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Wie viel Pech kann man eigentlich haben? Man würde doch meinen, dass eine blutrünstige Mutter ausreicht. Aber nein, Cat muss sich auch noch mit einer Prophezeiung der Götter herumschlagen, in der es um nicht weniger als das Schicksal der Welt geht. Ist es da ein Wunder, dass sie den Großteil ihres Lebens auf der Flucht verbracht hat? Doch nun hat sie keine andere Wahl mehr, als sich ihrer Mutter und den Göttern zu stellen. Wenigsten ist sie nicht allein. An ihrer Seite steht der verführerische Kriegsherr Griffin. Sie werden gemeinsam kämpfen. Selbst wenn das bedeutet, gemeinsam unterzugehen ...
Der zweite Band der fantastischen Tochter der Götter-Trilogie
»Amanda Bouchets Talent ist bemerkenswert.« Nalini Singh, New York Times- und Spiegel-Bestseller-Autorin
»Absolut fantastisch.« C.L. Wilson, New York Times-Bestseller-Autorin
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Seitenzahl: 663
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Über die Autorin
Titel
Impressum
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Danksagung
Über die Autorin
Amanda Bouchet, aufgewachsen in den USA, lebt heute zusammen mit ihrem Ehemann und ihren zwei Kindern in Paris. Da sie griechische Wurzeln hat, haben die Legenden und Sagen der Antike sie schon immer fasziniert. Die griechische Mythologie diente daher auch als Inspiration für die Welt, die sie in ihrer Fantasy-Trilogie TOCHTER DER GÖTTER entwirft. Die Reihe hat in den USA einen wahren Hype ausgelöst.Mehr Informationen über die Autorin finden Sie auf ihrer Homepage: amandabouchet.com
Amanda Bouchet
Eismagie
Aus dem amerikanischen Englisch vonVanessa Lamatsch
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Deutsche Erstausgabe
Für die Originalausgabe:Copyright © 2017 by Amanda BouchetTitel der englischen Originalausgabe:»Breath of Fire (The Kingmaker Chronicles 2)«Originalverlag: Sourcebooks imprint,an imprint of Sourcebooks, Inc. www.sourcebooks.com.
Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Uwe Voehl, Bad SalzuflenTitelillustration: © Guter Punkt, München | www.guter-punkt.deunter Verwendung von Motiven von © Shutterstock/Fotokvadrat;Shutterstock, Popova– Irina; Thinkstock/Istock (10);Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de
eBook-Erstellung: Olders DTP.company, Düsseldorf
ISBN 978-3-7325-5017-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Für meinen Ehemann,ohne den in den letzten zwei Jahren kein
Aus einem tiefen, heilenden Schlaf aufzuwachen, ist wie aus den Tiefen eines Sees aufzutauchen, in dem kleine Bläschen um mich tanzen und von oben Helligkeit lockt.
Langsam nimmt die Welt um mich herum Gestalt an. Es ist Nachmittag. Die Luft duftet nach heller Sonne, heißem Stein und endlosen Tagen der Sommerdürre. Insekten zirpen, ihr unendliches Lied eine ausgetrocknete Melodie. Die Hitze ist so drückend, dass ich fast meine, sie mit dem Messer schneiden zu können. Ich stelle nicht die Tageszeit infrage, sondern nur, welchen Tag wir haben. Ich gehe davon aus, dass es nicht derselbe Tag ist, an dem ich eingeschlafen … und fast gestorben bin. Mal wieder.
Unter der Decke lasse ich meine Finger über die wunde Haut meines Bauches gleiten, um dort eine erhabene, frische Narbe zu finden. Ich wurde ein weiteres Mal gezeichnet, eine Ergänzung der anderen Narben, innerlich wie äußerlich.
Ich sehe zu Griffins Seite des Bettes, doch es überrascht mich nicht, es leer vorzufinden, die Laken kalt. Er hat Dinge zu erledigen; ein Königreich zu führen.
Ich seufze, obwohl das absurd ist. Bevor ich Griffin getroffen habe, habe ich nie geseufzt.
Sein Kissen zeigt mir immer noch die Kuhle, die sein Kopf hinterlassen hat. Ich lasse die Hand über die Einbuchtung gleiten und denke daran, wie er mich damals wegen meiner Königsmacherinnen-Magie entführt hat und ich ihn auf Schritt und Tritt bekämpft habe.
Doch Griffin hat sich mit mir mehr eingehandelt, als er geglaubt hat, und ich bin immer noch nicht bereit, ihm das Schlimmste zu erzählen.
Herold des Endes. Zerstörer der Reiche.
Ich schließe fest die Augen, sehne mich erneut nach der wunderbaren Ahnungslosigkeit des Schlafes. Doch ich bin nicht mehr müde. Halbwahrheiten und Informationen, die ich wissentlich verschwiegen habe, gären in meinem Inneren, gepaart mit eisiger Angst, die direkt unter der Hitze meiner neuen Narbe wohnt. Griffin weiß nicht, wer ich wirklich bin. Weiß nicht von der schrecklichen Prophezeiung. Nicht mal in Bezug auf Daphnes Drohungen war ich ehrlich. Dinge vor Griffin zu verbergen ist, was mich hier in dieses Bett gebracht hat, verletzt und erfüllt von Schmerzen. Griffins ehemalige Geliebte wusste genau, was sie tat, als sie aus den Schatten zugeschlagen und mir ein Messer in den Bauch geschleudert hat. Sie hat nur nicht geahnt, dass ich es herausziehen und zurückwerfen würde.
Die Tür schwingt auf, und ich drehe den Kopf. Bei Griffins Anblick beginnt mein Herz zu rasen. Groß und breit, muskulös, aber schlank, tigert er in den Raum wie ein Raubtier, der Blick selbstbewusst und sicher, die glitzernden grauen Augen unverwandt auf mich gerichtet. Tintenschwarzes Haar, eine Adlernase, ein stures Kinn und der dichte, schwarze Bartschatten lassen ihn hart und beängstigend wirken. Mit dem Schwert an der Hüfte und den gesenkten dunklen Brauen wirkt er wie ein Kriegsherr kurz vor dem Angriff.
Ein Zittern überläuft mich. Ich könnte ihn nicht mehr begehren.
Ein Gewittersturm wallt in meinen magiegefüllten Adern auf. Ich sehe Griffin an, fühle ihn in meiner Nähe und kann all die schrecklichen Dinge ignorieren, die dafür sorgen, dass ich mich in mich selbst zurückziehen und verschwinden will. Er verharrt neben dem Bett. Sofort kocht mein Blut vor Hitze und Begehren. Ich frage mich, was er mit mir anstellen wird. Was ich mit ihm anstellen werde.
Ich strecke die Hand nach ihm aus, doch Griffin verschränkt die Arme und starrt von oben auf mich herab.
Meine Hand hängt einen Moment in der Luft, und mein Herz scheint ebenfalls zu erstarren. Plötzlich wird meine Kehle eng, sodass meine Stimme rau klingt: »Ich kann dich immer noch in mir fühlen.«
Seine versteinerte Miene ändert sich nicht, doch sein stahlgrauer Blick huscht zu meinen nackten Brüsten. Als er die Augen wieder hebt, wirken sie hart und kalt wie Granit, der mit Eis überzogen ist. »Hast du es genossen, mich lächerlich zu machen?«
Mein Magen verkrampft sich so heftig, dass mir schlecht wird. Ich ziehe die Decke nach oben, um mich zu verhüllen; umklammere fest den Stoff, um zu verhindern, dass meine Hände zittern. Es funktioniert nicht. Adrenalin schießt in meine Adern, lässt mich erbeben.
»Was meinst du damit?« Meine Augen sind groß, meine Worte klingen dünn. Schuldbewusst. Nur gut, dass ich nie wette, wenn ich mich so schlecht im Griff habe. Aber ich hatte noch nie so viel zu verlieren.
Griffin streckt den Arm aus und reißt mir die Decke aus der Hand. »Ich glaube, das weißt du genau. Oder gibt es zu viele Lügen, zwischen denen du auswählen musst?«
Ich setze mich auf. Scham und Nervosität zaubern einen roten Schimmer auf meine nackte Haut. Beim Reichsbankett hat Griffin geschworen, meine Geheimnisse aufzudecken. Ich hatte nicht gedacht, dass es ihm so schnell gelingen würde. »Ich habe dich nicht angelogen.«
Er verzieht angewidert die Lippen. »Und noch eine. Wie mühelos sie dir von der Zunge gleitet.«
Sein Blick ist nicht mehr so unerschütterlich wie sonst. Stattdessen tobt ein Sturm in seinen Augen. Eine dunkle Mischung aus Wut und Gewalttätigkeit. Die Art, wie er mich beobachtet – gleichzeitig tief bestürzt und drohend – sorgt dafür, dass sich mir die Nackenhaare aufstellen.
Vorsichtig greife ich nach der Decke, doch er packt den Stoff so fest, dass die Knöchel weiß hervortreten. Statt mich auf ein Zerrspiel einzulassen, das ich verlieren würde, drehe ich mich um – wobei ich die Bauchschmerzen ignoriere – und packe mir ein Kissen, um mich damit zu bedecken. Mein offenes Haar gleitet über meine Schultern und verbirgt mein Gesicht vor Griffins wutentbranntem Blick.
»Könnte sein, dass ich ein paar Details ausgelassen habe«, gebe ich zu, als ich mich wieder umdrehe. Wirklich wichtige Details. »Aber ich habe dir die Wahrheit gesagt.«
In seinen Augen flackert das Versprechen auf Bestrafung auf. Noch nie zuvor war dieser Blick gegen mich gerichtet. »Ist das wahr … Lukia?«
Ich umklammere das Kissen, und etwas in mir zerbricht. Griffin erinnert sich an alles, was ich ihm erzählt habe. Als seine Magoi-Beraterin – seine Expertin für alles, was Magie, Königsfamilien, Reiche, Kreaturen und Götter betrifft – habe ich ihm einmal erzählt, dass der Name von Beta Fisa Lukia lautet. Die verschwundene Erbin des fisanischen Throns. Die verlorene Prinzessin.
Ihr Name lautet nicht Lukia, und irgendwoher weiß Griffin das jetzt. Er weiß, dass ich es bin.
Taubheit breitet sich in meinem Körper aus und verdrängt die Übelkeit. Gleichzeitig wird mir bewusst, dass sich der Raum um mich dreht.
»Du bist gut und gerecht und fair«, sage ich heiser. Ihn anzuschauen ist, wie eine Luftspiegelung zu sehen. In einem Moment hier – der Inbegriff von allem, was ich mir jemals gewünscht habe. Und schon nach einem Wimpernschlag verschwunden.
Harsch fragt er: »Und was bist du?«
Die Frage reißt eine kaum verheilte Wunde in mir auf. Die Antwort tut weh. Ich bin eine Mörderin. Brudermord? Kein Problem. Zweimal. Unschuldige Leute an eine böse Königin ausliefern, in dem Wissen, dass sie nicht überleben werden? Schon gemacht. Fisa – das fisanische Volk – den Launen einer bösartigen Soziopathin überlassen, weil ich zu viel Angst hatte, um zu bleiben? Ja, auch das habe ich getan.
Galle steigt mir in die Kehle, und ich schlucke schwer. »Eine Lügnerin, eine Killerin und ein Feigling.«
Griffin erstarrt, scheint sich in eine Statue zu verwandeln. Ich zittere innerlich. Bevor ich auch nur mitbekomme, dass er sich bewegt hat, hat er mir schon das Kissen entrissen und quer durch den Raum geschleudert. Es stößt eine Vase um. Das bemalte Gefäß zerbricht und verteilt scharfe Scherben auf dem Boden.
Ich zerbreche ebenfalls – die Person, die ich war, zerspringt genauso in Scherben wie die zerbrochene Vase. Diese Frau hatte von Beginn an nur eine dürftige Verbindung zu meinem Herzen und meinem Geist. Jetzt wirbeln meine neuen, dämlichen Hoffnungen in einem Strudel aus Scham um mich herum.
»Was tust du?«, flüstere ich. Meine Augen brennen.
»Du gibst nicht preis, was sich in deinem Inneren befindet«, stößt er hervor.
Griffin starrt mich an, doch in seinen Augen ist kein Verlangen zu erkennen. Nur lodernde Enttäuschung. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so verletzlich gefühlt. Ich fühle mich nicht nur nackt. Ich fühle mich, als hätte er mir die Haut abgezogen.
»Also willst du dir wenigstens das Äußere ansehen?«, frage ich.
Er bläht die Nasenlöcher auf. Nach einem tiefen Atemzug wirft er mir die Decke zu. »Verhülle dich.«
Meine Kehle wird eng. Diese zwei Worte verletzen mich tiefer, als ich es mir je hätte vorstellen können. Mein gesamter Körper schmerzt, als hätte er mich geschlagen.
»Catalia Fisa.« Griffin spuckt den Namen aus, den ich ihm nie verraten habe. Niemals werde ich ›einfach Cat‹ sein. Ich bin nicht mal Cat aus Fisa. Ich stamme nicht einfach aus diesem Königreich. Ich bin mein Königreich. »Körper und Seele, Eure Hoheit. Innen und außen. Ich will beides. Oder nichts.«
Mein Herz beginnt schmerzhaft zu rasen, hämmert verkrampft gegen meine Rippen. »Nichts?«
Du hast mich gehört, sagt sein ausdrucksloser Blick, während sein Mund geschlossen bleibt.
»Aber Griffin …«
»Nicht.« Er wendet sich ab und tigert wie ein Tier im Käfig im Raum auf und ab. Als er knurrt: »Wag es nicht, mich noch mal anzulügen«, klingt seine Stimme wie das erste Donnergrollen eines herannahenden Sturms.
Ich presse die Lippen aufeinander, als ich das Laken um den Körper schlinge, es verknote und dann aufstehe. Rein körperlich bin ich Griffin nicht gewachsen, und vor ihm zu liegen macht es nur noch schlimmer. Stehen ist allerdings nicht viel besser. Meine Beine sind schwach. Meine Brust fühlt sich hohl an. »Wie hast du es herausgefunden?«
»Dass du Beta Fisa bist? Das fehlende Glied in der fisanischen Königslinie? Die verlorene Prinzessin?« Er stößt ein harsches Lachen aus, das mir gar nicht gefällt, dann wirft er mir unter finsteren Brauen heraus einen schiefen Blick zu. »Dass deine blutrünstige Mutter eine der wenigen Personen ist, die mich davon abhalten kann, diesen götterverdammten Ort in Ordnung zu bringen und zu verbessern? Dass du die älteste lebende Brut der Geißel von Thalyria bist!«
Ich zucke zusammen. Sein letzter Satz ist keine Frage, nicht mal eine rhetorische. Es ist eine Ächtung. Eine Beleidigung. Griffin schießt einen weiteren wilden Blick in meine Richtung ab und ballt die Hände zu Fäusten. Meine Augen verfolgen diese riesigen, mächtigen Hände. Ich habe mich öfter gefragt, ob er sie einsetzen würde, um mich zu verletzen. Vielleicht hätte ich diesen Gedanken nie verwerfen sollen.
Ich zucke die Achseln, doch gleichzeitig bildet sich ein Knoten in meiner Brust, der abwechselnd brennt und gefriert. »So kann man es ausdrücken.«
Griffins Blick beginnt zu glühen. Dann lässt sein Brüllen die Fenster erzittern. Der Rest seiner eisernen Selbstkontrolle löst sich schneller auf, als ich blinzeln kann. Er packt sich einen Stuhl und schleudert ihn durch den Raum. Das Möbelstück prallt mit einem bedrohlichen Knall gegen die Wand, wobei ein Bein abbricht. Als Nächstes folgen eine Schüssel, eine Schale und dann ein Krug mit Wasser. Ich beobachte in sprachlosem Entsetzen, wie Dinge zersplittern und zerbrechen. Griffins Gesicht ist schrecklich anzusehen. Jeder Zentimeter seines Körpers ist vor Wut verspannt. Er packt einen weiteren Stuhl und prügelt ihn zu Splittern. Als es nichts mehr zu zerstören gibt, wirft er mit einem scheußlichen Fluch den Tisch um und tritt so heftig von unten gegen die Tischplatte, dass sich ein Riss darin bildet. Das schwere Möbelstück schießt quietschend über den Boden, und ich verziehe das Gesicht.
Griffin wirbelt erneut zu mir herum, schwer atmend und groß und dunkel. »Eine flapsige Antwort.« Sein Blick gleitet über mich. »Wieso überrascht mich das nicht?«
Etwas in mir welkt unter der brennenden Hitze von Griffins Wut dahin, als ich in dem hoch aufragenden Mann vor mir den Kriegsherrn erkenne, der zu explosiver Gewalt fähig ist. Egal, wie oft ich ihn auch provoziert habe, er hat mich noch nie auf diese Weise angesehen – als wolle er mir wehtun.
Gewöhnlich lache ich – oder tue zumindest so – wenn Gefahr droht oder ich mit zügelloser Wut konfrontiert werde. Nicht dieses Mal. Aber ich schaffe es, mein Kinn zu heben. »Die Wahrheit ist ans Licht gekommen. Ich weiß nicht, was ich deiner Meinung nach sagen soll. Erwischt?«
»Erwischt?«, donnert er, wobei er gleichzeitig auf mich zukommt. »Erwischt?«
Ich presse die Lippen aufeinander und weiche nicht von der Stelle. Es gibt keine Entschuldigung. Ich mag vieles sein, aber eine Heuchlerin bin ich nicht.
Mein Schweigen nervt ihn immer. Diesmal treibt es ihn erneut in einen Wutanfall. Griffin zieht sein Schwert. Ich kann keinen Hinweis mehr auf sein rationales, vernünftiges, gleichmütiges Selbst mehr erkennen. Als er nach mir greift, gefriert mir das Blut in den Adern, doch er schiebt mich nur schnell – und nicht allzu sanft – vom Bett weg. Sobald ich aus dem Weg bin, packt er das Heft mit beiden Händen und lässt die Klinge mit einem wütenden Schrei nach unten sausen. Seine Klinge sinkt in die Matratze ein. Ich keuche. Griffin reißt sein Schwert wieder heraus und schlägt erneut zu. Und noch mal. Jeder Angriff heftiger und wilder als der letzte. In einem Wirbelsturm der Zerstörung schlägt und stößt Griffin zu, zerbricht und zerfetzt alles. Nach wenigen Minuten hat er das, was einst unser riesiges Bett war, in einen Haufen aus zerquetschten Federn, zerrissenem Stoff und gesplittertem Holz zerlegt.
Ein heißer Schmerz sammelt sich in meiner Kehle. Meine Augen brennen. Ich beiße mir auf die Lippe, um die Tränen zurückzuhalten. Er hat das Bett zerstört; das Einzige in dem Raum, was eine Bedeutung für uns hatte.
Katzen weinen nicht. Ich werde nicht weinen.
Griffin wendet sich mir zu. Seine Augen sind wild, und seine Brust hebt und senkt sich in schweren Atemzügen. »Helena, deine Cousine, hat ihr Kind bekommen.«
Ich blinzle. Gefühle tosen in mir wie eine Sturmflut, die mir mit ihrem Donnern und Toben das Hörvermögen raubt. Es kostet mich einen Moment, um dem plötzlichen Themenwechsel zu folgen. »Hier?«
Er nickt, die Bewegung so angespannt wie seine Worte. »Sie hat gehört, dass du angegriffen wurdest, dachte aus irgendeinem Grund, man würde sie dafür verantwortlich machen, und ist in Panik verfallen. Das hat anscheinend die Wehen ausgelöst. Ihre gesamte Familie ist geblieben, als der Rest der Gäste des Reichsbanketts abgereist ist.«
»Ihre Familie?« Sorge ergreift Besitz von mir. Ich muss fliehen!
»Die Familie ihres Ehemannes.«
Oh. Okay. »Wer ist ihr Ehemann?« Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, es herauszufinden. Helena und ich haben uns während des Reichsbanketts, als sich unsere Wege zufällig kreuzten, kaum unterhalten. Ich war zu sehr darauf konzentriert, sie von Griffin fernzuhalten, bevor sie meine Geheimnisse verraten konnte oder bevor ich etwas Unverzeihliches tun würde – wie meine Kompulsionsmagie gegen sie einzusetzen.
»Orest«, antwortet er.
»Orest? Agathons und Uranias Sohn?« Ich erinnere mich daran, dass er auf dem Bankett abgelenkt war und darauf wartete, dass sich ihm jemand anschließt. Helena, nehme ich an.
Ein bissiges Lächeln verzieht Griffins Lippen. »Ich hoffe, du bist nicht eifersüchtig?«
Ich schnaube. »Das ist nicht witzig, weißt du.« Und er weiß offensichtlich eine Menge.
»Orest und ich hatten ein interessantes Gespräch, während sich meine Mutter, Egeria und Jocasta hinter geschlossenen Türen um Helena gekümmert haben. Seine Nervosität hat ihn die ganze Zeit über reden lassen. Rate mal, was ich erfahren habe.« Griffin rammt sein Schwert in den umgedrehten Tisch, sodass sowohl Klinge als auch das schwere Heft von der schieren Kraft seines Stoßes erzittern.
»Helena war nicht seine erste Wahl als Braut. Er und seine Eltern hatten ein sehr viel höheres Ziel anvisiert: eine fisanische Prinzessin. Sie glaubten, ihr altes Geschlecht, die starke Magie in der Familie und ihre tiefen Taschen könnten ihnen das Beste kaufen, was es auf dem Markt gab, selbst wenn das betreffende Mädchen damals kaum mehr war als ein Kind. Aber Alpha Fisa hatte anscheinend andere Pläne für ihre Tochter. Sie wollte sie nicht aufgeben. Tatsächlich war Andromeda von dem anmaßenden Angebot so erzürnt, dass sie ihnen den Boten in Form eines blutigen Torsos zurückgeschickt hat.« Griffin richtet seinen anklagenden Blick auf mich. »Weißt du zufällig etwas darüber?«
Ich antworte nicht. Ich kann kaum atmen.
»Orest ist jetzt, wie sich herausstellt, sehr zufrieden, nachdem er all die Jahre auf die perfekte Frau gewartet hat. Anscheinend ist er begeistert, dass ihm nicht ›dieser Teufelsbraten von Catalia aufgehalst‹ wurde. Sie war wild, feindselig und unberechenbar. Ähnelte zu sehr ihrer Mutter. Und jetzt ist sie Beta Fisa und verdammt noch mal verschwunden, womit ihre Familie vor einem ziemlichen Problem steht.« Griffins Augen brennen, und sein glühender Blick scheint direkt in die Tiefen meiner beschmutzten Seele vorzudringen. »Klingt das nach jemandem, den du kennst, Talia?«
Ich nicke. Mir ist so übel und der Kloß in meiner Kehle so dick, dass ich kein Wort herausbringe.
»Er hat dich perfekt beschrieben. Nicht körperlich, aber den gesamten Rest.« Griffin fährt sich mit der Hand durchs Haar, dann zerrt er kurz an den überlangen Strähnen und tritt erneut gegen den Tisch. Diesmal splittert die Platte. »Ich war so verdammt dämlich! In Bezug auf dich.« Er lacht, und das gebrochene Geräusch lässt mich zusammenzucken. »Es musste mich anspringen, damit ich es sehe. Ich habe einfach … ich hätte nie gedacht, dass du Teil dieser … verachtenswerten Familie sein könntest.«
Seine Worte reißen mir ein Loch in die Brust. Verachtenswert. Ich bin verachtenswert.
Erneut beginne ich zu zittern. Noch gestern hat Griffin geschworen, dass wir zusammenbleiben würden oder bei dem Versuch uns zu trennen sterben. Jetzt kann er mich nicht einmal mehr ansehen.
Anklagend fragt er: »Wie ist es, die Verlorene Prinzessin zu sein? Die Frau, nach der alle suchen?«
»Sie suchen nicht nach mir. Sie jagen mich.«
»Du stellst dich recht geschickt darin an, zurückzujagen.«
Ich fühle, wie ich bleich werde. Griffin hat gesehen, wie ich meinen eigenen Bruder getötet habe. Inzwischen hat er die Verbindung hergestellt. Otis hatte es verdient, und es gab keine Wahl, entweder wir oder er. Aber ich habe es getan. Ich bin so eine Person. Ich bin alles, was Griffin verabscheut.
»Ich habe dir das aus gutem Grund nicht gesagt, aber jetzt kennst du ihn.« Ich hasse es zu hören, wie mir die Stimme bricht, aber ich kann nichts dagegen tun. Jeder Atemzug fällt mir schwer.
»Und der wäre, Talia?«
»Nenn mich nicht so.«
»Das ist dein Name.«
»Mein Name ist Cat. Ich bin Cat.« Ich will nicht Talia sein. Ich will nicht Beta Fisa sein. Ich will nicht das Mädchen sein, das von seiner Mutter gefoltert wurde, oder das Mädchen, das dafür gesorgt hat, dass seine Schwester umgebracht wurde. Ich will nicht Andromedas Tochter sein oder die Person, die zusehen musste, wie diesem sintanischen Boten erst die Arme und dann die Beine abgeschlagen wurden. Sein Blut ist auf mich gespritzt, aber ich stand einfach nur da und habe zugesehen.
Griffins Augen sind hart wie Stein. »Ich kenne dich überhaupt nicht.«
Er glaubt das wirklich. Meine Königsmacherinnen-Magie verrät es mir. Jede Lüge würde sich in mir anfühlen wie ein riesiges Feuer, doch dies hier ist die eiskalte Wahrheit. »Ich bin dieselbe Person, die ich gestern war. Und am Tag davor. Nichts hat sich verändert.«
Griffin stürmt auf mich zu, packt meine Schulter und rammt mich mit dem Rücken gegen die Wand. Seine Finger graben sich in meine Haut, und der Aufprall presst mir die Luft aus der Lunge. Ich ringe um Atem, während das verknotete Laken nach unten rutscht.
Sein granitgrauer Blick droht mich zu durchbohren. »Nichts hat sich verändert?«
Ich zwinge mich, tief einzuatmen und den Kopf zu schütteln. »Nicht, wenn du das nicht willst.«
»Ich glaube, du hast keine Ahnung, was ich will. Oder wer ich bin.« Er drängt sich näher heran, doch diese Fast-Umarmung hat nichts Liebevolles. Es ist eine reine Drohung. »Was ist es, was ich über allem anderen wertschätze?«
Ich schlucke, meine Kehle ist zu trocken, um zu sprechen. Gestern hätte ich vielleicht noch geantwortet, das wäre ich. Heute dagegen … »Loyalität«, antworte ich schließlich mit verkrampftem Magen. Und Loyalität bedeutet, die Wahrheit zu sagen.
»Also hörst du auch zu?« Er packt mich so fest, dass es schmerzt. »Du redest nicht nur?«
Ich keuche. »Griffin! Du tust mir weh.«
Er wirft einen kurzen Blick auf seine Hände, dann lockert er den Griff um meine Oberarme ein wenig. »Ist das der Grund, warum du mir nicht verraten hast, wer du wirklich bist? Weil du geschnappt werden könntest?«
»Geschnappt werden?« Ein überraschtes, ein wenig irres Lachen entkommt meinen Lippen. »Ich habe dir die Wahrheit aus sehr viel egoistischeren Gründen nicht verraten.«
Er runzelt die Stirn. Tiefe Linien bilden sich um seinen Mund, und ein seltsamer Ausdruck gesellt sich zu dem gefährlichen Glitzern in seinen Augen. »Dann hast du einfach abgewartet. Auf den richtigen Augenblick, um uns für immer zu verlassen.«
Mit ›uns‹ meint er sich. Und er irrt. »Ich habe es dir nicht gesagt, weil ich den Gedanken nicht ertragen konnte, dass du mich so siehst, wie ich mich selbst sehe!«
Er starrt auf mich herab, seine Miene immer noch hart, aber gleichzeitig auch ausdruckslos. »Was?«
»Ich bin nicht die Richtige für dich.«
»Was?«, knurrt er und schüttelt mich gleichzeitig. Mein Hinterkopf knallt gegen die Wand, und er hält inne.
»Ich gehöre nicht hierher! Es war nur eine Frage der Zeit, bis du das herausgefunden hättest.«
»Was willst du damit sagen?«, verlangt Griffin zu wissen. »Dass du zu hoch über mir stehst? Zu gut für mich bist?«
Was? Nein! »Ich will sagen, dass ich es nicht wert bin, den Dreck von deinen Stiefeln zu lecken!«
Wut blitzt in seinen Augen auf. Für einen Moment glaube ich, dass er mich doch verletzen wird. Ich bin stark, und ich bin schnell. Griffin ist stärker und schneller, und er ist immun gegen jede schädliche Magie, also könnte selbst die beängstigende Menge Drachenatem, die ich gespeichert habe, nichts gegen ihn ausrichten. Als wir Sybaris getötet haben, habe ich so viel tödliche Feuermagie wie möglich von dem Drachen aufgenommen. Sie gehört jetzt mir. Doch trotzdem lautet die beängstigende Wahrheit: Wenn Griffin mich bestrafen will, kann er das tun.
Sein Atem geht unregelmäßig. Der wilde Blick in seinen Augen jagt mir Angst ein, als er mich gegen die Wand presst, gefangen unter seinem harten Körper. Sein Halt ist schmerzhaft.
»Au! Griffin! Lass mich los.«
Seine Nasenflügel blähen sich. Der Zorn in seiner Miene lässt ein wenig nach. Er tritt zurück, gibt mich so schnell frei, dass ich stolpere. Das Laken beginnt, noch tiefer zu rutschen, und ich packe es, um es wieder nach oben zu ziehen. Griffin zieht sich zurück, setzt einen Fuß hinter den anderen. Langsam. Ohne mich aus den Augen zu lassen.
»Dich gehen lassen.« Er tritt einen weiteren Schritt zurück und sieht sich dann im Raum um, als hätte er ihn noch nie zuvor gesehen. Er weicht immer weiter von mir zurück, in Richtung der Tür. Seine großen Hände schließen und öffnen sich immer wieder, heben sich langsam. Sein Blick gleitet erneut durch den von Wut zerstörten Raum, bevor er auf mir landet.
»Griffin?«
Als sich unsere Blicke treffen, ist es, als würde ein Donner durch den Raum hallen. Er wirkt … entsetzt. »I-ich werde das nicht tun. Ich kann nicht … bei dir sein.«
Mir bleibt vor Schreck der Mund offen stehen. Mir steigen Tränen in die Augen. Das kann er nicht ernst meinen! Was ist mit unserem Eid geschehen? Was ist mit seinem Versprechen, mich niemals aufzugeben?
Mein Herz pocht, schmerzhaft, verkrampft und schnell. Ich weiß, was geschehen ist – ich.
Bevor ich etwas sagen kann, bevor ich die richtigen Worte finde, um ihn bei mir zu halten – jetzt und für immer – reißt Griffin sein Schwert aus dem zerbrochenen Holz des Tisches und verlässt eilig den Raum.
Und mich.
Ich kann nicht bei dir sein.
Ich rutsche an der Wand nach unten. Ein tiefer, allumfassender Schmerz breitet sich in mir aus, bis er jeden Teil meines Körpers erobert hat, sich in Blut und Knochen niederlässt. Tränen lassen den Blick auf das zerstörte Bett verschwimmen. Ich schließe fest die Augen, um den Anblick auszublenden. Um die Tränen zurückzuhalten. Doch sie rinnen weiter, heiße Tropfen, die über meine Wangen laufen. Ein Schluchzen steigt in meiner brennenden Kehle auf. Heiß und gewalttätig bricht es sich Bahn, um den ganzen Raum zum Zittern zu bringen.
Ich senke die Hände und öffne die Augen, als ich mich auf dem schwankenden Boden nach oben stemme. Panisch dränge ich alles zurück – meinen Herzschmerz, diese Magie und mein schreckliches Potenzial für Zerstörung. Der Gletschersplitter in meiner Kette pulsiert vor Magie, also zwinge ich die Kälte in meine Adern, betäube meinen Körper, meinen Schmerz. Der Raum hört auf zu schwanken.
Erschüttert und vorsichtig atme ich so flach wie möglich. Meine Lunge brennt und mein Puls rast wie ein Trommelwirbel. Die Götter wissen, dass ich mit der Macht meiner Gefühle die ganze Burg hätte zum Einsturz bringen können. Ich bemühe mich, betäubt zu bleiben, als ich das verknitterte Laken fester um mich ziehe. Es duftet nach Griffin und mir, und sofort bricht mein Herz erneut und zerstört fast meine fragile Kontrolle.
Ich balle die Hand im Stoff zur Faust, bis ich das Stechen meiner Fingernägel in der Handfläche spüre. So sollte es nicht laufen. Griffin hat mich gebeten, ein Risiko einzugehen. Ihm eine Chance zu geben. Dem Vertrauen eine Chance zu geben. Der Liebe. Ich habe es getan, und jetzt kann ich sehen, was ich davon habe. Mir entgeht nicht, dass ich mein Leid ganz allein mir selbst zuzuschreiben habe. Das macht alles nur noch schlimmer.
Druck baut sich in meiner Kehle auf. Ich glaube, nur ein lauter, ursprünglicher Schrei könnte ihn lösen, doch das lasse ich nicht zu. Ich habe zu viel Angst davor, was ich damit anrichten könnte.
Die Taubheit, die ich mir auferlegt habe, gerät gefährlich ins Wanken, als ich mir die Zerstörung im Raum betrachte. Sie ist eine Anklage und ein sichtbares Zeichen des Verlustes von allem, was ich fast besessen hätte.
Die Steine um mich herum zittern leise und stöhnen. Ich fahre mir mit den Händen in die Haare, ziehe sie nach vorne und vergrabe meinen Kopf zwischen den Knien. Dann wiege ich mich vor und zurück, um die Kontrolle nicht zu verlieren.
Griffin und ich haben uns etwas geschworen. Aber er ist Hoi Polloi und nicht von Versprechen gebunden, wie es bei Magoi der Fall ist. Die Magie in meinem Blut sorgt dafür, dass mündliche Versprechen dauerhaft und unumstößlich sind. Ich bin für den Rest meines Lebens gebunden, wenn Griffin mich nicht freigibt.
Ich rolle mich zu einem Ball zusammen. Er wird mich nicht freigeben. Er wird mich niemals freigeben. Griffin braucht die Königsmacherin, selbst wenn er Cat nicht will.
Ein tonnenschweres Gewicht scheint sich in meiner Brust niederzulassen. Ich bin magisch an Griffin gebunden, aber er nicht an mich. Ich werde gezwungen sein, hier bei ihm zu bleiben, ohne mit ihm zusammen zu sein. Ich werde zusehen müssen, wie er ohne mich weiterlebt.
Tief einatmen. Langsam ausatmen.
Wen interessiert es, wenn ich weine?
Erneut zittert der Raum, und ich hole scharf Luft. Anscheinend darf ich keine weiteren Tränen vergießen. Tatsächlich sind meine Möglichkeiten grauenhaft eingeschränkt.
Ich stehe auf, reibe mir das Gesicht mit den Händen trocken und löse das Laken von meinem Körper, um es auf dem Boden liegen zu lassen. Mit mechanischen Bewegungen ziehe ich mich an und lege Messer und Schwert an, bevor ich meine anderen Besitztümer einsammle und auf das Laken fallen lasse, um Griffins Raum von allem zu befreien, was mir gehört.
Es ist nicht viel. Mit brennenden Augen starre ich auf den Haufen herunter, bei Weitem nicht so ungerührt, wie ich sein sollte. Mein Atem stockt. Ich presse meine Handballen fest auf die Augen, zwinge die beharrlich aufsteigende Hitze zurück. Dies sollte eigentlich mein Zuhause sein. Was für eine Närrin ich doch war, das wirklich zu glauben.
Während ich mich bemühe, die Burg nicht erneut mit einer Macht zu erschüttern, von der ich nicht mal weiß, wie ich sie kontrollieren soll, binde ich die Ecken des Lakens zu einem improvisierten Bündel zusammen. Ich werfe es mir über die Schulter und schaue nicht zurück. Ich schaue nie zurück. Doch die eisige Wand, die meine Gefühle zurückhält, ist immer noch sehr fragil. Und egal, wie sehr ich mich auch bemühe, sie mit Hilfe des Gletschersplitters in meiner Kette zu verstärken, hämmern doch Schmerzen auf mein Herz ein, erbarmungslos und heftig.
Ein konzentrierter Gedanke löst einen vertrauten Faden Magie aus dem Rest der Macht in meinem Inneren. Ich mache mich unsichtbar, und damit wird auch alles unsichtbar, was mit mir in Kontakt steht – Kleidung, Waffen, mein improvisiertes Bündel. Meine abgetragenen Stiefel geben kein Geräusch von sich, als ich durch die Nebengänge von Burg Sinta schleiche, um jeglichen bewohnten Räumen aus dem Weg zu gehen. Niemand würde mich sehen – aber ich will auch sie nicht sehen.
Ich überquere den Hof der Athena, bemüht, nichts zu sehen, nichts zu fühlen, nichts zu denken. Ich darf nicht noch mal weinen. Das kann ich mir nicht leisten. Niemand hier kann sich das leisten. Die Magie in mir tobt immer noch wie ein Sturm. Mein Leid ist so tief, so roh, so mächtig, dass ich keine Ahnung habe, was geschehen würde, wenn ich diesen Empfindungen freien Lauf ließe. Wahrscheinlich nichts Gutes. Ich glaube, ich habe meinen Namen aus gutem Grund zu Cat verkürzt – wie in Katastrophe.
Mein unendlich unkluger Eid, bei Griffin zu bleiben, macht es mir körperlich unmöglich, ihn zu verlassen – womit mir nur ein Ort bleibt, an den ich gehen kann. Nach einem Gang, der sich wie ein langer Marsch durch feindliches Territorium anfühlt, öffne ich eine nichtssagende Tür und starre in den kleinen, dämmrigen Raum in der Kaserne, den ich einmal bewohnt habe. Ein schmales Bett. Eine kleine Truhe. Ein grob gezimmerter Tisch, der schon bessere Tage gesehen hat. Ein Stuhl.
Zuhause, denke ich.
Verglichen mit dem Luxus der Burg ist das hier ziemlich spartanisch.
Ich zünde die Lampe in dem fensterlosen Raum an, dann schließe ich die Tür hinter mir und gebe meine Unsichtbarkeit auf. Von Schmerz erfüllt packe ich mein Laken aus und verstaue meine Kleidung und meine Waffen. Die methodische Aufgabe hilft mir dabei, die Gewalttätigkeit der Trauer in mir zu beruhigen. Sobald ich das erledigt habe, fällt mir nur eine Art von Flucht vor diesem dauerhaften, überwältigenden Schmerz ein – abgesehen vom Tod.
Ich entkleide mich und ziehe mir eines meiner neuen Nachthemden über den Kopf, wobei ich die Augen fest zupressen muss, als mir einfällt, dass ich dieses fast durchsichtige Kleidungsstück für Griffin tragen wollte. Seine sturmgrauen Augen hätten vor Leidenschaft gebrannt. Starke, vom Kampf schwielige Hände hätten nach mir gegriffen. Sein Atem hätte sich beschleunigt und ich wäre unter seiner ersten Berührung dahingeschmolzen.
Mein Herz verkrampft sich schmerzhaft, und ich öffne die Augen, um das kalte, kleine Bett anzustarren. Nichts davon ist geschehen. Wir hatten nur ein paar Nächte miteinander, bevor … das hier passiert ist.
Ich wende mich dem Tisch zu, puste die Lampe aus – wobei mein Atem gefährlich stockt – dann gleite ich in vollkommener Dunkelheit unter die Decke. Es überrascht mich nicht, dass die Matratze rau und ohne Laken unter mir liegt. Ich habe den Raum verlassen. Niemand hätte gedacht, dass ich zurückkehren würde – am allerwenigsten ich selbst.
Stundenlang liege ich da und kämpfe gegen die Tränen. Versuche Schlaf zu finden und bemühe mich, an nichts zu denken. Denn Nichts ist alles, was mir bleibt.
Ich erwache davon, dass die Tür gegen die Wand knallt und plötzlich das Licht einer Fackel meinen kahlen Raum erleuchtet. Ich setze mich auf, schiebe mir das Haar aus dem Gesicht und blinzle ins Licht. Ist jemand gekommen, um mich zu verhaften? Werde ich im Verlies leben statt in der Kaserne? Das würde mich nicht überraschen. Ich bin schließlich der Feind.
Flammen flackern, als jemand die Fackel von rechts nach links schwenkt, um erst den Raum und dann … Griffin? … zu beleuchten. Seine Gestalt wird vor anderen, dunklen Silhouetten sichtbar. Als sich meine Augen an das Licht gewöhnen, dringt ein Keuchen über meine Lippen.
Was ist mit ihm geschehen? Seine Augen sind wild, sein Gesicht ausgezehrt. Er wirkt nicht einfach nur verzweifelt, er wirkt zerstört.
Griffin übergibt die Fackel an jemanden hinter sich, dann springt er nach vorne und reißt mich in seine Arme. Unsere Körper berühren sich. Sofort verkrampft sich meine Brust. Es fühlt sich so perfekt an, so richtig, wenn er mich so hält. Mich umgibt, mich drückt, bis ich fast nicht mehr zu atmen vermag, und Küsse auf mein Gesicht niederregnen lässt. Sein dichter Bartschatten kratzt – meine Nase, meine Wange – und ich wünsche mir mehr von diesem Gefühl. Dieses leise Kribbeln beweist, dass er hier ist. Dass das hier real ist.
Griffins leise, raue Stimme durchfährt mich wie ein Messerstich. »Den Göttern und dem gesamten Olymp sei gedankt.« Ein Zittern überläuft seinen Körper. »Ich dachte, du hättest mich verlassen.«
Mein Blut rauscht betäubend laut in meinen Ohren. »Ich verstehe nicht. Du hast mich verlassen.«
»Nein. Nein.« Sein schwerer Atem streicht über meinen Hals. »Ich werde dich nie verlassen.«
»Aber … habe ich den gesamten Streit nur geträumt?« Ist das überhaupt möglich? Gute Götter! Vielleicht bin ich wahnsinnig!
Griffin schüttelt nur den Kopf. Seine Wärme und sein Duft nach Sonnenschein und Zitrone umgibt mich wie der schönste Traum, den ich je gehabt habe. Ich sehe über seine Schulter zu den anderen Männern. Kato und Flynn blockieren den Türrahmen. Carver steht hinter ihnen. Sie alle wirken ausgezehrt und müde. Als hätten sie eine Weile nicht mehr geschlafen. Flynn nickt mir zu, dann schiebt er die Fackel in einen Halter an der sonst leeren Wand. Sie ziehen sich zurück und schließen die Tür hinter sich.
Ich vergrabe meine Finger in Griffins Tunika. Meine Hände sind zwischen uns gefangen, an seiner harten Brust, und ich spüre seinen rasenden Herzschlag unter meinen Fingern. Ich verzehre mich danach, ihn zu halten. Ich habe panische Angst davor. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es überleben könnte, ihn zweimal zu verlieren.
»Ich konnte dich nicht finden«, krächzt er, sein Gesicht immer noch in meiner Halsbeuge vergraben. »Den ganzen gestrigen Tag. Die ganze Nacht über. Den ganzen Tag heute. Es ist nach Mitternacht.«
»Ich habe so lange geschlafen?« Jede Heilung braucht eine Menge Schlaf, und mein Inneres war immer noch wund, als ich das letzte Mal aufgewacht bin … vor eineinhalb Tagen? Jetzt tut nichts mehr weh. Aber ich bezweifle, dass das der Grund ist, warum ich so tief geschlafen habe. Ich war immer gut in Verleugnung. Ich wusste nicht, dass ich einfach in einen leeren Raum schleichen und mich selbst in ein Koma versetzen kann.
»Deine ganzen Sachen waren verschwunden, als hättest du nie existiert. Ich habe die Burg durchsucht. Die Wälder. Die Stadt. Den Zirkus.«
Beklemmung ergreift Besitz von mir. »Oh Götter. Selena.« Meine quasi-Adoptivmutter hat Griffin eine Reihe von Schicksalen schlimmer als der Tod angedroht, falls er jemals zulassen sollte, dass mir etwas zustößt. »Was hat sie getan?«
Er brummt, eine Mischung aus Respekt und einem ordentlichen Maß Misstrauen. »Sie hat mir quasi allein mit den Augen die Eingeweide herausgerissen. Sie hat mich angesehen, und ich schwöre bei den Göttern, ich habe gespürt, wie meine Gedärme sich erhitzt und verdreht haben.«
Ich habe keinerlei Problem damit, das zu glauben. Das ist es, was Selena zu einer der beängstigendsten Personen macht, die mir je begegnet sind. Die Besitzerin des Wanderzirkus, in dem ich mich fast acht Jahre lang versteckt habe, verspürt mir gegenüber einen fast übermäßigen Beschützerinstinkt. Und Selena mag Griffin nicht besonders – genauso wenig, wie ihr gefällt, dass ich mich entschieden habe, bei ihm zu bleiben. Fairerweise muss man dazu sagen, dass er mich quasi unter ihrer Nase entführt hat, womit ich eine lange Zeit alles andere als zufrieden war – um es gelinde auszudrücken.
Ohne mich freizugeben, setzt sich Griffin auf die Bettkante und zieht mich auf seinen Schoß. »Ich dachte …« Er räuspert sich und packt mich fester. »Ich dachte, du hättest dich unsichtbar gemacht und wärst verschwunden.«
Und ich dachte, er würde mich niemals wieder so halten. Mich nie wieder gegen seinen Körper drücken, als wäre es ihm schlichtweg unmöglich, mich loszulassen. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich überglücklich, mich geirrt zu haben. »Das kann ich nicht.«
Griffin beugt sich leicht zurück, um mir ins Gesicht zu sehen. »Du kannst nicht?«
Ich umfasse seine Wange, weil ich einfach diese unglaubliche Männlichkeit spüren muss. Sofort lehnt er sich leicht, fast unbewusst, in meine Berührung.
»Ich könnte einen Spaziergang machen und zurückkommen. Zum Training gehen. Einkaufen. Freunde besuchen. Aber falls ich wirklich beabsichtige, dich zu verlassen, käme ich wahrscheinlich nicht weiter als bis zum Tor der Burg. Ich habe geschworen, mit dir zu leben oder bei dem Versuch zu sterben. Ich kann dich nicht verlassen, außer …« Ich schlucke schwer und plötzliche Nervosität sorgt dafür, dass sich mein Magen hebt. »Außer, du entbindest mich von meinem Eid.«
»Niemals.« Griffins unleugbare, wunderbare Wahrheit verbrennt mich mit ihrer Intensität. Ich habe mich für ihn entschieden. Ich habe mich für uns entschieden. Ich will nicht, dass er mich freigibt.
»Und mein Eid dir gegenüber bleibt bestehen, Cat. Genauso bindend wie deiner.« Wahrheit hallt in seinen Worten wider und die Worte Für immer werden mir in einer Welle von Magie zugetragen – ein Versprechen, das er niemals brechen wird.
Ein Pulsieren breitet sich in meiner Brust aus. Es baut sich auf, schlägt gegen die Wand, die ich um mein Herz errichtet habe, bis die zerbrechliche Barriere aus Eis unter dem Ansturm der Hitze zerbricht.
Ich vergrabe meine Hände in Griffins Haaren, nutze seine schwarzen Locken, um ihn festzuhalten. »Aber du hast gesagt, du wärst mit mir fertig.«
»Wie konntest du das glauben?« Er schüttelt mich, gleichzeitig sanft und verzweifelt. »Ich liebe dich wie ein Wahnsinniger.«
Mein Atem stockt. Tränen brennen in meinen Augen, doch ich halte sie mit einem Blinzeln zurück. »Du hast gesagt, du kannst nicht bei mir sein.«
Griffin wirkt verwirrt. Dann wütend. »Ich konnte in diesem Moment nicht bei dir sein. Du hast Unsinn von dir gegeben, der mich in den Wahnsinn getrieben hat – Quatsch in der Art, dass wir nicht zusammengehören. Ich kochte vor Wut und besaß … keinerlei Selbstkontrolle mehr. Ich habe dir wehgetan, also bin ich gegangen. Ich bin verschwunden, um dich nicht erneut zu verletzen, doch das hieß nicht, dass ich nicht zurückkommen wollte.«
Ich starre ihn mit offenem Mund an, und der schreckliche Knoten in meiner Brust löst sich auf. »Götter, ich bin so eine Idiotin!«
Griffin schüttelt den Kopf und streicht mir sanft die Haare nach hinten. »Es tut mir so leid, dass du das gedacht hast. Dass ich dich das habe denken lassen.«
»Nein. Mir tut es leid. Käme ich nicht aus einer vollkommen irren und gemeingefährlichen Familie, verstände ich Beziehungen vielleicht besser.« Vielleicht hätte ich dann Griffins Worte nicht auf die schlimmstmögliche Weise gedeutet. Vielleicht hätte ich dann im Zweifel zu seinen Gunsten entschieden und vielleicht, nur vielleicht, hätte ich mehr Vertrauen in unsere Liebe gehabt.
Griffin umfasst sanft meinen Kopf mit den Händen. Seine Berührung ist zart, aber seine Stimme trifft mich wie ein Messer. »Du hast mich angelogen. Du hast mir nicht vertraut. Diesen Gedanken hasse ich.«
»Ich vertraue dir!«
»Warum also? Warum hast du das vor mir verborgen?«
Ich öffne den Mund, um mich an einer Erklärung zu versuchen, doch nichts dringt heraus. Alle Worte, die vielleicht ausreichen würden, bleiben in meiner Kehle stecken.
»Ich brauche eine Antwort, Cat. Ich glaube nicht, dass du eine Wahl hast.« Griffin senkt die Hände. Sofort wird mir kalt. Ausdruckslose Augen. Dumpfe Stimme. Wenn er so aussieht, bekommt er, was er will.
Ich schlucke schwer. »Ich wollte nicht, dass du mich verlässt.«
Wenn überhaupt möglich, versteinert Griffins Miene noch mehr. »Wie ich schon sagte – kein Vertrauen.«
»Das stimmt nicht! Aber schau dich an. Deine Familie. Und dann schau mich und meine Familie an. Ich schäme mich. Und das sollte ich auch!«
»Du bist nicht sie.«
Ich lache, bitter und zittrig. »Ich bin nicht sie. Aber ich bin etwas.« Etwas, worüber ich nicht nachdenken will. Verleugnung ist eine alte Freundin.
Er atmet tief ein, und seine Lippen werden schmal. Seine Augen schließen sich einen Moment, dann öffnet er sie wieder und fängt meinen Blick ein. »Ich werde es auf sich beruhen lassen, Cat. Ich tue es für uns. Ich werde all diese Wochen der Täuschung vergessen, und wir können das hinter uns lassen. Versprich mir nur eines – dass da nichts anderes ist. Versprich mir, dass es keine weiteren Geheimnisse mehr zwischen uns gibt.«
Mein Magen verkrampft sich und ich senke den Blick.
Griffin reagiert sofort. »Was?«, verlangt er zu wissen. »Was ist es?«
Grauenhafte Worte steigen in mir auf; eine vergiftete Prophezeiung. »Ich bin noch nicht bereit, darüber zu sprechen.«
Sein Blick wird stürmisch, und dieser Muskel an seinem Kinn zuckt.
»Es geht nicht darum, dass ich dir nicht vertraue«, versuche ich zu erklären. »Ich liebe dich. Ich vertraue dir. Es geht um mich. Darum … mir selbst zu vertrauen.«
Er schweigt so lange, dass sich Angst tief in mir ausbreitet. Dann sagt er, so leise, dass ich ihn fast nicht hören kann: »Schön.«
»Schön?«
Er nickt, kurz und abgehakt, fast, als täte er es gegen seinen Willen. »Für den Moment. Aber beantworte mir zumindest diese Frage: Warum hast du die Burg verlassen? Wie konntest du gehen?«
Ich runzle die Stirn. »Ich dachte, du willst mich nicht mehr.«
Griffin knurrt, ein Geräusch, das tief aus seiner Kehle aufsteigt. Er beugt sich vor und drückt seinen Mund auf meinen, zuerst sanft, dann fester. »Ich werde dich immer wollen.«
Seine Worte sind ein Versprechen, sein Kuss eine Forderung. Ich erwidere den Kuss, gönne mir kaum die Luft zum Atmen. Schon mit der ersten Berührung unserer Zungen erobert Griffin mühelos meinen Körper, meine Seele und mein angeschlagenes Herz. All das gehörte ihm sowieso.
Ich klettere auf seinen Schoß, die Knie rechts und links neben seinen Hüften. Seine Hände gleiten an meinem Rücken hinab, um meinen Hintern zu umfassen und die Finger in meinem Fleisch zu vergraben, wie ich es so liebe – und er auch. Er zieht mein Nachthemd zur Taille hoch, ballt den Stoff in den Händen. Als seine Hände sich wieder heben, folgt das dünne Gewebe seiner Bewegung.
Griffin bricht unseren Kuss ab, um das Kleidungsstück über meinen Kopf zu ziehen. Mit einem Stirnrunzeln wirft er es zur Seite. »Was ist das?«
»Ein Nachthemd.«
»Ich weiß, dass das ein Nachthemd ist. Wo hast du es her?«
»Kaia hat es mir geschenkt. Es kommt aus ihrem Schrank.«
»Kaia?« Es ist immer wieder erstaunlich, wie kalt seine Stimme werden kann, ohne sich zu heben oder zu senken. »Meine fünfzehn Jahre alte Schwester Kaia?«
»Ja, diese Kaia und Jocasta sind die Einzigen, die mich so gekleidet gesehen haben, also kannst du gleich damit aufhören, Folter und Gefangenschaft zu planen.«
»Aber … Kaia?«
»Sie ist fünfzehn, Griffin. Manche Mädchen sind in diesem Alter schon verheiratet. Ich bin überrascht, dass sie nicht herumschleicht und die Pagen küsst.«
Sein Blick wird finster und stürmisch. »Hast du die Pagen geküsst?«
»Mit fünfzehn?« Ich nicke. »Und mit vierzehn. Und mit dreizehn …«
»Wenn du zwölf sagst«, knurrt er, »dann bin ich nicht mehr für meine Handlungen verantwortlich.«
Ich schiebe das Kinn vor und mustere ihn durch zusammengekniffene Augen. Langsam beginne ich, die irrationale Eifersucht dieses Mannes zu schätzen. »Mit zwölf …«
Mit einem gepressten Fluch wirft Griffin mich nach hinten aufs Bett. Ich lande auf dem Rücken, und schon nach einer halben Sekunde presst sein Gewicht mich in die Matratze, die harten, mächtigen Linien seines Körpers sind eine wunderbare Ergänzung meiner weicheren Stellen. Über mir aufgestützt schließt er die Augen und reibt sich mit einer Hand das Gesicht. Schwielen kratzen über Bartstoppeln. »Wir werden später darüber – und über Kaia – reden. Jetzt im Moment sprechen wir über uns.«
Ich bewege leicht die Hüfte. »Haben wir gesprochen?«
Hitze flackert in seinen Augen auf. Sein Körper antwortet mir – seine Erregung wird dicker und härter – doch sein Geist ist immer noch mit weniger angenehmen Dingen beschäftigt. »Nein. Aber das hätten wir tun sollen.« Griffin zieht sich weit genug von mir zurück, dass er sich wieder konzentrieren kann. »Du dachtest, ich wollte dich nicht mehr? Wie konntest du das glauben?«
Der Schmerz unseres Streits kehrt zurück, und ich versteife mich. »Es war keine völlig absurde Schlussfolgerung, weißt du? Dein ›ich kann nicht bei dir sein‹ war ein deutlicher Hinweis.«
Griffins große Hände umfassen mein Gesicht. Mit besorgtem Blick lässt er seine Daumen in einer rauen Liebkosung über meine Wangenknochen gleiten. »Du hast mich missverstanden. Und ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt. Das tut mir leid. Aber das habe ich nie gemeint.«
»Aber ich bin der Feind.«
Griffins Augenbrauen senken sich grimmig. »Nicht mein Feind.«
»Dann ein großes Hindernis! Du willst die Reiche erobern. Du willst sie zu einem Königreich vereinen und der König sein.« Es fällt mir nicht leicht, doch ich schiebe mich unter ihm hervor und setze mich auf, um ihn anzusehen. »Das will ich nicht. Das wollte ich nie. Und solange ich lebe, ist das eigentlich unmöglich. Als direkter Nachkomme des Ursprungs – Thalyrias ursprünglichem König – werde ich immer über dir stehen. Ich will über kein Königreich herrschen. Ich will nicht Alpha sein. Um der Götter willen, ich will nicht mal Beta sein. Oder die Prinzgemahlin. Oder was auch immer!«
Griffin runzelt die Stirn. »Mir ist egal, wer offiziell herrscht, solange wir tun, was getan werden muss. Gemeinsam.«
Ich schüttle den Kopf. »Ich glaube, letztendlich ist es dir nicht egal. Ich glaube, letztendlich wirst du herrschen wollen.«
»Und du redest dir wirklich ein, dass du den Kopf in den Sand stecken willst und nur in Erscheinung treten, wenn du jemanden retten musst, den du liebst? Was ist mit allen anderen? Die Reiche fahren mit ihren verderbten Alphas langsam in die Unterwelt. So ist es seit Generationen. Die Leute leiden. Sie brauchen Hilfe.«
»Und das ist der große Unterschied zwischen uns!« Das ist es, was Griffin zu einem guten Menschen und Anführer macht, und was mich … zu mir macht. »Ich will keinen Krieg riskieren – will nicht Tod und Zerstörung und die vollkommene Vernichtung jeder einzelnen Person, die mir etwas bedeutet, riskieren – um Leute zu retten, die ich nicht einmal kenne!«
»Das stimmt nicht. So bist du nicht, Cat.«
»So bin ich. Du hast mich selbstaufopfernd genannt. Du hast recht. Das bin ich – für die Menschen, die ich liebe. Das wird mich eines Tages umbringen. Das akzeptiere ich. Was ich nicht akzeptiere, ist für irgendwen anderen zu sterben.«
Griffin schüttelt heftig den Kopf. Sturer Kerl. »Der Machtumbruch steht bevor. Es wird Krieg geben, ob wir es wollen oder nicht. Unschuldige Leute werden leiden, und du wirst es nicht ertragen können.«
Ich starre ihn entsetzt an. Glaubt er das wirklich? Sieht er mich so?
Mein Herz beginnt zu rasen. In meinem Kopf sehe ich Armeen aufeinanderprallen. Ich sehe mich in der Mitte eines rasenden Sturms, mit Leichen um mich herum. Plötzlich ist jede Einzelne dieser Leichen meine Mutter. Zobelbraunes Haar. Grüne Augen. Eine Krone aus fisanischen Perlen. Meine Krone.
»Nein, Griffin, ich …« Ich schließe fest die Augen. Sie ist immer noch da. Sie setzt sich auf und sieht mich an, als hätte ich sie verraten.
Also öffne ich die Augen. Die Aussicht ist so viel besser. »Andromeda ist zu mächtig. Sie wird gewinnen. Sie gewinnt immer. Und wenn du tot bist, und die Schuld auf meinen Schultern lastet, werde ich mich davon nie erholen können.« Meine Stimme bricht. Ich schnappe nach Luft, während ein seltsam gebrochenes Geräusch aus meiner Kehle aufsteigt.
Griffin versteht diese Angst. Ich habe schon mit ihm darüber gesprochen – aber er beharrt darauf, unsere Beziehung nicht als das Todesurteil zu sehen, dass sie ist. Er zieht mich an sich, lässt seine warme Hand über meinen nackten Rücken gleiten. Seine Finger verweilen an meinem Nacken, halten mich fest. »Ich bin schwer umzubringen. Und du wirst nicht versagen. Du versagst nie.«
Ich presse die Lippen zusammen und lasse meine Stirn gegen seine Brust sinken. Suche ich Trost? Eigentlich verstecke ich mich. Ich habe bereits versagt. Ich war fünfzehn. Ich habe mich zurück in mein Zuhause geschlichen, bewaffnet nicht nur mit einem Messer und meiner neuen Unsichtbarkeit sowie der Fähigkeit, Magie zu stehlen – den Gaben von Poseidons See-Orakel –, sondern nach dem brutalen Tod meiner Schwester auch mit allumfassendem Hass. Dafür war Mutter verantwortlich, wie für so viele andere Grausamkeiten. Es wäre so einfach gewesen, mich zu rächen. Sie hätte mich niemals kommen gesehen.
Doch als ich die grausame, mächtige Alpha Fisa gesehen habe, wie sie auf der Lippe kaute, bis sie blutete, vollkommen außer sich, weil sie mich nicht finden konnte … da konnte ich es nicht tun. Ich war schwach und dumm, weil ich gedacht habe, dass sich Mutter vielleicht, nur vielleicht, gerade wie eine normale Person benimmt.
Sie hat mich nicht geliebt, oder vermisst. Um solch hehre Gefühle ging es nicht. Aber ich stellte etwas für sie dar, mehr als nur die Königsmacherin. Ich wusste damals nicht, was es war. Und das weiß ich heute noch nicht. Aber was auch immer es ist, es hat mich zurückgehalten, also habe ich sie auf die einzige Art verletzt, die mir noch blieb. Ich bin geflohen.
Griffin umfasst meinen Kopf, kippt ihn nach hinten, sein Halt ist sanft, aber trotzdem fest genug, um zu verhindern, dass ich den Kopf abwende. »Hör auf, nach Dingen zu suchen, die schieflaufen könnten, statt dich auf das zu konzentrieren, was funktionieren könnte.«
Ich verdrehe die Augen und schnaube leise. »Toll. Ein unerschütterlicher Optimist.«
Griffin drückt meine Wangen, bis sich meine Lippen schürzen. »Muss ich dich in die Unterwerfung küssen?«
Ich schnaube wieder. Irgendwie. Es ist ziemlich schwer, wenn einem das Gesicht so zusammengequetscht wird. »Unterwerfung? Wann hätte es das je gegeben?«
Er schenkt mir dieses schurkische Halblächeln, das immer dafür sorgt, dass mein Herz einen Sprung macht. Dann zwinkert er, und ich hätte schwören können, dass ich einen fisanischen Piraten vor mir habe. Ich spüre ein Flattern in der Brust.
»Es war einen Versuch wert.« Dann wird Griffin ernst und gibt mein Gesicht frei. »Ich weiß, dass dir Vertrauen schwer fällt – dass das immer so war –, aber du solltest trotzdem mehr Vertrauen in mich haben. In uns. Du hättest nicht gehen dürfen.«
Ich höre den tiefen Schmerz in seinen Worten mitschwingen, obwohl er seine Stimme neutral hält. Griffins neutrale Stimme richtet immer seltsame, schmerzhafte Dinge mit meinem Herzen an.
»Ich habe gerade mal den Hof zur Kaserne überquert.« Auch wenn das anscheinend der letzte Ort war, an dem jemand nach mir gesucht hat.
Griffin bedenkt mich mit einem harten Blick. »Du hättest nicht gehen dürfen.«
»Du hast unser Bett zerstört und ausgesehen, als wolltest du mir die Gliedmaßen einzeln ausreißen.«
Er starrt mich nur weiter an. »Du. Hättest. Nicht. Gehen. Dürfen.«
Ich reiße die Hände in die Luft. »Ich dachte, du wolltest, dass ich gehe! Ich dachte, ich müsste gehen. Die Burg ist dein Zuhause. Du hast Anrecht darauf. Sie gehört dir. Ich gehöre dort nicht hin.«
»Gehörst dort nicht hin?« Jegliche Neutralität verschwindet aus seiner Stimme. Seine grauen Augen brennen. »Natürlich gehörst du dorthin!«
Plötzlich nervös schüttle ich den Kopf. Ich glaube, ich habe gerade den schlafenden Zyklopen in diesem Mann aufgeweckt – sein inneres, ursprüngliches Monster.
»Und wenn du zustimmen würdest, mich zu heiraten, dann wüsstest du das verdammt noch mal!«
Oh-oh. Da ist es. Der riesige Rammbock von Kriegermonster. Es ist erwacht. Und kocht vor Wut. »Das spielt wohl kaum eine Rolle, wenn man in Betracht zieht, was sonst alles vor sich geht.«
»Spielt keine Rolle?«, faucht Griffin. »Es wird eine Rolle spielen, wenn unser erster Bastard geboren wird!«
Ich rümpfe die Nase. Von diesem Gedanken ist Griffin ziemlich besessen.
»Es wird bei offiziellen Terminen eine Rolle spielen, wenn du nicht deine angemessene Stellung einnehmen kannst.«
Ich zucke mit den Schultern. Meine Stellung auf irgendwelchen Empfängen ist mir egal.
»Es wird eine Rolle spielen, wenn meine Schwestern mir erklären, dass sie mit einem Mann dasselbe tun wollen, weil sie dich verehren und jedes deiner Worte in sich aufsaugen.«
Meine Lippen werden dünn. Mein Verantwortungsgefühl hebt sein hässliches Haupt.
»Es wird eine Rolle spielen, wenn jemand dich entführt und ich meiner Armee nicht erklären kann, dass wir für meine Ehefrau in den Krieg ziehen!«
»Niemand wird mich entführen.«
»Ich habe dich entführt!«
»Hör auf, mich anzubrüllen! Ich bin nicht taub!«
Stille breitet sich aus, als wäre mir gerade ein Riese auf den Kopf gefallen. Griffin hält sich vollkommen unbeweglich, doch gleichzeitig zittert er.
Mir wird bang ums Herz. Unsere Blicke treffen sich, und seine sehen aus wie der Himmel vor einem Sturm.
Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Was denkst du gerade?«
Seine unheilvolle Antwort erfolgt erst Sekunden, nachdem er meine Handgelenke gepackt und mich auf die Beine gezogen hat. »Ich denke darüber nach, dir eine Lektion zu erteilen, Eure Torheit.«
Griffin wirbelt mich herum und drängt mich gegen die Wand. Er fixiert meine Handgelenke mit einer Hand, zieht sie nach oben über meinen Kopf, bis meine Arme fast gestreckt sind. Mit der anderen Hand betastet er meinen nackten Hintern. Die Hitze seiner Haut steht in heftigem Kontrast zu dem kühlen Stein an meiner Vorderseite. Meine Brustwarzen verhärten sich. Einer von Griffins Fingern gleitet in die Spalte zwischen meinen Beinen, sodass ein Blitz aus Verlangen mich durchfährt. Ich glaube, diese Lektion könnte mir gefallen.
Doch dann zieht Griffin seine Hand zurück. Kühle Luft streicht über meinen Rücken, und Gänsehaut bildet sich. Ich warte, gefangen in einem Strudel aus Gefühlen und gespannter Erwartung. Was wird er mit mir anstellen? Wenn es so wird wie gewöhnlich, dann bin ich voller Begeisterung dabei.
Ohne Vorwarnung schlägt Griffin so heftig auf meinen Hintern, dass ich mich mit einem Jaulen gegen die Wand presse. Der Schlag brennt und sticht, innerlich wie äußerlich.
»Au!« Ich starre ihn über die Schulter böse an. »Hast du mich gerade versohlt?«
»Ja.« Er erwidert den Blick. Klatsch! »Zweimal!«
Ich keuche. »Griffin!«
»Der zweite Schlag war dafür, dass du zwölf Pagen geküsst hast«, knurrt er. »Der erste dafür, dass du mich in den Wahnsinn treibst.«
Ich trete nach hinten aus, doch mein Fuß streift ihn nur. Er ist einfach zu schnell. »Dafür wirst du zahlen«, stoße ich hervor und stampfe auf seine Zehen. Zweimal. Doch mein nackter Fuß richtet durch das dicke Leder seiner Stiefel kaum etwas aus. »Ich schwöre, dafür wirst du zahlen.«
»Wenn ich zahle, dann sollte ich mir besser eine Braut kaufen.«
»Argh! Du bist unmöglich!«
Griffin lehnt sich vor und fragt barsch an meiner Wange: »Wo gehörst du hin?«
»Was?« Mein Hintern brennt. Mir hat es besser gefallen, als Hintern versohlen noch eine Metapher für mich war.
Trotzdem spüre ich Erregung in mir aufsteigen, zusammen mit überraschender Erwartung, als Griffin erneut seine Hand über meinen Po gleiten lässt. Seine Finger schieben sich näher an meine Mitte heran, umfassen mich vollkommen. Ich höre auf, mich zu wehren, verzehre mich mehr nach seiner nächsten Berührung als nach irgendetwas anderem. Sanft lässt er seine Finger durch meine Falten gleiten. Ich drücke meine Stirn gegen die Wand und stöhne kapitulierend, weil ich allein durch seine sanfte Berührung feucht werde.
Griffins breiter Körper drängt sich an meinen Rücken. Er schiebt mit dem Gesicht mein Haar zur Seite, dann spüre ich seine Lippen an der empfindlichen Stelle unter meinem Ohr. Ich fühle seine Zähne, seine Zunge. Dann gleitet sein unglaublicher Mund sanft über meinen Nacken, sodass heiße kleine Schauder über meine Körper schießen. Er liebkost und küsst mich, wobei sein Atem immer schwerer wird. Mein Blut verwandelt sich in Lava. Verwegen und bereit dränge ich mich gegen seine Erregung.
Griffins freie Hand gleitet um meinen Körper herum zu meinem Bauch, um mich fest gegen sich zu drücken. »Wo gehörst du hin?«, fragt Griffin, seine Worte ein harsches Brummen an meinem Nacken.
Ein Lächeln verzieht meine Lippen. Jetzt habe ich die Regeln verstanden und bin bereit, mitzuspielen.
Ich versuche mit aller Kraft, meine Handgelenke zu befreien. Griffin verstärkt seinen Griff. Sofort schießt Erregung durch meinen Körper. Mein Name dringt als tiefes Stöhnen über seine Lippen, dann löst er seine Hand von meinem Bauch. Ich spüre, wie er seinen Gürtel löst. Einen Moment später fällt seine Hose und ich höre das Klirren der Metallschnalle auf dem Boden. Mit einer Hand zieht er sich die Tunika über den Kopf, sodass sie an dem Arm baumelt, mit dem er mich immer noch an der Wand festhält.
Sein nackter Oberkörper drängt sich gegen meinen nackten Rücken, brennend heiß. Verlangen entzündet ein Feuer in mir. Ich lehne mich gegen Griffins starken Körper und reibe mich an ihm. Feine Haare kitzeln meine Oberschenkel. Ich will ihn berühren, doch Griffin hat mich vollkommen in seiner Gewalt. Mir bleibt nur, zu empfinden, zu warten und mich zu verzehren. Die Neuheit und Unvorhersehbarkeit dieses Liebesspiels treibt mich zu olympischen Höhen der Erregung.
Griffins Hand gleitet erneut um meinen Körper, schiebt sich höher, bis seine Fingerknöchel über die Unterseite meiner Brüste streichen. Blitze huschen über meine Haut, direkt zu der Stelle, die sich ohne ihn unendlich leer anfühlt. Er berührt meine Brüste – umfasst sie, lässt seine Finger kreisen, neckt sie, drückt sie – und mein Kopf fällt nach hinten gegen seine Brust. Ich keuche und stoße atemlose Geräusche aus. Er lässt seinen Daumen über eine empfindliche Spitze gleiten. Hin und her. Dann wiederholt er die Liebkosung auf der anderen Seite. Ich presse meine Beine zusammen, weil sich meine Nerven nach Reibung verzehren. Griffin zieht an meinem Nippel. Verlangen pulsiert zwischen meinen Schenkeln, und meine Beine beginnen zu zittern.
»Du wirst mich foltern, oder?«, frage ich rau.
Seine Stimme ist ein erotisches Versprechen an meinem Ohr. »Du machst dir ja keine Vorstellung davon.«
Griffins warmer Atem gleitet über meinen Hals. Meine Handgelenke sind ein wenig wund und langsam beginnen meine Arme wehzutun, doch der dumpfe Schmerz verstärkt nur das Vergnügen und die Lust, die den Rest meines Körpers erfüllen. Wunderbare Empfindungen toben in mir. Bei jeder von Griffins Berührungen erschauere ich vor Verlangen. Ich zittere, als er seine raue Handfläche ein kleines Stück unter meinem Nabel kreisen lässt. Er hat mich kaum an der Stelle berührt, die sich am meisten nach ihm verzehrt, doch meine Mitte brennt, und ich fühle den Höhepunkt bereits kommen.
»Griffin.«
»Cat?«
»Berühr mich.«
»Ich berühre dich.«