Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die wohltuende Wirkung von Hunden auf Psyche und Körper alter Menschen ist hinlänglich bekannt und wissenschaftlich belegt, oft fehlt es aber an konkreten Ideen und Anleitungen für die praktische Umsetzung. Dieses Buch schließt die Lücke mit Anregungen für sofort umsetzbare Gruppenaktivitäten, Spiele und Einzelübungen je nach medizinischer Indikation und Situation der Bewohner unter Berücksichtigung wichtiger Sicherheits- und Hygienestandards. Auch das nötige Fachwissen zur richtigen Gesprächsführung sowie zum respekt- und würdevollen Umgang mit den alten Menschen wird vermittelt.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 197
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Anne Kahlisch
© 2023 KYNOS VERLAG Dr. Dieter Fleig GmbH
Konrad-Zuse-Straße 3
D-54552 Nerdlen/Daun
Telefon: 06592 957389-0
www.kynos-verlag.de
eBook (epub) Ausgabe der Printversion 2023
ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-95464-304-2
eBook (epub)-ISBN: 978-3-95464-318-9
Grafik & Layout: Kynos Verlag
Vollständig überarbeitete und erweiterte Neuauflage des Werks mit dem gleichen Titel, erstmals erschienen 2011 mit der ISBN 978-3-938071-83-0
Bildnachweis:
Adobe Stock:
Titelfoto: Kalim/stock.adobe.com, S. 178: leezsnow/stock.adobe.com
Alzheimergesellschaft:
S. 108
Blümel, Andreas:
S. 99, 113 o., 121 li., 125 li., 131 o., 135 u., 137 o., 139, 149, 151 o., 158, 182, 191 o., 198
Brüll, Lisa-Christine:
S. 6
Dähne, Robert:
S. 7, 25, 125 re., 127, 141 o., 151 u., 155 u., 161 o., 163 li., 165 o., 167 li. u.+re., 169 re., 171, 173, 175 o.+li., 177 o., 186, 197, 199
Ernl/Kusserow:
S. 201
Illgen, Andrea:
S. 86, 119 li. o.
Liebstes Lottchen/Lindemann:
S. 83 mi., 201 o.
Markgraf, Anne:
S. 68, 71, 83 li.+re., 89, 100, 113 u., 119 o. re.+un., 121 re., 123 re., 129 o., 131 u., 135 o., 137 u., 141 u., 153, 161 u., 163 re., 165 u., 166, 167 li. o., 169 li., 175 re., 177 u., 187, 188, 191 u., 192, 194, 198 u.
Markgraf, Ines:
S. 133
Neumann, Nancy:
S. 88 o., 119 o. mi., 129 u., 181
Richter, Swantje:
S. 95
Röber, Anna:
S. 198 mi.
Rogalski, Simone:
S. 180
Rugen, Annika:
S. 143
Schwiegerhausen, Martin:
S. 123 li.
Stenzel, Manja:
S. 88 u.
Uebe, Julia:
S. 159
Mit dem Kauf dieses Buches unterstützen Sie die Kynos Stiftung Hunde helfen Menschen
www.kynos-stiftung.de
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Haftungsausschluss: Die Benutzung dieses Buches und die Umsetzung der darin enthaltenen Informationen erfolgt ausdrücklich auf eigenes Risiko. Der Verlag und auch der Autor können für etwaige Unfälle und Schäden jeder Art, die sich bei der Umsetzung von im Buch beschriebenen Vorgehensweisen ergeben, aus keinem Rechtsgrund eine Haftung übernehmen. Rechts- und Schadenersatzansprüche sind ausgeschlossen. Das Werk inklusive aller Inhalte wurde unter größter Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Druckfehler und Falschinformationen nicht vollständig ausgeschlossen werden. Der Verlag und auch der Autor übernehmen keine Haftung für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der Inhalte des Buches, ebenso nicht für Druckfehler. Es kann keine juristische Verantwortung sowie Haftung in irgendeiner Form für fehlerhafte Angaben und daraus entstandenen Folgen vom Verlag bzw. Autor übernommen werden. Für die Inhalte von den in diesem Buch abgedruckten Internetseiten sind ausschließlich die Betreiber der jeweiligen Internetseiten verantwortlich.
Geleitwort
Einleitung
1. Einführende Überlegungen zu tiergestützten Interventionen
Definition Tiergestützte Fördermaßnahmen und Therapie
Aspekte zu den positiven Wirkungen von Hunden
Ein kurzer Ausflug in die Geschichte
Die besondere Kommunikation zwischen Mensch und Hund
Die allgemeine ganzheitliche Wirkung von Hunden auf Körper und Psyche
Methoden in der Tiergestützten Intervention
2. Der Einsatz von Hunden in Senioreneinrichtungen
Grundvoraussetzungen an Hund und Halter
Rechtliche Grundlagen und hygienische Aspekte
Die Vereinbarung mit dem Heim bei ehrenamtlichen Besuchen
Versicherung
Aufwandsentschädigung über die Übungsleiterpauschale oder Abrechnung über stundenweise Verhinderungspflege
Woran sollte während der Besuche gedacht werden?
Gruppen- oder Einzelbesuche
Dokumentation der Besuche
An alles gedacht – der Einsatzordner
3. Teampartner Hund
Ethische Überlegungen
Einsatzkleidung und Leine im Einsatz
Einsatzdauer und Ruhephasen
Kooperationssignal
Aus- oder Weiterbildung?
4. Besondere Anforderungen an die Kommunikation
Die Bewohner abholen, wo sie stehen
Besondere Bedürfnisse von an Demenz erkrankten Personen
Zusammenfassung
5. Praxisbeispiele für die Besuchsstunden bei körperlich fitten Bewohnern
Besuchsablauf, Einstiegs- und Abschiedsrituale
Versteckspiele
Bringspiele und Leckerlisack, Ball
Leckerlispender
Seil und Reifen
Tunnel
Laufband
Würfeln
Überraschungskiste
Holzkonzentrationsspiele
Eins, zwei, drei – das Hütchenspiel
Leckerlis auffädeln
Leckerlischleuder (vgl. Huck, 2003, 10)
Glücksradspiele
Geschichten erfinden
Lesestunde
Geschenke verpacken
Kalender und Pralinenschachtel
Tablettspiele
Sinnesbeutel
Leckerlis backen
Interaktive Spielzeuge
Leckerlikatapult
Sortierspiele
Brückenmethoden
Sandcase
Puzzle
Suchkorb
Suchdecke
Wer ist es?
6. Besuche bei bettlägrigen und komatösen Bewohnern
Die Macht der Berührung
Möglichkeiten und Gestaltung von Bettbesuchen
7. Abschied nehmen
8. Ja zu Fehlern – eine Fehlerkultur etablieren
9. Downloadbereich
10. Die Autorin
11. Die Helfer
12. Shoppingtipps
13. Literaturangaben
Weitere Formulare
Alle hier im Buch enthaltenen Formulare finden Sie unter:https://www.hundebuchshop.com/nextshopcms/Downloadbereich-Tiergestuetzte-Therapie-Senioren-Pflegeheim.htm
Wer kennt es nicht, das Bild von der alten, alleinstehenden Frau, die ruhig auf einer Bank in der Sonne sitzt und ihren „kleinen Liebling“ im Arm hält, den Spitz oder Dackel, wie sie ihn liebkost, sein Fell ruhig streichelt oder mit ihm fürsorglich spricht. Oder den älteren, alleinstehenden Herrn, der im Park mit seinem Hund spaziert. Er wird auf ihn angesprochen, er kann Signale geben oder er genießt die frische Luft und den Anblick, wie das Tier im Park spielt.
Dann kommen der Mann und die Frau auf Grund einer Erkrankung in ein Pflegeheim und können ihre Lieblinge nicht mitnehmen. Es gibt Hygienevorschriften. Wer soll sich um die Tiere kümmern? Das schaffen doch die „alten Leute“ nicht mehr. Mitarbeiter und Angehörige haben Bedenken, ein Wellensittich würde noch gehen, aber ein Hund?
Die Frau und der Mann verstummen, werden traurig, wütend und lebensmüde. Ihnen wurde ein Lebensmittelpunkt weggenommen, eine Aufgabe, ein sozialer Partner. Ihre gewohnte Welt bricht zusammen.
Diese Geschichte ist immer noch Alltag in deutschen Altenheimen. Es gibt Hunderte von Qualitätsansprüchen zum Wohlbefinden alter Menschen, Pflegemodelle, Leitbilder, schöne Prospekte. Es gibt Ansichten von Angehörigen, wie diese Einrichtungen nach ihren Vorstellungen sein sollen. Viele dieser Ansichten orientieren sich aber immer noch an den Gedanken eines sauberen Krankenhauses, hygienisch, glänzend, modern. Es gelten auch Hunderte Gesetze und Vorschriften für die Altenpflege, die künstliche Welten für die alten Menschen schaffen, die oft aber Normalität und häuslichen Alltag, Selbstbestimmung und Individualität nicht zulassen. Vielleicht bekommt der Mann noch einen Spielzeughund mit Kunstfaserfell, der den Kopf stupide bewegt, aber keine Emotionen zeigt.
Kuscheln mit dem Besuchshund weckt Erinnerungen an die eigene frühere Tierhaltung.
Wenige hatten in der Vergangenheit den Mut, diese künstlichen Welten zu verlassen und ein wirkliches Zuhause zu schaffen, doch die Zeiten ändern sich und neue Wege zeichnen sich ab. Einer dieser Wege ist das Zulassen von Tieren im Altenheim und die Einbeziehung in die Betreuung und Pflege.
Ein Hund darf zu der bettlägerigen Frau auf die Decke, sie schaut, nimmt ihre Hand, die sie sonst so gut wie gar nicht mehr bewegt hat, fühlt das weiche Fell und strahlt über das ganze Gesicht. Sie streichelt ihn mit der Hand und erinnert sich, wie sie immer mit ihrem Hund unterwegs war, die Bilder kommen wieder. Es geschieht für diesen Moment normaler Alltag, wie die alte Dame ihn lange genossen hat. Wenn das Hund-Mensch-Team wiederkommt, dann will auch die Pflegekraft wieder dabei sein, denn sie ist überwältigt von der Reaktion der Bewohnerin und freut sich mit ihr.
Acht von zehn Deutschen (80,5%) wollen laut einer Umfrage eines Bremer Marktforschungsinstitutes gerne in Heime ziehen, in der Heimtierhaltung erlaubt ist. Tiere gehören in unserer Gesellschaft zum normalen Alltag. Besonders für alte Menschen sind sie oft sehr wichtig. Sie vermitteln einfach und ehrlich Nähe, Zärtlichkeit, Vertrautheit, Trost, Freude und Spaß. Tiere lassen die schweren Verluste und Einbußen für Augenblicke oder Stunden vergessen. Sie aktivieren und motivieren, sich mit dem Tier zu bewegen, sich kümmern zu können, gebraucht zu werden. Dieser für viele Menschen normale Alltag soll auch im Seniorenheim weiter bestehen.
Die Tiere lockern den Wohnbereichsalltag auf und bringen Leben ins Haus. Sie tragen dazu bei, Heime in Wohnformen zu verwandeln und nicht zu sterilen Versorgungseinrichtungen verkümmern zu lassen. Hier können sie, bei richtiger Anwendung, der Schlüssel zum Zugang zu alten Menschen werden. Somit fördern sie das Wohlbefinden und aktivieren vorhandene Ressourcen.
Die Tiere sind oft auch ein sehr einfacher Weg, sich die Welt von demenzkranken Heimbewohnern zu erschließen, ohne dabei ihre Defizite hervorzuheben, sondern vielmehr die Person anzuerkennen. Der Umgang mit Tieren macht Spaß, ist nicht künstlich und kann auf spielerische Weise noch vorhandene kognitive Kompetenzen fördern und erhalten.
Es ist jedoch sehr wichtig, mit geschulten Tieren zusammenzuarbeiten, mit qualifizierten Teams, Strategien und praktische Konzepte zu entwickeln.
Schnelle und ungeplante Umsetzung führt oft zu Misserfolgen für Mensch und Tier. Man muss zuerst Mitarbeiter, Angehörige und andere an der Betreuung beteiligte Personen einbeziehen, sie zur Arbeit mit Tieren überzeugen.
Um Tiere als Unterstützung für die Therapie und Aktivierung einzusetzen, müssen bestimmte Regeln eingehalten und gut durchdachte Übungen angewendet werden. Hierbei gilt es, eng mit den Besuchsteams qualitätsorientiert zusammenzuarbeiten. Wichtig sind der Austausch und der Mut, neue Wege zu gehen. Oft macht man die Erfahrung, dass der demente Bewohner, der früher nie mit Tieren zu tun hatte, jetzt sehr viel Spaß hat und eigenständig Kontakt zum Tier knüpft. Es gilt, die feinen Antennen auszufahren und abzutasten, was wie weit, mit wem möglich ist und mit welchen Übungen man Erfolgserlebnisse erreicht.
Dieses Buch erläutert Grundsätze tiergestützter Einsätze in Senioren- und Pflegeheimen, wichtige einzuhaltende Regeln und praktische Beispiele der Durchführung. Somit ist es ein guter Baustein, um einen der erfolgreichen neuen Wege in der Betreuung alter Menschen zu gehen. Es ist ein Beitrag, mehr Wohlbefinden und Häuslichkeit in die Einrichtungen einziehen zu lassen und sich an den Bedürfnissen und Gewohnheiten der alten Menschen zu orientieren.
Toralf Heider
Fachkraft für gerontopsychiatrische Pflege und Betreuung, Qualitätsmanager
Immer häufiger hört man von Hunden, die in Einrichtungen des Gesundheitswesens eingesetzt werden. Das schrieb ich vor 15 Jahren, als ich an der Erstausgabe dieses Buches saß. Mittlerweile sind Tiere in vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens glücklicherweise etwas „Normales“ geworden. Dennoch tun sich gerade zum Beginn der Einsätze als Hund-Mensch-Team sowohl bei den besuchten Einrichtungen als auch bei den an dieser Arbeit interessierten Hundehaltern immer noch viele Fragen auf, wenn Hunde in Senioren- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken Einzug halten: Was bewirken die Tiere bei den Besuchten? Wird nur gestreichelt? Ist es nicht gefährlich? Kann Hygiene dann noch gewährleistet werden? Kann jeder Hundehalter mit seinem Hund so etwas machen? Macht es dem Hund überhaupt Spaß? Kann es vielleicht ein Hund von unserem Personal sein, der eingesetzt werden könnte?
Dieses Buch soll bereits aktiven ehrenamtlichen oder beruflichen Hund-Mensch-Teams, aber auch interessierten, noch nicht tätigen Hundehaltern praktische Informationen und neue Anregungen für ihre Besuche bieten. Da ein Großteil der Hundebesuche in Senioreneinrichtungen stattfindet, wird in diesem Buch an entsprechenden Stellen auf das Krankheitsbild der in den Seniorenheimen oft vorkommenden Demenz eingegangen.
Im ersten Teil sollen Antworten auf die oben genannten Fragen gegeben werden. Denn wenn einige Grundvoraussetzungen erfüllt sind, kann der schwanzwedelnde, hechelnde Co-Therapeut seinen Besuchten helfen, ihre Einsamkeit und Isolation zu verringern, sie zu Bewegung anregen, ihnen zuhören, ihnen Nähe geben und zur Kommunikation anstoßen.
Der zweite Teil widmet sich dreißig abwechslungsreichen, leicht nachvollziehbaren Beschäftigungsideen für die Besuche in den Einrichtungen. Dabei war es mir wichtig, dass davon auch gut zwei Drittel der Ideen ohne aktiven oder anwesenden Hund umgesetzt werden können, aber dennoch einen Hundebezug haben.
Dieses Buch ist in Kooperation mit Fachleuten verschiedener Bereiche entstanden. Es soll dazu beitragen, dass die (ehrenamtlichen) Besuche durch Hund-Mensch-Teams in Einrichtungen methodisch durchdacht sind und abwechslungsreichen, fördernden Spaß für Hund, Besitzer sowie Besuchten bedeuten!
Natürlich hat sich im Laufe der letzten 15 Jahre im Bereich der Tiergestützten Interventionen sehr viel getan und vieles hat sich zum Positiven weiterentwickelt. Es gibt genauere Standards durch die Dachorganisationen, der Hund als gleichberechtigter Teampartner rückt näher in den Fokus und auch die Bandbreite an Fachliteratur ist deutlich umfangreicher geworden. So habe ich natürlich auch die Chance der Neuauflage dieses Buches genutzt, um zu aktualisieren und neue Kapitel zu ergänzen. Insbesondere das dritte Kapitel „Teampartner Hund“ ist eine Herzensangelegenheit von mir. Lesern, die bereits die ursprüngliche Ausgabe dieses Buches kennen, wird auch auffallen, dass einige Bilder der Erstausgabe in das achte Kapitel gerutscht sind. „Ja zu Fehlern“ ist mein zweites Herzenskapitel in diesem Buch – beim Lesen wird sicher klar werden, warum das so ist.
Und der Rest? Ist natürlich genauso wichtig und mit genauso viel Engagement und Rückgriff auf mein Wissen aus der Tiergestützten Intervention und Einsätzen sowie Beratungstätigkeit in der Altenhilfe entstanden.
Eigentlich ist es ein neues Buch geworden! Damit möchte ich wie in der Erstausgabe inspirieren zum Ausprobieren, Mutigsein, Reflektieren und Sich-Weiterentwickeln. Es soll animieren, vorhandene Wege auszubauen und neue zu erkunden – alles im Rahmen der Fachlichkeit und einer fairen Zusammenarbeit mit dem Teampartner Hund in einem so wichtigen und bereicherndem Einsatzfeld.
Im Folgenden wird zu Gunsten der besseren Lesbarkeit die maskuline Personenbezeichnung benutzt. Diese ist als geschlechts- und wertneutral zu betrachten. Ebenso wird für eine bessere Lesbarkeit von „Besuchten“ geschrieben, damit sollen sämtliche Personengruppen aus Einrichtungen des Gesundheitswesens erfasst sein (Senioren, physisch oder psychisch eingeschränkte Personen und Rehabilitationspatienten). Zudem schreibe ich nur noch von Senioreneinrichtungen, was alle Einrichtungen des Gesundheitswesens mit einschließen soll.
Nun wünsche ich Ihnen viel Spaß mit diesem Buch, welches sehr persönlich geworden ist. Begleiten Sie mich auf eine Reise in meine Welt der Tiergestützten Intervention und packen Sie das in Ihren tiergestützten Rucksack, was Sie noch benötigen. Was Sie schon haben, lassen Sie einfach am Wegesrand stehen, und wenn Ihnen etwas komisch vorkommt, sollten Sie gerne hinterfragen und (über Sekundärliteratur) Abzweige nehmen, sodass Sie Ihren ganz eigenen persönlichen Tiergestützten Weg für Ihren Hund und sich finden.
Für diesen Weg wünsche ich Ihnen viele tolle Momente im Einsatz, Durchhaltevermögen, wenn es mal kompliziert wird und immer diesen gewissen Zauber, den die Tiergestützte Intervention auf alle Beteiligten ausübt!
Anne Markgraf geb. Kahlisch
„Einen Hund kümmern keine teuren Autos, große Häuser oder Designer-Klamotten. Ein durchnässter Stock reicht aus. Einen Hund kümmert es nicht, ob du arm oder reich bist (…). Gib ihm dein Herz und er gibt dir seins.“
(John Grogan)
Der Einsatz von Hunden in Einrichtungen des Gesundheitswesens beinhaltet gerade dieses große Potenzial des Zitates. Denn der Hundebesitzer kann mit dem Hund als ergänzendem Co-Therapeuten leichter in eine Kommunikation und Aktivität mit dem Besuchten kommen. Die Grenzen liegen hier in der Instrumentalisierung des Tieres und dem Missbrauch des Hundes als Therapieersatz (siehe Kapitel 3). Nachfolgend sollen kurz einige Grundlagen der Tiergestützten Intervention erörtert werden. Zum vertiefenden Nachlesen empfiehlt sich eine im Literaturverzeichnis unter „Basisliteratur“ angegebene Publikation, denn das hier ist ein Praxisbuch, welches sich nur im begrenzten Maße den wissenschaftlichen Grundlagen widmen kann.
Mittlerweile gibt es unterschiedliche Definitionsansätze zur Tiergestützten Intervention. Blesch (2020, S.2) schreibt dazu: „Unter tiergestützter Therapie versteht man alle Maßnahmen, bei denen durch den gezielten Einsatz eines Tieres positive Auswirkungen auf das Erleben und Verhalten von Menschen erzielt werden sollen.“ Das fasst kurz zusammen, was die IAHAIO als großer Dachverband 2014 in ihrem White Paper, mit der letzten Aktualisierung 2018 definiert, welche nachfolgend näher erörtert werden soll:
Tiergestützte Interventionen – TGI: Eine tiergestützte Intervention ist eine zielgerichtete und strukturierte Intervention, die bewusst Tiere in Gesundheitsfürsorge, Pädagogik und Soziale Arbeit einbezieht und integriert, um therapeutische Verbesserungen bei Menschen zu erreichen. Tiergestützte Intervention bezieht Teams von Mensch und Tier in formale Ansätze wie Tiergestützte Therapie (TGT) und Tiergestützte Pädagogik (TGP) ein, unter bestimmten Voraussetzungen auch Tiergestützte Aktivität (TGA).
Tiergestützte Aktivität – TGA sind geplante und zielorientiere informelle Interaktionen/Besuche, die von Mensch-Tier-Teams mit motivationalen, erzieherischen/bildenden oder entspannungs- und erholungsfördernden Zielsetzungen durchgeführt werden.
Die Mensch-Tier-Teams müssen wenigstens ein einführendes Training, eine Vorbereitung und eine Beurteilung durchlaufen haben, um im Rahmen von informellen Besuchen aktiv zu werden. Mensch-Tier-Teams, die TGA anbieten, können auch formal und direkt mit einem professionell qualifizierten Anbieter von gesundheitsfördernden, pädagogischen oder sozialen Leistungen hinsichtlich spezifischer und dokumentierter Zielsetzungen zusammenarbeiten. In diesem Fall arbeiten sie im Rahmen einer TGT oder TGP, die von einer professionellen, einschlägig ausgebildeten Fachkraft in ihrem jeweiligen Fachgebiet durchgeführt wird. Beispiele für TGA umfassen tiergestützte Hilfe bei Krisen, die darauf abzielt, Menschen nach einer Traumatisierung, einer Krise oder Katastrophe Trost und Unterstützung zu geben oder auch einfache Tierbesuchsdienste für Bewohner von Pflegeheimen. Die Person, welche TGA durchführt, muss adäquate Kenntnisse über das Verhalten, die Bedürfnisse, die Gesundheit und die Indikatoren/der Regulation von Stress der beteiligten Tiere besitzen.
➔Das sind alle ehrenamtlich aktiven Hund-Mensch-Teams (Besuchshundeteams).
Bei den tiergestützten Therapien (TGT) benötigt es eine zielgerichtete, geplante und strukturierte therapeutische Intervention, die von professionell im Gesundheitswesen, der Pädagogik oder der Sozialen Arbeit ausgebildeten Personen angeleitet oder durchgeführt wird. Fortschritte im Rahmen der Intervention werden gemessen und professionell dokumentiert. TGT wird von beruflich (durch Lizenz, Hochschulabschluss oder Äquivalent) qualifizierten Personen im Rahmen ihrer Praxis innerhalb ihres Fachgebietes durchgeführt und/oder angeleitet. TGT strebt die Verbesserung physischer, kognitiver verhaltensbezogener und /oder sozio-emotionaler Funktionen bei individuellen Klienten an. Die Fachkraft, welche TGT durchführt (oder der Betreuer der Tiere unter Supervision dieser Fachkraft) muss adäquate Kenntnisse über das Verhalten, die Bedürfnisse, die Gesundheit und die Indikatoren/der Regulation von Stress der beteiligten Tiere besitzen.
➔Alle beruflich aktiven Hund-Mensch-Teams (Fachkräfte).
(Definitionen nach: Tiergestützte, Ausgabe 1/2016, S.32f.)
Bei dem Thema Hunde im Einsatz für Tiergestützte Interventionen entsteht die Frage des „Warum“ zwangsläufig. Warum können Tiere eine so große positive Wirkung auf Menschen erzielen? Gibt es dafür psychologische Erklärungen?
„Psychologisch gesichertes Wissen besagt im Kern, dass Beziehung lebenslang notwendig ist. Allerdings hat die Psychologie Beziehungen zu anderen Menschen akzentuiert, meist zur Mutter, zum Partner oder zum vertrauten Menschen, der soziale und emotionale Unterstützung bietet.“
(Olbrich 2001a, S.2)
Mittlerweile wurde erfreulicherweise der Blickwinkel (auch durch Erhard Olbrich) auf die Mensch-Tier-Beziehung erweitert und es wurden Theorien zur Wirkungsursache der menschlichen Affinität zum Tier entwickelt. Ich möchte hier kurz überblicksweise auf die aktuellen Theorien eingehen, um einen Überblick über die Wirkweisen von Hunden auf Menschen zu geben. Zur weiteren Vertiefung empfiehlt sich bei Interesse Wohlfahrt; Mutschler (2022, S.52 ff.).
Das Konzept besagt, dass die Gesundheit und das Wohlbefinden von Tieren, Menschen sowie der Umwelt untrennbar miteinander verbunden und wichtig sind. „One Health wird dabei definiert als jeder Mehrwert in Bezug auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen und Tieren sowie reduzierte Kosten oder nachhaltige Umweltleistungen“ (Foltin, 2022S.314,327) Es begründet sich auf Basis der biologischen und psychologischen Beweise für die angeborene Affinität zwischen Menschen und (Haus-)Tieren. (vgl. IAHAIO 2013) Da die Tiergestützte Intervention immer das Wohlergehen aller Beteiligten als Fokus haben sollte, greift der „One Health“ Ansatz somit auch in jeder Tiergestützten Interaktion, weshalb ich es in der Grafik auf S.14 auch mit in der Übersicht als alles umspannenden Grundgedanken hinterlegt habe.
Der Biologe Edward O. Wilson hat mit seinem 1984 erschienen Buch „Biophilia: The Human Bond with Other Species“ (Biophilie: Die menschliche Verbundenheit mit anderen Arten) den Begriff der Biophilie geprägt.
Der Amerikaner versteht darunter eine dem Menschen angeborene Freundschaft zu jeglichen evolutionsbedingt unterschiedlich entstandenen Lebensformen. Woraus ein menschliches Bedürfnis nach Verbindung mit anderen Lebewesen, Landschaften und Ökosystemen entsteht.
Kellert hat in seinem 1993 zusammen mit Wilson herausgegebenen Buch „The Biophilia Hypothesis“ den Begriff konkretisiert und unterteilt diesen in neun Perspektiven. Jede dieser Bezugnahmen des Menschen zur Natur hat laut Kellert einen adaptiven Wert für den Erhalt der eigenen Existenz und des ökologischen Systems. Er sieht folgende Betrachtungsweisen:
Die utilitaristische Perspektive sieht den Nutzen, den der Mensch aus der Natur zum Erhalt und der Verbesserung seiner Existenz zieht, wie etwa durch Nahrungsmittel.
Nach der naturalistischen Perspektive erlebt der Mensch in der Natur Ruhe, Faszination, Entspannung und Ehrfurcht.
In der ökologisch-wissenschaftlichen Sicht geht es um Beobachtung und systematische Analyse des Zusammenspiels von lebenden und nicht lebenden Elementen der Natur, was dann zum Verstehen der Umwelt beiträgt.
Laut der ästhetischen Perspektive begegnet einem in der Schönheit der Natur oft Inspiration, wie zum Beispiel bei schönen Landschaften.
Der symbolischen Perspektive nach trifft man in der Natur oft auf Schemata und Kategorien, an denen sich das menschliche Denken orientiert, übergreifende Natursymbole finden sich als Beispiel oft in Märchen und Sagen.
Die humanistische Blickrichtung sieht eine große, positive Verbundenheit mit der Natur, welche auch mit der Bereitschaft zur Fürsorge, Altruismus, Bindung und Teilen verbunden ist.
Nach der moralistischen Perspektive wird der Aspekt der Ehrfurcht, Ethik und der Verantwortung für alles Leben betrachtet.
Eine dominierende Erfahrung ist die Kontrolle und Beherrschung anderen Lebens, sie ist die Basis für Macht und die Entwicklung menschlicher Techniken.
Der negativistischen Perspektive nach haben Menschen beim Kontakt mit der Natur Angst vor einzelnen Teilen, wie vor Schlangen, oder ganzen Bereichen, wie etwa schlammigen Mooren, welche zur Erarbeitung von Schutz und Sicherheit dienen. (vgl. Olbrich; Otterstedt 2003, S.68 ff.)
Nach dieser Betrachtungsweise lassen sich die positiven Wirkungen von Tieren also dahingehend erklären, dass sie gemäß den neun Perspektiven Lebenssituationen von Menschen vervollständigen und ergänzen. Sie schaffen für den Menschen evolutionär bekannte Situationen, in denen sie sich dann leichter zurechtfinden. (vgl. Olbrich 2001, S.75 f.)
Wohlfahrt und Mutschler konkretisierten das noch einmal mit einem wichtigen Zusatz für die Tiergestützte Arbeit: „Daher ist es wichtig, vor Beginn einer tiergestützten Therapie genau die „individuelle Biophilie“ abzuklären. Hunde sollten nur dann eingesetzt werden, wenn tatsächlich ein emotionales Band seitens der Klienten zu ihnen besteht.“ (2022 S.52)
Die Du-Evidenz geht noch ein Stück weiter als die Biophilie. Menschen fühlen sich meist mit den Tieren verbunden, die ihnen ähnlich sind, welche mit Fell werden bevorzugt. Das trifft oft auf „höhere“ Tierarten, zu denen auch der Hund zählt, zu. Unter Hundehaltern findet man zum Beispiel oft verblüffende Ähnlichkeiten zwischen Hund und Mensch (schauen Sie mal hinten in die Autorenbeschreibung, da wäre ein Beispiel bezüglich der Frisur). Diese „höheren“ Tierarten können ihre Perspektiven wechseln und das Verhalten von Menschen deuten, auf Menschen reagieren und mit Menschen interagieren. Daraus entsteht Beziehung als Grundlage für die Tiergestützte Intervention. „Dieses Verhalten, das Interesse und die Möglichkeit, eine Beziehung aufzubauen, die Menschen unter sich bzw. Tiere unter sich kennen, nennt man „Du-Evidenz“. Das zuerst unbekannte Gegenüber wird zum Du, wenn die vorherige Anonymität verloren geht und stattdessen die Erkenntnis von Individualität und Wesensmerkmalen zum Vorschein kommt.“ Du-Evidenz bedeutet also, dass Menschen andere als Individuum „Du“ sehen können. Das geschieht auch durch Namensgebung oder Trauer bei Tieren. (vgl. Wohlfarth, Mutschler (2016) S.51)
Ohne die Du-Evidenz wäre keine Tiergestützte Intervention möglich, sie ist eine notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Tiergestützte Intervention. Auch hier muss vor dem Hundeeinsatz abgewogen werden, ob der Besuchte eine Du-Evidenz mit dem Tier eingehen kann (siehe Biophilie).
Die Forschung zu den Spiegelneuronen ist ein noch relativ junges Forschungsfeld. Kurz zusammengefasst geht es darum, dass unsere Spiegelneuronen beim Anblick ein anderes Säugtiers dafür sorgen, dass wir empfinden können, wie es diesem Lebewesen gerade geht (spiegeln). „Die Spiegelneuronen schaffen einen gemeinsamen Resonanzraum. Je größer die gemeinsame Handlungserfahrung ist, desto besser gelingt auch die empathische Kommunikation.“ (Wohlfahrt, Mutschler (2022) S. 58) Das heißt, dass Hunde unsere Gefühle wahrnehmen und spiegeln! Das gilt natürlich auch in die entgegengesetzte Richtung. So kann ein agiler Hund zur Bewegung animieren, während ein ruhiger Hund beim Entspannen helfen kann. Ein ruhiger Mensch wird eher einen ruhigen Hund haben, ein impulsiver Mensch eher einen impulsiven Hund.
Aktuell befinden wir uns tiergestützt gesehen in einer Entwicklungsphase. Diese begann für den deutschsprachigen Raum offiziell um 1987 vor etwa 40 Jahren mit dem Verein „Tiere helfen Menschen“ und wir sind noch mittendrin in dem Entwicklungsprozess. Es wird auch die nächsten Jahre spannend bleiben. Wie werden Standards angepasst? Welche Vorgaben (auch für ehrenamtliche Teams) kommen perspektivisch von den Ämtern? Wie entwickeln sich die Dachverbände weiter? Kommt eine Anerkennung und Abrechnungsmöglichkeit für Fachkräfte? Um diese aktuellen Fragen besser einordnen zu können, folgt ein sehr kurzer geschichtlicher Abriss über die Entwicklungen dieses jungen Feldes:
Mensch und Hund bilden bereits seit Jahrtausenden eine enge Gemeinschaft. Lange Zeit gehörten Hunde zum Leben des Menschen, bis dann mit der Industrialisierung für viele Menschen ein Bruch in der Verbindung zur Natur entstand. Doch ab wann entstand der Gedanke, Mensch und Hund wieder auf eine förderliche Art und Weise zusammenzubringen?