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Der erste Fall für Detective Chief Inspector Fiona Sutherland in Cornwall.
Detective Chief Inspector Fiona Sutherland ist erst vor kurzem in das malerische Örtchen Portreath an der Küste Cornwalls gezogen um ihre verkorkste Ehe endgültig hinter sich zu lassen. Bald schon merkt sie, hier auf dem Land ticken die Uhren anders. Und daran ändert auch die Leiche nichts, die in der Bucht vor der legendären Insel St. Michael’s Mount angeschwemmt wird. Schnell haben Fiona und ihr neues Team die Identität des Toten festgestellt: Lionnel Kellow. Der allseits beliebte Unternehmer galt als vermisst, seit er vor einigen Monaten von einem Kajakausflug in der Bucht nicht zurückkam. Kellow war Diabetiker, doch das Notfallset in seinem Kajak war leer. Fiona ahnt, dass hier jemand nachgeholfen hat. Doch wer hatte ein Motiv?
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Seitenzahl: 374
Veröffentlichungsjahr: 2025
Der erste Fall für Detective Chief Inspector Fiona Sutherland in Cornwall.Detective Chief Inspector Fiona Sutherland ist erst vor kurzem in das malerische Örtchen Portreath an der Küste Cornwalls gezogen um ihre verkorkste Ehe endgültig hinter sich zu lassen. Bald schon merkt sie, hier auf dem Land ticken die Uhren anders. Und daran ändert auch die Leiche nichts, die in der Bucht vor der legendären Insel St. Michael’s Mount angeschwemmt wird. Schnell haben Fiona und ihr neues Team die Identität des Toten festgestellt: Lionnel Kellow. Der allseits beliebte Unternehmer galt als vermisst, seit er vor einigen Monaten von einem Kajakausflug in der Bucht nicht zurückkam. Kellow war Diabetiker, doch das Notfallset in seinem Kajak war leer. Fiona ahnt, dass hier jemand nachgeholfen hat. Doch wer hatte ein Motiv?
Angela Richford wurde 1961 in Deutschland geboren und lebt seit Ende der neunziger Jahre mit ihrem Mann im äußersten Südwesten Englands. Nach ihrem Medizinstudium an der Ruhr-Universität Bochum absolvierte sie Weiterbildungen zum Coach und zur Psychotherapeutin in Großbritannien. Diese Erfahrungen fließen in ihre Kriminalromane ein, die von menschlichen Abgründen und Beziehungen handeln.
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Angela Richford
Tod auf St Michael’s Mount
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Kornische/englische Ausdrücke
Danksagung
Impressum
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Endlos spannte sich der wolkenlose Himmel über die traumhaft schöne Mount’s Bay. Die Luft war klar und kühl, kaum ein Lüftchen bewegte das Meer. Geschützt wie eine Perle in ihrer schimmernden Hülle lag die Insel St. Michael’s Mount, umspült vom ewigen Wechsel der Gezeiten, in der malerischen Bucht, der sie ihren Namen gegeben hatte. Das englische Pendant zu der Gezeiteninsel Mont-Saint-Michel in Frankreich wurde genau wie diese von einem mittelalterlichen Kloster mit ausgedehnten Festungsanlagen gekrönt. Gemächlich verblassendes Tageslicht verlieh dem Ganzen etwas erhaben Mystisches, erweckte Erinnerungen an alte Sagen und eine dunkle Vergangenheit.
Seit gut einer halben Stunde war der Scheitelpunkt der Flut überschritten und das nun abfließende Meerwasser würde in wenigen Stunden den uralten Pflastersteinpfad freigeben, auf dem man bei Ebbe das kegelförmige Eiland zu Fuß erreichen konnte. Die letzten Inseltouristen waren längst mit den kleinen Fährbooten zurück nach Marazion gefahren; bei Flut war dies die einzige Möglichkeit, die Insel trockenen Fußes zu verlassen. Außer natürlich, man besaß ein eigenes Boot.
Schmatzende kleine Wellen leckten am Blau des Kajaks, das im stetig abnehmenden Licht sanft im Rhythmus der ruhigen See schaukelte.
Lionel Kellow fühlte sich nicht wohl. Sein Paddel hatte er quer vor sich auf die Spritzdecke gelegt, er konnte nicht mehr, er musste eine Pause machen. Schwer atmend spürte er sein viel zu schnell schlagendes Herz, selbst in seinen Ohren pumpte der Pulsschlag. Schweiß stand ihm auf der Stirn, und das nicht vor Anstrengung. Er schaute auf seine Hände: Sie zitterten.
»Oh nein! Bloß nicht jetzt!« Aufstöhnend verfluchte er die Zuckerkrankheit, auf die er sein Unwohlsein sofort zurückführte. Über zwanzig Jahre hatte er Erfahrung mit den Unwägbarkeiten dieser Anflüge. Lionel wusste, dass sein Körper längst Alarm schlug und dass er schnell handeln musste. Meistens war er unterzuckert, wofür auch die Symptome sprachen. Um wirklich sicher sein zu können, musste er allerdings zuerst den Bluttest machen!
Seit fast einer Stunde war er auf dem Wasser und hatte sich beim Paddeln herrlich ausgepowert, was seinen Blutzuckerspiegel erwartungsgemäß abgesenkt hatte. Aber Sport trieb er regelmäßig, und da er vorher gut gegessen und extra wenig Insulin gespritzt hatte, war er wie immer davon ausgegangen, dass alles in bester Ordnung war. Selbst die von seiner Frau liebevoll zu den Mahlzeiten bereitgelegten Nahrungsergänzungsmittel in allen möglichen Farben und Formen hatte er wie immer brav geschluckt. Irgendetwas musste schiefgelaufen sein, sonst würde er sich jetzt nicht so miserabel fühlen.
Instinktiv hatte er abgeschätzt, dass er zu weit draußen war, um in seinem Zustand noch schnell genug ans Ufer zurückpaddeln zu können. Sowohl das Festland mit den kleinen Buchten als auch St. Michael’s Mount mit seiner Felsenküste und dem Hafen waren eindeutig zu weit entfernt. Bis er da angelangt wäre, könnte er längst ein Zuckerkoma oder einen Unterzuckerungsschock erlitten haben. Also musste er wohl oder übel hier draußen den Zuckertest machen und eventuell die Traubenzuckertabletten einnehmen, die er, wie die meisten Diabetiker, stets bei sich hatte.
Jedes Mal, wenn er sein Sportzeug zusammenpackte kontrollierte er, dass auch wirklich alles in seinem Notfallset vorhanden war. Und genau das hatte er auch an diesem Morgen getan. Selbst sein Kajak hatte er schon auf dem Dach seines BMW X5 festgezurrt, damit er nach der Arbeit und dem Abendessen mit seiner Frau keine Zeit verlieren würde. Immerhin waren die Tage, auch wenn es schon Mitte März war, noch kurz.
Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, und in weniger als einer halben Stunde würde ihn niemand mehr so weit draußen in der Bucht von St. Michael’s Mount sehen. Fieberhaft zog er seinen roten, wasserdichten Beutel mit dem Notfallset aus dem Fußraum.
Wie immer trug er einen dicken Neoprenanzug, aber trotz der spätnachmittäglichen Frühlingssonne war es im März noch kühl über dem Wasser, und jetzt gegen Abend war es regelrecht frisch geworden. Seine Hände waren eiskalt; die kleinen Blutgefäße in den Fingern hatten sich zusammengezogen.
Mit klammen Fingern schaffte er es, sich die Lanzette in die linke Zeigefingerkuppe zu rammen, musste jedoch lange quetschen, bis überhaupt etwas Blut aus der winzigen Wunde austrat. Hastig strich er den mühsam gewonnenen Blutstropfen auf den Teststreifen, den er erst nach mehreren Anläufen in das Blutzuckermessgerät hatte einschieben können. Er zitterte am ganzen Körper, seine eisigen Finger waren unbeholfen, und das Schaukeln des Kajaks trug ein Übriges dazu bei. Gespannt blickte er auf das Display. »Um Himmels willen!«, entfuhr es ihm.
Das Gerät zeigte 55 mg/dl an. Das war viel, viel, viel zu niedrig! Mit aufkommender Panik suchte er in seinem Notfallset nach dem Tütchen mit den Traubenzuckertabletten, die er ja genau für so eine Situation dabeihatte und die ihm jetzt das Leben retten würden. Er konnte die Packung nicht finden! Sein Atem ging schneller, stoßweise, seine Bewegungen wurden hektisch. »Ich muss sie wohl in meiner Aufregung beim Auspacken mit herausgerissen haben. Mist!« Verzweifelt suchte und tastete er den Boden seines Kajaks ab, dann drehte er den wasserdichten Beutel von rechts auf links: Nichts. Er wurde immer unruhiger. »Wo sind nur die verfluchten Traubenzuckerbonbons?«, schimpfte er laut vor sich hin.
Mit den Händen stemmte er sich links und rechts auf den Rand des ovalen Einstiegs seines Kajaks, schob sich mit den Füßen nachhelfend nach oben. Die Spritzdecke hatte er schon entfernen müssen, um an seinen roten Beutel zu kommen. Er schaffte es gerade noch, ohne sein Kajak zum Kentern zu bringen, sein Gesäß aus der Luke zu hieven und sich rittlings auf das Heck zu setzen, seine Beine ließ er ins Wasser baumeln. So konnte er sich einigermaßen stabilisieren. Sein Paddel rutschte bei diesem Manöver ins Wasser, war aber über die Sicherungsleine fest mit dem Kajak verbunden. Er würde es nachher wieder mit der Schnur zu sich heranziehen und dann zurück zum Ufer paddeln.
Er ging noch immer davon aus, dass er den Traubenzucker im Innern seines Kajaks finden würde.
Zunehmend fassungsloser blickte er auf den Boden seines Gefährts und suchte fieberhaft mit den Augen jeden sichtbaren Quadratzentimeter ab, aber die lebensrettenden Zuckerklümpchen waren nirgends zu entdecken.
Panik schlug in nackte Angst um, Herzhämmern, Ohrensausen, kalter Schweiß floss in Strömen, Hilferufe, die nicht mehr artikuliert werden konnten. Das Zittern wurde heftiger, erfasste seinen ganzen Körper.
Wie immer hatte Lionel seine Schwimmweste auf Geheiß seiner Frau mitgenommen, und wie immer hatte er sie im Kofferraum liegen gelassen. Er fand es total unsportlich und obendrein extrem unbequem, mit so einem unförmigen, albernen orangenen Ding bekleidet in seinem coolen Rennkajak zu sitzen. Er hatte in seinem ganzen Leben noch keine Schwimmweste benötigt, und daran würde sich auch nichts ändern. Das war seine felsenfeste Überzeugung. Doch er hatte sich getäuscht!
Entsetzt war sich Lionel darüber im Klaren, dass der Stress und die Kälte unaufhaltsam seinen Blutzuckerspiegel weiter absenken würden. Er wusste, dass das kritische Limit längst überschritten war. Hilflos erlebte er noch, wie seine Gedanken zäher und zäher wurden, dann hatte er das Gefühl, wachend zu träumen. Wie auf einer Bühne, betrachtete er eine letzte klare Erinnerung: Er sah eine Person am offenen Heck seines Wagens hantieren. Mit einem allerletzten Lichtblitz erkannte er diese auch. Dann verlor er endgültig den Kontakt zur Wirklichkeit und fing an zu halluzinieren.
Lionel hatte das angenehme Gefühl, dass ihm ganz warm wurde, heiß regelrecht und zuletzt sogar unangenehm heiß. Mit der inneren Hitze war plötzlich seine Angst verflogen. Um sich abzukühlen, ließ er sich vom Rumpf des Kajaks in das erfrischende Wasser gleiten. Er schwamm los, das dachte er zumindest, was er tatsächlich noch zustande brachte, waren lahme Ruderbewegungen seiner Arme. Die Beine gehorchten ihm schon gar nicht mehr, und er wurde mit der auslaufenden Ebbe immer weiter aufs Meer hinausgezogen; immer weiter fort von seinem Kajak. Noch gelang es ihm, den Kopf über Wasser zu halten.
Es war jetzt fast dunkel, und niemand war am Strand, der das Drama draußen auf See beobachtete. Eine Spaziergängerin, die ihren Hund ausführte, war vollauf damit beschäftigt ihrem Vierbeiner immer wieder einen Ball aus dem Maul zu nehmen, ihn dann weit über den Strand zu werfen und zu warten, bis ihr Gefährte die Beute wieder zu ihr brachte und das Spiel von vorne losging. Als eine zweite Abendspaziergängerin mit ihrem Labrador hinzukam, waren die Hunde augenblicklich fröhlich hin und her jagend mit sich selbst beschäftigt und die Besitzerinnen sofort in ein angeregtes Gespräch vertieft. Einen Blick aufs Meer warfen sie dabei nicht. Ein anständiger Plausch über nachbarschaftlichen Tratsch war im Moment viel erfüllender als das Staunen über einen spektakulären Sonnenuntergang.
Während Lionel hoffnungslos dem Sog des Wassers ausgeliefert war, wurde er von einem Krampfanfall geschüttelt, bei dem er sich tief ins Fleisch seiner Zunge biss. Gnädigerweise war er da bereits bewusstlos. In pulsierenden Stößen floss Blut aus seinem Mund in das abendrote Wasser und vermischte sich mit der Spiegelung des Himmels.
Und immer noch blickte niemand aufs Meer hinaus, niemand hörte sein lahmes Planschen. Auch die spielenden Hunde schlugen nicht an, rannten nicht ins Wasser, schwammen nicht zu dem Sterbenden, zogen ihn nicht an Land. So etwas gab es nur im Film.
Stattdessen ertrank Lionel Kellow. Blut und Wasser füllten seine Lungen, langsam sank er auf den Meeresgrund, und sein Leichnam wurde gemächlich mit der Strömung davongetragen.
Weiter oben und bereits weit entfernt schmatzten und leckten die kleinen Wellen immer noch an dem jetzt herrenlosen blauen Kajak.
Fiona Sutherland parkte ihren weinroten Morris Minor Jahrgang 1970 hinter dem Lkw des Umzugsunternehmens. Endlich hatten sie die anstrengende Fahrt durch wechselhaftes Aprilwetter hinter sich. Zwischendurch war der Regen immer wieder so heftig niedergeprasselt, dass sie gezwungen gewesen war, langsamer zu fahren.
Sie war froh, dass ihr Oldtimer überhaupt mit dem Laster hatte mithalten können; na ja, so eben. Aber dass das alte Gefährt sich so tapfer geschlagen hatte, war wirklich großartig. Liebevoll fuhr sie mit der rechten Hand über das Lenkrad. Danke, Morris, sprach sie ihrem Auto in Gedanken zu. Einigermaßen erschöpft lehnte sie sich zurück und strich sich ein paar widerspenstige Locken, die während der Fahrt aus dem Pferdeschwanz hervorgesprungen waren, hinter die Ohren. Es war immer das Gleiche mit ihren Haaren: Sie führten auf ihrem Kopf ein eigenes Dasein, aber Fiona konnte sich nicht dazu durchringen, sie abzuschneiden. Eine Kurzhaarfrisur mit so kleinen Kringeln, wie sie sie auf dem Kopf hatte, würde total bescheuert aussehen; immerhin war ihre flammende Mähne das Attraktivste an ihrer Erscheinung, fand sie.
Als sie zu dem kleinen Haus, das sie sich mit Ach und Krach hatte leisten können, hinüberblickte, war sie voller Besitzerstolz. In einem Bogen über der Tür spannte sich der metallene Schriftzug: Trewithen Cottage.
Fionas reetgedecktes Cottage mit seinen weiß getünchten alten Mauern sah aus, als hätte es sich aus einem Bilderbuch gestohlen und sich hier an Ort und Stelle niedergelassen. Die knorrige Glyzinie, die sich rechts vom Eingang aus über die gesamte Hausfront rankte, untermalte diesen etwas kitschigen Eindruck. Die bereits dicken Blütendolden waren kurz davor, aufzubrechen und die Luft mit ihrem betörenden Duft zu erfüllen.
Erfreut stellte sie fest, dass das Haus jetzt im Frühling noch viel einladender wirkte als im Winter, als sie es gekauft hatte. Zum wiederholten Mal bestätigte sie sich, dass es genau richtig gewesen war, das Geld ihres Vaters nicht angenommen zu haben, obgleich der Kredit, den sie abbezahlen musste, enorm war. Bei ihrem letzten Telefongespräch über diese Angelegenheit hatte sie sehr deutlich werden müssen: »Danke, Papa, aber ich bleibe wirklich lieber unabhängig. Das ist genau das Gefühl, dass ich nach diesem ganzen Scheidungschaos brauche.«
»Ich verstehe dich doch, Fiona. Ich würde dir nur wirklich gerne helfen.« Ihr Vater hatte verletzt geklungen.
»Ich weiß, Papa, aber ich will keine Hilfe. Ich glaube, da bin ich eher wie Mama und schaffe bestimmte Dinge in meinem Leben lieber alleine.«
Ihr Vater hatte ergeben geseufzt.
»Papa, jetzt hör endlich auf, es geht schon, ehrlich.«
»Na ja, Fiona, wie du willst. Aber du weißt ja, dass ich für dich da bin. Wenn du etwas brauchst, melde dich.«
»Das mach ich. Bestimmt, Papa. Versprochen.«
»Gut, dann bis bald, mein Schatz!« Ihr Vater hatte wieder etwas versöhnlicher geklungen.
»Sieh mal Tim, der Himmel scheint fast aufzureißen. Hoffentlich können wir den Laster noch im Trockenen entladen.«
»Hm«, war die eintönige Antwort ihres Zwölfjährigen, der, nachdem sie Exeter passiert hatten, die letzten anderthalb Stunden damit verbracht hatte, ständig nachzufragen, wann sie denn endlich da wären. Und jetzt, wo sie angekommen waren, machte er keine Anstalten auszusteigen, sondern spielte weiter mit Fionas iPad.
»Ach komm, Tim, mach es nicht noch schwerer, als es schon ist. Hier, nimm du den Schlüssel und schließ unser neues Heim zum ersten Mal auf.«
Ihr Sohn konnte seinen Stolz jetzt doch nicht ganz aus seinem Gesicht vertreiben. Seine hellblauen Augen leuchteten plötzlich voller Tatendrang unter dem goldblonden Pony, der ihm immer wieder frech in die Stirn fiel, egal wie oft er ihn zur Seite schob oder mit einer abrupten Seitbewegung des Kopfes die Haare zur Seite kickte. Die krausen Haare seiner Mutter hatte er nicht geerbt, seine waren nur leicht wellig. Tim schnallte sich ab, legte das Tablet zur Seite und nahm den Schlüssel, den Fiona ihm überreichte. Dann sprang er aus dem Auto, rannte über den holprigen Bürgersteig und öffnete das kleine gusseiserne Gartentor, das ihn quietschend begrüßte. Über ausgetretene Granitsteine lief er durch den Vorgarten bis zu der alten Eichentür und schloss auf. Erst als er sich etwas dagegenstemmte, konnte er sie aufdrücken.
Fiona blickte ihm lächelnd nach. Ihr Sohn war groß geworden, seine schlaksige Figur erinnerte, wie auch die blonden Haare, an seinen Vater. Das war aber auch schon alles, vom Charakter her war er genau wie sie, zielstrebig, zuverlässig und – wie sie selber fand – humorvoll. Und von alldem konnte bei ihrem Ex keine Rede sein. Ex, dachte sie beglückt, gut, dass ich den endgültig hinter mir gelassen habe!
Sie ergriff ihren schwarzen Lederrucksack, den sie statt einer Handtasche benutzte, schwang erleichtert die Beine aus dem Auto und streckte sich genüsslich. Sie baute darauf, dass Tim sich schon eingewöhnen würde. Kinder sind flexibel, überlegte sie und sprach sich damit Mut zu. Ihr bangte ehrlich gesagt davor, wie das alles werden würde mit der neuen Stelle, der neuen Schule und ihren unvermeidlich unregelmäßigen Arbeitszeiten. Aber sie hatte keine Kraft, sich jetzt mit diesen Problemen auseinanderzusetzen.
Sie hatte so viel wie möglich organisiert. Tim würde in der Schule Mittagessen bekommen, und der Bus zu seiner neuen Schule hielt an der Haltestelle mitten im Dorf, die nur wenige Minuten von ihrem neuen Zuhause entfernt war.
Es wird schon irgendwie klappen, versicherte sie sich gerade zum wiederholten Mal. Mit einer unnötig kräftigen Umdrehung des Autoschlüssels verriegelte sie nicht nur den Wagen, sondern verscheuchte auch energisch das Aufkommen unguter Gedanken. Erwartungsvoll lief sie zu dem Laster, aus dem in diesem Moment die Packer stiegen.
Sie wirkten wie ihre eigene Karikatur: Beide groß und kräftig, erinnerten sie selbst an Kleiderschränke, sie waren wie gemacht zum Schleppen und Tragen. Der eine schwarzhaarig, der andere rotblond. Letzterer grinste sie an, sein linker, oberer Schneidezahn fehlte. Fiona fand, dass sein Lächeln ihn plötzlich älter aussehen ließ.
»Das hätten wir schon mal geschafft.« Der Rotblonde meinte wohl die lange Fahrt von Brighton, einer florierenden Küstenstadt in East Sussex keine 80 km südlich von London, bis nach Portreath einem bis auf die Sommermonate völlig verschlafenen Küstendörfchen im tiefsten Cornwall. Der Schwarzhaarige fügte hinzu: »Dann fangen wir mal an.«
»Wunderbar«, applaudierte Fiona und hoffte, ihr Enthusiasmus würde die Männer, die am Morgen schon alles eingeladen hatten, bei Laune halten. »Ich bestell uns später eine Pizza, und sobald ich den Wasserkocher ausgepackt habe, mache ich uns sofort einen Tee.« Sie drehte sich dem Haus zu und sah, wie Tim oben aus dem Fenster seines neuen Zimmers stürmisch zu ihr herabwinkte: »Hallo, Mama!«
Sie lächelte ihm zu und winkte fröhlich zurück. »Timmy, tu mir bitte einen Gefallen und geh doch auch in die anderen Zimmer und mach die Fenster auf. Dann kommt schon mal ein bisschen frische Luft ins Haus, solange es nicht regnet.«
»Mach ich, Mama.« Und schon war er verschwunden, seine Laune hatte sich sichtlich gebessert.
Sie erinnerte sich daran, wie bitterlich er am Morgen geweint hatte, als die lang geplante Reise endlich begann. Zu allem Überfluss war nämlich noch sein Vater gekommen. Fiona wusste, dass Daniel nur aufgetaucht war, um ihnen den Umzug so schwer wie möglich zu machen. Das ärgerte sie, aber sie konnte sein Verhalten nicht ändern, deshalb war sie ja auch weggegangen. Ihr Ex-Gatte hatte keine Gelegenheit ausgelassen, um Tim gegen das Vorhaben aufzuwiegeln und ihr die Hölle heißzumachen. Selbst nach der Scheidung konnte und wollte er einfach nicht hinnehmen, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Und dass sie bei der erstbesten Gelegenheit die Stelle einer leitenden Kriminalbeamtin in einer weit entfernten Stadt angenommen hatte, machte ihn schier verrückt. Zur Hölle mit dir, verfluchte sie Daniel in Gedanken, sie war heilfroh, dass er weit, weit weg war! Sie straffte ihren Rücken, zog die Schultern nach hinten und ging auch hinüber zum Gartentor.
Jetzt war die späte Aprilsonne doch zwischen den Wolken hervorgebrochen und ließ das Kupfer ihrer Haare genauso aufflammen, wie sie die Tropfen auf den Blumen im Vorgarten aufblitzen ließ. Namentlich kannte sie nur die Primeln, Tulpen, Stiefmütterchen und den Löwenzahn. Die anderen würde sie noch kennenlernen; sie beschloss gleich nächste Woche ein Buch über Cottagegärten zu kaufen. Sie freute sich darauf, ganz alleine von ihrem eigenen neuen Zuhause Besitz ergreifen zu können und mit niemandem ihre Pläne besprechen zu müssen, aber vor allen Dingen nicht mit Daniel, der schon aus Prinzip immer alles anders machen wollte als sie.
Viele Stunden später, nachdem die Männer alle Möbel ins Haus geschleppt, den Schlafzimmerschrank und die Betten aufgebaut, die Kisten über das gesamte Haus – entsprechend ihrer Beschriftungen – verteilt, die versprochene Pizza (Größe XXL) verschlungen hatten und endlich aus dem Haus gepoltert waren und sich nach einem anstrengenden Tag zu ihrem nicht allzu weit entfernten Bed & Breakfast aufgemacht hatten, kehrte Ruhe ein im Trewithen Cottage. Nachdem Timmy nochmals mit seinem Vater telefoniert hatte und endlich eingeschlafen war, hatte Fiona es tatsächlich nach dem anstrengenden Tag noch fertiggebracht, in der Lounge ein Feuer im offenen Kamin zu entfachen. Der Schornstein zog gut, kein Vogel hatte sein Nest darin gebaut, und keine verblichene Eule versperrte den Abzug.
Neben dem Gartenschuppen hatte sie den Holzvorrat der alten Dame, die vor ihr in Trewithen Cottage gewohnt hatte, entdeckt.
Plötzlich hatte sie wieder das Bild der fast achtzigjährigen Mrs Bothwin vor Augen, wie sie ihr mit einem lachenden und einem weinenden Auge erzählt hatte, dass sie nach Penzance zu ihrer Tochter gezogen war, weil sie alleine mit dem Haus und dem Garten überfordert gewesen war. Die Tochter hätte neben ihrer Arbeit einfach keine Zeit gehabt, andauernd den Weg von Penzance nach Portreath hin- und herzufahren, um Einkäufe vorbeizubringen, Essen zu kochen, ihr beim Duschen zu helfen oder den Garten für ihre Mutter in Ordnung zu halten. Es sei viel praktischer, dass sie jetzt in der ehemaligen Ferienwohnung bei ihrer Tochter im Haus wohne. Und der Erlös vom Verkauf ihres Cottages flösse nun an Stelle der sommerlichen Mieteinnahmen mit in den nun gemeinsamen Haushalt. Fiona hatte damals gespürt, dass es der alten Lady schwergefallen war, ihr gewohntes Leben hinter sich zu lassen. Fiona kannte das Gefühl.
Aber sie hatte wirklich Glück gehabt, dass der Makler ihr als Erstes das Haus angeboten hatte. Sie erinnerte sich genau daran, wie er gesagt hatte, dass noch mehrere andere Familien scharf auf das idyllische Häuschen direkt am Atlantik gewesen waren. Aber sie alle wollten das Haus nur als Ferienhaus nutzen, und die alte Mrs Bothwin hatte unbedingt darauf bestanden, dass es an einen Käufer ging, der es auch tatsächlich bewohnen würde. Sie verabscheute es, dass normale Leute von den Touristen überboten wurden und so die Dörfer und Städtchen immer weniger ständige Einwohner hatten und viele Häuser nur Zweitwohnsitze waren oder gar von Agenturen aufgekauft wurden, die in großem Stil die Häuser an Feriengäste vermieteten.
Der Makler hatte Fiona auch gesagt, dass die alte Lady regelrecht erleichtert gewesen war, als er ihr erzählt hatte, dass ihr Cottage in die vertrauenswürdigen Hände der zukünftigen Detective Chief Inspector der Polizeistation von Camborne übergehen würde.
Bei der Übergabe hatte Mrs Bothwin Fiona versichert, dass sie ihr sehr gerne das Feuerholz und ebenso die Gartengeräte im Schuppen zurücklassen würde. Fiona war richtig dankbar gewesen, schon einmal diese Grundausstattung geerbt zu haben, und hatte gleich am ersten Tag Gebrauch davon gemacht.
»Danke nochmals, Mrs Bothwin!«, sagte Fiona laut zum Kaminfeuer, in dem die Scheite zur Antwort laut knackend Funken stieben.
Sie hatte sich einen Rosé, den sie eigens für diese Gelegenheit griffbereit verpackt hatte, in eine Kaffeetasse gegossen, denn im Trubel der letzten Tage hatte sie vergessen, auch ein Weinglas entsprechend zu verstauen. Aber der Gebrauch der Tasse tat ihrem Wohlbehagen keinen Abbruch. Gemütlich hatte sie sich in einem Sessel, den sie vor das Feuer geschoben hatte, niedergelassen. Beruhigend knisterten die Holzscheite, und Fiona genoss die abstrahlende Wärme. Dabei blätterte sie durch ein nichtssagendes Klatschblatt, das sie sich an einer Raststätte gekauft hatte, blickte immer wieder in die tanzenden Flammen, trank gemächlich ihr Luxusgetränk und war heilfroh, dass sie noch ein ganzes Wochenende hatte, um das Haus einigermaßen wohnlich machen zu können, bevor sie am Montag die neue Stelle antreten würde. Die neue Stelle, dachte sie. Auch das musste ein Erfolg werden. Sie hoffte nur, die Kollegen hier hatten nicht allzu große Vorurteile gegen Frauen mit ethnischem Hintergrund oder gegen Frauen im Allgemeinen. Sie zog skeptisch die Augenbrauen hoch, und dann lachte sie in sich hinein. »Das wird schon. Prost, meine Liebe!« Während sie sprach, hob sie das Glas Richtung Feuer und wünschte sich in Gedanken alles Gute.
Sie war fest entschlossen, diesen dringend nötigen Neuanfang ihres Lebens zu meistern.
Am nächsten Morgen, Fiona war gerade dabei, den Wasserkocher zu befüllen, ließ ein markerschütternder Gongschlag sie zusammenfahren und beschleunigte ihren Herzschlag.
»Hallo, jemand zu Hause?«
Fiona meinte, ein Rufen gehört zu haben. Was war das denn jetzt?, fragte sie sich. Erst dieser ohrenbetäubende Gong, und dann rief auch noch jemand?
»War das etwa unsere Klingel?«, fragte sie Tim, der mürrisch am Tisch saß. Auch er hatte sich ordentlich erschreckt und war zusammengezuckt.
»Scheint fast so«, antwortete er lahm.
»Das kann doch nicht sein, der Lärm weckt ja Tote!«
Tim saß missmutig am Tisch und gab keine Antwort. Fiona übte sich gerade in Geduld mit ihm und ließ ihn brummig sein. Sie wusste, dass er normalerweise samstagmorgens mit seinen Freunden Fußball spielen würde und hier noch niemanden kannte. Und übermorgen musste er in die neue Schule, in der er erst recht niemanden kannte.
»Nach dem Frühstück ruf ich Papa an und erzähl ihm, wie öde hier alles ist.«
»Okay, Tim.« Sie biss die Zähne zusammen. Vorhin hatte er ihr schon zum wiederholten Male zu verstehen gegeben, wie ätzend er es fand, dass sie ihn hierher gebracht hatte. Verschleppt, erinnerte sich Fiona, das war das Wort, das sein unmöglicher Vater in diesem Zusammenhang gebraucht hatte.
Sie stellte den Wasserkocher auf die Küchenanrichte und lief verwirrt zur Haustür. Auf halbem Weg hörte sie wieder eine helle Stimme rufen. Diesmal etwas lauter: »Hallohooo? Jemand zu Hause?« Dann war sie an der Tür und öffnete.
Vor ihr stand eine Frau, die nach ihrer ersten Einschätzung wohl ungefähr so alt war wie sie selbst. Mit schwarzen Jeans und hellblauem Kapuzenpulli bekleidet, lächelte sie Fiona aus dunklen Augen an. Ihre dunkelbraunen Haare trug sie im Stil der Zwanzigerjahre in einem perfekten Pagenschnitt, was ihr ein etwas nostalgisches und gleichzeitig interessantes Aussehen verlieh. Da der Schnitt völlig unmodern war, wirkte sie mit dieser Haartracht sehr eigenwillig.
»Guten Morgen, ich bin Tracey McStoud, ihre neue Nachbarin.«
»Oh, hallo. Nice to meet you, ich bin Fiona Sutherland.« Sie war freudig überrascht.
Die beiden Frauen beugten sich aufeinander zu und schüttelten sich die Hände, dabei lächelten sie sich etwas unbeholfen an.
»Ich dachte …, also, ich dachte, Sie sind gerade eingezogen, und wahrscheinlich ist noch ziemliches Chaos bei Ihnen im Haus, und da Ben gerade den Frühstückstisch deckt, habe ich mir überlegt, dass es nett wäre, wenn Sie Lust hätten, heute mit uns zu frühstücken.«
»Oh!« Fiona fehlten zunächst die Worte. Sie war wirklich freudig überrascht, sollte sie etwa eine richtig nette Nachbarin haben? Sie überlegte nicht lange: »Wissen Sie, das wäre absolut perfekt. Ich war gerade dabei, Teewasser aufzusetzen, aber außer Cornflakes hätten wir wohl nichts bekommen.«
»Das habe ich mir gedacht, und Ben würde sich auch freuen, ihren Sohn kennenzulernen. Wissen Sie, wir haben Sie gestern Nachmittag ankommen sehen, aber da wollte ich noch nicht stören.«
»Sie stören nicht, ich freue mich wirklich über die Einladung. Ich sage eben Tim Bescheid, und dann kommen wir. Geben Sie uns fünf Minuten.«
»Wunderbar! Ich lass unsere Tür offen, dann kommen Sie einfach rüber, wenn Sie so weit sind.« Tracey lächelte.
»Okay, bis gleich.« Fiona war plötzlich ganz aufgeregt.
Mit ihrem Sohn im Schlepptau ging Fiona Richtung Nachbarcottage, das genauso verwunschen aussah wie ihres. Tim hatte überhaupt keine Lust, zu den neuen Nachbarn zu gehen. »Wozu soll ich denn mit einem langweiligen Ehepaar frühstücken? Ich habe viel mehr Lust, in Ruhe mein Zimmer einzuräumen, und ich wollte Papa anrufen«, hatte er gemault. »Keine Widerrede, junger Mann«, hatte sie geantwortet, »es ist wichtig, sich von Anfang an gut mit den Nachbarn zu stellen.« Immerhin würden sie hier einige Jahre leben. Sie hatte ihn noch aufgefordert, seine Schuhe anzuziehen und sich von seiner besten Seite zu zeigen.
Gespannt gingen Mutter und Sohn durch den Nachbarvorgarten. Genau wie bei ihrem Cottage, schlängelte sich ein alter mit Granit gepflasterter Weg mitten durch üppige Blumenbeete, die anfingen ihre farbenfrohe Frühlingspracht zur Schau zu stellen. Fiona klopfte an.
»Kommt rein, die Tür ist auf!«, rief ihnen Tracey einladend zu.
Ben kam ihnen im Flur entgegen und grinste von einem Ohr bis zum anderen. »Hi, ich bin Ben, super, dass ihr kommt.«
Fiona staunte und sah, dass ihr Sohn nicht weniger überrascht war als sie. Sie hatte tatsächlich gedacht, dass Ben Traceys Mann war und hatte nicht mit einem Sohn gerechnet. Vor ihnen stand jedoch ein ebenso schlaksiger Junge wie Tim, und er schien auch noch in seinem Alter zu sein.
Tim fasste sich als Erster: »Cool, ich dachte, du wärst ein Mann.« Und dann grinste er zurück.
Fiona sah die Erleichterung und auch die Hoffnung im Gesicht ihres Sohnes. Vielleicht würde er in diesem Nest von Portreath, in das sie ihn »verschleppt« hatte, ja doch nicht ganz alleine sein. Ein kleines Knöspchen Erleichterung nistete sich in ihrem Herzen ein.
»Wahnsinn, das sieht ja himmlisch aus und duftet total verführerisch.« Fiona war ganz begeistert.
»Ja, ich habe zu Ehren der Neuankömmlinge« – Tracey zwinkerte an dieser Stelle Fiona und Tim zu – »ein Full English Breakfast mit Bacon, Sausages, Spiegeleiern, baked Beans und gebratenen Tomaten gezaubert. Dazu gibt es Tee und frisch gepressten O-Saft.«
»Unglaublich …« Fiona konnte ihr Glück kaum fassen.
Die Jungen verschlangen ihr Frühstück und machten sich glücklich mit einem Ball unter Bens Arm auf. »Wir treffen uns mit den anderen auf der Dorfwiese zum Kicken«, hatte Ben schon im Rausgehen den beiden Frauen, die noch gemütlich am Tisch saßen, zugerufen.
»Bye, Mum!«, ließ Tim sich noch vernehmen.
»Tschüss, ihr zwei, viel Spaß!«, rief Fiona ihnen nach.
»Ich wette, die fangen hinter der Ecke sofort damit an, den Ball zu kicken, obwohl Ben genau weiß, dass er das nicht soll.« Tracey seufzte.
Fiona lachte: »Genau so sind sie.«
Die beiden neuen Nachbarinnen unterhielten sich mittlerweile angeregt über ihr Berufsleben, das unterschiedlicher kaum sein konnte: Fiona war Leiterin eines Ermittlungsteams und Tracey Psychotherapeutin mit eigener Praxis.
»Aber macht dir das denn nichts aus, jeden Tag so viel hin- und herzugurken?«, fragte Fiona gerade.
»Weißt du, Fiona, ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich nicht in Truro wohne, sonst würde ich an jeder Ecke meinen Klienten über den Weg laufen.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Außerdem bin ich nur drei Tage in der Woche in der Praxis, die beiden anderen Tage habe ich die Räumlichkeiten an einen anderen Psychotherapeuten vermietet.«
Fiona staunte: »Das hört sich nach einer gelungenen Work-Life-Balance an. Davon bin ich weit entfernt. Ich muss jeden Tag ins Büro und bin mit meinem Team für ganz Süd-Cornwall zuständig, wenn’s brennt.«
»Oje, das hört sich auch nach viel Fahrerei an.«
»Stimmt, aber wenn ich erst einmal unterwegs bin, macht mir das alles nichts mehr aus. Und meistens fahre ich nicht selbst, sondern kann in Ruhe Telefonate erledigen oder mit dem Tablet arbeiten.«
»Praktisch.«
»Weißt du, worüber ich mir allerdings Gedanken mache?«
»Nein, worüber denn?«
»Ich bin wirklich gespannt, wie mich die komplett männliche Belegschaft in der Dienststelle aufnehmen wird.«
»Das kann ich mir vorstellen. Wenn das alles alteingesessene Cornishmen sind, kann es tatsächlich schwierig werden.«
»Ja, das habe ich mir auch schon gedacht. Aber was soll’s, vielleicht gibt’s ja den ein oder anderen, der sich über etwas weibliche Gesellschaft freut.« Sie klapperte verführerisch mit den Augen.
Tracey schmunzelte vergnügt.
»Weißt du«, Fiona sah wieder ernst aus, »viel mehr Sorgen bereitet mir, wie ich das alles mit Tim unter einen Hut kriegen soll.«
»Hm, das ist natürlich ein anderes Thema. In welcher Schule ist er denn angemeldet?«
»Camborne Science & International Academy. Je nachdem wie er sich anstellt, kann er da auch den mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig einschlagen.« Ihr Blick schweifte versonnen ab.
»Wow, da geht Ben auch hin, das wird ja immer besser, euch als Nachbarn zu haben. Dann können wir uns bestimmt mal absprechen, und die Jungs können gemeinsam mit dem Bus fahren.«
»Das wäre ja wunderbar, meinst du, das geht schon am Montag? Ich habe Tim zwar bei unserem letzten Besuch hier den Schulweg gezeigt und mit dem Direktor abgesprochen, dass er sich morgens als Erstes bei ihm meldet, weil ich keine Zeit habe, ihn zu begleiten, aber er würde sich bestimmt sicherer fühlen, wenn er mit Ben hinfahren könnte.«
»Ich gehe mal fest davon aus, dass die Jungs sowieso zusammen fahren wollen, die schienen sich ja auf Anhieb gut verstanden zu haben.«
Fiona lächelte ihre neue Nachbarin an: »Ich hoffe sehr, das bleibt auch so.«
»Ich auch, das wäre echt praktisch.«
»So«, Fiona erhob sich schweren Herzens, »leider muss ich mich jetzt nach nebenan begeben und Kisten auspacken und unser Nest einrichten.«
»Ja, schade, ich hätte gerne noch weiter gequatscht.«
»Ich auch. Und weißt du was, sobald ich drüben so weit bin, werde ich mich revanchieren, und ihr kommt zu uns rüber.«
»Ach, fühl dich nicht verpflichtet …«
»Ne, ne, ich freu mich, wenn ihr kommt. Zur Not gibt’s einfach eine Pizza.« Fiona wollte auf jeden Fall die gerade begonnene Freundschaft ausbauen.
»Hört sich gut an.« Tracey zögerte, dann sagte sie doch: »Ich bin echt froh, dass ihr es seid, die jetzt dort wohnen. Ist schon irgendwie ein Wunder: Eine ebenfalls alleinerziehende Mutter mit einem Sohn in Bens Alter.«
»Ja, das finde ich auch.« Fiona grinste breit: »Und nochmals herzlichen Dank für die unverhoffte Einladung.«
»War mir ein Vergnügen!« Tracey grinste zurück.
»Ach, und die Klingel.« Fiona hielt sich kurz die Hände über die Ohren und rollte gequält mit den Augen. »Da muss ich mir echt was einfallen lassen, sonst bekomme ich jedes Mal einen Herzinfarkt, wenn die losgeht.«
Sie lachten.
»Weißt du, unsere alten Cottages können sehr eigenwillig sein. Wenn bei uns zum Beispiel der Wind aus einer bestimmten Richtung weht, dann heult es durch den Kamin, als würden da mindestens zehn Gespenster hausen.«
»Und da kann man nichts machen?« Fiona war leicht verunsichert.
»Nichts, eindeutiger Fall von Eigenleben.« Tracey sprang der Schalk aus den Augen.
Fiona beugte sich mit ergeben hängenden Schultern vor: »Ich seh mich schon für den Rest meines Lebens nach dem großen, gnadenlosen Gongschlag von Trewithen Cottage tanzen.«
Sie kicherten und umarmten sich kurz zum Abschied.
Mittags kam Tim gut gelaunt und hungrig zurück. Er mampfte seine Sandwiches und trank gierig zwei Gläser Wasser hinterher.
»Mama, Ben ist voll cool, und da waren auch noch andere Jungs, die echt in Ordnung waren.«
»Das freut mich für dich.«
»Und weißt du was?«
»Nein, was denn?«
»Ben geht in die gleiche Schule wie ich, und am Montag fahren wir zusammen hin, und wenn das Wetter morgen auch so klasse ist wie heute, dann darf ich mit denen runter zum Strand. Ben hat sogar noch ein altes Bodyboard für mich. Cool, ne?«
»Das ist ja echt toll, vielleicht geht ihr ja sogar in eine Klasse.«
»Ja, das hoffen wir auch. Ich geh jetzt mal hoch und räum noch was ein.«
»Gute Idee.« Ganz bewusst erinnerte Fiona ihren Sohn nicht daran, dass er eigentlich Daniel hatte anrufen wollen. Sie hatte Angst, dass sein Vater ihm wieder schlechte Laune machen würde. Sie hatte das Gefühl, dass Tim es sich – aus Loyalität zu seinem Vater – oft nicht erlaubte, Neues in seinem Leben, zu dem Daniel nicht gehörte, einfach nur gut zu finden.
Himmel, bin ich froh, dass das hier alles so gut anläuft!, pries Fiona die neue Freundschaft ihres Sohnes und den netten Kontakt mit ihrer neuen Nachbarin, der sich hoffentlich auch zu einer Freundschaft auswachsen würde. Inständig hoffte sie, dass ihr neuer Job übermorgen genauso gut anlaufen würde. Wenn der nur halb so gut ist, wäre das schon wunderbar, stellte sie fest.
Fiona rieb sich kurz über die Stirn und streckte dann ihren Rücken. Dabei stemmte sie die Hände links und rechts neben ihre untere Wirbelsäule und bog sich weit nach hinten. Das viele Schleppen und Räumen machten sich bemerkbar.
Ich muss mir unbedingt einen Yogakurs suchen, damit ich nicht ganz verkomme, kommentierte sie gedanklich die aufkommenden Schmerzen in ihrer Lendenwirbelsäule. Immerhin hatte sie in der Küche schon so weit alles eingeräumt, und die leeren Umzugskartons fingen an, sich im Flur zu stapeln; ein wachsender Beweis ihres Fortschritts. Am Nachmittag würde sie noch den Kleiderschrank in ihrem Schlafzimmer einräumen und auch die Schubladenkommode mit dem Bettzeug und den Handtüchern, dann würde sie mit Tim die leeren Kartons in den Schuppen tragen und schon mal anfangen, im Wohnzimmer klar Schiff zu machen.
Nur gut, dass sie schon in Brighton so viel aussortiert und weggeschmissen hatte. Sie war froh, ihr ganzes Leben entrümpelt zu haben. Der Umzug weit weg von ihrer Vergangenheit mit ihrem Ex erwies sich als genau die richtige Entscheidung. Morgen würde sie sich daranmachen, ihr kleines Büro, das sich oben neben ihrem Schlafzimmer befand, einzurichten.
Einige Wochen später im Juni
Chris Pascoe war gerade aus seinem Cottage getreten und lief den kurzen Weg hinunter zur Hafenmauer, er wollte den schönen Sommertag in Ruhe begrüßen. Er war einer der sechs Fährmänner, die in den uralten Cottages auf St. Michael’s Mount wohnten. Für einen Anfang Siebzig-Jährigen war er sehr drahtig und als echter Cornishman nicht sehr groß. Sein gegerbtes Gesicht saß auf einem faltigen Hals. Er erinnerte an eine betagte Schildkröte, immerhin verbrachte er sein halbes Leben draußen auf dem Meer.
Bereits in seiner Arbeitskleidung, die seine Frau für ihn stets picobello in Ordnung hielt, hieß er den neuen Tag willkommen. Wie immer trug er ein frisch gewaschenes blau-weiß gestreiftes T-Shirt und dazu Jeans, die er einmal in der Woche wechselte, und natürlich seine hellbraune, abgewetzte Breitkordjacke, mit den Lederflicken über den Ellenbogen. Je nach Wetterlage hatte er noch ein blaues Halstuch um, das er vor langer Zeit von seiner Frau Phyllis geschenkt bekommen hatte und, wenn nötig, auch als Taschentuch benutzen konnte. Im Winter würde er noch einen dunkelblauen Wollpullover anhaben, den Phyllis vor über zwanzig Jahren für ihn gestrickt und natürlich auch schon mehrfach geflickt hatte. Als Kopfbedeckung diente ihm gegen Sonne, Wind und Regen seine ausgeblichene, ehemals dunkelblaue Skippermütze.
Chris bevorzugte es, etwas auf dem Kopf zu haben, nicht wie einige seiner jungen Kollegen, deren Haare oder Glatze einfach dem Wetter ausgesetzt waren.
Der alte Mann liebte seinen Job als Kapitän eines der Hobbler, wie die kleinen Fährboote hießen, die bei Flut die Touristen auf die Insel brachten und nach ihrem Besuch wieder ans Festland schipperten. Chris war stets derjenige, der sich früh aufmachte. Er würde auch heute die Schulkinder hinüber nach Marazion bringen und die erste Ladung Insel-Personal von Marazion herüberholen.
Aber bis dahin war noch Zeit, als Allererstes würde er gemütlich eine rauchen. Jeden Morgen, egal bei welchem Wetter, egal ob der Hafen voll mit Wasser oder leer war und die Boote auf dem sandigen Grund des Hafenbeckens lagen, egal ob die Luft nach Seetang oder Salz oder sonst was roch, egal ob die Menschen zu Fuß oder mit den Hobblern kamen, all das war ganz egal, als Erstes genoss Chris jeden Morgen, mit einer duftenden Zigarette in der Hand, den Blick auf den Hafen und die liebliche Landschaft dahinter.
Jeden Tag war das Licht anders, und das durch die Jahreszeiten wandernde Farmland im Hintergrund von Marazion bot farbenfrohe Abwechslung; geruhsame Abwechslung, angenehme Abwechslung. Das hieß für Chris Pascoe, der sein ganzes Leben in West-Cornwall verbracht hatte und nicht einen Tag im Ausland gewesen war, keine zu hastige und nicht zu viel Veränderung. Die Vertrautheit dieser Umgebung verstärkte sein Wohlbefinden ungemein, und er war jeden Morgen aufs Neue froh, dass der Herrgott ihn genau auf dieser Insel das Licht der Welt hatte erblicken lassen.
Immerhin war er seit über fünfzig Jahren Fährmann. Natürlich hätte er längst pensioniert sein können, aber warum sollte er, er hätte gar nicht gewusst, was er den lieben langen Tag sonst hätte machen sollen. Denn die Tage waren lang, gar keine Frage, und die Arbeit machte ihm viel Spaß. Unter den Passagieren gab es immer jemanden, mit dem man ein Pläuschchen halten konnte, und der Verdienst war auch nicht schlecht. Also blieb er mit Leib und Seele Ferryman, da musste schon etwas anderes kommen als sein Alter.
Die Sonne stand an diesem Junimorgen bereits hoch über dem Hügel hinter Marazion. Allerdings war es immer noch etwas frisch, kühl fast, so wie es am Meer häufig der Fall war. Der Geruch von Tang hing in der Luft, gab ihr heute einen beinahe modrigen Hauch. Hoch über der Insel kreisten ein paar Möwen und schienen ihm mit ihren hellen Rufen aufgekratzt zuzulachen.
Gemächlich ließ er seinen Blick über das glitzernde Wasser im Hafenbecken gleiten. Mit geschultem Auge checkte er die lustig auf den Wellen schaukelnden Boote, die in der Morgensonne in allen möglichen Farben leuchteten und auf ihren Reflexionen im Wasser tanzten.
Eine Künstlerpalette, wenn ich die jetzt hätte, mein Gemälde würde schön, jeder könnte es sehn, sinnierte Chris; er hatte einen seiner poetischen Momente.
Genüsslich zog er gerade an seiner Zigarette, als seine Augen über etwas stolperten. War da tatsächlich wieder einmal ein Seehund ins Hafenbecken geschwommen? Tatsächlich! Der schwarze Rücken des Tieres kam immer wieder neben einem gelben Boot an die Oberfläche.
Komisch, wunderte er sich, die kommen doch nicht mit dem Rücken hoch, die tauchen doch mit ihrem Kopf auf, holen Luft und schauen sich immer ganz neugierig um.
Irgendetwas an dem schwarz glänzenden Tier kam ihm verdächtig vor. Alarmiert drückte er die Zigarette mit dem Fuß auf den Granitsteinen der Hafenmauer aus, hob den noch langen Stummel auf, pulte die Asche vorne ab und steckte den Rest wieder in die Schachtel. Er hatte schon entschieden, dass er seine Zigarette später noch fertig rauchen würde. Die Dinger waren einfach zu teuer, um sie nicht mindestens bis zum Filter runterzuperzen. Noch während er die Schachtel wieder tief in die Innentasche seiner abgetragenen Jacke steckte, die mindestens so wettergegerbt wie sein gefurchtes Gesicht war, ging er weiter nach links, um einen besseren Blick auf das Schwarze werfen zu können, das da im Rhythmus der Wellen schaukelte. Es war mal mehr und mal weniger tief unter Wasser.
»Oh nein!«, entfuhr es ihm entsetzt. »Oh mein Gott!« Unbewusst fuhr er sich mit der Hand an den Mund um weitere Schreie zu unterdrücken. Augenblicklich hatte sich sein Pulsschlag fast verdoppelt, seine Nackenhaare standen ihm zu Berge.
Chris warf noch einige ungläubige Blicke auf die im Wasser schwappende, leblose Gestalt, damit er wirklich ganz sicher sein konnte, was er dort gerade entdeckt hatte. Das Ganze war so unwirklich und so fehl am Platz, dass er seinen Augen lange nicht traute. »Das gibt’s doch gar nicht«, murmelte er immer wieder. »Das gibt’s doch gar nicht!«
Erst dann rannte er los, rannte, so schnell ihn seine alten Beine trugen, eilte zurück zum Haus, stürzte zum Telefon und wählte mit zittrigen Händen 999, die Notrufnummer der Polizei. Dann alarmierte er seine Frau und die anderen Inselbewohner.
Fiona saß, wie meistens in den letzten Wochen, hinter ihrem Schreibtisch und kämpfte sich durch Aktenberge. Neue und auch alte, die ihr Vorgänger Detective Chief Inspector Robert Fletcher leider unvollendet hinterlassen hatte. Er war sechs Wochen vor seiner Pensionierung an einem Herzinfarkt hinter seinem Schreibtisch verstorben. Die Reanimationsversuche auf dem Fußboden vor seinem Schreibtisch, der jetzt ihrer war, waren vergeblich gewesen.
Sie fand es echt frustrierend, dass sie DCI Fletcher nicht mehr um Rat bitten konnte. Zum wiederholten Mal fragte sie sich, warum er nicht drei Monate später seinen Herzinfarkt hatte kriegen können, wenn er denn schon überhaupt einen erleiden musste. Viel schöner wäre es zu wissen, wenn ihr Amtsvorgänger seine wohlverdiente Pension auf schönen Reisen oder sonst wie hätte durchbringen können. Sie hoffte inständig, dass es ihr später anders ergehen würde.
Plötzlich fuhr Fiona zusammen. Detective Constable Hunt hatte ihre Bürotür aufgerissen, stürmte in ihr Zimmer und legte lauthals los: »Wir haben endlich eine!« Der Mann strahlte sie dabei mit kindlicher Begeisterung an.
Fiona ärgerte sich, dass Hunt einfach so in ihr Büro geplatzt kam. So ging das nicht weiter, sie musste das unbedingt gleich noch ansprechen. Detective Chief Inspector Sutherland war die Respektlosigkeit, die ihr zum wiederholten Mal in ihrer neuen Dienststelle entgegengebracht wurde, wirklich leid. Die ausschließlich männliche Belegschaft hatte subtile Arten entwickelt, ihr das Leben ein bisschen schwerer zu machen. Einfach in ihr Büro zu kommen, war eine davon. Dienstanweisungen oder Dinge, um die Fiona sie bat, erst beim zweiten oder dritten Mal zu verstehen, war eine weitere perfektionierte Art und Weise, ihr mitzuteilen, dass sie nicht wirklich anerkannt war; sie war immer noch die Neue von up-country*, und das genügte.
»Was haben Sie mir mitzuteilen, DC Hunt?« Fiona zeigte bei ihrer Frage keinerlei Gemütsbewegung. Aus grünen Augen schaute sie ihn direkt an. Hunt blickte leicht konsterniert zurück. Ihr leerer Gesichtsausdruck hatte ihm offenbar die Sprache verschlagen.
»Also, DC Hunt was gibt es?«
»Wir …, wir haben endlich eine Leiche!« Die Aufregung hatte ihn sichtlich sofort wieder im Griff, als er seine Botschaft froh verkündete.
»Wie bitte?« Sie glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Der Kerl war einfach unmöglich! »Endlich eine Leiche«, das gab’s doch nicht! So konnte man doch nicht reden!
»Es ist gerade ein Anruf reingekommen, dass im Hafen von St. Michael’s Mount einer angespült worden ist.«
Fiona fasste sich schnell.