Tödliche Schatten - Josh Lanyon - E-Book

Tödliche Schatten E-Book

Josh Lanyon

4,4

Beschreibung

Adrien English ist Anfang dreißig, Krimiautor und Besitzer eines kleinen Buchladens in L.A. Eines Morgens steht die Polizei vor der Tür: Adriens Angestellter und ehemaliger Schulfreund wurde brutal emordet. Und da die beiden noch am Vorabend einen heftigen Streit hatten, steht Adrien im Fadenkreuz der Ermittlungen. Als dann auch noch sein Laden verwüstet wird und er unheimliche Anrufe erhält, wird Adrien klar, dass er schon bald das nächste Opfer sein könnte …

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Das Leben wird euch Masken zeigen, die es mit all eurem Karneval aufnehmen können.

Ralph Waldo Emerson, Von der Schönheit des Guten

1

Bullen an der Haustür – und das vor dem Frühstück. Nicht einmal Kaffee hatte ich getrunken. Als wären Montage nicht auch so schon schlimm genug. Ich stolperte die Treppe hinunter, schloss die Haustür auf, schob das schmiedeeiserne Gitter zur Seite und ließ die beiden Zivilbeamten ins Haus.

Sie hielten ihre Dienstmarken hoch, um sich auszuweisen. Der ältere, Detective Chan, war beleibt und sah ein bisschen zerknittert aus. Als er sich an mir vorbeidrückte, stieg mir der Geruch von Old Spice und Zigaretten in die Nase. Der andere, Detective Riordan, war groß und blond, trug einen Neonazi-Haarschnitt und hatte Augen wie ein Raubvogel. Die Farbe konnte ich nicht erkennen, aber er hielt seinen Blick starr auf mich gerichtet, als wartete er darauf, dass die Maus endlich aus ihrem Loch hervorgekrochen käme.

»Mr. English? Wir haben leider schlechte Nachrichten für Sie«, sagte Detective Chan, während ich sie die Bücherregale entlang zu meinem Büro führte.

Statt anzuhalten, ging ich weiter – als könnte ich vor dem, was sie mir mitzuteilen hatten, einfach davonlaufen.

»Es geht um einen Ihrer Angestellten – Robert Hersey.«

Ich wurde langsamer und blieb schließlich vor dem Regal mit den Groschenromanen stehen. Mein Blick heftete sich an eine der vielen bedrängten Jungfrauen in hauchdünnen Negligés. Ruckartig drehte ich mich zu den Beamten um. Beide hatten einen offiziösen Gesichtsausdruck aufgesetzt.

»Was ist mit Robert?« Ein mulmiges Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Hätte ich mir wenigstens meine Schuhe angezogen. Barfuß und unrasiert wie ich war, konnte ich ihre schlechten Nachrichten unmöglich in Empfang nehmen. Natürlich, es hatten ja schlechte Nachrichten sein müssen. Wenn es eins gab, wofür Robert immer gut war, dann schlechte Nachrichten.

»Er ist tot.« Das kam von dem größeren, Riordan. He-Man.

»Tot«, wiederholte ich.

Stille.

»Das überrascht Sie nicht?«

»Natürlich bin ich überrascht.« War ich doch, oder? Ich fühlte mich eher betäubt. »Was ist passiert? Wie ist er gestorben?«

Sie schauten mich weiter prüfend an.

»Er wurde ermordet«, sagte Detective Chan.

Mein Puls beschleunigte sich und mein Herz begann wie wild gegen meine Rippen zu schlagen. Ich spürte, wie mich ein nur allzu vertrautes Schwächegefühl überkam. Meine Hände wurden schwer, zu schwer für meine Arme.

»Ich muss mich setzen«, sagte ich.

Ich drehte mich um und wankte in Richtung Büro, wobei ich die Arme weit von mir streckte, um nicht gegen eins der überfüllten Regale zu stolpern. Von dem hohen Pfeifton in meinen Ohren fast überdeckt, hörte ich hinter mir die gemessenen Schritte der Polizisten.

Ich stieß die Bürotür auf, ließ mich in meinen Schreibtischsessel fallen, zog eine der Schubladen auf und wühlte darin herum. Das Telefon auf meinem Schreibtisch begann zu klingeln; sein schrilles Scheppern übertönte mühelos das Pfeifen in meinem Kopf. Ich versuchte beides zu ignorieren, fand endlich die Packung, öffnete sie und drückte zwei Tabletten heraus. Ich spülte sie herunter mit einem Schluck aus der Dose, die noch von gestern Abend auf meinem Schreibtisch stand. Was immer das war. Cola. Warme Tab-Cola. Ich fühlte mich trotzdem ein bisschen besser.

»Entschuldigen Sie.« Ich wandte mich wieder den beiden Beamten zu. »Fahren Sie bitte fort.«

Das Telefon, das zwischenzeitlich verstummt war, meldete sich erneut. »Wollen Sie nicht rangehen?«, fragte Riordan nach dem vierten Klingeln.

Ich schüttelte den Kopf. »Wie haben –? Wissen Sie, wer –?«

Das Telefon verstummte. Aber die eintretende Stille war noch verstörender.

»Hersey wurde gestern Abend tot aufgefunden, in der Gasse hinter seiner Wohnung«, antwortete Chan. »Erstochen.«

Noch bevor ich etwas sagen konnte, begann Riordan mit der Befragung: »Was können Sie uns zu Hersey sagen? Wie gut kannten sie sich? Wie lange hat er für Sie gearbeitet?«

»Ich kenne Robert noch aus der High School. Und seit etwa einem Jahr arbeitet er für mich.«

»Gab es da je irgendwelche Probleme? Wie war er denn so, als Angestellter?«

Ich blickte zu Chan hinüber. »Er war in Ordnung«, sagte ich und konnte mich endlich etwas besser auf ihre Fragen konzentrieren.

»Und wie war er als Freund?«, fragte Riordan.

»Wie bitte?«

»Haben Sie miteinander geschlafen?«

Ich öffnete den Mund, brachte aber keinen Laut hervor.

»Waren Sie ein Paar?«, fragte Chan und sah dabei zu Riordan hinüber.

»Nein.«

»Aber Sie sind doch homosexuell?« Das war wieder Riordan, der jetzt aufrecht wie ein Stock vor mir stand, seinen prüfenden Blick kühl auf mich gerichtet. Das Ergebnis schien ihn nicht besonders zu beeindrucken.

»Ich bin schwul. Na und?«

»Hersey war auch homosexuell?«

»Und wenn man zwei und zwei zusammenzählt, ergibt das eine Mordanklage, oder wie?« Allmählich begannen die Tabletten zu wirken, ich fühlte mich wieder etwas besser. Gut genug jedenfalls, um mich aufzuregen. »Wir waren Freunde, mehr nicht. Ich weiß nicht, mit wem Robert alles Sex hatte. Mit ziemlich vielen Leuten jedenfalls.«

So hatte ich das eigentlich nicht sagen wollen, dachte ich bei mir, während Chan sich Notizen machte. Oder doch? Ich wollte es immer noch nicht wahrhaben. Robert ermordet? Zusammengeschlagen, vielleicht. Verhaftet, das auch. Autounfälle gab es, und autoerotische Unfälle auch. Aber ermordet? Mir kam das alles vollkommen irreal vor. Als wäre ich plötzlich in einem Vorabendkrimi gelandet.

Immer wieder war ich kurz davor nachzufragen, ob sie sich auch ganz sicher waren. Wahrscheinlich war das eine dieser Fragen, die ihnen jeder stellte, dem sie solche Nachrichten zu überbringen hatten.

Ich musste wohl ins Leere gestiert haben, denn unvermittelt fragte mich Riordan: »Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Mr. English? Fühlen Sie sich nicht wohl?«

»Mir geht’s gut.«

»Könnten Sie uns die Namen von Herseys – äh – Männerbekanntschaften geben?«, fragte Chan. Als er so ausgesucht höflich »Männerbekanntschaften« sagte, stellten sich bei mir die Nackenhaare hoch.

»Nein. Robert und ich verbrachten nicht besonders viel Zeit miteinander.«

Riordan spitzte die Ohren. »Ich dachte, Sie wären Freunde gewesen?«

»Waren wir. Aber –«

Sie warteten. Chan warf einen Blick auf Riordan. Obwohl Chan älter war, hatte ich den Eindruck, dass Riordan das Sagen hatte. Vor ihm musste ich mich in Acht nehmen.

Etwas vorsichtiger fuhr ich fort: »Wir waren Freunde, aber Robert hat auch für mich gearbeitet, und das hat unsere Freundschaft manchmal belastet.«

»Das heißt?«

»Das heißt nur, dass wir uns dann abends, nachdem wir den ganzen Arbeitstag miteinander verbracht hatten, lieber mit anderen Leuten trafen.«

»Aha. Wann haben Sie Mr. Hersey zum letzten Mal gesehen?«

»Wir haben gestern zusammen zu Abend gegessen –« Ich stockte. Gerade noch hatte ich behauptet, Robert und ich hätten nicht viel Zeit miteinander verbracht, und auch Chan schien drauf und dran, mich auf dieses kleine Detail aufmerksam zu machen. »Und dann hatte Robert noch eine andere Verabredung.«

»Mit wem?«

»Hat er mir nicht gesagt.«

Riordan wirkte skeptisch. »Wann war das?«

»Wann war was?«

Mit der Miene des Fachmanns, der den Umgang mit begriffsstutzigen Laien seit Langem gewohnt ist, formulierte er seine Frage um: »Wann und wo haben Sie zu Abend gegessen?«

»Im Blue Parrot am Santa Monica Boulevard. Um sechs ungefähr.«

»Und wann sind Sie gegangen?«

»Robert so gegen sieben. Ich blieb noch auf einen Drink an der Bar.«

»Sie haben keine Ahnung, mit wem er verabredet gewesen sein könnte? Hat er keinen Namen genannt? Nicht einmal einen Spitznamen?«

»Nein.«

»Wollte er erst zuerst noch nach Hause, oder waren die beiden irgendwo anders verabredet?«

»Weiß ich nicht.« Ich runzelte die Stirn. »Doch, ich glaube, sie waren irgendwo anders verabredet. Robert hat auf seine Uhr geschaut und gesagt, er sei spät dran, er würde etwa zehn Minuten brauchen. Zu sich nach Hause hätte er mindestens eine halbe Stunde gebraucht.«

Chan machte sich wieder Notizen.

»Fällt Ihnen noch irgendetwas anderes ein, was Sie uns vielleicht sagen sollten, Mr. English? Hat Mr. Hersey jemals angedeutet, dass er vor jemandem Angst hat?«

»Nein. Natürlich nicht.« Ich dachte darüber nach. »Könnte es nicht auch ein Raubüberfall gewesen sein?«

»Er hatte vierzehn Stichwunden, am ganzen Oberkörper und auch im Gesicht.«

Das mulmige Gefühl war wieder da; ich spürte, dass ich kurz vor einem weiteren Schwindelanfall stand.

»Verletzungen wie diese weisen in der Regel darauf hin, dass sich Täter und Opfer kannten«, sagte Riordan gedehnt.

Was sie mich danach noch gefragt haben, weiß ich nicht mehr genau. Irrelevante Details, wie ich damals fand: Ob ich alleine lebte? Wo ich zur Schule gegangen sei? Wie lange ich den Laden schon hätte? Was ich in meiner Freizeit machte?

Sie überprüften die korrekte Schreibweise meines Namens. »Adrien, mit ›e‹«, sagte ich zu Chan. Er unterdrückte ein Schmunzeln.

Dann bedankten sie sich für meine Mithilfe und sagten mir, sie würden sich wieder bei mir melden.

Bevor er mein Büro verließ, nahm Riordan die leere Dose von meinem Schreibtisch. »Tab-Cola. Ich wusste gar nicht, dass die noch hergestellt wird.«

Dann nahm er die Dose in die Hand, zerdrückte sie mit einem kräftigen Griff und warf sie in den Mülleimer.

* * *

Noch bevor ich die Haustür wieder abgeschlossen hatte, klingelte schon wieder das Telefon. Einen Augenblick lang dachte ich, es sei bestimmt Robert, der sich wieder einmal krank melden wollte.

»Adrien, mon chou«, flötete mir eine hohe, klare Stimme ins Ohr. Es war Claude La Pierra, der Besitzer des Café Noir in der Hillhurst Avenue. Er ist groß und schwarz und wunderschön. Wir kennen uns seit etwa drei Jahren. Ich bin mir sicher, dass er ursprünglich aus dem Süden stammt. Aber dank seines geliebten, leicht geschlechter-verirrten Französisch klingt er wie ein Exil-Franzose, der unter schwerem Gedächtnisschwund leidet. »Ich habe es gerade erfahren. Es ist zu grässlich. Ich kann es einfach nicht fassen. Bitte sag mir, dass das alles nur ein böser Traum ist.«

»Die Polizei war eben bei mir.«

»Die Polizei? Mon Dieu! Und was haben sie dir gesagt? Wissen sie schon, wer es war?«

»Ich glaube nicht.«

»Was hast du ihnen erzählt? Habt ihr über mich gesprochen?«

»Nein, natürlich nicht.«

Ein Erleichterungsseufzer bebte geräuschvoll durch die Leitung. »Certainement pas! Was gibt es da schon zu erzählen, nicht? Aber was ist mit dir? Ist mit dir alles in Ordnung?«

»Das kann ich noch gar nicht sagen. Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, mir darüber Gedanken zu machen.«

»Bestimmt stehst du unter Schock. Warum kommst du nicht zum Mittagessen zu mir?«

»Das geht nicht, Claude.« Bei dem Gedanken an Essen überkam mich ein Brechreiz. »Ich – ich habe niemanden, der im Laden für mich einspringen könnte.«

»Sei doch nicht so bourgeois. Du musst jetzt etwas essen, Adrien. Mach den Laden für eine Stunde dicht. Non! Für den ganzen Tag!«

»Ich denk drüber nach«, sagte ich unverbindlich.

Kaum dass ich aufgelegt hatte, klingelte das Telefon erneut. Ich ließ es klingeln und trottete die Treppe hoch, um zu duschen.

Aber einmal oben angekommen, sank ich auf der Couch zusammen, den Kopf in die Hände gestützt. Vor dem Küchenfenster gurrte eine Taube, leise zwar, aber trotz des morgendlichen Berufsverkehrs unüberhörbar.

Rob war tot. Unglaublich, aber unabweislich wahr. Dutzende von Bildern wirbelten wie in einer makabren Dia-Show durch meinen Kopf: Robert mit sechzehn, im Tennisdress der West Valley Academy. Robert und ich, betrunken und linkisch, im Ambassador Hotel beim Schulabschlussball. Robert an seinem Hochzeitstag. Robert, wie er gestern Abend war, das Gesicht fremd und wutentstellt.

Jetzt gab es keine Aussicht mehr auf Versöhnung. Keine Gelegenheit, mich zu verabschieden. Ich wischte mir die Tränen mit dem Ärmel ab und hörte dem gedämpften Klingeln des Telefons im Erdgeschoss zu. Sagte mir, dass ich nun endlich aufstehen und mich anziehen musste. Dass der Laden auf mich wartete. Doch statt aufzustehen, blieb ich sitzen, während mir alle möglichen düsteren Vorahnungen im Kopf herumschwirrten. Immer machte er Ärger, tauchte aus dem Nichts auf und pickte sich ausgerechnet mich heraus. Das klang vielleicht egoistisch. Aber mein halbes Leben hatte ich mich mit Problemen herumgeschlagen, die mir Robert aufgehalst hatte. Da wurde man vorsichtig.

Seit sieben Jahren wohnte ich jetzt über dem Laden in Old Pasadena. Cloak and Dagger Books. Krimis – neu, gebraucht und antiquarisch, mit der größten Auswahl schwuler Kriminalromane in ganz Los Angeles. Jeden Dienstagabend veranstalteten wir einen Workshop für angehende Krimi-Autoren. Meine Freunde hatten mich dazu überredet, einen monatlichen Newsletter herauszugeben. Und ich hatte gerade meinen ersten Roman verkauft, Wenn das Mordgetümmel schweigt, in dem ein schwuler Schauspieler versucht, während einer Theaterproduktion von Macbeth einen Mord aufzuklären.

Das Geschäft lief gut, das Leben auch. Aber besonders gut das Geschäft – so gut, dass ich kaum noch hinterherkam und kaum noch Zeit fand, an meinem nächsten Buch zu arbeiten. Und dann war plötzlich Robert wieder in meinem Leben aufgetaucht.

Seine Ehe mit Tara, seiner (offiziellen) Freundin aus der Schulzeit, war aus und vorbei. Doch die Scheidung hatte Rob ein Vermögen gekostet. Nach neun Jahren und zweieinhalb Kindern war es vorbei gewesen mit dem schönen Leben im Herzen Amerikas, und jetzt war er sexuell frustriert und vollkommen pleite. Ein Geschenk des Himmels, hatte ich damals gedacht.

Wie ferngesteuert stand ich auf und ging ins Bad, um zu duschen und mich zu Ende zu rasieren, denn ich war gerade mittendrin gewesen, als der lange Arm des Gesetzes um 8:05 Uhr früh an meiner Tür geklingelt hatte.

Ich drehte den Heißwasserhahn auf. Ich blickte auf mein Gegenüber im beschlagenen Badezimmerspiegel und schnitt ihm eine Grimasse, weil ich wieder an diese herablassende Frage denken musste: »Aber Sie, Sie sind doch homosexuell?« Sollte heißen: »Aber Sie sind doch so ein Untermensch, oder nicht?« Wie also hatte Detective Riordan das erraten? Was hatte ihm den entscheidenden Hinweis gegeben? Blaue Augen, etwas längeres, dunkles Haar, ein blasses, hageres Gesicht. Was war denn an meinen anglo-normannischen Gesichtszügen, das einem sofort verriet: »Achtung! Schwuchtel!«?

Vielleicht war er im Besitz eines Schwulenradars mit Anti-Tarnvorrichtung. Vielleicht gab es ja wirklich eine Checkliste, um den armen Heteros auf die Sprünge zu helfen. Wie einer dieser »Woran erkenne ich einen Homosexuellen?«-Artikel aus den Swinging Sixties. Vor Ewigkeiten hatte ich mir eine solche Liste mal an den Kühlschrank geklebt und meine Lieblingstipps unterstrichen:

– zierlicher (oder übertrieben muskulöser) Körperbau

– wirft sich gern in Pose

– überschwänglicher, blumiger Gesprächsstil, z.B. »Wahnsinn«, »verrückt« usw.

– krankhafte Eifersucht

Was ist denn daran so lustig?, hatte mich Mel, mein damaliger Freund, gereizt gefragt – und die Liste schließlich runtergerissen.

Sag mal, steht das nicht auch auf der Liste? »Eigentümlicher Humor?« Mel, meinst du, ich bin vielleicht homosexuell?

Was also hatte mich, in den Augen von Detective Riordan, sozusagen bloßgestellt? Immer noch wie ferngesteuert, stieg ich in die Duschkabine, seifte mich ein, spülte und trocknete mich ab. Benommen wie ich war, brauchte ich dann weitere fünfzehn Minuten, um irgendetwas zum Anziehen zu finden. Schließlich gab ich es auf und zog einfach eine Jeans und ein weißes Hemd an. Mein überbordendes Modebewusstsein war es nicht, was mich verraten hat.

Widerwillig ging ich wieder nach unten.

Anscheinend hatte das Telefon ununterbrochen geklingelt. Ich ging ran. Es war ein Reporter: Bruce Green von der Boytimes. Ich lehnte seine Interviewanfrage ab und legte auf. Danach schaltete ich die Kaffemaschine ein, schloss die Haustür zur Abwechslung wieder auf und rief bei einer Zeitarbeitsfirma an.

2

»Wer schweigt, kann sich gleich umbringen.« Das war Robs Wahlspruch, den er immer anbrachte, wenn ich ihn bat, sich nicht vor unseren Kunden zu outen (oder sie anzumachen).

Das hier ist ein Geschäft, Rob, kein politisches Forum.

Du kannst doch nicht fein säuberlich dein Schwulsein vom Rest deines Lebens trennen, Adrien. Alles, was ein schwuler Mann tut, ist ein politisches Statement. Alles zählt: für welche Bank du dich entscheidest, wo du einkaufst, und auch, wo du essen gehst. Immer wenn du mit deinem Freund in der Öffentlichkeit Händchen hältst – ach, stimmt ja …

Leck mich am Arsch, Rob.

Und sein Grinsen. Dieses niederträchtige Grinsen, das so gar nicht zu seinem Sonnyboy-Image passen wollte.

Alles erinnerte mich an ihn. Eine versaute Zeichnung, die er auf einem Notizzettel hinterlassen hatte. Die Ausgabe der Times vom vorigen Sonntag, aufgeschlagen das halb ausgefüllte Kreuzworträtsel. Eine Tüte Pistazien, deren Inhalt auf dem Verkaufstisch verstreut lag.

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