Todesangst in der Nordeifel - Jean-Louis Glineur - E-Book

Todesangst in der Nordeifel E-Book

Jean-Louis Glineur

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Beschreibung

Marianne Belder wird auf einem Spazierweg in der Nordeifel überfallen und vergewaltigt, bald danach wird eine Jugendliche in der Nähe von Schleiden ermordet. Dem Ehemann von Marianne arbeitet die Polizei zu langsam, und so beauftragt er die Privatdetektive Alwin Schreer und Anne-Catherine Vartan. Der unbekannte Serientäter erfährt durch einen Aachener Boulevard-Journalisten und dessen Berichterstattung, dass die Detektive auf seiner Spur sind. Doch er birgt noch ein anderes dunkles Geheimnis, und so schlägt er zurück und setzt alles daran, durch eine üble Autorempelei beide Detektive umzubringen. Das Auto brennt aus, doch Schreer und Vartan überleben. Jetzt nehmen die Detektive die Angelegenheit persönlich, und eine Jagd durch die Euregio beginnt!

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Jean-Louis Glineur

Todesangst in der Nordeifel

Schreer und Vartan ermitteln

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Der Autor

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kommentare

Danksagung

Der Autor - kurz und knapp

Impressum neobooks

Der Autor

Todesangst in der Nordeifel

- Schreer und Vartan ermitteln -

von

Jean-Louis Glineur

Handlungen und Personen sind frei erfunden.

Kapitel 1

Marianne Belder hechtete über die Pfütze. Jogging war ihre Leidenschaft, und es verging kein Morgen ohne einen Langlauf durch den Wald zwischen Dedenborn und Hammer inmitten der nahezu unberührten Nordeifel. Die Täler und Höhen motivierten sie, jeden Lauf mit neuer Bestzeit zu schaffen. Die Kühle des Morgens und eine Spur Verschlafenheit ließen sie den Tag etwas später als an anderen Tagen beginnen. Wolfram war über Nacht geblieben, und der kleine Max wollte nicht ins Bett. Es war bereits 7 Uhr und spät für eine Frühaufsteherin wie Marianne. Die Nässe und die matschigen Wege waren ihr recht, denn dann gab es auch keine gaffenden Spaziergänger unterwegs. Ihre Freundin Elke hatte leider abgesagt. Vermutlich hatte Elke wieder mal einen Typ am Vorabend im Simmerather Bistro aufgegabelt und mit nach Hause genommen. Elke lernte einfach nicht dazu, dachte Marianne, als sie über die nächste Pfütze sprang.

Anders als die Schumi-Brüder Michael und Ralf, die sich noch einen Tag zuvor in der Schlussrunde vom Grand Prix von Monaco ein wahnwitziges Duell Rad an Rad auf der Ziellinie lieferten, lief Marianne lieber alleine und gegen die Uhr über Stock und Stein. Ralf Schumacher fand das Manöver von Bruder Michael zu riskant und krähte überall heraus, bei Schumi I würde das Hirn aussetzen. Sie dachte daran, weil sich Wolfram und ihr kleiner Sohn Max gestern lieber vor die Glotze setzten. Also lief Marianne auch schon am Nachmittag des Vortages, nachdem die zwei Fachsimpler Christian Danner und Kai Ebel bei RTL immer noch der kompetenten Meinung von Co-Moderator Niki Lauda vertrauten. Wolfram und der kleine Max diskutierten natürlich vor dem Fernsehapparat mit und Marianne zog lieber ihre Läuferklamotten und ihre neuen Nike, die sie noch richtig einlaufen musste, an.

Der Montagmorgen war kalt und feucht. Mariannes Walkman trällerte „Summer Of 69“ von Bryan Adams, als sie die nächste Pfütze mit Laufschuhen voll erwischte. Sie fluchte laut und spürte die schmutzige Nässe an ihren schlanken und durchtrainierten Waden hochkriechen.

Der Regen der Nacht konnte Marianne nicht davon abhalten, auch heute mindestens sechs Kilometer zu laufen. Ihr Outfit war nicht sexy. Das blaue T-Shirt saß ebenso eng am Körper wie ihre blaue Laufhose, die unterhalb der Knie endete. Ihr kleiner Busen machte einen Büstenhalter überflüssig. „Stay my ground“ von Within Temptation jagte jetzt durch die zwei Ohrstöpsel. Bryan Adams gefiel ihr besser. Oder Billy Idol, dieser Edel-Punk aus den 80er Jahren.

Den Mann hinter den Büschen sah sie nicht. Marianne atmete regelmäßig und spürte keine Seitenstiche. Ihr Schritt war stark und gleichmäßig, so gleichmäßig, wie ihr trainiertes Herz schlug.

Als Marianne etwas am Kopf streifte, spürte sie einen derben Schmerz und strauchelte. Ein Ast konnte es nicht gewesen sein. Für die Läufer und Spaziergänger hatte das Forstamt jeden auf die Laufwege ragenden und lästigen Ast abgesägt. Marianne hörte ein böses und schallendes Lachen. Pfiffe und Anfeuerungsrufe von Spaziergängern beantwortete sie beim Joggen, je nachdem, wer es war, mit einem Augenzwinkern oder einem Stinkefinger.

Was war das? Sie blieb einen Moment stehen uns fasste sich an die Stirn. Blut lief ihr in die Augen, und den Mann, der wie aus dem Nichts auftauchte, nahm sie nur verschwommen wahr. Sie sah den großen Stein, der sie mit spitzer Kante getroffen haben musste.

„Wehr’ dich nicht!“ Marianne hörte eine Stimme wie durch einen Schleier und mit einem Dialekt, den sie später als vielleicht russisch oder polnisch in Erinnerung hatte. So sollte sie es zu Protokoll geben. Angst floss durch ihren Körper. Ihr Herz schlug schneller, und Marianne sah nur schemenhaft, wie der Unbekannte auf sie zustürzte. Der Schlag seiner Faust war so wuchtig, dass sie wankte.

Ich muss mich wehren, dachte Marianne in dem Augenblick, als der Unbekannte sie packte. Sie stürzte zu Boden und spürte den Griff einer massigen Pranke um ihren Hals. Es war sein linker Arm, der sie auf den nassen und aufgeweichten Boden presste. Die andere Hand des Angreifers fasste zwischen ihre Beine und riss an der Sporthose und ihrem Slip. Marianne schlug wild um sich und riss den Unbekannten an seinem Hemd. Er roch nach Schweiß und verbrannter Asche. Er stank einfach bestialisch. Sein Atem an ihrem Hals roch nach Zähnen, die nicht geputzt waren. Diese Gerüche nach Fäule und Knoblauch sollten Marianne nie mehr verlassen.

Der Mann schrie und Marianne zerrte verzweifelt an seinem Hemd. Sie krallte sich in sein Kinn und wollte das Monster fortdrücken. Er lag mit seinem ganzen Gewicht auf ihr, als sie wieder seine Hand zwischen ihren Beinen spürte. Ein Finger drang brutal in sie ein.

Seine andere Hand würgte sie. Marianne sehnte sich nach frischer Luft. Sie empfand den Atem des Fremden wie eine Mischung aus Hausmüll und wässrigem Durchfall. Ekel stieg in ihr hoch.

Die zweite Hand des Fremden wühlte plötzlich nicht mehr in ihrer Vagina und ergriff sie an der Kehle. Das Stöhnen von Marianne wurde schwächer. Die zwei starken Pranken schlossen sich um ihren Hals. Marianne hatte ein Gefühl, als würden ihr die Augäpfel herausspringen.

Sie sah in zwei dunkle Augen, die ihr irre erschienen. Das schwammige Gesicht mit dem Doppelkinn und den schütteren Haaren sollten Marianne in Erinnerung für das Phantombild bleiben. Sein Kraftaufwand und die Wut ließen ihn rot anlaufen. Seine Halsmuskeln waren geschwollen und unnatürlich. Der stinkende Fremde drückte ihr die Kehle mit aller Kraft zu, er schrie in dieser fremden Sprache, die Marianne nicht verstand.

Als sie ihre Augen schloss und ihre erschöpften Schreie verstummten, ließen die beiden Hände von dem Fremden ihren Hals los. Sie spürte, wie er ihr die Trainingshose herunterriss und in sie eindrang. Der stechende Schmerz erinnerte sie an die Vergewaltigung, als sie noch siebzehn war.

Als er sich brutal und hart in ihr bewegte, nahm sie nur noch grunzende Laute wahr und verlor das Bewusstsein.

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Marianne spürte die Sonne, die auf ihren Körper schien und tastete erst über den Boden und griff sich an die Hüften. Keine Trainingshose, kein Slip.

Ihr Kopf hämmerte. Marianne spürte Schmerzen und fühlte etwas Nasses, ihr eigenes Blut. Es war geronnen und wurde klebrig an ihren Fingern, die ihren Schamhügel betasteten.

Als sie die Augen öffnete, sah sie einen Eichelhäher, der schimpfend auf einem Ast saß. Marianne liebte die scheuen Eichelhäher. Liegend dachte sie nach. Nein, es war kein Traum und Tränen schossen ihr in die Augen. Sie traute sich, ihren pochenden Schädel nur langsam nach rechts und links zu bewegen. Mit der rechten Hand griff sie nach ihrem Hals. Die Silberkette, die ihr Mann ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, fehlte. Das Medaillon war nicht wertvoll gewesen, aber sie liebte den kleinen Anhänger mit dem silbernen Eselchen.

Das ist vielleicht doch alles nur ein böser Traum, dachte sie erneut verwirrt und erschrak, als sie in das Gesicht eines alten Mannes mit großen Tränensäcken und einer dicken Hornbrille blickte. Sie schlug nach ihm und hörte dann eine Frauenstimme.

„Hermann, sei vorsichtig! Sie ist vergewaltigt worden. Wir müssen die Polizei rufen!“

Die alte Dame zog ihre Strickjacke aus und legte sie schweigend über Mariannes entblößten Unterleib. Marianne schaute in die beiden Gesichter, die besorgt und ebenso liebevoll schauten. Der alte Mann verbarg die Hände vor seinen Augen und zitterte.

„Liebling, mach’ du das. Es ist wie damals bei unserer Enkelin vor zehn Jahren.“

„Eins-eins-null“, hauchte Marianne leise und sah, wie die alte Frau ein Handy an das Ohr hielt. Marianne wollte wieder in Ohnmacht fallen und fragte sich vorher, ob der Vergewaltiger ahnen würde, dass sie noch lebt.

Kapitel 2

Ich lebe mehr schlecht als recht. Als ich meine Ausbildung zum Industriekaufmann halbwegs ertrug und auch mit einer dreikommazwo überstand, ahnte ich bereits, dass der Job mir keinen Spaß machen wird. Vielleicht gibt es auch etwas wie „höhere Magie“, denn jeder Laden, der mich beschäftigte, ging auch pleite. Insolvenz nennt man das. Deutschland sollte froh sein, dass ich kein Beamter bin, denn wenn die Behörden Pleite gehen, dann entsteht eine neue Revolution.

Ich bin selbständig. Als Privatdetektiv lebe ich zwar jeden Tag von der Hand in den Mund, aber ich bin mein eigener Herr. Zu lange eigentlich, denn seit zwei Monaten lebte ich von den paar Euro, die ich nicht bar auf mein Konto einzahlte. Meine Bank ist zwar kulant, aber bei einem Privatdetektiv glaubte auch sie nicht an eine Besserung der Finanzlage. Das Schild DETEKTEI ALWIN SCHREER & ANNE-CATHERINE VARTAN lockte wenige Kunden. Die meisten hatten kein Geld, und die anderen langweilten uns mit Aufträgen, die spröde waren. Es machte selten Spaß, vor dem Haus eines angesehenen Bürgers mit der Spiegelreflex zu stehen und abzulichten, wer in das Haus ein und ausgeht, wenn der gute Mann nicht da ist und seine Reden vor irgendwelchen Gremien schwingt. Zeit hätte ich also genug, meine Wohnung aufzuräumen. Die stets aufgetürmten Kochtöpfe mit Resten von Spaghetti und Linsensuppe deprimierten mich. Zum Glück hatte die Küche eine Tür und einen passenden Schlüssel.

In meinem Büro sah es wenigstens effizient nach Arbeit aus. Mindestens zwanzig vergrößerte Fotos hingen an den Wäscheleinen, die Anne und ich kreuz und quer auf gehangen hatten. Es war ein Auftrag aus dem deutschsprachigen Teil Belgiens. Anne, eine Ex-Journalistin mit Spürsinn, observierte eine weibliche industrielle Größe und Millionenerbin, wie sie ihre Liebhaber dutzendweise durchbumste, und der Auftrag würde uns mindestens 3.000 Euro einbringen, die unser Firmenkonto auch dringend benötigte. Der betrogene Ehemann hatte die verlangten 75 Prozent Anzahlung überwiesen. Der bis zum Geht-Nicht-Mehr loyale Berater meiner Hausbank hatte sich bereits bis weit aus dem Fenster gewagt, als er den letzten Kredit unterschrieb, und er konnte so seinen Chef zunächst beruhigen.

Zu den 3.000 Euro brachten die Schnappschüsse Anne zunächst ein blaues Auge ein, denn einer der prächtigen Lover der Industriebossin hatte Anne in ihrem versteckten Honda Accord entdeckt und seinen Fahrer per Handy informiert, der Anne sofort aus dem Auto zerrte und die Kamera kurz und klein schlug. Typisch, im bescheidensten Auto seines Fuhrparks angerollt kommen, aber den Chauffeur und seines Zeichens auch Bodyguard zum Schäferstündchen mitschleppen!

Vor dem Haus seiner liebeshungrigen Gespielin stand sein bescheidener Ford Puma mit Fahrer, den er sicher seiner Frau entliehen hatte. Annes gute Canon war komplett zerstört, und ebenso demoliert war das Gesicht des Chauffeurs. Anne fackelte nie lange, wenn sie ihre Karatekünste an den Mann bringen konnte. Sein Pech, dass sie gerade den Film gewechselt hatte und die Beweisbilder längst in den Händen von Arno waren, den Harz IV zwar erwischt hatte, der aber mit seiner Crossmaschine immer gerne den Boten spielte, wenn etwas für ihn heraussprang.

Es klingelte, und ich fluchte laut, weil mein Büro chaotisch war, die Küche wie nach einer Schlacht aus Braveheart mit Mel Gibson aussah und es mir nach wie vor nicht gelungen war, die unzähligen Wollmäuse auf dem Parkett meines Wohnzimmers zu bändigen.

Ich ärgerte mich über meinen Geiz, mir keine Putzhilfe anzuschaffen und entschied mich spontan, dass ich die kleine Tanja aus der Nachbarschaft fragen würde, für ein gutes Taschengeld in meinen vier Wänden und dem gemeinsamen Büro von Anne und mir Ordnung zu schaffen.

Conan der Barbar stand vor meiner Tür und nickte mir freundlich zu. Der attraktive, dunkle Anzug ließ auf Armani oder den guten Hugo Boss schließen. Jedenfalls hatte Conan nichts für Krawatten übrig und lächelte gequält. Muskulös und langhaarig sah er wie ein Schauspieler für Fantasyfilme aus.

„Darf ich reinkommen?“ fragte er. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden, denn ich hoffte auf einen neuen Auftrag. Ich sah an mir herab und war weniger landfein. Die Jeans stand vor Dreck, denn ich hatte mich nicht auf Besuch eingestellt, das T-Shirt mit der Aufschrift „Eifel“ war frisch gewaschen, aber an meinen nackten Füßen schämten sich zehn seit längerem dringend für eine Pediküre geplante Fußnägel.

Ich nickte und Conan folgte mir ins Arbeitszimmer. Die Schreibtische von Anne und mir standen gegenüber und waren mit Zeitungsausschnitten von Mord- und Totschlag der letzten drei Monate übersät.

„Mein Name ist Alwin Schreer“, stellte ich mich vor und hielt Conan die Hand hin. Er ergriff sie und gab mir mit seiner Linken seine Visitenkarte. Ich las Wolfram Belder und seine Profession war die eines Automobilverkäufers. Conan hatte also einen Namen, auch wenn mein Eindruck nicht verschwand, dass er Schwarzenegger wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlichsah.

„Nehmen Sie Platz, falls Sie einen finden,“ sagte ich kurz, um wenige Minuten zu verschwinden und eine andere Jeans und Socken anzuziehen. Ich brachte uns ein Tablett mit Kaffee.

„Haben Sie einen Auftrag für mich? Eine Ehefrau, die Ihnen Hörner aufsetzt, oder zerkratzt jemand dauernd Ihren schönen Jaguar vor der Tür?“

Wolfram Belder sah mich an bekam stahlharte Gesichtszüge. Er rang tief nach Luft.

„Ich sehe auf Ihren Schreibtischen bereits den Fall liegen, warum ich Sie engagieren möchte. Und ich sage Ihnen, Geld spielt keine Rolle. Ich will das Schwein, das meiner Marianne, das ist meine Frau, das hier angetan hat.“

Er griff nach einem Zeitungsbericht, den ich ausgeschnitten und noch nicht für unser Archiv eingescannt hatte: FRAU AUS GEMÜND GEWÜRGT UND BRUTAL VERGEWALTIGT war der Headliner, und der Untertitel lautete Mutter eines dreijährigen Kindes gerettet. Täter unbekannt. Belder griff erneut auf meinen Schreibtisch und entdeckte einen weiteren Bericht zu dem Fall mit einer Phantomzeichnung des mutmaßlichen Vergewaltigers. Sachdienliche Hinweise seien bei der Polizeistation Schleiden oder jeder anderen Dienststelle, auch anonym, erbeten. Ich überflog beide Berichte kurz und war erstaunt.

„Warum, Herr Belder, wenden Sie sich an mich? Die Kripo in Schleiden, und mit Sicherheit auch die Kollegen in Simmerath, sind an der Sache dran. Wieso überhaupt ist der Fall nicht im Kreis Aachen, sondern bei der Kripo in Schleiden? Der Überfall geschah doch zwischen Dedenborn und Hammer. Das ist Kreis Aachen. Ich bin nur Privatdetektiv.“

Belder blickte düster. Hektisch durchwühlte er seine Taschen und fand nur ein Feuerzeug mit der Aufschrift Plus. Ich bot ihm eine meiner blauen Gauloises an und ließ ihm Zeit für die Antwort. Er nahm zwei tiefe Züge und trank seinen Kaffee, jene meiner Lieblingssorten, die ich in Belgien hinter der Grenze kaufe und die auf den Namen Chat noir hört.

Belder nahm Anlauf. „Hören Sie, meine Frau ist vor vier Wochen fast umgebracht worden. Und das Schwein, das Marianne auflauerte, hat sie zudem brutal vergewaltigt. Und das mehr als einmal. Er ist ganz nah von Dedenborn über sie hergefallen. Zwischen Dedenborn und Hammer! Wie ein Tier! Und unser kleiner Sohn Max hat jetzt eine vollkommen verstörte Mutter und ich eine vollkommen verbitterte Familie.“

Schweiß lief ihm von der Stirn und sammelte sich an den Nasenflügeln. Auch seine Achselhöhlen waren triefend nass. Ich ließ ihn einen Augenblick zur Ruhe kommen und schob ihm die Schachtel Gauloises neben seine Kaffeetasse.

„Okay, Herr Belder, ist kenne den Vorfall aus der Zeitung. Wie kommt es, dass nicht die Polizei im Kreis Aachen hier das Regiment hat? Es wäre logisch, denn hinter Vogelsang teilen sich ja Kreis Aachen und der Kreis Euskirchen.“

„In den letzten Monaten gab es in der Schleidener, Gemünder und Kaller Umgebung sexuelle Übergriffe auf Frauen.“ Belder zündete sich eine neue Zigarette an. 

„Wir leben eigentlich in Gemünd, und die Ehe zwischen Marianne und mir kriselte viele Monate. Meine Marianne wohnte ein paar Wochen in einem der schönen Häuser in Hammer, das meiner Schwester gehört. Auch unser Sohn war oft bei ihr, und wir sahen uns fast täglich. Die letzten Wochen liefen wieder gut, weil ich versprach, dass ich weniger arbeiten und mich meiner kleinen Familie widmen werde. Marianne hatte schon alles gepackt, um zurück zu kehren. Am Sonntag hatte sie noch gelästert, weil Max und ich ausgelassen vor der Glotze saßen und Formel 1 schauten und ging eine Runde laufen. Unser Kleiner ist ein Autonarr. Das ist jetzt vier Wochen her.“

Belder schluchzte und konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten.

„Marianne wollte den Tag später wieder zu mir und Max zurückkehren. Sie ist jetzt wieder da, aber sie ist oft wie in Trance. Ich möchte, dass sie recherchieren. Für jeden Preis. Das Geld habe ich. Der Jaguar vor der Tür wird morgen verkauft und bringt runde 25.000 Euro. Und ich habe Erspartes.“

Belder zog erneut tief an der Gauloises und würde wohl nie ein Kandidat für eine Anti-Raucherkampagne.

„Ich habe bei der Polizei Schleiden einen Freund, Kommissar Welsch von der Kripo. Wieso Schleiden zuständig ist, weiß ich nicht. Falls es da überhaupt eine Regelung gibt. Polizeiarbeit hört ja nicht an der Kreisgrenze auf. Ich weiß nur, dass er von ähnlichen Fällen in der Vergangenheit erzählt hat, die in den Wäldern um Gemünd, Hellenthal und Kall seit drei oder vier Monaten geschahen. Es soll mindestens vier Fälle geben, und die Opfer konnten jedes Mal fliehen. Auffällig sei, dass alle Opfer von einem Mann mit polnischem oder slawischen Dialekt sprachen. Welsch wollte den Fall unbedingt, aber er muss sich an Vorschriften halten. Der Kommissar weiß, dass ich bei Ihnen bin und hat zuerst die Augen verdreht. Er war nicht begeistert, aber er hat mir erzählt, dass Sie ihm auch früher den einen oder anderen Tipp gegeben haben und er Ihnen etwas schuldig ist. Außerdem kennen Sie meine Frau. Sie haben als Teenie blind für sie geschwärmt. Hat sie mir mal erzählt. Bevor wir heirateten und sie den Namen Belder annahm, hieß sie Zeyen.“

Ich hatte ein ‚verdammte Scheiße‘ auf der Zunge. Verdammt, Marianne Zeyen, die ich als Junge von 17 Jahren heimlich, still und leise wie eine Göttin verehrte. Dann fiel ich bei ihr komplett durch, als sie mich beim Kiffen in meiner Clique erwischte. Vier Wochen hatte sie damals nicht mir mir geredet. Marianne, mein Gott, das war jetzt 23 Jahre her. Jetzt erkannte ich auch Wolfram wieder.

„Ich nehme den Auftrag an und über das Geld reden wir gleich. Und ich fände es okay, wenn wir uns auf Wolfram und Alwin einigen. Ich möchte dir helfen, aber ich brauche noch mehr Fakten. Und behalte erst mal deinen Jaguar.“

Ich nannte Wolfram meine Tagessätze. Spesen und mögliche Schmiergelder hatte er zu tragen. Wolfram ging, und ich hing meinen Gedanken nach. Ich war damals ein Teenager und liebte Marianne heiß und innig. Ihrer Familie ging es finanziell nie sehr gut und sie trug oft die abgetragene Kleidung ihrer älteren Schwester Tiffany. Doch selbst in Lumpen hätte Marianne wie eine Prinzessin ausgesehen. Sie hatte das Lächeln von der verstorbenen Lady Diana und den grazilen Körper einer Ballettschülerin. Und sie hatte einen aufrechten Gang wie Sophia Loren. Wir waren uns nur einmal nah, wenn man es überhaupt so nennen konnte. Als sie ihren 16. Geburtstag hatte, stach meine Überraschung alle anderen aus. Ich hatte ihr einen großen Blumenstrauß und ein Plüschtier mitgebracht. Sie liebte Stoffesel, und das Plüschvieh und sie waren wie eine Liebe auf den ersten Blick. Erst drückte sie den Esel und dann mich.

Ich las zum elften oder zwölften Mal die beiden Berichte über den Überfall auf Marianne, die aus der Rundschau stammten. Deren Lokalredaktion sitzt in Gemünd, und mein Freund Christian Hermes ist dort Redakteur und Spürnase für alle brisanten Dinge, die in der Eifel und im Grenzgebiet Belgiens laufen. Er wäre sicher noch eine große Hilfe. Doch zuvor rief ich in Euskirchen beim Stadt-Anzeiger an und bat, dass ich auch die Berichterstattung von dort per Fax erhielt. Das Phantombild des Vergewaltigers war größer als der Abdruck in der Rundschau. Ein Gesicht mit stechenden Augen, einer langen Nase und schmalen Lippen starrte mich an. Seine Haare waren dunkel, kurz und die hohe Stirn ließ auf Haarausfall in früheren Jahren schließen. Er hatte ein markantes Doppelkinn. Marianne hatte bei der Beschreibung des Täters angegeben, dass seine Schneidezähne verschoben waren. Ich wollte mich gerade bei Pete Becker bedanken, als mein Faxgerät alle Seiten ausgespuckt hatte.

Kapitel 3

Die Verbindung war unterbrochen, ich ließ meinen alten Honda Civic aufheulen und wühlte mit einer Hand nach meiner Digitalkamera. Ich schoss durch die engen und kurvigen Straßen von dem kleinen Dedenborn, um dann Richtung Einruhr zu jagen. Vorsicht, Junge, dachte ich mir, in dieser tückischen Kurve nach Rurberg hast du bereits vor vielen Jahren einen Alfa verschrottet