Tiffany Pure Lust Band 7 - Clare Connelly - E-Book

Tiffany Pure Lust Band 7 E-Book

Clare Connelly

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

MEIN BOSS – TABU? von CLARE CONNELLY Für den heißen Jack zu arbeiten, ist für Gemma eine Qual. Nie darf sie ihrem Verlangen nachgeben. Denn eine Nacht mit Jack könnte sie ihren Job kosten … SPIONIN IN SPITZENDESSOUS? von LISA CHILDS Endlich hat sie gekündigt, und Simon darf hemmungslos mit seiner Noch-Sekretärin Bette flirten. Schnell kommt er ihr nah und entdeckt hinter ihrem schüchternen Äußeren eine feurige Frau sowie verspielte Dessous … Aber in seiner Firma gibt es einen Spion. Hat Bette noch mehr Geheimnisse?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 410

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Clare Connelly, Lisa Childs

TIFFANY PURE LUST BAND 7

IMPRESSUM

TIFFANY PURE LUST erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage in der Reihe TIFFANY PURE LUST, Band 7 07/2023

© 2018 by Clare Connelly Originaltitel: „Off Limits“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Rainer Nolden Deutsche Erstausgabe 2019 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe Baccara Club,, Band 1

© 2018 by Lisa Childs Originaltitel: „Legal Seduction“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Almuth Strote Deutsche Erstausgabe 2019 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe Baccara Club, Band 7

Abbildungen: Alona Horkova_GettyImages, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751517232

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

Mein Boss – tabu?

PROLOG

Die Sterne sind jetzt unerwünscht, löscht jeden aus davon,

Verhüllt den Mond und nieder reißt die Sonn’,

Fegt weg den Wald und auch des Meeres Flut,

Nie wird es sein, so wie es war – nie wieder gut.

W. H. Auden

„In zehn Minuten ruft der Premierminister an.“

Jack nickt nur flüchtig. Er scheint überhaupt nicht beeindruckt. Aber Jack Grant war schon immer eine Klasse für sich. Als investmentfreudiger Selfmade-Millionär mit sagenhaftem Sexappeal hat er keinen Respekt vor Autoritäten.

Es ist kaum zu glauben: Jack liegt nackt, wie Gott ihn geschaffen hat, in seinem Bett und verschwendet keinen Gedanken daran, dass er schon vor einer Stunde an seinem Schreibtisch hätte sitzen sollen. Ich genieße den Anblick seines muskulösen Rückens und stelle mir vor, wie es unter der Bettdecke weitergeht. Kann man’s mir verdenken, dass ich Lust auf ihn bekomme? Mir wird so heiß, dass ich mir am liebsten die Bluse vom Leib reißen möchte, vom lockenden Kitzeln zwischen meinen Schenkeln ganz zu schweigen …

„Worum geht’s denn?“

Seine Stimme klingt gedehnt, als er sich zu mir umdreht und mich mit seinen blitzenden grünen Augen aufmerksam mustert. Sein Akzent ist unverkennbar irisch. Er klingt wie Colin Farrell nach einer alkohol- und nikotinreichen Nacht: sonor, heiser und kehlig.

Genervt verdrehe ich die Augen. „Um die jüngste Folge von England sucht den Superbäcker.“

Seit sechs Monaten sind wir in Verhandlungen über den Erwerb eines großen kommunalen Grundstücks. Die Verträge stehen kurz vor der Unterzeichnung, und wegen des großen Medieninteresses hat sich nun auch der Premierminister in die Angelegenheit eingemischt.

Er lacht. „Nun ja, jeder braucht schließlich ein gutes Rezept für Kuchen.“

„Sag bloß, du hast eins?“

„Aber sicher.“ Sein Grinsen ist ebenso charmant wie teuflisch.

Ich verstehe, wieso es ihm so leichtfällt, Frauen ins Bett zu kriegen.

„Neun Minuten!“, blaffe ich.

Das Grinsen wird breiter.

Mein Herz schlägt schneller. Ich versuche es zu ignorieren. Blödes Herz.

„Hast du schon den Flug nach Sydney gebucht?“

„Natürlich.“

Als er meinen ungehaltenen Tonfall wahrnimmt, hebt er eine Augenbraue. Wie um mich zu provozieren, rekelt er sich ungeniert im Bett, streckt die Arme über den Kopf und präsentiert mir seinen fantastischen Körper.

„Was ist mit Amber?“

Ich finde, dass man ein gewisses Maß an Kooperationsbereitschaft zeigen könnte, wenn der Premierminister anruft. Jack scheint anderer Meinung zu sein.

„Ist alles geregelt.“

Amber, Jacks Schwägerin, nimmt ein Sabbatical von ihrem Job als Bankmanagerin, um sich um das Start-up der Stiftung zu kümmern. Sie ist immens qualifiziert und – aus persönlichen Gründen, als Schwester von Jacks verstorbener Frau – ungemein motiviert.

„Die Gehaltsfrage ist geklärt. Sie wird wie besprochen in der Nähe von Edinburgh eingesetzt.“

Er nickt, macht aber keine Anstalten, sich zu bewegen.

„Im Ernst, Jack. Noch acht Minuten. Steh endlich auf!“

„Bist du heute Morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden?“

Er fährt sich mit dem Finger über die Brust und lenkt meine Aufmerksamkeit auf sein wohlgeformtes Sixpack. Mein Mund ist staubtrocken.

„Nein.“

„Du bist noch schlechter gelaunt als sonst“, neckt er mich, und ich presse die Lippen zusammen.

Dabei hat er ja recht. Heute Morgen habe ich die Einladung bekommen, die ich jedes Jahr erhalte und in der ich gebeten werde, an der Feier des Hochzeitstages meiner Eltern teilzunehmen.

Grauenvoll!

Einmal jährlich werde ich von meinen Eltern auf das familiäre Mutterschiff beordert, und mir wird meine Herkunft vor Augen geführt: Egal, was ich tue, beruflich oder privat, ich werde immer Gemma Picton sein. Lady Gemma Picton.

Entsetzlich!!

„Setz dich. Erzähl mir, was dir auf dem Herzen liegt.“

Auffordernd klopft er mit der flachen Hand auf die Matratze, und erneut verdrehe ich die Augen. Hoffentlich merkt er nicht, wie sehr ich in Versuchung gerate. Allein bei der Vorstellung, diesem elektrischen Knistern, das zwischen uns herrscht, nachzugeben … Doch Jack ist für mich absolut tabu – der Stoff, aus dem nur meine Träume sind.

„Nicht so wichtig.“

„Na komm schon …“

„Es ist wirklich nichts Besonderes. Etwas Privates“, antworte ich ausweichend.

Er zuckt nur die Schultern, aber in seinem Blick liegt Neugier. Neugier, vermischt mit Begehren. Lust. Verlangen. Gier.

Wir kennen unsere Grenzen und tun gut daran, sie nicht zu überschreiten.

Jack schiebt die Bettdecke beiseite und entblößt die Tätowierung, die sich um seine Hüften bis hinunter zu seinen Beinen schlängelt. Sie stechen zu lassen muss höllisch wehgetan haben – vor allem auf der empfindlichen Haut auf der Innenseite seiner Oberschenkel, ganz in der Nähe seines Schwanzes.

Einmal habe ich ihn gefragt, warum er sich das Tattoo hat machen lassen. „Damals hielt ich es für eine gute Idee.“ Das war alles, was er dazu zu sagen hatte.

Es macht ihm nichts aus, dass ich ihn nackt sehe. Es ist nicht das erste Mal, und es wird auch sicher nicht das letzte Mal sein. Manchmal frage ich mich, ob er mich provozieren will und auf eine Reaktion wartet. Das wäre natürlich ein klassischer Fall von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.

Nur fühle ich mich nicht belästigt. Es amüsiert mich eher. Und es törnt mich auch ein bisschen an.

Seit zwei Jahren arbeite ich für Jack, und seitdem habe ich ihn ungefähr einmal pro Woche nackt gesehen. Das bedeutet durchschnittlich hundert Mal Anstarren, und er ist es wirklich wert, angestarrt zu werden. Ich glaube übrigens nicht, dass er immer so war. Denn vorher gab es sie.

Lucy.

Seine Frau.

Zwei Monate nach ihrem Tod habe ich angefangen, für ihn zu arbeiten, und seitdem ist er so: düster und grüblerisch, begehrenswert und sexy, melancholisch und trauernd. Mit einem Wort: faszinierend.

Nach Lucys Tod hat er angefangen, mit allem zu schlafen, was einen Rock trägt. Und mit den Whiskyorgien nach dem Sex. Es ist eine Art lustvoller Selbstgeißelung.

Egal also, wie gern ich seinen nackten Arsch betrachte – ich weiß, er ist nur zum Ansehen und nicht zum Anfassen. Wie damals, als Grandma mich zum Shoppen in ihr Lieblingsgeschäft in Portmeirion mitgenommen hat, wo ich das mit Obst- und Blumenmustern kunstvoll bemalte Porzellan bewundern, aber auf keinen Fall berühren durfte.

Eine Berührung konnte dazu führen, dass etwas zerbrach – so wie jetzt: Jack zu berühren könnte dazu führen, dass ich zerbreche.

„Gefällt dir, was du siehst?“ Die Worte tropfen aus seinem Mund wie flüssige Schokolade.

„Sieben Minuten.“ Ich gehe und bemühe mich, das heiße und feuchte Gefühl zwischen meinen Beinen zu ignorieren.

Gemma starrt mich an, und ich bin drauf und dran, mit dem Ruf „Ich Tarzan, du Jane“ über sie herzufallen. Ich möchte sie packen und zu mir herunterziehen. Kein Vorspiel. Kein Petting. Möchte sofort ganz tief in sie eindringen …

In meiner Fantasie trägt sie kein Höschen, und ihren Verstand hat sie an der Garderobe abgegeben – denn die echte Gemma würde mir tausend Gründe nennen, warum sie keinen Sex mit mir haben will, obwohl sie bereits in meinen Armen stöhnt.

Vergangene Nacht hat es Spaß gemacht. Jedenfalls anfangs. Leider hat die Frau, die ich mit nach Hause genommen habe – Rebecca? Rowena? –, zu viel geredet.

Sie wollte es auf die romantische Tour.

Ich wollte vögeln.

Also habe ich ihr das Geld fürs Taxi in die Hand gedrückt und sie hinauskomplimentiert.

Und jetzt habe ich einen enormen Ständer sowie eine Assistentin, die permanent in meinen sexuellen Fantasien herumgeistert. Sie hasst es, wenn ich sie Assistentin nenne, deshalb mache ich es so oft wie möglich, um sie zu provozieren. Genaugenommen ist sie meine juristische Beraterin.

Ich versuche mich erinnern, wann ich angefangen habe, ständig an sie zu denken. Seit wann habe ich sie nicht nur gleichgültig in ihrem Businessoutfit zur Kenntnis genommen, sondern darüber nachgedacht, wie lange ich wohl brauchen würde, es ihr vom Körper zu reißen?

Ich glaube, es begann gleitend. Zuerst war da dieser Blick, als sie in Spanien zu mir in den Hubschrauber gestiegen ist. Dann ein Lachen beim Abendessen. Ihr Summen, als sie aus einem Fenster schaute und ihr offenbar tausend Gedanken durch den Kopf gingen.

Dann war da dieser Stromausfall, als wir in meinem Büro festsaßen. Beim Feueralarm wurden sämtliche Türen automatisch verschlossen, und wir steckten eine Stunde lang im Aufzug fest. Im schwachen Schein der Notbeleuchtung schimmerten ihre unendlich langen Beine wie Seide. Als die Tür endlich aufgestemmt wurde, stand ich kurz davor, sie auf den Teppichboden zu werfen und zu vögeln, bis sie den Verstand verlor.

Ja, das könnte der Moment gewesen sein, in dem mir klar wurde, dass ich ziemlich in der Klemme stecke.

Ich habe keinerlei Interesse an einer Beziehung, aber ich will sie vögeln. Und ich glaube, sie will es auch. Ich habe den interessierten Blick ihrer karamellfarbenen Augen auf meinem Hintern bemerkt, als sie glaubte, ich merke es nicht.

Deswegen bin ich neuerdings sehr wachsam, wann immer sie in meiner Nähe ist.

1. KAPITEL

Sie könnte genauso gut nackt sein. Das knallrote Kleid mit den hauchdünnen Trägern sitzt hauteng und ist sehr tief ausgeschnitten. Außerdem ist es ziemlich kurz. Nicht unanständig kurz, aber, Himmel, ihre Beine sind lang und glatt, und bei diesem Kleid ist es mir unmöglich, wegzusehen.

Gemma ist schärfer als all die anderen Frauen hier – und das will etwas heißen angesichts der Tatsache, dass sich für diese Auftaktveranstaltung der größte Teil des Londoner Jetsets versammelt hat. Models, Schauspielerinnen, Sportlerinnen und viele Frauen, die wegen des Geldes geheiratet haben und nun hart daran arbeiten, den Erwartungen ihrer Ehemänner gerecht zu werden.

Und dann ist da noch Gemma.

Offenbar hat sie etwas Witziges gesagt, denn der Kerl, der bei ihr steht, beugt sich näher zu ihr hinüber und lacht. Ist er ihr Date? Stirnrunzelnd schaue ich genauer hin. Hat sie etwa ihren Lover mitgebracht? Sollte sie nicht als meine Begleitung hier sein?

Sie in Gesellschaft eines anderen Kerls zu sehen bringt mich aus der Fassung. Eifersucht schnürt mir die Kehle zu.

Ich nehme zwei Champagnergläser vom Tablett eines Kellners und bahne mir einen Weg durch den Saal. Einige Gäste versuchen, mich anzusprechen, aber ich habe keine Zeit für sie. Mein Interesse gilt allein Gemma.

„Jack …“

Sie zieht einen Schmollmund, als ich näherkomme, und mustert mich mit diesem Blick, für den sie ein Patent zu haben scheint. Wie schafft ein Mensch es nur, so verächtlich zu schauen und gleichzeitig den Hauch eines Lächelns zu zeigen?

Ich reiche ihr ein Glas Champagner, und unsere Finger berühren sich kurz. Sofort stelle ich mir vor, dass sie eine andere Stelle meines Körpers anfasst.

„Erinnerst du dich an Wolf DuChamp?“, fragt sie mich. „Er kümmert sich um unsere New Yorker Finanzen.“

Ich erinnere mich an den albernen Namen, jedoch nicht an seinen Träger. Was ist schon bemerkenswert an einem blonden, gut aussehenden Jungen, dem man den Abschluss einer Elite-Uni schon von Weitem ansieht?

„Aber sicher.“ Ich strecke meine Hand aus, denn ich weiß, dass ich die Form wahren muss, auch wenn ich am liebsten sofort über Gemma herfallen würde.

„Schön, Sie wiederzusehen, Sir.“

Gemma weiß, dass ich es hasse, ‚Sir‘ genannt zu werden. Unversehens stelle ich mir vor, dass sie es zu mir sagt, während sie vor mir kniet, mich in den Mund nimmt und dabei nach oben schaut, bis sich unsere Blicke treffen. Okay, es gibt also doch Situationen, in denen ich mich an die Anrede gewöhnen könnte …

Was zum Teufel denke ich da? Fantasien sind zwar gut und schön, aber Gemma zu vögeln wird immer ein Traum bleiben. Eher könnte ich mir diese Tätowierung von der Haut kratzen.

„Ich habe Gem gerade das Software-Update erklärt, mit dem wir uns zurzeit beschäftigen.“

Will er mich provozieren? Zum einen, indem er von Software redet, während mir gerade so schöne Bilder von Hardware durch den Kopf gehen; zum anderen, indem er Gemma ‚Gem‘ nennt, als wären sie die dicksten Freunde aus Kindergarten-Zeiten.

„Ich erkläre es dir gleich im Schnelldurchgang“, verspricht sie mir. Sie spürt meine Ungeduld, doch vermutlich nicht die Ursache dafür.

„Es wird unsere Arbeit viel effizienter machen“, fügt Wolf hinzu.

Gem wendet sich ein wenig von mir ab, um mir die Chance zu geben, mich zu verziehen.

„Ich werde prüfen, inwieweit es umsetzbar ist“, versichert sie ihm. „Das dürfte kein allzu großes Problem sein. Wir müssen allerdings unbedingt dafür sorgen, dass die Systeme während der Datenübertragung geschützt sind. Ein Datenleck wäre eine Katastrophe.“

„Das habe ich mir auch schon überlegt“, erwidert Wolf, und ich habe das Gefühl, überflüssig zu sein.

Auf der anderen Seite des Raumes versucht eine Blondine mit einem wahnsinnigen Vorbau und unendlich langen Beinen meine Aufmerksamkeit zu erregen.

Ich will Gemma, aber ich kann sie nicht haben. Glücklicherweise gehöre ich nicht zu den Typen, die in Selbstmitleid versinken. Auch andere Mütter haben schöne Töchter.

Für mich gelten zwei Regeln beim Vögeln.

Erstens: keine Verantwortung.

Zweitens: Keine Rothaarigen.

Verantwortung war für Lucy ein Muss.

Und Lucy war rothaarig.

Ich erstarre zur Salzsäule. Vor mir erscheint Lucys Bild. Sie runzelt missbilligend die Stirn. Ehe wir uns kennenlernten, habe ich nichts anbrennen lassen, es allerdings nie so toll getrieben wie jetzt. Inzwischen ist mir alles egal. Nur dieses anklagende Stirnrunzeln vertrage ich nicht. Selbst jetzt, da sie tot ist, möchte ich Lucy nicht verärgern.

Unwillkürlich wandert mein Blick zurück zu Gemma. Wolf tippt irgendetwas in sein Handy. Sie nickt und legt eine Hand auf seinen Arm. Ich spüre einen Kloß im Magen und versuche, ihn zu ignorieren.

Unverzüglich steuere ich auf die Blondine zu, als wäre sie die einzige Frau im Raum.

„Ich bin Jack Grant.“

Ihre Lippen sind knallrot geschminkt. „Ich weiß.“

„Dann sind Sie im Vorteil.“

Sie lächelt verschmitzt. „Nach allem, was ich über Sie gehört habe, bringt es nichts, Ihnen meinen Namen zu nennen. Morgen erinnern Sie sich sowieso nicht mehr daran, stimmt’s?“

Ich lache. Ihre Aufrichtigkeit gefällt mir. „Nein …“ Ich beuge mich näher zu ihr hinüber, sodass meine Lippen nur noch ein paar Millimeter von ihrem Ohr entfernt sind. Mein Atem streift ihr Haar, und ich bemerke eine Gänsehaut in ihrem Nacken. „Aber an mich werden Sie sich für den Rest Ihres Lebens erinnern.“

Ihr Lachen klingt rau. Unter normalen Umständen fände ich sie unglaublich sexy, aber in diesem Moment ist sie gerade so akzeptabel. Wenn ich ehrlich bin, langweilt sie mich sogar.

„Wir werden sehen …“

„Kann ich Ihnen etwas zu trinken besorgen?“

„Sie könnten mich von Ihrem Glas trinken lassen“, schnurrt sie mit einem Blick auf meinen Champagnerkelch.

Mir war gar nicht bewusst, dass ich ihn immer noch in der Hand halte. Automatisch reiche ich ihn ihr und schaue ihr dabei zu, wie sie die Lippen ans Glas legt und den Kopf nach hinten kippt. Die Flüssigkeit ist von honiggoldener Farbe. Sie gibt mir das Glas zurück, und ich nehme ebenfalls einen Schluck.

„Verschwinden wir von hier“, schlägt sie mit einem kehligen Lachen vor.

Ich nicke und lege eine Hand auf ihren Rücken. Gemma und Lucy geistern mir nun gleichzeitig durch den Kopf – ein ganz neues Erlebnis. Würden sie sich gegen mich verbünden? Würden sie sich überhaupt mögen?

Lucy war warmherzig und lieb. Sie hat mich immer angesehen, als sei ich ihr Retter, und vermutlich war ich das auch. Ich habe sie aus ihrem alten Leben und von ihrem Freund befreit, der sie wie den letzten Dreck behandelt hat, und ich habe alle ihre Träume erfüllt.

Aber das Schicksal ist ein Arschloch und hatte für Lucy nichts Gutes in petto. Eine Zeit lang konnte sie ihr Leben mit mir genießen – doch dann erwischte es sie voll. Man kann die Vorsehung nicht überlisten.

Gemma ist ihr überhaupt nicht ähnlich. Sie wirkt knallhart, ist aber in Wirklichkeit butterweich. Sie ist intelligent – viel intelligenter als ich – und weiß genau, was sie will. Und sie ist sexy. In meiner Nähe gibt sie sich absolut kühl – als hätte sie noch nie auch nur etwas von einem Orgasmus gehört, geschweige denn einen erlebt. Das macht sie für mich nur noch begehrenswerter. Ich will, dass sie einen Höhepunkt nach dem anderen hat, bis sie nicht mehr weiß, was ‚kühl‘ überhaupt bedeutet.

„Jack.“

Sie erwischt mich in dem Augenblick, als ich den Raum verlassen will. Ihr Blick bleibt kurz an der Blondine haften, gleitet jedoch gleich weiter. Sie ist ein einziger Eisblock. Ich möchte Gemma gegen die Wand drücken und bis zur Besinnungslosigkeit küssen. Hier und jetzt.

„In zwanzig Minuten sollst du deine Rede halten.“

Hoppla! Selbst für meine Verhältnisse ist das ein ziemlicher Schnitzer. Normalerweise achte ich darauf, dass mir nichts in die Quere kommt, wenn es ums Geschäft geht – nicht einmal Sex.

„Bis dahin sind wir zurück.“

Die blonde Sexbombe an meiner Seite überrascht uns beide. Ihre Worte sind eindeutig zweideutig.

Verdammt! Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal einen Quickie im Auto hatte. Schlägt sie das gerade tatsächlich vor?

Gemma konzentriert sich auf ihr Handy. Ihre kühle Gelassenheit stinkt mir gewaltig.

„Okay. Du kannst es kurz machen. Die Ziele umreißen, die die Stiftung zu erreichen hofft, ein Dank an die Geschäftspartner und bla, bla, bla …“ Gemma schaut die Blondine kurz an und lächelt flüchtig. „Bis dahin viel Spaß!“

Natürlich liefert Jack eine ordentliche Rede ab. Der Smoking sitzt perfekt, das weiße Hemd faltenlos. Die Fliege klebt wie angeleimt an ihrem Platz. Wortgewandt erzählt er von der Stiftung, streut hier und da ein paar Anekdoten ein, damit seine Zuhörer etwas zu lachen haben.

Im Gegensatz zu mir. Ich mache mir Gedanken über die Blondine.

Nein: Meine Gedanken kreisen um Jack – und das sollten sie besser nicht tun. Ich darf mich nicht davon beeinflussen lassen! Ich habe mir für diesen Job den Arsch aufgerissen, um mein Arbeitspensum zu schaffen. Der Umstand, dass mein Boss ein unwahrscheinlich scharfer Typ ist, darf mir jetzt nicht in die Quere kommen.

Ich konzentriere mich lieber auf Wolf.

Er unterhält sich inzwischen mit jemand anderem – zweifellos über diese verdammte Software. Seine Miene ist ernst, aber Wolf ist eigentlich immer ernst. Eigentlich stehe ich nicht auf ernste Typen. Wenn ich mit ihm flirte, hört er wahrscheinlich gleich die Kirchenglocken läuten.

Meine Güte! Etwas Schlimmeres kann ich mir kaum vorstellen.

Wolf hat gemerkt, dass ich ihn anschaue. Er ist so offen, dass ich quasi seine Gedanken lesen kann. Ich muss diese Gelegenheit vorüberziehen lassen. Er ist nicht der Richtige.

Ich wende mich ab.

Jack steht direkt vor mir.

Die Band hat zu spielen begonnen. Weil ich so sehr mit meinen Gedanken über Wolf DuChamp beschäftigt war, habe ich es gar nicht bemerkt.

„Hat dir die Rede gefallen?“

„Fischst du nach Komplimenten?“ Ich schlürfe Champagner. „Was ist los? War sie nicht angemessen beeindruckt?“

Er funkelt mich an. Er ist richtig sauer! Sollte ich etwa den Nagel auf den Kopf getroffen haben?

„Bezweifelst du etwa, dass ich es schaffe, eine Frau in fünfzehn Minuten zu befriedigen?“

Er kommt mir nur ein winziges Bisschen näher, aber es reicht, um einen Funken in meinem Unterleib zu entzünden. Wut. Verärgerung. Hitze. Begierde.

Mist!

„Ob du’s glaubst oder nicht: Deine Fähigkeiten in diesem Bereich sind mir ziemlich einerlei.“ Londons Schickeria wirbelt um uns herum, und ich würde am liebsten mit ihr fortgewirbelt werden.

„Du lügst“, sagt er so leise, dass ich glaube, ihn missverstanden zu haben.

Wir müssen uns an unsere Grenzen halten. Er weiß es – ich weiß es. Jede Faser meines Körpers verzehrt sich nach ihm, aber noch hat mein Verstand das Sagen. Ich möchte mir meine Karriere nicht vermasseln. Und es geht noch um mehr. Ich liebe Jack. Ich meine, ich liebe es, mit ihm zu arbeiten. Selbst wenn er sich von seiner schlechtesten Seite zeigt – er ist zu einer der größten Konstanten in meinem Leben geworden. Wie blöd wäre es, das aufs Spiel zu setzen?

Ich stelle mir kurz vor, wir hätten eine Affäre und sie endet, weil Jack nichts Langfristiges anfängt – und dann sehe ich ihn nie wieder …

Allein die Vorstellung macht mich krank.

Ich will lieber nicht darüber nachdenken.

Ich möchte es gar nicht erst riskieren.

„Die Rede war gut.“ Ich bringe das Gespräch zurück auf sicheres Terrain.

„Sag mal, Gemma …“ Jack hält sich nicht an die Spielregeln – er flirtet mit mir. „Was läuft da zwischen dir und diesem Kerl aus New York?“

Von wem redet er? „Du meinst Wolf?“

Er verzieht die Lippen zu einem spöttischen Grinsen. Ob er weiß, wie verdammt sexy er damit wirkt?

„Ist er im Bett ein Wolf?“

Die Frage trifft mich unerwartet. Sie ist für meinen Geschmack zu intim. Ich will Jack provozieren und betrachte ihn eine Weile abschätzend, ehe ich zurückschlage. „Wie war die Blondine?“

„Langweilig“, antwortet er wie aus der Pistole geschossen. Offenbar hat er keine Hemmungen, mit mir über sein Sexleben zu sprechen.

„Wo ist sie überhaupt?“

„Zu Hause. Sie wartet.“

„Auf dich?“

Ein Schulterzucken. „Ich habe gesagt, dass ich vielleicht vorbeikomme. Nur so konnte ich sie loszuwerden.“

Moment mal. Er hat nicht mit ihr geschlafen? Ich meine, er hat sie nicht gevögelt? Der Gedanke stimmt mich seltsam heiter, obwohl mir die Frau leidtut, weil er zuerst mit ihr geflirtet und sie dann in die Wüste geschickt hat.

„Du bist ein richtiges Scheusal“, murmele ich. „Fährst du denn zu ihr?“

„Vielleicht.“

Während der ersten sechs Monate unserer Zusammenarbeit bin ich mit seinem zügellosen Sexleben nicht so gut zurechtgekommen. Jedes Mal wenn ich auf Hinweise seiner nächtlichen Aktivitäten stieß, bin ich rot geworden, und ich konnte ihm nicht in die Augen schauen. Aber inzwischen hatte ich zwei Jahre Zeit, mich daran zu gewöhnen.

„Na dann …“ Ich versuche, das Hämmern meines Herzens und das lustvolle Prickeln in meinen Nippeln zu ignorieren. „Gute Nacht.“

„Warte.“ Er packt mich am Handgelenk.

Ich hole tief Luft. Wir berühren uns nicht! Höchstens zufällig. Aber nicht so!

Mit dem Daumen streicht er mir über die Handfläche, und als ich nichts sage, zieht er mich heftig an sich und drückt unsere Körper aneinander. Wir stehen mitten in der Menge und sind doch allein. Wie in einer Luftblase, die uns einhüllt. Eine Luftblase, angefüllt mit sinnlichem Knistern.

Sein Körper ist muskulös, stark, heiß. Genau wie in meinen Fantasien. Ich zwinge mich, Jack anzusehen, als ob er den Verstand verloren hätte.

„Ja, Sir?“

Seine Augen blitzen. Ich habe ihn so genannt, um ihn an die Grenzen in unserer Beziehung zu erinnern. Genauso gut hätte ich ein Streichholz über einer Benzinpfütze anzünden können. Er lässt mich nicht los.

„Tanz mit mir.“

Die Atmosphäre um uns knistert vor Spannung. Ich weiß, dass er mich um mehr als bloß einen Tanz bittet. Aber er soll nicht glauben, ich hätte Angst.

„Gern.“ Ich zwinge mich zu einem Lächeln.

Er legt die Hand auf meinen Rücken. Nein … knapp über meinen Hintern. Er spreizt die Finger und drückt mich fest an sich, sodass ich gegen ihn stolpere. Die Finger der anderen Hand verschränkt er mit meinen.

Ich konzentriere mich auf die Band.

„Dein Kleid ist fantastisch“, sagt er, und mein Versuch, gelassen zu bleiben, schmilzt wie Schnee in der Sonne.

„Ist das deine Meinung als Modeexperte?“

„Es ist meine Meinung als Mann.“

„Was gefällt dir denn daran?“

Alarmleuchten blinken in meinem Kopf auf. Was tue ich da?

„Mal sehen“, murmelt er. „Die Farbe natürlich. Dann die Art, wie es praktisch an deinem Körper klebt …“

Er beugt sich näher zu mir herüber. Hitze steigt in mir hoch.

Es fühlt sich nicht richtig an. Gut, er flirtet gern mit mir, aber das ist im Grunde harmlos. Was wir hier gerade machen, fühlt sich allerdings ganz und gar nicht harmlos an.

Die Musik wird langsamer. Ich achte auf ein bisschen Abstand zwischen uns und rede mir ein, dass ich es als Befreiung empfinde.

„Halte mich über die Situation in New York auf dem Laufenden“, bittet er.

„Das hatte ich vor.“

Ich reagiere gereizt, weil ich unsicher bin. Ich brauche eine Minute, um mich zu sammeln, aber seine Finger lassen mir keine Zeit. Sie fahren über meinen Rücken und meinen Hintern. Von Sekunde zu Sekunde wird mir heißer.

„Heute Abend. Jetzt.“

Unwillkürlich schaue ich mich nach Wolf um. Er ist immer noch ins Gespräch vertieft. Ich habe nicht vor, mit ihm nach Hause zu gehen, und dennoch ärgere ich mich, dass Jack so tut, als hätte ich kein eigenes Leben.

„So dringend ist es nicht. Es hat Zeit bis morgen.“ Ich befreie mich aus seinem Griff.

„Ich möchte die Details heute Abend hören.“

Es ist eine Herausforderung. Ein Fehdehandschuh. Er lässt mir große Freiheiten in meinem Job, weil er weiß, dass ich gut bin. Aber er ist immer noch mein Boss, und ich weiß nicht, ob ich mir einen Gefallen damit tue, ihm die Bitte abzuschlagen.

„Na gut“, lenke ich ein. Aber er soll nicht glauben, dass er gewonnen hat. „Ich brauche … zwanzig Minuten.“

Ich löse mich von ihm und ignoriere das frustrierende Gefühl der Leere, das mich überläuft, während ich in Wolfs Richtung schlendere.

Wolf ist immer noch ins Gespräch vertieft. „Darf ich kurz stören?“ Ich werfe den Männern, mit denen er sich unterhält, einen entschuldigenden Blick zu.

„Klar.“ Er grinst mich an. Ein nettes Grinsen. Er sieht echt gut aus. Nicht umwerfend gut, aber auf eine solide Weise nett.

Er legt die Hand auf meinen Ellbogen, aber ich bin es, die ihn hinausführt, damit wir ungestört reden können. So kann ich es Jack mit gleicher Münze heimzahlen.

„Bleibt es bei unserer Verabredung zum Essen?“, fragt Wolf.

Ich lächle. „Nein. Jack möchte über die Software informiert werden.“

„Noch heute Abend?“ Erstaunt zieht er die Brauen hoch.

„Er kümmert sich eben um alles“, erkläre ich. „Und er ist ziemlich ungeduldig. Ich möchte sichergehen, dass ich sämtliche Informationen habe.“

Er nickt und kann seine Enttäuschung nur schlecht verbergen. „Dann will ich es mal kurz zusammenfassen.“

Und so verbringe ich die neunzehn Minuten, die mir noch mit ihm bleiben. Na ja, achtzehn … Eine Minute nehme ich mir Zeit dafür, ein paar Strähnen aus meinem Knoten zu ziehen und mich in die Wangen zu kneifen, damit sie frisch und rosig wirken.

Fünfundzwanzig Minuten, nachdem ich ihn verlassen habe, wartet Jack in der Limousine auf mich. Ich tue atemlos, als ich einsteige, und genieße seine neugierigen Blicke, als er mich von oben bis unten mustert.

„Bereit?“

Ich nicke und habe das Gefühl, nicht genau zu wissen, in was ich da gerade einwillige. Als würde in seinen Worten eine verborgene Botschaft mitschwingen, die ich nicht entschlüsseln kann.

2. KAPITEL

Eines muss man Jack lassen: Er weiß. Wie man Frauen verführt.

Sein Büro ist schwach erleuchtet, und er hat eine CD mit Gitarrenmusik aufgelegt, deren tiefe Töne meinen Unterleib zum Vibrieren bringen. Der Sänger hat eine Reibeisenstimme, die seltsame Dinge mit meinem Gleichgewichtssinn macht. Jack mixt zwei Martinis und legt eine Maraschinokirsche hinein.

Stirnrunzelnd nehme ich das Glas entgegen. „Ich hasse Kirschen.“

„Warum?“

„Sie sehen seltsam aus. Wie Plastik.“

„Die echten nicht.“

Ich trinke einen Schluck und wundere mich über das Brennen in meinen Eingeweiden und das Rasen meines Pulses. Höchste Zeit, wieder übers Berufliche zu reden. Deshalb bin ich ja schließlich hier.

„Der Server in Kanada kann den Ausfall bei der Datenübermittlung auffangen, aber er verlangsamt die Verarbeitung.“

„Wie sehr?“

„Es sind nur ein paar Sekunden. Das ist unvermeidbar angesichts der Entfernung.“

„Ein paar Sekunden?“ Er schüttelt den Kopf. „Gibt es keinen näheren Standort?“

„Keinen, an dem ein so großes Datenvolumen verarbeitet werden kann.“

Er leert sein Glas in einem Zug. „Und Wolf hält das für akzeptabel?“

Er spricht den Namen mit unverhohlenem Spott aus.

„Glaubst du, er würde wirklich eigens herkommen, wenn er nicht meint, dass es sich lohnt?“

„Na ja, er fickt dich doch, oder?“

Ich schnappe nach Luft. Klar, er ist immer sehr direkt. Von Jack Grant erwarte ich nicht die Umgangsformen, die andere Menschen miteinander pflegen. Aber das ist selbst für ihn ein starkes Stück.

„Er ist rein geschäftlich hier“, entgegne ich mit einem warnenden Unterton. Hört er ihn heraus?

Offenbar nicht. Jack spielt mit mir wie ein Kater mit der Maus.

„Aber du vögelst mit ihm?“

„Verdammt noch mal, Jack!“ Wütend stehe ich auf.

Sein Blick bleibt an mir haften. Er hat die Augen zusammengekniffen. Er ist schon halb betrunken, und er ist hartnäckig.

„Das geht dich überhaupt nichts an.“

Aus seinem Blick spricht eine lässige Arroganz, aber auch Ärger.

„Er arbeitet für mich. Du arbeitest für mich. Wenn du mit ihm vögelst, will ich es wissen.“

„Was ich in meiner Freizeit mache und mit wem, ist ausschließlich meine Sache. Solange es meine Arbeit nicht beeinträchtigt, halte dich gefälligst da raus. Kapiert?“

„Du machst auf mich keinen verklemmten Eindruck …“

„Das bin ich auch nicht.“ Ich weiche einen Schritt zurück. Hinter mir ist die Wand. Ich fühle mich eingeengt und bin vollkommen irritiert, weil unser Gespräch eine so seltsame Wendung nimmt.

„Dann beantworte meine Frage.“

„Ob ich mit Wolf vögele?“ Meine Stimme klingt heiser.

„Ja.“ Er kommt näher. Nur einen Schritt. „Du weißt doch auch alles über mich. Warum also willst du deine Geheimnisse für dich behalten?“

„Wenn du dein Liebesleben lieber für dich behalten möchtest, tu dir keinen Zwang an.“

„Sexleben“, korrigiert er mich rasch. Wegen Lucy ist er auf diesem Gebiet ziemlich empfindlich.

Eigentlich weiß ich überhaupt nichts über seine Frau. Ich nehme an, sie war nett. Allerdings – wie steht es um den Verstand und das Urteilsvermögen einer Frau, die Jack heiratet? Es kann natürlich sein, dass er vor ihrem Tod ganz anders war.

„Du willst also den Rest deines Lebens so verbringen? Eine Frau nach der anderen haben, ohne sie wirklich kennenzulernen – abgesehen von ihrer Körbchengröße und ihren sexuellen Vorlieben?“

Sein Blick fällt auf meine Brüste, und ich bin mir sicher, dass er meine Körbchengröße genau nennen könnte. Meine steifen Nippel zeichnen sich unter dem dünnen Stoff meines Kleides ab – für einen BH ist es zu knapp geschnitten, und leider brauche ich auch keinen.

Am liebsten würde ich ihm sein selbstgefälliges Lächeln aus dem Gesicht ohrfeigen. Ich unterdrücke den Wunsch und verschränke vorsichtshalber die Arme vor der Brust, damit ich nicht doch noch in Versuchung gerate.

„Ich bemühe mich gerade, dich besser kennenzulernen“, erklärt er.

Mein Puls rast wie verrückt. Vor meinem inneren Auge taucht seine Schlafzimmertür auf, an der sich die Damen die Klinke in die Hand geben. Wie oft habe ich ihn morgens schlafend angetroffen – nach einer sicher sehr geschäftigen Nacht. Ich stelle mir das besser nicht genauer vor …

„Hast du Angst, ich könnte dich verurteilen?“

„Du – mich?“ Ich bin empört. „Du glaubst, du hast das Recht, mich zu verurteilen, nachdem du halb England in deinem Schlafzimmer verschlissen hast?“

„Halb London vielleicht“, korrigiert er mich.

„Kannst du eigentlich noch in den Spiegel schauen?“, frage ich hitzig, obwohl mein Verstand mir rät, den Mund zu halten. „Glaubst du, Lucy wäre glücklich darüber, dass du Dutzende von Frauen flachlegst, nur weil du dich vor einer Beziehung scheust? Ist es den Toten egal, wie du dich den Lebenden gegenüber verhältst?“

Mir ist klar, dass ich ihn provoziere, aber ich kann es nicht lassen. Ich bin auch sauer. Er besitzt kein Monopol auf unterdrückte Gelüste und aufgestaute Frustrationen. Es tut gut, ihn zu reizen. Sehr gut sogar!

„Findest du das den Frauen gegenüber fair?“

„Bis jetzt hat sich noch keine beklagt.“ Sein Lächeln ist kalt und abweisend.

Das ist der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt! Ich gehe an die Decke.

„Bei wem sollten sie sich denn beklagen? Du setzt sie doch meistens schon vor die Tür, noch ehe du ihren Namen kennst. Zum Teufel noch mal, Jack! Von allen chauvinistischen, egoistischen, verantwortungslosen …“

Er legt mir einen Finger auf die Lippen, um mich zum Schweigen zu bringen. Dabei schaut er mich durchdringend an. Mir wird siedend heiß.

„Ich habe das Gefühl …“ – Er fischt eine Kirsche aus meinem Glas. – „… dass du voreingenommen bist.“

Er fährt über meine Unterlippe, und ich hole tief Luft, was bei unserer Nähe nicht ganz ungefährlich ist. Ich weiche trotzdem keinen Schritt zurück. Unwillkürlich muss ich die Kirsche zwischen seinen Fingern anstarren.

„Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass du möglicherweise liebst, was du zu hassen glaubst? Hast du dich noch nie geirrt?“

Ich schüttele den Kopf und bin mir nicht sicher, ob ich seine Frage richtig verstanden habe. Zu meiner Überraschung steckt er sich die Kirsche selbst in den Mund. Ehe ich es mich versehe, drückt er seine Lippen auf meine und schiebt mir die Kirsche in den Mund, bevor er sie sich sofort wieder zurückholt und zerkaut.

Mein Mund ist voll von diesem Geschmack, aber es ist mir egal, denn ich schmecke auch ihn. Unser Kuss schmeckt nach Kirsche.

Seine Lippen bringen mich zum Schweigen, und eine heiße Woge schießt durch meinen Körper. Sein Kuss ist Strafe und Eroberung gleichermaßen. Ich kann es nicht besser erklären. Es ist ein Augenblick von großer Klarheit, in dem mein Zorn sich vorübergehend in Luft auflöst, während ich Jacks Kuss erwidere – genauso wild und leidenschaftlich wie er.

Unsere Zungen spielen miteinander, und ich fahre mit den Fingern durch sein Haar. Stöhnend drückt er mich gegen die Wand. Mit seinen Beinen umklammert er meine und fesselt mich bis zur Bewegungslosigkeit. Ich habe das Gefühl, dass mein Verstand mir etwas mitteilen will, aber außer dem Klopfen meines Herzens und dem Rauschen meines Blutes höre ich nichts.

Die Begierde ist wie eine Peitsche, die mich gerade mit voller Wucht trifft.

Mit den Lippen wandert er tiefer bis zu meiner Schulter, knabbert an der Haut und sucht die Stelle, wo meine Halsschlagader sichtbar pocht. Seufzend lege ich den Kopf nach hinten. Ich muss diesen Wahnsinn beenden.

Wir haben eine Grenze überschritten. Nein, wir sind blind darüber hinweggeprescht. Es ist ein ganz neues Gefühl. Aber ich möchte diese Grenze ziehen und nicht auf die andere Seite gezerrt werden. Ich muss die Kontrolle behalten – jedenfalls bis zu einem gewissen Maß.

„Warum kümmert dich das?“ Er küsst mich so heftig, dass er mich wieder gegen die Wand drückt. Er lässt eine Hand sinken und schiebt sie unter den Saum meines Kleides. Seine Finger suchen den Weg zwischen meine zitternden Beine.

„Was …?“, murmele ich vage. Wovon redet er?

Er unterbricht den Kuss, aber ich komme nicht zum Nachdenken – nicht, wenn er mit einer leichten Bewegung den dünnen Stoff meines Slips beiseiteschiebt und seine Finger in mich steckt.

O mein Gott! Ich komme jeden Moment! Ich schwöre, dass ich ganz nahe dran bin! Er streicht mit seinen Fingern über mein Feuchtgebiet, reizt mich hier, erforscht mich dort, und ich bin ihm hoffnungslos ausgeliefert.

„Warum kümmert es dich, mit wem ich ins Bett gehe?“

Es klingt eher wie eine wütende Rechtfertigung, nicht wie eine Frage.

Ich versuche, einen klaren Gedanken zu fassen. Unmöglich! Er streichelt mit der Kuppe seines Daumens über meine Klitoris, und ich beginne zu zittern. Ich bebe am ganzen Körper, während sich die Welle in mir aufbaut.

„Tut es gar nicht“, stöhne ich durch zusammengebissene Zähne. Schweißperlen treten mir auf die Stirn.

Überrascht reiße ich die Augen auf, als er seine Lippen auf meine Brust legt und durch den seidigen Stoff des Kleides einen Nippel zwischen die Zähne nimmt.

Meine Knie zittern, als er die harte Spitze liebkost und an ihr saugt. Ich bebe vor Lust. Gleichzeitig schiebt er seine Finger tiefer in mich hinein und zieht sie sofort wieder heraus. Ich bin klatschnass, als er über die empfindlichen Nerven meiner Klitoris streichelt. Von einem Augenblick auf den anderen bin ich verloren.

Eine heiße Fontäne schießt durch meinen Körper. Ich habe das Gefühl zu explodieren, als er den Kopf an meine andere Brust legt.

Verdammt! Es ist zu viel. Meine Muskeln ziehen sich zusammen, und meine Beine sind kaum noch fähig, mich zu tragen. Ich habe schon überwältigenden Sex gehabt, aber das hier toppt alles. Oder ist es der Reiz des Verbotenen – weil ich mit meinem Boss zusammen bin?

Mein Boss.

Jack Grant.

Ich stöhne, als mir klar wird, dass ich das hier irgendwann zutiefst bereuen werde. Und dennoch, ich kann nicht aufhören. Es ist ein Zwang – nein. Eine Erweckung. Es ist das Akzeptieren einer Wahrheit, gegen die ich mich viel zu heftig und zu lange gewehrt habe.

Zwei Jahre voller Blicke, Lachen, Streitereien und Meinungsverschiedenheiten haben dazu geführt. Zwei Jahre, in denen ich ihn immer wieder im Bett angetroffen und mir vorgestellt habe, dass ich mit ihm darin gelegen habe. Ich habe alles ausgehalten, weil er mein Boss ist und ich meinen Job liebe – und weil er verdammt noch mal Jack Grant ist. Beharrlich habe ich mich gegen meine geheimsten Wünsche gewehrt, aber jetzt ist es mir unmöglich, ihm seine nicht zu erfüllen.

Er umklammert meine Hüfte. Sein Griff ist ein wenig zu fest, sodass ich den Rücken versteife, aber er drängt mich mit seinem Becken an die Wand – heftig, leidenschaftlich. Verdammt, das kann er wirklich gut. Wahnsinnig gut. Viel besser, als ich es mir jemals vorgestellt hätte.

Und ich habe es mir oft vorgestellt.

Ich wimmere – ich glaube, ich habe noch nie in meinem Leben einen solchen Laut von mir gegeben –, als er mich erneut küsst. Dabei spüre ich seine Lippen auf meinen Brüsten, die jetzt extrem empfindlich sind.

„Glaubst du immer noch, dass sich die Frauen beklagen, wenn ich mit ihnen fertig bin?“, fragt er und tut einen Schritt zurück. Er wirkt seltsam leidenschaftslos.

Seine Wangen sind gerötet, und sein Brustkorb hebt und senkt sich genauso heftig wie meiner. Aber seine Stimme ist fest und sein Blick kühl.

Seine Frage ergibt keinen Sinn. Ich berühre meine Brüste. Sie sind geschwollen und kribbeln. Ich starre ihn an – momentan bin ich ungewöhnlich begriffsstutzig.

„Ich gebe ihnen, was sie wollen. Das, was du willst.“

Dann dreht er sich abrupt um, durchquert den Raum und nimmt sich einen weiteren Drink. Mit dem Rücken zu mir leert er das Glas in einem Zug, aber ich nehme die Bewegung kaum wahr. Ich bin zu schockiert über das, was wir gerade getan haben.

Verdammter Mist!

Wollte er damit irgendetwas beweisen? Ich zittere. Meine Unterwäsche ist feucht, mein Kleid zeigt Spuren seines Kusses, mein Kopf ist wie benebelt – und er bleibt ganz gelassen?

Plötzlich fühle ich mich in meiner Ehre als Frau getroffen. Ich stelle mir vor, wie ich aus dem Kleid schlüpfe und quer durchs Zimmer laufe. Wie ich ihn zu Fall bringe und mich breitbeinig auf ihn setze. Damit er zugibt, dass er mich will.

Ich weiß, dass es so ist. Der Beweis für seine Begierde hat sich hart gegen meinen Unterleib gepresst. Aber der gesunde Menschenverstand gewinnt allmählich wieder die Überhand – und damit die Erkenntnis, dass wir etwas sehr, sehr Dummes getan haben. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Wir können es nicht ungeschehen machen. Ich muss den letzten Rest meines Stolzes zusammensuchen und so schnell wie möglich aus diesem Büro verschwinden, ehe ich etwas wirklich Idiotisches mache. Ihn zum Beispiel darum bitte, zu Ende zu bringen, was er angefangen hat.

„Ich schicke dir morgen früh eine E-Mail mit Informationen über die Kapazitäten des Servers.“ Gott sei Dank klinge ich ganz und gar professionell.

Er schnaubt verächtlich. „Da ist sie ja wieder: meine kühle Assistentin.“

Verärgert straffe ich die Schultern. Ich war niemals seine Assistentin, und das weiß er ganz genau. „Ich bin nicht kühl“, höre ich mich antworten. „Ich bin momentan sogar ziemlich heiß.“

Vielleicht überrascht ihn meine Ehrlichkeit. Er dreht den Kopf in meine Richtung, ohne mich wirklich anzusehen.

„Wenn du mich bitte entschuldigen würdest – ich gehe.“

Es ist kalt, und es regnet, als ich die Villa verlasse.

Nach den ersten sechs Monaten in diesem Job habe ich mich entschlossen, nach Hampstead zu ziehen, wo er wohnt. Wenn ich schon den ganzen Tag im Büro verbringe, möchte ich wenigstens keine lange Anfahrt haben.

Mein Arbeitsplatz liegt am Ende einer langen Straße, die in der Nähe der Heath beginnt, und direkt neben der kleinen Schule an der Ecke liegt mein Stadthaus. Es ist ein Ziegelbau wie aus Charles Dickens’ Zeiten mit einer glänzend roten Tür und Blumenkästen, die während der Sommers sträflich vernachlässigt worden sind. Ich hätte sie mit Gänseblümchen und Erdbeeren bepflanzen sollen, so wie es war, als ich eingezogen bin, aber ich bin irgendwie nie dazu gekommen.

Mit der Schulter stoße ich die Tür auf und lasse sie erleichtert hinter mir ins Schloss fallen.

Doch dann mache ich den Fehler und schließe die Augen, und prompt ist er da: Jack Grant … der Kopf nach vorn geneigt … sein Mund an meiner Brust. Ich murmle eine Kette von Ausdrücken, bei denen meine Mutter in Ohnmacht fallen würde. Ich stelle mich vor den Spiegel im Flur.

Auf meinen Brüsten sind zwei dunkle feuchte Flecken. Mit dem Finger zeichne ich ihre Umrisse nach und erschauere, als ich mich an das Kribbeln erinnere, das ich gerne länger gespürt hätte. Mehr davon. Und mehr von ihm.

Mit einem lauten Seufzer betrete ich die Küche.

Was zum Teufel ist gerade passiert? Er ist mein Boss. Mein Boss! Und ich weiß, wie verkorkst er ist. Zwei Jahre lang habe ich diese irritierenden Gefühle im Zaum gehalten. Warum ist es mir heute Abend nicht gelungen?

Ich gieße mir ein Glas Wein ein in der Hoffnung, dass ich mit seiner Hilfe die Erinnerung auslöschen kann. Natürlich klappt es nicht. Der Alkohol macht alles nur noch schlimmer. Ich vermisse ihn.

Das ist nicht gut.

Langsam steige ich über enge Stufen zwei Etagen nach oben. Das Haus ist hoch und schmal mit einem beziehungsweise zwei Zimmern auf jeder der fünf Etagen. Mein Büro befindet sich im Erdgeschoss, Schlafzimmer und Bad sind auf der ersten Etage. Drei weitere Schlafzimmer sind über die anderen Stockwerke verteilt, und ganz oben ist eine Dachterrasse. Ich liebe sie, nutze sie aber leider viel zu selten.

Ich schleudere meine Schuhe beiseite und ziehe im Gehen mein Kleid aus. Sobald wie möglich werde ich es in die Kleidersammlung geben.

Nur mit meiner immer noch feuchten Unterhose bekleidet schlüpfe ich ins Bett und ziehe mir die Bettdecke bis ans Kinn.

Aber ist es eigentlich wirklich so schlimm? Wir arbeiten zusammen. Verdammt, wir leben praktisch zusammen. Irgendwie war es unvermeidlich.

Ich zucke zusammen.

Es ist doch schlimm. Ist es nicht die Todsünde für eine Frau, sich im Büro mit einem Kollegen einzulassen? Erst recht, wenn es der Chef ist, superreich und super gut aussehend, der nie die Hose geschlossen lassen kann?

Verflucht noch mal!

In der Villa arbeitet nur eine Handvoll Kollegen. Jacks zwei Assistentinnen, sein Fahrer, ein Bodyguard und ich. Wir sind alle auf strenge Vertraulichkeit verpflichtet, und ich glaube, die meisten haben zu viel Respekt vor mir, um sich bei mir unbeliebt zu machen. Vor Klatsch und Tratsch muss ich mich also nicht fürchten.

Aber vor Jack. Und vor mir selbst. Ich habe heute Abend meine Selbstachtung geopfert, indem ich das zugelassen habe.

Das Letzte, das mir durch den Kopf geht, ehe ich in quälend lustvolle Träume hinüberdämmere, ist die Frage, was mich wohl am nächsten Morgen erwartet.

Jack sitzt mit gesenktem Kopf am Schreibtisch, als ich ins Büro komme. Vor ihm steht eine Tasse Kaffee. Ich gehe ganz normal an seiner Tür vorbei.

„Gemma?“

Mist.

„Hallo, Jack! Ich habe dich gar nicht gesehen.“

Sein Lächeln zeigt mir, dass er meine Lüge durchschaut.

„Setz dich.“

Doch ich bleibe stehen und ziehe nur die Augenbrauen hoch. Geflissentlich ignoriere ich die Wand, gegen die er mich gestern gedrückt und dabei meine intimsten Stellen erkundet hat.

„Setz dich“, wiederholt er. Etwas in seiner Stimme macht mich nervös. „Wie geht es dir?“ Diese Frage, leise und beiläufig gestellt, lässt mich erschauern.

„Gut“, erkläre ich kühl. „Ich habe viel zu tun …“

„Wie hast du geschlafen?“

Weiß er, dass er in meinem Traum sehr, sehr schlimme Dinge mit mir angestellt hat?

Ich verschränke die Arme vor der Brust, als die Erinnerungen zurückkehren. Sie sind mit uns in diesem Raum, wirbeln um uns herum und erzählen flüsternd von all dem, was wir getan haben.

„Was kann ich für dich tun?“

Er erhebt sich, geht rasch zur Tür und dreht den Schlüssel herum.

„Ich habe schlecht geschlafen“, verkündet er, ohne auf meine Frage zu achten.

„Vielleicht hättest du ein Beruhigungsmittel nehmen sollen?“

Er zieht den Stuhl auf der anderen Seite seines Schreibtisches hervor und hält ihn mir auffordernd hin. Ich werfe ihm einen missbilligenden Blick zu und nehme Platz, wobei ich sehr darauf achte, nicht einmal seine Fingerspitzen zu berühren. Finger, die in mir drin waren. Finger, die mich in den Wahnsinn getrieben haben.

Er setzt sich.

„Und?“, frage ich ungeduldig.

Um seine Mundwinkel zuckt es. Lacht er etwa über mich? Arrogantes Arschloch! Ich kenne ihn doch. Ich weiß, dass er nicht nur sexy, sondern auch skrupellos ist.

„Wie hast du geschlafen?“

„Das hast du mich schon mal gefragt.“

„Du hast nicht geantwortet.“

Ich seufze verärgert. „Wie immer. Im Ernst, Jack. Auf meinem Schreibtisch stapelt sich die Arbeit …“

„Ich bin deine Arbeit“, kontert er.

Mistkerl.

Mit ausdruckloser Miene beugt er sich näher zu mir herüber, aber in seinem Blick liegt etwas Drängendes, Zweifelndes. „Hast du ihn gestern Abend getroffen?“

Ich möchte ihn an das erinnern, was ich ihm bereits gestern gesagt habe: dass es ihn nichts angeht. Aber ich weiß nicht, ob das jetzt noch so überzeugend rüberkommt, nachdem seine Begierde mich überwältigt hat.

Wie kann ich der Frage ausweichen?

„Du bist meine Arbeit? Okay. Die Jungs aus New York warten auf den Vertrag, du hast in der nächsten Woche ein Treffen, das ich noch vorbereiten muss, und in Athen warten sie auf deine Stellungnahme – das heißt meine Stellungnahme – bezüglich eines Mietvertrags. Und ich muss …“

„Hör auf!“

Ich liebe es, wenn er den Chef heraushängen lässt und mich herumkommandiert. Und das tut er oft. Um meine Reaktion zu kaschieren, starre ich ihn über den Schreibtisch hinweg wütend an.

„Du sagst mir, ich soll aufhören?“ Ich beuge mich näher zu ihm hinüber, bis unsere Gesichter sich fast berühren. „Ernsthaft?“

„Du bist sauer.“

„Und ob ich das bin.“

Sein Lachen ist leise und kehlig. Sexy. „Weil wir’s nicht zu Ende gebracht haben?“

Ich schließe die Augen. Meine Wangen brennen. „Was willst du?“

„Hast du was mit ihm?“

„Mit wem?“

„Mit Wolf DuChamp.“

Ich verkneife mir ein Grinsen. „Du kennst seinen Namen also doch?“

„Inzwischen schon.“

Seine Miene ist unergründlich. Tief in mir rührt sich etwas. Hoffnung. Bedeutet das nicht, dass er nur meinetwegen von Wolf weiß? Weil er etwas über mein Leben erfahren will?

„Bist du eifersüchtig?“ Die Worte sind heraus, ehe ich darüber nachdenken kann.

„Warum sollte ich eifersüchtig sein?“, antwortet er wie aus der Pistole geschossen.

Mist! Offensichtlich war das eine vollkommen überflüssige Provokation.

„Vergiss es.“ Ich stehe auf. „War’s das?“

„Du hast mir noch nicht geantwortet.“

„Ich mag ihn.“ Ich zucke die Schultern.

Das stimmt. Nicht in einem romantischen Sinn. Aber er ist ein netter Kerl. Gut aussehend.

„Vögelst du ihn?“

Mein Blick wird eiskalt. „Ist das nicht die Frage, die uns gestern schon in Schwierigkeiten gebracht hat?“

Er schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch. „Vögelst du ihn?“

Er brüllt fast. So etwas ist noch nie zwischen uns passiert, und wir wissen es beide. Vermutlich haben wir gerade wieder ein paar Grenzen überschritten. Die scheinen ohnehin fließend zu sein. Alles verändert sich auf unvorhersehbare Weise, und das ist gar nicht gut.

„Fahr doch zur Hölle.“

Ich drehe mich um und verlasse sein Büro. Meine Knie zittern, und ich habe ein eigenartiges Gefühl – als könnte ich in Tränen ausbrechen. Das habe ich schon seit Jahren nicht mehr getan. Ich weine nie. Nicht bei traurigen Filmen und auch nicht, als meine Katze gestorben ist.

Aber ich zittere am ganzen Körper. Wenn er mir jetzt folgt, bin ich verloren.

3. KAPITEL

Eine Woche ist vergangen, und ich lebe immer noch. Mehr noch: Mein Verstand und ich haben uns fast wieder versöhnt. Ich habe mich gut benommen. Habe hart gearbeitet, bin höflich gewesen, habe meine schlüpfrigen Gedanken hinter einer Maske der Gleichgültigkeit verborgen.

Es hat natürlich geholfen, dass ich Jack kaum zu Gesicht bekommen habe.

Vier Tage war er auf Geschäftsreise in Tokio. Heute soll er zurückkommen.

Das Telefon klingelt. Ich melde mich.

„Du klingst nicht gut.“