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Der hier angesprochene Jubilar und Namensgeber des Hans-Pfitzner-Vereins für deutsche Tonkunst wirkte in München sehr erfolgreich als Komponist; zu seinen bekanntesten Werken gehören ›Der arme Heinrich‹ und ›Palestrina‹. Am 5. Mai 1919 hatte Pfitzner seinen 50. Geburtstag begangen, die offizielle Feier konnte auf Grund der Revolutionsereignisse allerdings erst am 18. Juni stattfinden. Thomas Mann, der innerhalb des Vereins zwar keine tragende Rolle spielte, die Gründung aber mit einem Aufruf öffentlichkeitswirksam unterstützt hatte, hielt dazu diese Rede vor der Familie Pfitzners und den anwesenden Vorstandsmitgliedern. Sie wurde in der Oktoberausgabe der Süddeutschen Monatshefte abgedruckt. Mann nahm sie zudem in die Essaysammlung ›Rede und Antwort‹ (1922) auf, in jener Zeit war das persönliche Verhältnis zu Pfitzner weiterhin gut. Erst einige Jahre später kam es auf Grund entscheidender politischer Differenzen zu einer Entfremdung und 1933 zum endgültigen Zerwürfnis.
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Seitenzahl: 13
Thomas Mann
Tischrede auf Pfitzner
Essay/s
Fischer e-books
In der Textfassung derGroßen kommentierten Frankfurter Ausgabe(GKFA)Mit Daten zu Leben und Werk
Meine Herren!
In Augenblicken wie diesem bin ich immer versucht, zu sprechen wie Moses zum Herrn: »Herr, ich habe einen blöden Mund, laß meinen Bruder Aron reden!« Und doch, in tiefstem Herzen empfinde ich das Glück und die Ehre, in dieser Stunde das Wort an mich nehmen und dem, was uns gleichmäßig bewegt, meine Zunge leihen zu dürfen.
Wozu arbeitet man? Wozu müht man sich, es den Menschen, den besseren Menschen recht zu machen? Nicht, um geliebt und gelobt zu werden. Ich finde, man tut es vielmehr, um lieben und loben zu dürfen. Man tut es, um der eigenen Liebe, der Lobpreisung und Dankbarkeit, die man im eigenen Herzen hegt, einige Würde zu schaffen, damit sie in Stunden, wie der gegenwärtigen, nicht ein armes, ehrloses, verschwindendes Gefühlchen seien, das den Menschen gleichgültig sein kann, sondern denen, die sie teilen und vielleicht auch dem, dem sie gelten, irgend etwas bedeuten und wohl gar festlich-stellvertretenderweise zu Worte kommen dürfen. Man trachtet nach dem eigenen Guten, sei es noch so beschränkt und bescheiden, um dem Guten überhaupt ein wenig näher zu kommen, um daran teilzuhaben und sich in solcher Stunde ein wenig »vom Bau« fühlen zu dürfen, vom Bau des Guten.