die zuvor genannten Aspekte weisen Besonderheiten in marketingrelevanter Ausrichtung auf.
Hinsichtlich des Rohstoffcharakters ist der überwiegende Anteil der Erzeugnisse des primären Sektors ein Rohstoff, das heißt die Erzeugnisse bilden somit in ihrer stofflichen Eigenschaft eine rasche Verderblichkeit und bedürfen der zeitnahen Weiterverarbeitung in Endprodukte. Ein Rohstoff wird von weiterverarbeitenden Betrieben nachgefragt und ist mengenspezifisch starken Qualitätsschwankungen unterworfen. Die Nachfrage ist von dem Endverbraucher abhängig. Für Produktionsunternehmen des primären gesamtwirtschaftlichen Sektors erweist sich daher der Absatz aus marketingpolitischer Sicht als schwierig, da die Verarbeitung der Erzeugnisse in großen Verarbeitungsanlagen erfolgt und basierend auf den geringen Produktkapazitäten der jeweiligen Produktionsbetriebe keine aussichtsträchtigen Aspekte für Marketingmaßnahmen aufweist.
Ist die Stufe der weiteren Verarbeitungskette auf direkte kleinere Unternehmen wie Metzgereien, Bäckereien, Obst- und Gemüselädchen ausgerichtet, so gibt es Ansatzpunkte für Marketingaktivitäten.
Für landwirtschaftliche Erzeuger, die ihre Vertriebsaktivitäten direkt an Endverbraucher richten, können Marketingaktivitäten zum Vertrieb der Rohstofferzeugnisse genutzt werden.9
Hinsichtlich des Kriteriums der Verderblichkeit weisen insbesondere pflanzliche Produkte eine geringe Lagerfähigkeit auf, dem zuzuordnen sind Frischwaren wie Obst und Gemüse. Hierbei gilt, dass der Zeitpunkt des Angebotes von dem Zeitpunkt der Ernte unabhängig ist. Der Erntezeitpunkt unterliegt nur einer marginalen menschlichen Einflussnahme. Eine zeitliche Planung, insbesondere hinsichtlich der Ernte und Lieferung kann beispielsweise aufgrund meteorologischer Vorkommnisse nicht exakt und langfristig geplant werden. Die rasche Verderblichkeit geht folglich auch mit einer zeitlich bedingten Lagerbarkeit einher.
Hinsichtlich der Erzeugnisse ist zudem anzumerken, dass die Erzeugnisse in ihrer Eigenschaft Qualitätsschwankungen unterliegen. Eine naturwissenschaftlich uniforme Beschaffenheit ist folglich nicht bei den produzierten Waren des primären Sektors zu gewährleisten; vielmehr handelt es sich um eine naturbedingte Variabilität. Homogene und konstante Qualitätsmerkmale können durch den Erzeuger folglich nicht gewährleistet werden.
Im land- und gartenbaulichen Sektor, analog insbesondere bei Freilandkulturen, erfolgt eine starke Witterungsabhängigkeit bei der Produktion sowie der Ernte, ebenso liegt eine Abhängigkeit von der Fruchtbarkeit des Bodens vor.
Anders verhält sich diese Verringerung der Variabilität bei der steuerbaren Kulturenzüchtung und –kultivierung in entsprechenden Gewächshäusern, indem die Klimatisierung und der Pflanzenschutz computer-technisch unterstützt werden und der Boden nicht diverse Fruchtbarkeitsaspekte aufweisen muss, da eine Pflanzung durch den Erwerb industriell-gefertigter Substrate erfolgt. Der Ursprung der menschlich-technischen Beeinflussung liegt in den Niederlanden, wo auch die Verbreitung am Weitesten fortgeschritten ist.10
Bereits zu Beginn der 1990er Jahre führte diese, gegenwärtig in Deutschland Anwendung findende Art der Kultivierung zu Akzeptanzproblemen; in Folge wurden in den Niederlanden produziertes Obst und Gemüse bei zahlreichen Handelsketten in Deutschland ausgelistet und somit nahezu vom Markt verdrängt.11
Insbesondere im Agrarsektor erweist sich der Boden als Produktionsfaktor, es kann bei der Produktion der Erzeugnisse im Freiland somit von einer Standortabhängigkeit ausgegangen werden. Die Standortcharakteristika sind hierbei das Potenzial an Wasser sowie Nährstoffen, klimaspezifische Bedingungen etc.
Durch die Eigenschaften, die der jeweilige Standort aufweist, erfolgt nicht ausschließlich die Begrenzung der Erntezeiträume bei agrarspezifischen Produkten mit entsprechenden Lieferterminen, sondern vor allem die Qualität der Erzeugnisse und die mögliche Vielfalt (der Sorten). Die zur Verfügung stehende Bewirtschaftungsfläche sowie die „Flächenmobilität“ ist begrenzt, dies führt zu erschwerten Bedingungen bei einem Standortwechsel, folglich hat die Anbindung an einen Standort durch den Produktionsfaktor Boden eine hohe Bedeutung für die Erzeuger.
2.2Besonderheiten der Agrarwirtschaft
Sowohl hinsichtlich der deutschen, als auch der eu-weiten Agrarmarktpolitik erfolgten intensive Eingriffe in das Marktgeschehen durch den Staat. Die politischen Eingriffe beziehen sich dabei primär auf zwei Gegenstandsbereiche, dem zuzuordnen sind die Preisbildung sowie der einzelbetriebliche Umgang mit dem Angebot. Konstante Eingriffe in sämtliche Bereiche des primären Sektors erfolgen nicht, dennoch sind Agrarerzeugnisse betroffen und zwar primär bei „festgelegten Produktstandards für anonyme Massenprodukte“.12
Hierbei ist jedoch kritisch anzumerken, dass sämtliche Marketingaktivitäten sich überwiegend auf die Heterogenisierung der Produkte beziehen. Durch den Aufbau von Präferenzen bei Abnehmern werden die Produkte aus dem anonymen Massenmarkt herausgehoben. Dies führt dazu, dass durch sämtliche staatlichen Maßnahmen somit allenfalls eine indirekte Beeinflussung erfolgt. Zugrunde liegt bei der indirekten Einflussnahme eine Substitutionsbeziehung, die es zu berücksichtigen gilt.
Ein weiterer Bereich, der zudem wesentlich schwerer wiegt, sind die Kontingierungsmaßnahmen, somit die Eingrenzung des betriebsspezifischen Angebotsumfangs. Der staatliche Eingriff wiegt deshalb schwer, da er in die Dispositionsfreiheit des Agrarbetriebes eingreift, folglich wird auch indirekt in die betrieblichen Marketingaktivitäten eingegriffen.
Es kann somit herausgestellt werden, dass die Preisbildung auf den betriebsspezifischen Angebotsumfang mit einer „Grenzsetzung der Angebotsvielfalt“ einhergeht. Es erfolgen somit Kontingierungsmaßnahmen bezüglich des Angebotsumfangs, analog wird eine indirekte Einflussnahme auf andere Agrarmärkte ausgeübt, die unter Rückkopplungsaspekten auch betriebsspezifische Auswirkungen haben.
Betriebe aus der Agrarwirtschaft weisen im Vergleich zu Betrieben anderer Wirtschaftsbereiche besondere Rahmenbedingungen auf.
Zu diesen Besonderheiten zählen folglich Charakteristika der agrarspezifischen Erzeugnisse und die Einflussnahme der Politik, beziehungsweise des Staates auf den Agrarsektor sowie die quantitativ geringe betriebliche Produktionsstruktur, wie bereits in Kapitel 2.1 dargestellt.
2.2.1Begriff und Abgrenzung der Agrarwirtschaft
Modern benannt wird die Agrarwirtschaft mit dem, aus den Vereinigten Staaten von Amerika stammenden Begriffen Agro-, bzw. Agribusiness, inhaltlich umfasst der Terminus die Landwirtschaft sowie sämtliche Wirtschaftsbereiche, die in einem landwirtschaftlichen Kontext stehen.
Der Terminus umfasst nicht ausschließlich den Agrarsektor, sondern ebenso weitere Sektoren, die eine Verbindung zur Landwirtschaft aufweisen; demzufolge sämtliche Bereiche von der Produktion bis hin zum Vertrieb an den Endverbraucher, somit sämtliche Stufen der Wertschöpfungskette.
Mit zunehmendem Zeitablauf muss insbesondere die terminologische Definition den gegenwärtigen Gegebenheiten angepasst werden.
In der Vergangenheit dominierte der Ansatz „vom Erzeuger zum Konsumenten“. Der Ansatz ist jedoch primär vergangenheitsorientiert, insbesondere da hier nur eine einseitige Betrachtung zugrunde liegt.
In der Gegenwart, insbesondere unter dem Ansatz der Lebensmittelsicherheit und in Zeiten, in denen der Verbraucher zunehmend mündiger wird und umfassend informiert sein möchte, bedarf es ebenso einer entgegengesetzten Betrachtung. Der Verbraucher möchte die zum Verzehr ausgewählten Lebensmittel zurückverfolgen können; der Lebensmittelhandel wirbt in diesem Kontext mit einer Herkunftsgarantie, die es dem Verbraucher erst ermöglicht, die Herkunft seiner Lebensmittel zurückzuverfolgen. Der Produktionsweg der Lebensmittel muss bis zu seinem Ursprung zurückverfolgt werden können.
Die Landwirtschaft wird synonym auch als Agrarwirtschaft bezeichnet, dessen Ziel in der menschlichen Bedarfsdeckung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen liegt.
Die Landwirtschaft gehört zu den Sektoren der Urproduktion und gliedert sich in zwei Bereiche, den Pflanzenbau sowie die Tierhaltung.
Abbildung 1: Sektoren der Agrarwirtschaft
Der Pflanzenbau lässt sich weiterhin in drei Teilbereiche differenzieren, den Ackerbau, den Gartenbau sowie den Dauerkulturbau.
Abbildung 2: Sektoren des Pflanzenbaus
Ziel ist generell die Bedarfsdeckung der Menschen mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Der Bereich der Tierhaltung umfasst dabei die umfassende Nutztierhaltung, dem zuzuordnen sind Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde sowie Geflügel.
Die Landwirtschaft umfasst weiterhin auch die sektorbezogenen Dienstleistungen analog zur gewerblichen Jagd; weitere Bereiche die der Landwirtschaft zugeordnet werden, sind die Forstwirtschaft, die Fischereiwirtschaft sowie der Bergbau.
2.2.2Historische Entwicklung der Agrarwirtschaft
Der Ursprung der Landwirtschaft lag in der Kultivierung von Pflanzen sowie in der Haltung von Nutztieren.
Im Zeitalter des Neolithikums, der Jungsteinzeit, galten Jäger und Sammler als Nomaden, sogenannte Wandervölker. Sie waren ständig unterwegs und schafften durch erste Fortschritte im Bereich des Ackerbaus und der Viehzucht die Basis um an einem festen Ort sesshaft zu werden.13
Die ersten Fortschritte in diesem Sektor, die nachweislich auf die Nomaden zurückzuführen sind, werden daher als neolithische Revolution, bzw. als erste agrarische Revolution bezeichnet.14
In Abhängigkeit des jeweiligen geographischen Standortes setzte die landwirtschaftliche Entwicklung zu unterschiedlicher Zeit ein.
In dem asiatischen Kontinent liegt die landwirtschaftliche Entwicklung ca. 11.500 Jahre zurück; vor circa 10.000 Jahren hielt diese auch in anderen Kontinenten Einzug.
Der „Nahe Osten“ entwickelte sich beispielsweise zum Zentrum des Ackerbaus, dies ist auf die Erfindung des landwirtschaftlichen Pfluges zurückzuführen; demgegenüber schuf Europa durch die Waldrodung Ackerland, welches für die Landwirtschaft genutzt wurde.
Im 15. Jahrhundert erfolgte die europäische Kolonialisierung, die den Durchbruch schaffte, da zu dieser Zeit Kulturpflanzen und Nutztiere weltweit verbreitet wurden.
Mit Beginn des 18. Jahrhunderts erfolgte eine Neuordnung der Landwirtschaft. Diese Neuordnung ist auf entsprechende landwirtschaftliche Nutzgeräte und ihren Einsatz zurückzuführen.
Auch die menschliche Nahrungsversorgung konnte durch innovative Nutzpflanzen, insbesondere der Kartoffel, ökonomisch und effektiv verbessert werden.
Insbesondere das anfängliche 18. Jahrhundert wurde durch den innovativen landwirtschaftlichen Charakter und den Umbruch von der mittelalterlichen zur innovativen Produktion als zweite agrarische Revolution bezeichnet. In dieser Zeit dominierten kleinbäuerliche Familienbetriebe.15
In Zeiten der Industrialisierung im 19. Jahrhundert nahm die Modernität ständig zu, ebenso hielt die Anwendung von Nutzmaschinen Einzug. Insbesondere Düngemittel, die Produktion und die technischen Gegebenheiten wurden ständig weiter entwickelt und erweitert.
Insbesondere das 20. Jahrhundert ging mit einem hohen maschinellen Einsatz einher. Die Zunahme maschineller und technischer Gerätschaften und landwirtschaftlicher Nutzgeräte und Nutzmaschinen führte zu einem Abbau an personellen Arbeitskräften trotz meist steigender zu bewirtschaftender Nutzflächen. Die einst kleinbäuerlichen Familienbetriebe wandelten sich zu großen Produktionsbetrieben, die auf Basis ökonomischer Kriterien zur Optimierung der Kultivierung beitrugen. Dies führte zur dritten agrarischen Revolution.16
Gegenwärtig sind insbesondere die Gentechnik sowie die Biotechnologie die innovativen Methoden und Techniken in der Landwirtschaft.17
Landwirtschaftliche Betriebe wurden bereits im 19. Jahrhundert klassifiziert; hierbei bildete die Betriebsfläche das ausschließliche Merkmal der Klassifizierung. Mit temporärem Fortschreiten nahm auch die Merkmalsentwicklung hinsichtlich der Klassifizierung zu. Es erfolgte nicht mehr ausschließlich die alleinige Konzentration auf die Betriebsfläche, vielmehr wurden auch regional dominante Kulturen und Fruchtfolgen sowie die hektarbezogenen Erzeugnisse berücksichtigt. Die Gliederung der Betriebe und eine entsprechende Klassifizierung basierten dann auf Nutzungssystemen in Abhängigkeit der Bodenbeschaffenheit.18
Die Viehwirtschaft wurde erst ab 1930 bei der Klassifizierung berücksichtigt, bis circa 1930 wurde diese nicht als selbständiger Wirtschaftsbereich angesehen. Eine Änderung und das Erkennen der Viehwirtschaft als eigenständiger Wirtschaftszweig erfolgten erst mit der Industrialisierung.
Die Tierhaltung nahm quantitativ zu, ebenso wie im Ansehen bei der Bevölkerung, sie mündete letztlich als Klassifizierungskriterium.
Für die Dauer von 20-25 Jahre hatte diese Klassifizierung Bestand. Anfang bis Mitte der 1950er Jahre wurde diese Klassifizierung abgelöst. Ursache war die Intensivierung der Produktion im Landwirtschaftssektor. Betriebe konnten den eigenen Viehbestand nicht mehr eigenständig mit Futter versorgen und mussten dieses extern zukaufen; hierbei wurde von einem Anpassungsbedarf gesprochen, der zu Beginn der 1970er Jahre ein innovatives Klassifizierungssystem erforderte.
Die bisherige Strukturierung anhand von Bodennutzungssystemen und der Klassifizierung nach der Größe der Landwirtschaft wurde durch die betrieblich monetäre Einkommensstruktur abgelöst. Es wurde –je nach betrieblicher Ausrichtung und Produktionsschwerpunkt ein Standarddeckungsbeitrag ermittelt.19
Dieser Standarddeckungsbeitrag bildete in Ergänzung mit dem Standardbetriebseinkommen die Basis der wirtschaftlichen Ausrichtung.
Es erfolgte eine Verbindung zu Buchführungs- und Agrarstatistiken und die Einführung monetärer Kennzeichen.
Eine ständige Aktualisierung und Modifikation des Systems erfolgte bis 2001. Das Klassifizierungsverfahren wurde als „neue Betriebssystematik“ bezeichnet.20
Das System berücksichtigt nationale Begebenheiten, wurde jedoch im Rahmen der in 2003 stattgefundenen Agrarstrukturerhebung durch ein uniformes System ersetzt, welches europaweit Anwendung findet. Der Unterschied zwischen dem europäischen System im Vergleich zu dem deutschen System weist keinen gravierenden Unterschied auf. Die Differenzierungen basieren primär in der Ermittlungsart monetärer Betriebskennzeichnungen und der Ermittlung der betriebswirtschaftlichen Ausgestaltung des Landwirtschaftsbetriebes.21
2.2.3Gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Agrarwirtschaft in Deutschland
Die Lage der deutschen Landwirtschaft soll im Folgenden anhand von Arbeitskräften und Struktur, der landwirtschaftlichen Fläche und der Einkommensentwicklung dargestellt werden.
Werden die Arbeitskräfte und die Struktur der Landwirtschaft betrachtet, wird deutlich, dass die Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe rückläufig ist. In einem zugrunde liegenden Acht-Jahreszeitraum 1999-2007 nahm die Quantität der Betriebe um 20,6% ab; in Zahlen ausgedrückt reduzierte sich die Anzahl der Betriebsstätten in Deutschland um nahezu 100.000 (472.000 auf 374.500). Die Anzahl von 374.000 Betriebe umfasst dabei Betriebsstätten der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft in den circa 1,3 Mio. Menschen im Betrachtungszeitraum tätig waren, dies sind im Jahr 2007 circa 13% weniger als acht Jahre zuvor.22
Hinsichtlich der Bruttowertschöpfung werden circa 20 Mrd. € realisiert, dies entspricht circa 0,9 % der gesamten Bruttowertschöpfung innerhalb des Landes. Die Bruttowertschöpfung wird ermittelt, indem von dem Produktionswert entsprechende Vorleistungen subtrahiert werden.
Abbildung 3: Ermittlung der Bruttowertschöpfung
Die Anzahl der Beschäftigten hat in dem Betrachtungszeitraum 2005-2007 um circa 1% abgenommen. Ein Ausgleich der Zu- und Abnahme erfolgte im Verhältnis von Familienarbeitskräften und Saisonarbeitskräften. Erstgenannte Gruppierung nahm quantitativ ab, während die Saisonarbeitskräfte mengenmäßig zunahmen. Bei der Betrachtung und der zahlenmäßigen Benennung der Landwirtschaft werden die vor- und nachgelagerten Bereiche in die Darstellung integriert. Der vorgelagerte Bereich umfasst daher auch die Bereiche der Futtermittel-, Pflanzenschutz- und Düngemittelindustrie, die Hersteller von land- und forstwirtschaftlichen Maschinen, das Bauwesen, der Handel mit Grundstoffen, Maschinen und Geräten.
Auf den nachgelagerten Bereich werden bei einer hier zugrunde gelegten eigenen Betrachtung das produzierende Ernährungsgewerbe und die Tabakverarbeitung integriert. Bei weiterer Betrachtung wird der Nahrungsmittelhandel und das Gastgewerbe (ohne Unterbringung) integriert sowie die Primärleistung der Landwirtschaft.
In der Agrarwirtschaft, die terminologisch die Landwirtschaft und die zuvor deskriptiv dargestellten vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche umfasst, sind ca. 10% aller Erwerbstätigen beschäftigt, dies sind ca. 4 Mio. Menschen.23
Hinsichtlich der gesamten landwirtschaftlichen Fläche entfallen in Deutschland ca. 50% auf die Agrarwirtschaft, dies sind ca. 17 Mio. Hektar. Ein quantitativer Flächenrückgang ist in der zugrundeliegenden Acht-Jahres-Betrachtung nur marginal in Höhe von 1,2 % zu verzeichnen.
Ein Zuwachs hingegen wurde bei der Flächenausstattung verzeichnet. Im gleichen Betrachtungszeitraum wurden im Jahr 1999 36,3 Hektar ermittelt, acht Jahre später jedoch bereits eine Zunahme von 9 Hektar, folglich 45,3 Hektar.
Anders als bei der Flächennutzung gestaltet sich dies bei der quantitativen Anzahl der im Agrarsektor tätigen Betriebe. Diese sind im Betrachtungszeitraum prozentual um 20,6% rückläufig. Bei einem zugrunde gelegten jährlichen Bezugszeitraum handelt es sich nahezu um 2,5% Betriebsrückgänge per anno. Einige Betriebe werden dabei im Nebengewerbe geführt, demgegenüber bewirtschafteten Betriebe im Haupterwerb eine viermal so große Fläche von durchschnittlich 56,6 Hektar im Jahr 2007.