Tödliches Herzflimmern - Jenny Emver - E-Book

Tödliches Herzflimmern E-Book

Jenny Emver

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Beschreibung

ER DARF NIEMANDEM VERTRAUEN ... Der Kriminalkommissar Joshua Cyffka wird undercover eingesetzt, um ein Drogenkartell zu Fall zu bringen. Bei seinen Ermittlungen bemerkt er, dass seine Entdeckungen einem Schlag ins Wespennest ähneln. Er trifft dabei auf Abigail Lorenz, die seine Hilfe braucht und in den Drogenring verstrickt zu sein scheint. Abigail Lorenz versteht die Welt nicht mehr. Ihr Lebensgefährte ist unerwartet ein ganz anderer Mann und sie beschließt Nachforschungen über ihn anzustellen. Schlagartig ist nichts mehr, wie es war und Abigail muss erkennen, dass ihr Leben wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Joshua muss seine Tarnung aufgeben, nicht nur, weil er Abigails Hilfe braucht, sondern auch, weil er sein Herz hoffnungslos an die junge Frau verloren hat. Plötzlich ist nicht nur Abigail in Gefahr, sondern auch seine Tochter Kira ...

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Liebe/r Leser/in,

die Schauplätze von Tödliches Herzflimmern sind Wolfsburg

und Berlin, dennoch habe ich mir die kreative Freiheit

genommen und eigene Umgebungen geschaffen. Sämtliche

Namen und Gegebenheiten wurden von mir frei erfunden.

Sollte es Ähnlichkeiten zu Personen oder bereits

stattgefundenen Ereignissen geben, ist es reiner Zufall. In

dieser Story ist alles Fiktion.

Ich möchte hiermit darauf hinweisen, dass es sich bei dieser

Geschichte um eine Mischung aus Spannung und Liebe

handelt. Es kommen dementsprechend erotische Szenen darin

vor.

Eine Vervielfältigung dieses Romans ist nicht gestattet, Zitate

und Textausschnitte dürfen nur mit der schriftlichen

Genehmigung der Autorin verwendet werden.

Inspiriert wurde die Geschichte durch die deutsche Serie K11 -

Kommissare ermitteln.

Für Pascal, weil Joshuas Charakter durch dich inspiriert wurde.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel Sechs

Kapitel Sieben

Kapitel Acht

Kapitel Neun

Kapitel Zehn

Kapitel Elf

Kapitel Zwölf

Kapitel Dreizehn

Kapitel Vierzehn

Epilog: Sechs Monate später

PROLOG

Joshua Cyffka schloss leise die Autotür hinter sich und zückte seine Waffe. Um ihn herum herrschte die typische Stille einer Nacht. Und doch war es zu ruhig, als würde die gesamte Welt den Atem anhalten. Er bewegte sich im Schatten der Büsche, die Arme ausgestreckt, den Finger am Abzug, bereit, auf alles zu schießen, was sich auch immer näherte. Im Haus vor ihm brannte kein Licht, nur die Straßenlaterne direkt am Eingang zum Vorgarten spendete ihm Helligkeit. Langsam trat er um die Ecke des Bungalows und erblickte das Gartentor, welches nur angelehnt war. Eine Stimme erklang, nicht laut genug, um jedes Wort verstehen zu können. Joshua vernahm den wütenden Ton und bewegte sich um das Haus herum.

Im Wohnzimmer konnte er eine Lichtquelle ausmachen, die den Raum soweit beleuchtete, dass er sämtliche Gegebenheiten mit einem Blick einfangen konnte. Die Terrassentür war verschlossen. Vorsichtig huschte er neben die Tür und spähte hinein. Johanna saß mit dem Rücken zu ihm auf einem Stuhl.

»Vielleicht hast du doch recht und ich muss mich weiter an dir austoben«, erklang die Stimme von Kevin Fischer und er wand sich an Johanna. Jetzt konnte Joshua auch Maurice sehen, der sich im hinteren Teil des Wohnzimmers auf dem Boden befand. Kevin Fischer machte einen Schritt an Maurice vorbei. In seinem Magen rumorte es, als er sah wie sich Maurice auf ihren Kidnapper stürzte, dessen Beine umklammerte und ihn so zu Fall brachte.

»Lauf!«, rief Maurice in Richtung Johanna und versuchte irgendwie Kevin Fischer daran zu hindern, zu seiner Frau zu gelangen. »Lauf weg!«, rief er wieder.

Dies war der Augenblick, in dem Joshua eingreifen musste. Wenn er es nicht tat, würde sein Kollege sterben und diese Frau, die ihn anscheinend so dermaßen den Kopf verdrehte, würde ebenfalls nicht mehr lange zu leben haben. Er bewegte sich auf die Tür zu und wurde gleichzeitig von Johanna entdeckt. Unter sichtbaren Schmerzen versuchte sie sich von ihrem Stuhl zu erheben, und sein Blick wanderte zu ihrem Oberschenkel, in dem ein Messer steckte. Nur mit sämtlicher Willenskraft gelang es ihm, seine Flüche nicht laut auszusprechen. Joshua konnte nur erahnen, welche Schmerzen die junge Frau erleiden musste, während sie den fehlenden Meter zur Terrassentür zurücklegte und den Griff in eine waagerechte Position drehte.

»Ich hätte dich gleich töten sollen«, schrie Kevin Fischer und Maurice stöhnte auf.

Sofort betrat Joshua das Zimmer, drängte sich an Johanna vorbei, die halt suchend nach dem Stuhl griff, auf dem sie gesessen hatte.

Entschlossen zielte er mit seiner Waffe auf Kevin Fischer, der ihn noch nicht wahrnahm.

»Keine Bewegung! Ich will die Hände sehen«, rief er und fixierte den Täter mit seinem Blick, der im gleichen Moment herumwirbelte, in dem auch seine Stimme erklang.

»JOHANNA!«, schrie Maurice und in seinen Augen lag das blanke Entsetzen. Gleichzeitig kam er auf die Beine und Joshua bekam keine Zeit, seinen Freund für seinen Willen zu bewundern. Denn der Schrecken in Maurice' Augen und Stimme brachte auch ihn dazu, zu handeln. Dadurch ließ er Kevin Fischer aus den Augen und drehte sich herum.

Maurice würde sich niemals verzeihen, wenn dieser Frau etwas zustoßen sollte. Sie lag auf dem Boden, der Stuhl war ebenfalls umgefallen. Auf ihrem Gesicht glänzte Schweiß und ihre Augen wirkten unnatürlich glasig. Aber sie war bei Bewusstsein. Ihr Blick weitete sich und ihr Mund war zu einem stummen Schrei geöffnet.

Gerade noch rechtzeitig wirbelte Joshua herum und konnte sehen, wie sich Kevin Fischer mit einem Fleischmesser in der Hand auf ihn stürzte. Automatisch versuchte er, den Angriff abzuwehren, mit der einen Hand hielt er noch immer seine Waffe umklammert, weshalb die Defensive nur halb so gut gelang. Im Gerangel betätigte er den Abzug und der Schuss halte ohrenbetäubend laut von den Wänden wider.

Wann kam endlich die Verstärkung?

Kevin und er gingen zu Boden, er verlor seine Waffe und spürte, sobald sein Rücken mit dem harten Untergrund kollidierte, wie sich etwas scharfes durch seine schusssichere Weste direkt in sein Fleisch bohrte.

»Nein!«, hörte er Johannas Stimme aufschreien und kurz fragte er sich, wieso sie so entsetzt klang.

Er spürte ein Brennen in seiner Bauchgegend und gleichzeitig, wie etwas warmes seine Haut benetzte. Verstehen tat er es nicht. In seinen Ohren begann es zu rauschen. Joshua konnte nicht sagen, ob es von ihm oder von außerhalb kam. Sein Herz raste und er versuchte mühsam, Luft in seine Lungen zu pumpen. Fassungslos beobachtete er, wie sich Kevin Fischer erhob und der störende Gegenstand in seinem Fleisch verschwand. Das Brennen wurde intensiver und mit jedem Pochen schien die Wärme auf seiner Haut zuzunehmen.

Eine Kälte nahm seinen Körper in Beschlag, die er nicht kannte und die ihm Angst machte. Bewegen konnte er sich nicht, sein Hirn nahm keinen Befehl mehr entgegen.

Fühlte sich so sterben an?

Automatisch schlich sich ein Bild eines Engels vor sein inneres Augen. Sie lachte und ihre Augen strahlten.

In Momenten wie diesen war es ganz leicht, ein Vater zu sein. Allerdings gab es auch andere Augenblicke, die ihn verzweifeln ließen. So wie dieser. Natürlich wollte er nicht sterben. Wie sollte er auch sterben wollen, wenn er eine Tochter wie Kira hatte?

Ein anderes Bild schlich sich vor sein Auge. Dass seines Vaters, zu dem seine Schwester und er nie solch eine Beziehung teilten, wie Kira zu Joshua. Jedoch liebte sein Vater Kira abgöttisch.

Eni.

Er war ihr für alles so dankbar, sie war für Kira eine Mutterfigur. Seine Brust hob und senkte sich hektisch, er bekam keine Luft.

War es Panik?

Ja.

Hatte er Angst zu sterben?

Zur Hölle ja.

Wahrscheinlich fühlte sich jeder so, der kurz davor stand diese Welt zu verlassen. Einen tröstenden Gedanken bekam er dennoch. Kira würde jemanden haben, der sie aus tiefster Seele liebte und sie würde sich an ihn erinnern. Seine Tochter wusste, wie es war, einen Vater zu haben.

Und er wusste, wie es war die grenzenlose Liebe eines Kindes zu spüren. Langsam spürte er die Dunkelheit näher kommen, die ihn langsam mit sich zog.

Der letzte Gedanke seinerseits galt seiner Tochter.

Kira.

EINS

Nur langsam konnte er seine Augen öffnen, sein Körper fühlte sich leicht an. Ein stetiges nervendes Piepen erklang direkt neben seinem Ohr. Langsam drehte er dem Geräusch seinen Kopf entgegen und fuhr zusammen, als er Staatsanwalt Nowak neben seinem Bett auf einem Stuhl sitzen sah. Erst jetzt schärfte sich sein Blick so weit, dass er den Raum um sich herum sehen konnte. Er war in einem Krankenhaus. Sobald ihm das bewusst wurde, strömten sämtliche Erinnerungen auf ihn ein und ihm wurde unweigerlich klar, wieso er hier lag.

»Willkommen zurück, Cyffka«, erklang die Stimme Nowaks dumpf in seinen Ohren. »Was haben Sie sich nur dabei gedacht, allein einzugreifen und nicht auf die angeforderte Verstärkung zu warten?«

Mit den Vorwürfen rechnete er bereits, seitdem er aus seinem Wagen stieg. Schon als Alexander zu ihm sagte, er solle vor Ort auf ihn warten, wusste er, er würde sich nicht daran halten können. Nachdem das Messer sein Fleisch durchschnitt, konnte er sich nur noch schemenhaft erinnern.

»Was ist passiert?« Entgegen seiner Erwartung war seine Stimme anstelle von Schwäche rau und kratzig.

Nowak schnaubte, bevor er ihm antwortete. »Sie wurden niedergestochen und wahrscheinlich haben Sie es nur der Schutzweste zu verdanken, dass keine Organe verletzt wurden. Es grenzt an ein Wunder. Mit ihrem Eingreifen haben Sie vermutlich Kommissar Schwarz und Frau Richter das Leben gerettet. Laut Frau Richter hat sich Schwarz auf den Täter gestürzt und damit genug Zeit für Kommissar König herausgeholt, um Ihnen allen das Leben zu retten. Er hat Fischer erschossen.«

»Und was ist mit Maurice und Johanna, geht es ihnen gut?«

»Kommissar Schwarz ist seit seiner Einlieferung nicht ansprechbar und wurde operiert, mehr habe ich nicht erfahren. Frau Richter ist bei ihm. Ihr geht es gut, einige Verletzungen hat sie davon getragen. Aber sie werden beide wieder vollkommen gesund. Dank Ihnen!« Joshua konnte in den Augen des Staatsanwalts erkennen, dass es noch nicht alle Informationen waren, die er zu hören bekommen würde. »Kommissar Cyffka.« Automatisch hielt Joshua den Atem an, das Herzüberwachungsgerät begann schneller zu piepen. »Ich habe einen Auftrag für Sie.«

Ihm entwich die angehaltene Luft. »Welchen?« Sein Herz schlug immer noch schneller.

»Es handelt sich hierbei um keinen gewöhnlichen Einsatz. Sie werden ihre Kollegen nicht mit einweihen. Genau genommen werden Sie für tot erklärt und undercover eingesetzt.«

»Ich … was?« Joshua fiel nichts Gescheites ein, seine Gedanken rasten und er versuchte, die Nachricht zu verdauen.

»Es tut mir leid, Sie damit überfallen zu müssen. Bisher sind keinerlei Informationen über Ihren Gesundheitszustand nach außen gedrungen. Wir brauchen einen guten Kommissar mit einem ausgeprägten Spürsinn für wichtige Hinweise. Einen jungen Mann, der in dieser Art von Szene nicht weiter auffällt.

Jemanden, dem nicht sofort das Wort Polizist auf der Stirn prangt, sobald man ihn ansieht. Kurz gesagt, wir brauchen Sie.« Bei den Worten Nowaks wanderten seine Augen zu Joshuas vollkommen tätowierten Arm. Und dass es dem Staatsanwalt leidtat, ihn direkt nach seinem Erwachen mit diesen Details zu konfrontieren, glaubte er nicht eine Sekunde. So war Staatsanwalt Nowak einfach. Ruppig und direkt.

Joshua sah Nowak sprachlos an.

Er wusste nicht, was er hätte erwidern können. Der erste Gedanke, der durch seinen Kopf schoss, war, wieso ich?

Folglich war der Zweite: Das mache ich nicht! Diesen sprach er dann auch laut aus, woraufhin ihn Nowak mit finsterer Miene musterte.

»Sie haben im Grunde keine andere Wahl. Es wurde bereits alles in die Wege geleitet. Der Generalbundesanwalt Frederick Sanders hat von Ihrem Ruf gehört und will niemand anderen als Sie. Der vorherige Undercovercop ist vor vier Tagen spurlos verschwunden. Zuletzt verließ er eine Bar mit einem unserer Verdächtigen. Er meldete sich nicht zum vorgegebenen Zeitpunkt und auch nicht später. Deshalb gehen die ermittelnden Beamten davon aus, dass seine Tarnung aufgeflogen und er bereits tot ist. Von dieser Ermittlung wissen nur der Generalbundesanwalt, der Polizeichef in der Stadt, zwei Ermittler vor Ort und wir beide.«

»Und wieso wissen Sie davon?« Joshua hob eine Augenbraue und musterte Nowak auffordernd.

»Ich habe Frederick Sanders auf einer Spendengala getroffen und er fragte mich, ob ich jemanden kennen würde, der für einen speziellen Job wie geschaffen wäre. Wir kamen ins Gespräch. Zunächst wusste ich nicht, dass er genau Sie im Sinn hatte. Doch durch den Einsatz vergangene Nacht ist die Tarnung perfekt.«

»Ich war noch nie undercover und habe eine kleine Tochter zu Hause, die auf mich wartet. Wie stellen Sie sich das vor?«

Nowak zuckte mit den Achseln. War ja klar, immerhin war dieser Mann langjähriger Junggeselle. »Wenn der Einsatz zu ende ist, können Sie wieder nach Hause kommen. So wie jeder andere Undercovermann auch. Sie werden über die bisherigen Erkenntnisse informiert. Der Generalbundesanwalt verspricht Ihnen ebenfalls, dass Sie ordentlich entlohnt werden und das Kira auf eine der besten Schulen Berlins gehen wird. Für Ihre Schwester wird ebenfalls gesorgt. Sie müssen nur den Auftrag annehmen.«

Natürlich, niemand konnte ihn zwingen undercover zu gehen. Es war allein seine Entscheidung. Wenn der Generalbundesanwalt solche Versprechungen von sich gab, musste es eine noch dringendere Angelegenheit sein, als üblich. Joshua schwankte zwischen dem Wunsch, ein guter Vater zu sein, und für sein Land zu arbeiten. Vielleicht … vielleicht würde es nicht lange dauern und er konnte beides tun. Bloß zwei Wochen oder so. Das würde er schaffen. Aber dazu mussten sie ihm eine Bedingung zusagen.

»Ich mache es«, sagte er schließlich und Nowak zog die Augenbrauen hoch, als er seinen Ton bemerkte.

»Wieso höre ich da ein aber?«

»Weil ich eine Bedingung habe.«

»Die wäre?« Nowak verschränkte die Arme vor der Brust und trat einen Schritt an das Bett heran.

Joshuas Bedingung war, dass er dennoch regelmäßigen Kontakt zu Kira haben konnte und seine Familie in keiner Weise dachte, er wäre tot. Nur weil er noch nie undercover gewesen war, war er nicht automatisch vollkommen unerfahren.

Natürlich wusste er, dass Kontakt zu seiner Familie eine Gefahr mit sich brachte. Nicht nur für ihn, sondern auch für Eni und Kira. Doch bezweifelte er, dass er eine unbekannte Zeit ohne seine Tochter durchhalten würde. Er würde sein Kind nur dann kontaktieren, wenn er sich wirklich zu hundert Prozent sicher war, sich in Sicherheit zu befinden. Nowak neigte den Kopf nach rechts und sah ihn stumm an.

»Sie werden den Kontakt auf einmal die Woche beschränken. Ich gestatte Ihnen das nur, weil ich weiß, dass sie es sonst nur halbherzig machen würden und wir brauchen Sie ganz bei der Sache«, erwiderte Nowak schließlich. Joshua öffnete den Mund, um zu widersprechen, schloss ihn dann aber wieder. Eigentlich hatte Nowak damit gar nicht so unrecht.

»In Ordnung«, stimmte Joshua schließlich zu und ließ seinen Kopf zurück ins Kissen sinken.

»Ich werde nun die dementsprechenden Informationen besorgen, Sie werden noch heute Abend eine neue Identität erhalten, mit der Sie hier weiterhin behandelt werden. Im Laufe des Tages werden auch Ihre Tochter und Schwester hierher gebracht, damit Sie alles besprechen können. Ich hoffe das Beste für Sie, Cyffka.«

Joshua blieb knapp eine Woche im Krankenhaus. Das Zimmer war klein, nur ein Bett befand sich in den vier Wänden, daneben ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. Einen kleinen Waschraum gab es ebenfalls, der mit Waschbecken, Toilette und Dusche ausgestattet war. Nach drei Tagen konnte er nicht mehr still in seinem Bett liegen und ging im Zimmer auf und ab. So musste sich ein Häftling in seiner Zelle fühlen. Joshua probierte einige Situps aus und die Naht unter seinen Rippen platzte wieder auf.

In dem Moment erschien die Krankenschwester in seinem Zimmer und beobachtete ihn dabei, wie er sich von dem harten Boden erhob und sich seine linke Seite hielt. »Herr Krüger, was gedenken Sie da zu machen?«, fragte sie streng und stemmte tatsächlich die kurzen Arme in ihre stämmigen Hüften. Staatsanwalt Nowak hielt sein Wort, noch am selben Abend seiner Zustimmung erhielt er seine neue Identität.

Bela Krüger.

Joshua Cyffka war tot.

Danach sprach Schwester Nadja mit seinem behandelnden Arzt und dieser veranlasste eine Verlängerung seines Aufenthalts. Er wusste nicht, was die aufdringliche Krankenschwester dem Arzt erzählte, dass er diese Maßnahme traf. Vermutlich übertrieb sie maßlos in der Erzählung ihrer Beobachtung. Als würde er selbst nicht wissen, was das Beste für ihn war!

Seine Beerdigung fand einen Tag nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus statt. Diesen Tag verbrachten Kira und Eni bei ihm und diente gleichzeitig als Abschied.

»Ich möchte, das du vorsichtig bist«, flüsterte Eni so leise, dass es Kira am Tisch nicht hören konnte. Sie saß dort und malte ein Bild.

»Das werde ich«, murmelte er zurück und warf Kira einen wehmütigen Blick zu.

»Genau das hast du beim letzten Mal auch gesagt.« Eni senkte den Blick und fuhr sich durch ihr rabenschwarzes Haar. Es war das Einzige, wodurch sich Joshua und Eni unterschieden. Ansonsten sahen sie vollkommen gleich aus und hätten als Zwillinge durchgehen können. Allerdings war Eni zwei Jahre jünger und fünfzehn Zentimeter kleiner als er.

»Ich habe getan, was ich tun musste. Ich verspreche dir, ich werde zu euch zurückkommen.« Sein Blick begegnete Enis. »Unversehrt«, fügte er noch hinzu, um seine Schwester zu beruhigen.

»Ich nehme dich beim Wort.«

Ehe Joshua noch etwas auf ihre Worte erwidern konnte, sprang Kira von ihrem Stuhl auf und kam freudestrahlend zu ihm gerannt. Mit einem Satz war sie an seiner Seite und hielt ihm ihr fertiges Bild unter die Nase. »Für dich«, sagte sie stolz und legte ihren Kopf an seine Schulter.

Auf dem Bild sah er einen Sandstrand und blaues Meer. An dem Sandstrand lag er selbst unter einer Palme. Zumindest nahm er an, dass es eine Palme sein sollte. Kira glaubte, er würde in den Urlaub fahren. Ihr die Wahrheit zu sagen, brachte er nicht übers Herz. Verstehen würde sie es sowieso noch nicht.

Natürlich fragte sie, warum sie nicht mit in den Urlaub könne, nachdem er ihr seine Lüge offenbarte und da kam Joshua ordentlich ins Schleudern. Eni kam ihm rettend zur Seite und erklärte ihr, dass der Urlaub mit der Arbeit zusammenhing und das sie dort ja auch nicht mitkommen konnte. Nickend nahm Kira die Erklärung hin und fragte seitdem nicht mehr, ob sie mitkommen könnte. Zu gern hätte er gewusst, was in ihrem kleinen Kopf vor sich ging.

»Ich habe dich lieb!« Sie sah mit ihren graugrünen Augen zu ihm auf.

»Ich habe dich auch sehr lieb«, erwiderte Joshua und drückte seinem Mädchen einen Kuss auf die Stirn.

Die Stunden vergingen und bald darauf mussten Eni und Kira das Krankenhaus verlassen. Ihnen fiel der Abschied schwer, da ihnen niemand sagen konnte, wann sie sich wiedersehen würden. Joshua war noch nie lange von seiner Tochter getrennt und er wusste nicht, ob er eine unbekannte Zeitspanne aushalten würde.

Machte ihm das zu einem Weichei?

Vielleicht.

Staatsanwalt Nowak tauchte unerwartet auf und hielt eine Plastiktüte in der rechten Hand, die er ihm reichte. »Diese Dinge gehören zu Ihrer neuen Identität. Da Sie in wenigen Stunden dieses Zimmer verlassen werden, müssen Sie vorher Ihre äußere Erscheinung verändern.«

Der Mann blieb wahrhaftig im Krankenzimmer, bis Joshua seine Haare färbte und die farbigen Kontaktlinsen trug. Ein Blick in den Spiegel reichte aus, um seinen Entschluss in die andere Richtung lenken zu lassen. Er umklammerte das Waschbecken fester, bis seine Knöchel weiß wurden.

Seine Haare waren nicht mehr dunkelblond, sondern fast schwarz und seine Augen waren braun anstatt Graugrün. Das Braun wirkte stumpf und teilnahmslos, seine Augen leuchteten nicht mehr, hatten jeglichen Glanz verloren. Zudem kam er ungewohnte Bartwuchs, denn seit Einlieferung ins Krankenhaus hatte er sich nicht mehr rasiert. Dieser Bart hatte nichts mehr mit seinem vertrauten Dreitagebart zu tun.

»Lassen Sie Ihren Bart so, damit werden Sie Ihre Veränderung noch bekräftigen«, sagte Nowak und verschwand aus dem Zimmer.

Samstagmittag wurde er wie ein beschissener Promi zum Hinterausgang des Krankenhauses entlassen. Er wusste, dass in diesem Augenblick seine Beerdigung stattfand. Eigentlich sollte er sich direkt auf den Weg machen, dafür wurde ihm extra ein drei Jahre alter schwarzer VW Golf hierher gebracht.

Nur einen Gedanken verschwendete er daran und fuhr dann zu dem Friedhof, auf dem sein Grab sein würde. Kurz nach seinem Ankommen löste sich die Menge auf. Zu seiner Überraschung waren doch einige Leute gekommen, auch wenn die Runde eher klein war. Zum Schluss standen nur noch Alexander, Maurice und Johanna an seinem Grab. Der Wind wehte Maurice´ Worte zu ihm herüber. Glücklicherweise stand er verdeckt hinter einer dicken Eiche, mit hoher Wahrscheinlichkeit hätten ihn seine Kollgen sonst entdeckt.

»Für dein Eingreifen bin ich dir unglaublich dankbar, auch wenn ich dir gleichzeitig dafür in den Arsch treten möchte. Niemals wollte ich, dass du dein Leben opferst. Sei gewiss, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, um auf deine Mädels aufzupassen. Wenn Kira oder Eni jemals irgendetwas brauchen werden, bin ich für sie da.«

Das weiß ich, erwiderte Joshua stumm. Johanna trat an Maurice´ Seite.

»Mit seinen dummen Sprüchen und seinem dämlichen Grinsen hat er mich regelmäßig zur Weißglut getrieben, doch jetzt kann ich an nichts anderes denken. Es hätte ihn nicht treffen dürfen. Nicht diesen unglaublich loyalen und lebensfrohen Kerl. Er hätte nicht gewollt, dass wir lange Trübsal blasen. Ich weiß ganz genau, was er jetzt gesagt hätte: Alter, du hast diese heiße Schnecke an deiner Seite, mach das Beste draus!« Joshua konnte nicht anders, auf seinen Lippen lag genau das Grinsen, von dem Maurice eben gesprochen hatte.

»Dann werden wir jetzt das Beste daraus machen. Wir werden Joshua niemals vergessen und ihn stets in unseren Herzen tragen«, antwortete Johanna.

Es tut mir leid. Bis bald, dachte er und wollte ihnen diese Worte ins Gesicht sagen. Er wünschte sich, er müsste seine Kollegen, seine Freunde, nicht im Ungewissen lassen. Aber er musste sich an die Spielregeln halten und das hieß auch, niemanden zu verraten, wer er wirklich war. Mit einem letzten Blick auf seine Freunde drehte er sich um und ging zu seinem Auto.

Das Motorboot näherte sich dem Ufer, an dem die Kommissare Beckmann und Vogt standen. Vor einer Stunde bekamen sie die Nachricht, dass eine Leiche im Stadtsee gefunden wurde. Sie trieb in der Mitte des Gewässers und wurde von einem älteren Mann entdeckt, der ebenfalls mit seinem Boot unterwegs war. In dieser Stadt geschahen nur wenige Morde, im Grunde ruinierte dieser zusätzliche Fund die gesamte Statistik.

Der städtische Polizeichef informierte sie, nachdem der Anruf einging. Nur er wusste von den geheimen Ermittlungen in dieser Stadt. Sobald das Boot am Ufer ankam, war um sie herum hektisches Treiben ausgebrochen. Einige Personen in weißen Schutzanzügen umringten das hölzerne Fortbewegungsmittel und verhinderten die freie Sicht der Kommissare.

»Meinst du, das ist er?«, fragte Simon Beckmann seinen Partner leise.

»Ich weiß es nicht, aber es könnte sein.« Dann trat einer der Leute von der Spurensicherung zurück und gab eine Lücke frei, durch die sie ungehindert auf die Leiche schauen konnten.

»Herr Gott noch mal«, murmelte Kommissar Beckmann und sah sofort auf das Wasser, um seinen Mageninhalt bei sich behalten zu können. Seinem Partner Manfred Vogt, der von allen nur Manni genannt wurde, schien es ähnlich zu gehen, denn er holte tief Luft und schloss die Augen. Der tote Körper war verbrannt, keinerlei Fleisch und Haar war mehr zu erkennen. Sie würden die Obduktion abwarten müssen, um wirklich mit Gewissheit sagen zu können, ob es sich um ihren Undercovermann handelte. An den Füßen war ein Seil gebunden, welches gerissen zu sein schien.

»Die Leiche sollte nicht gefunden werden«, flüsterte Simon Beckmann und deutete mit der Hand auf seine Beobachtung.

»Dann ist er es«, gab Kommissar Vogt genauso leise zurück, »ich hoffe, sein Nachfolger wird seine Sache besser machen. Wir brauchen endlich handfeste Beweise.«

Die Stadt Wolfsburg hatte ungefähr 125.000 Einwohner.

Einer davon war nun Bela Krüger. Joshua parkte seinen Wagen an einem Kiosk. Laut der Adresse in seinem Navi hatte er soeben sein Ziel erreicht, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, wo die Kommandozentrale nun sein sollte. Er stieg aus dem Auto und betrachtete seine Umgebung. Über ihm verlief eine Fußgängerbrücke und rundherum standen mehrere Blöcke, die eigentlich recht ansehnlich wirkten. Dagegen wirkten die, an denen er zuvor vorbeigefahren war, recht trostlos.

Zögernd ging er auf den kleinen Kiosk zu, sollte es sich nicht um den geheimen Treffpunkt handeln, würde er einfach eine Packung Kaugummi oder Ähnliches kaufen und wieder gehen. Ihm kam ein Mann entgegen, der eine Zigarettenschachtel auspackte und ihn dabei nicht beachtete.

Mit einem schnellen Schritt gelang es ihm, die Tür aufzuhalten, ehe sie ins Schloss fiel. Dennoch klingelte die Glocke am oberen Rand, als er die gläserne Tür weiter aufschob und hindurch trat. Der Kiosk war auch im Inneren nicht besonders groß, an der linken Wand neben der Tür war ein Regal voll mit Zeitschriften. Gegenüber befand sich der Tresen mit der Kasse und dahinter waren unzählige Zigarettenmarken ausgestellt.

Eine Kaffeemaschine gab es ebenfalls, mit Pappbechern und Deckeln daneben. Hinter dem Tresen befand sich ein hochgewachsener Mann, sein Alter lag mit hoher Wahrscheinlichkeit in den fünfzigern.

»Hallo«, grüßte der Mann ihn und Joshua grüßte zurück.

»Was kann ich für Sie tun?«, erkundigte er sich gleich darauf.

»Ich bin Bela«, antwortete Joshua und machte damit genau das, was ihm Staatsanwalt Nowak bei seinem letzten Treffen sagte. Sobald er beim Treffpunkt angekommen war, sollte er sich mit seiner neuen Identität vorstellen.

Während Joshua sprach, beobachtete er den Mann ganz genau und seine Reaktion verriet ihm, dass er trotz seiner Zweifel richtig war.

»Ich bin Simon Beckmann«, sagte der Mann und ging am Tresen vorbei zur Tür. Dort schloss er ab und drehte das Schild von geöffnet zu geschlossen. »Folgen Sie mir!«

Er deutete auf eine Holztür, die sich hinter dem Tresen befand. Noch einmal ließ er seinen Blick durch den Raum wandern. In dem Hinterzimmer konnte eine Falle lauern, doch von hier aus drohte ihm keine Gefahr. Bis auf den Mann und ihn befand sich niemand im Kiosk. Nur langsam folgte er Simon Beckmann und trat durch die Tür. Staunend sah er sich um. Der Raum nahm etwa die Hälfte des gesamten Kiosks ein und war mit Hightech ausgestattet, bei dem Alexander im siebten Himmel gewesen wäre. So sah also eine geheime Ermittlung aus, die von ganz oben genehmigt wurde. An einem der beiden Schreibtische, die mit jeweils vier Bildschirmen ausgestattet waren, saß ein weiterer Mann, der in den vierzigern sein musste.

»Sieh mal Manni, hier ist endlich jemand angekommen«, sagte Simon und deutete dabei auf Joshua.

»Willkommen, willkommen«, grüßte Manni, der mit seinen schwarzen Haaren, in denen grauen Strähnen hervorguckten, und braunen Augen recht sanftmütig aussah. »Ich bin Manfred Vogt, aber alle nennen mich Manni.«

»Ich bin Bela«, stellte sich Joshua vor und schüttelte ihm die Hand. Auf einem der Bildschirme war die Polizeikartei geöffnet und ein Foto von einem Mann war zu sehen. Er war vorbestraft, für was konnte Joshua auf die Schnelle nicht lesen.

»Wie viel wissen Sie bereits?«, erkundigte sich Simon, nachdem er sich in seinen Stuhl fallen ließ und bedachte Joshua mit einem neugierigen Blick.

»Wenn ich ehrlich bin, dann kaum etwas. Nur das mein Vorgänger spurlos verschwunden ist und das es eine große Sache sein muss, wenn mir keiner wirklich Informationen geben will.«

»David ist nicht spurlos verschwunden, nicht mehr jedenfalls. Heute Vormittag wurde eine verbrannte Leiche im Allersee gefunden und wir gehen mit hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass es sich dabei um David handelt«, berichtete Simon und klickte auf der Maus herum, bis sich auf seinem Bildschirm ein Tatortfoto befand. Der Anblick trieb Joshua ein ungutes Gefühl in die Magengegend.

»Seine Leiche sollte verschwinden.« Joshua fragte nicht, er stellte fest. Natürlich war ihm das Seil mit den zerfransten Enden an der Leiche nicht entgangen.

»Davon gehen wir auch aus, deshalb glauben wir, dass es sich hierbei um David handelt. Wir warten jedoch die Autopsie ab, um genaue Gewissheit zu haben.«

»Wir wissen nicht, was bei David schief gegangen ist. Das letzte Mal hatten wir am Montag mit ihm Kontakt. Einmal die Woche sollte er sich bei uns melden und uns aktuelle Informationen liefern. Das tat er nicht und zuletzt wurde er mit einem unserer Tatverdächtigen gesehen.«

Dieses Mal klickte Manni auf seiner Maus herum und gab einige Befehle über seine Tastatur ein. Daraufhin verschwand das Polizeifoto von dem unbekannten Mann und ein anderes erschien. Der Mann war vielleicht ende zwanzig, ungefähr so alt wie Joshua und übersät mit Tattoowierungen. In seinem Gesicht waren mindestens drei Stecker und wenn man seinen Blick richtig deutete, würde er am liebsten jedem eine reinhauen, der ihm krumm kam.

»Wer ist das?«, fragte Joshua und musterte den Kerl genauer.

»Das ist Carl Jankowski, ursprünglich kommt er aus Polen und ist seit zehn Jahren in Deutschland«, antwortete Manni.

»Er ist Inhaber des »be strong«, in dem Sie ermitteln werden.« Bevor Joshua das »be strong« hinterfragen konnte, begann Simon zu sprechen.

»Das »be strong« ist ein kleines Fitnessstudio. Wir wissen, dass dort Drogen verkauft werden. Doch bisher haben wir keine handfesten Beweise sammeln können. Dabei sind wir seit fast einem Jahr an den Schweinen dran. Wir bauen auf Sie Bela.«

»Morgen werden Sie sich im »be strong« anmelden und sich langsam an die Zielperson herantasten. Sie werden nur beobachten und versuchen unauffällig an Informationen heranzukommen«, fügte Simon hinzu. »Für alles andere werden wir zuständig sein. Jeden Sonntag und Mittwoch werden Sie sich hier bei uns melden und uns auf den neusten Stand bringen. Von uns bekommen Sie ein Handy, die Nummer, die unter Oma Inge abgespeichert ist, ist unsere. Damit können Sie uns jederzeit erreichen. Aber jetzt werden Sie sich erst einmal in ihre Wohnung begeben.«

»Wo ist sie?«, erkundigte sich Joshua und konnte es im Grunde kaum erwarten, dieses kleine Zimmer zu verlassen.

»Die Wohnung befindet sich nicht weit von hier, zweihundertfünfzig Meter die Straße hinunter. Auf der rechten Seite befinden sich mehrere aneinandergereihte Blocks. In Nummer 30 befindet sich Ihre vorübergehende Bleibe. Hier.«

Simon warf ihm einen Schlüsselbund zu, den Joshua auffing. »Es steht B. Krüger an der Klingel. Das Fitnessstudio befindet sich ganz in der Nähe im Stralsunderring. Sie können es überhaupt nicht verfehlen.«

»Und Bela.« Manni sah ihn ernst an. »Versuchen Sie, nicht zu sterben.«

Das Telefon klingelte auf seinem Schreibtisch und er griff sofort nach dem Hörer. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihm aus. »Wir haben ein Problem«, sagte die Stimme seines Kontaktmannes sofort. Es kam nicht oft vor, dass er sich meldete, normalerweise wusste dieser immer, was er zu tun hatte.

Deshalb stellte er ihn ein. Zur Entlastung für sich und es konnte nie schaden, einen Kontaktmann in diesen Kreisen zu haben.

»Welches Problem?« Er versuchte sich sein ungutes Gefühl nicht anhören zu lassen.

»Wir haben einen neuen Spitzel in unseren Kreisen.«

»Was soll das heißen? Ich dachte, es wurde sich um den Ermittler gekümmert?«, fragte er und stand kurz davor, mit seiner Faust auf den Schreibtisch zu donnern.

»Das entsprach auch der Tat, doch die Polizei hat einen neuen Verbindungsmann geschickt. Wenn wir ihn erneut verschwinden lassen, machen wir vielleicht auf uns aufmerksam«, warf sein Gesprächspartner ein und er runzelte die Stirn.

Verdammt, er hatte recht! Noch mehr Aufmerksamkeit konnte er sich nicht erlauben. »Wie sollen wir vorgehen Boss?«

»Beobachtet ihn und verfolgt jeden seiner Schritte. Legt falsche Fährten. Alle sollen glauben, dass dieser Carl Jankowski dahintersteckt. Solange das der Fall ist, ist unsere Sache sicher. Erstattet mir regelmäßig Bericht, ich will alles über diesen Mann wissen. Zu niemanden ein Wort über den Spitzel, je weniger involviert sind, desto besser«, erwiderte er und strich sich den Schweiß von der Stirn.

»Verstanden.« Sein Kontaktmann unterbrach die Verbindung und er ließ den Hörer sinken.

Wie kam es, dass die Polizei schon wieder einen ihrer Männer schickte und er davon nichts wusste? Für gewöhnlich wusste er immer, was in der Behörde vor sich ging. Ein weiterer Vorteil, wenn man die richtigen Leute kannte und über Mittel verfügte, um sie auf seine Seite zu ziehen.

ZWEI

Joshua stieg in seinen VW Golf und fuhr die Straße hinunter. An Hausnummer 30 bog er rechts davor auf einen Parkplatz ab und stellte den Motor aus. Durch die Frontscheibe sah er zu dem Block hinauf und erinnerte sich unwillkürlich an Berlin. Hier lebten sicherlich vierzehn Parteien drinnen und er war jetzt wohl oder übel einer von ihnen. Das Gebäude war eine Art Stufenhochhaus, mit fünf Eingangstüren.

Nummer 30 war das vorletzte in der Reihe. Langsam stieg er aus dem Auto und nahm seine Reisetasche vom Rücksitz. Neben dem Parkplatz befand sich ein Holzdach, unter dem verschiedene Mülltonnen standen. Dort entdeckte er eine Frau, mit langem blonden Haar. Sie stand mit dem Rücken zu ihm und er konnte ihr Gesicht nicht erkennen.

Er ging weiter und suchte nebenbei an seinem Schlüsselbund den Schlüssel für die Haupttür. Daher es nur zwei größere Schlüssel gab und die anderen drei Kleinere waren, war die Suche schnell beendet und er konnte die Tür aufschließen.

Seine Wohnung befand sich im zweiten Stock hinter einer weißen Haustür. Die Wohnung war eher spärlich eingerichtet. In dem kleinen Flur befand sich ein Kleiderhaken an der weißen Wand, ansonsten war er leer.

Von dem Flur gingen drei Zimmer ab, eine führte ihn ins kleine rechteckige Badezimmer mit Dusche, Badewanne, Toilette und Waschbecken. Die anderen beiden Türen offenbarten ihm die kleine Einbauküche und den Wohnbereich, der gleichzeitig auch als Schlafraum diente.

Das Bettgestell war aus dunkelgrauem Metall und sobald er sich darauf niederließ, gab es ein hohes Quietschen von sich. Unter seinem Gewicht gab die weiche Matratze nach und er spürte die Federn des Lattenrostes unter sich.

Unwillkürlich verzog er das Gesicht zu einer Grimasse und spähte zu dem kleinen Sofa hinüber, dass an der gegenüberliegenden Wand stand. Vielleicht war dieses von der Konsistenz etwas härter.

Auf dieser weichen Matratze würde er jedenfalls kein Auge zubekommen und sein Rücken würde sich am nächsten Morgen lautstark für den Komfort bedanken. Sein Blick wanderte weiter durch den Raum. Zusätzlich befanden sich in diesem Raum noch ein kleiner Beistelltisch, ein alter Fernseher und eine kleine Kommode, die offensichtlich als Stauraum für seine Klamotten dienen sollte.

So sah es also aus. Wehmütig dachte er an seine geräumige Vier-Zimmer-Wohnung, an all den Luxus, den er eigentlich nicht als solchen wahrnahm. Aber im Gegensatz zu dieser Wohnung war sein Zuhause die reinste Villa.

Seine Gedanken wanderten zu Kira und in seinem Herzen begann ein leichtes Ziehen. Während der Fahrt hierher verbot er sich mit aller Kraft, an sein kleines Mädchen zu denken, aus Furcht, er würde sofort wieder umkehren, sobald er an den kleinen Lockenkopf dachte.

An seinem Ziel angekommen und total erledigt, rissen seine Gedanken die mentalen Mauern ein. Vorsichtig ließ sich Joshua auf die Matratze zurücksinken, welche bei dieser Bewegung erneut quälend quietschte. Dabei legte sich seine linke Hand auf seine Seite, als könnte er den Schmerz durch diese Berührung aufhalten. Er wusste nicht, wie es sich die ermittelnden Beamten vorstellten, dass er in seinem Zustand in einem Fitnessstudio Informationen sammeln sollte.

Allein das Treppensteigen hatte ihn beinahe zusammenbrechen lassen und selbst nur darüber nachzudenken, wie er sämtliche Muskeln trainierte, ließ ihn bereits ins Schwitzen kommen. Mühsam kam er wieder auf die Beine, es brachte nichts, hier untätig herumzusitzen. Ein Blick auf seine Armbanduhr genügte und er beschloss, sich nochmals ins Auto zu setzen und sich Lebensmittel zu beschaffen.

So schwer konnte es schließlich nicht sein, hier einen verdammten Supermarkt zu finden.

Abigail Lorenz starrte aus ihrem Küchenfenster und beobachtete die Regentropfen, die in unvorstellbarer Geschwindigkeit nacheinander auf der Straße landeten. Mechanisch wischte sie mit dem Handtuch über den Teller.

Im Wohnzimmer hörte sie den Fernseher und im anderen Zimmer konnte sie ihre kleine Tochter hören, die vermutlich mit ihrer Puppe Hannah sprach. Maila war ihr ganzer Stolz und für ihr Alter sprachlich sehr geschickt. Mit ihren zweieinhalb Jahren sprach sie bereits ganze Sätze, die grammatikalisch auch noch richtig waren. Vor zweieinhalb Jahren wäre sie vor Glück beinahe geplatzt, als sie endlich Maila in den Armen halten durfte. Ihr Schrei war ihr durch Marg und Bein gegangen und gleichzeitig zauberte dieser Schrei ein strahlendes Lächeln auf Abigails erschöpftes Gesicht.

Bereits bei der Geburt besaß sie die gleiche rotbraune Mähne wie ihr Vater und die grünen Augen ihrer Mutter. Dieses Mädchen vervollständigte die Liebe zu Mario noch, die damals bis ins Unendliche zu reichen schien. Die Uhr tickte in einem monotonen Klang hinter ihr an der hellbraunen Wand. Damals, als sie vor knapp drei Jahren hier einzogen, hatten sie die Wohnung gemeinsam renoviert und sich in der Küche für diesen Farbton entschieden. Dagegen waren die Hängeschränke beige, genauso wie die Arbeitsplatte und die anderen Küchenmöbel, die sich bereits bei ihrem Einzug in der Wohnung befanden.

Damals war alles anders.

Seit einigen Wochen veränderte sich das gemeinsame Leben immer mehr, wurde seltsamer und kälter. Abigail vermochte nicht zu sagen, woran all das lag. Nachdem sie das abgewaschene Geschirr und Besteck weggeräumt hatte, begann sie die Arbeitsplatte und den kleinen viereckigen Esstisch abzuwischen. Es gab Nudeln mit Tomatensoße und dementsprechend sah Mailas Platz auch aus.

»ABBI!«, rief Mario aus dem Wohnzimmer und sie unterdrückte ein Seufzen.

»Was ist?«, antwortete sie in gemäßigter Lautstärke und spülte den Wischlappen aus.

»Bring mir ein Bier aus dem Kühlschrank!«, befahl er, was Abigail unwillkürlich ein Augenrollen entlockte, wohl wissend, dass er es nicht sehen konnte. Automatisch warf sie einen Blick auf die Uhr, halb acht. Für seine Verhältnisse war Mario heute mit seinem Bier bereits spät dran. Normalerweise begann er schon weit vor dem Abendessen damit.

Jetzt seufzte Abigail wirklich und schüttelte mit dem Kopf.

»Nein!«, gab sie schließlich zurück und hielt die Luft an.

»Jetzt mach schon«, ächzte er, »was ist so schlimm daran?«

»Wenn du ein Bier willst, musst du es dir selber holen! Ich bin nicht deine verdammte Sklavin«, entgegnete Abigail und nahm ihr langes blondes Haar mit der linken Hand zusammen, um es sich über die linke Schulter fallen zu lassen. Aus dem Wohnzimmer drang einige gemurmelte Worte, die sie nicht verstehen konnte. Diese Situation war etwas, was ihr die Veränderungen in ihrer Beziehung allzu deutlich machte.

»Du bist doch bereits in der Küche. Beweg deinen Arsch mit dem beschissenen Bier in der Hand hierher.«

In Marios Stimme konnte sie einen Funken Wut ausmachen und sie wusste, es würde nicht lange Dauern und dieses Quäntchen würde sich entzünden.

Also gab sie dem nach, öffnete den Kühlschrank und holte ein Bier heraus. Bevor sie die Küche verließ, schaltete sie das Licht aus und betrat dann den schmalen Flur, von dem sämtliche Türen abgingen. Diese Wohnung war größer als die, die sich in den nachbarschaftlichen Gebäuden befanden.

Abigail wusste es nur, weil sie eine Zeit lang eine Freundin im Nachbargebäude hatte. Allerdings zog sie nach einigen Monaten nach Köln, zu ihrer Langzeitbeziehung. Seither war der Kontakt zwischen den Frauen eingeschlafen. Gegenüber der Küche befand sich das Wohnzimmer, rechts davon das Badezimmer und links und rechts von der Haustür lagen die jeweiligen Schlafzimmer. Dazu gab es noch einen Keller, der jedoch mit sämtlichen Umzugskartons gefüllt war, dessen Inhalt nicht mehr in die Wohnung passte.

Wortlos betrat sie das Wohnzimmer und sah Mario auf dem Zweiersofa liegen. Seine langen Beine hingen über die Lehne und sein Kopf war auf die andere Lehne gebettet. Wie immer war sein Blick zum Fernseher gerichtet, auf dem irgendein Fußballspiel übertragen wurde. Ach ja, die Mannschaft der Stadt spielte heute, wer der Gegner war, konnte sie nicht sagen und es interessierte sie auch nicht.

»Geht doch«, brummte Mario und griff nach dem Bier, welches Abigail ihm hinhielt. »Wo ist der verdammte Flaschenöffner?«

»Hol ihn dir selber«, murmelte sie und schickte sich an, das Wohnzimmer zu verlassen. Es wurde Zeit, Maila ins Bett zu bringen. Kaum erreichte sie die Tür, erklang hinter ihr ein Knall. Abigail musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, was das Geräusch verursachte. Mario öffnete seine Bierflasche mithilfe des Wohnzimmertischs, in dem sich schon unzählige Kerben davon befanden.

»Wie viel Bier ist noch im Kühlschrank?«, hörte sie seine Stimme und veranlasste sie dazu, sich umzudrehen. Insgeheim hoffte sie seit dem Betreten des Wohnzimmers, er würde diese eine Frage nicht stellen. Irgendwie wusste sie instinktiv, was auf ihre Antwort hin folgen würde.

»Es war das Letzte.« Stumm blickte Mario sie an, so als würde ihre Aussage nicht zu ihm durchdringen.

»Dann geh los und hole mir Nachschub«, polterte er.

»Das werde ich nicht tun. Oder willst du Maila ins Bett bringen?«, fragte sie und legte den Kopf schief, in dem Wissen, wie die Antwort ausfallen würde. In seinen braunen Augen konnte sie seine Antwort bereits erkennen. Seit einigen Wochen ging es bereit so und Abigail wusste nicht, inwieweit sie es noch tolerieren sollte. Zwar konnte sie Marios momentane Situation nachvollziehen, aber es war kein Grund, seinen Unmut an seiner kleinen Familie auszulassen. Immerhin war er nicht der einzige Familienvater, der seinen Job verlor.

Apropos Job.

»Hast du im »be strong« nach dem Job gefragt?« Sie ignorierte, dass Mario gerade etwas auf ihre vorherige Frage antworten wollte. Damit nahm sie ihm sichtlich den Wind aus den Segeln.

»Jaja. Carl suchte sowieso gerade nach einer Putze. Du sollst am Wochenende vorbeikommen, bis dahin arbeitet noch die andere.«

Abigail zuckte bei dem Wort Putze erkennbar zusammen. Sie konnte sich gewiss auch etwas Angenehmeres vorstellen, doch sie brauchten das Geld dringend und sie würde es auch nicht für immer machen.

In der Not fraß der Teufel eben Fliegen.

Joshua kam nur schwer auf die Füße. Sein Wecker klingelte um halb neun, den er sich vorsichtshalber für den Morgen gestellt hatte. Wie zu erwarten gewesen war, konnte er auf diesem Metallgestell nicht schlafen und war nach einigen Minuten auf das Sofa umgezogen, doch auch da konnte er kaum Erholung finden. Gott, er hoffte wirklich, dass er hier nicht allzu lange bleiben musste, ansonsten musste er sich eine andere Schlafsituation überlegen. Müde wischte er sich mit beiden Händen durch das Gesicht und die Haare.

Sein Bart unter seinen Händen fühlte sich falsch an und er erschauderte. Am liebsten hätte er sofort zum Rasierer gegriffen, doch Staatsanwalt Nowak hatte recht. Mit seinem hellbraunen Bart sah er noch veränderter aus. Beinahe erkannte er sich selbst nicht mehr im Spiegel. Gleich würde er seine Augen erneut hinter den braunen Kontaktlinsen verbergen, doch erst einmal wollte er etwas in den Magen bekommen. Solange würde seine vollständige Tarnung noch warten müssen.

Sein Frühstück bestand aus einer Schale Schokomüsli. Obwohl er gerne Sport trieb und einen trainierten Körper besaß, aß er trotzdem das, worauf er Appetit hatte. Wenn er darauf achten würde, was er seinem Körper so zufügte, hätte er vermutlich einen noch muskulöseren Körper als jetzt.

Langsam erhob er sich von dem Sofa und ging in die Küche. Dort suchte er sich eine Schale aus einem der weißen Hängeschränke und öffnete die Müslipackung.

Aus der einzigen Schublade im Raum fischte er einen Löffel und holte sich dann die Milch aus dem Kühlschrank. Damit komplett bestückt, kehrte er ins Wohnzimmer zurück, stellte alles auf den kleinen Couchtisch und schaltete den Fernseher an. Was hätte er auch sonst tun sollen? Er war diese Stille nicht gewohnt und mochte sie auch nicht. Normalerweise war immer eine Kinderstimme um ihn herum. Obwohl er erst einige Stunden aus Berlin fort war, vermisste er Kira. Noch nie war er über längere Zeit von ihr getrennt gewesen und er wusste nicht, wie lange er es aushalten würde.

Schluss jetzt!, befahl er sich selbst und gab sich einen Ruck. Trübsal zu blasen würde ihm nicht helfen, den Fall so schnell wie möglich aufzuklären und nach Hause zurückzukehren.

Schnell aß er sein Müsli auf und trug alles zurück in die Küche. Erst nachdem er sich gewaschen und die Kontaktlinsen eingesetzt hatte, schaltete er den Fernseher aus. Dann nahm er sich seine Jacke und atmete noch einmal tief durch.

Heute war Tag eins seiner Undercoverarbeit.

Auf ins Abenteuer, dachte er und zog die Tür hinter sich zu.

Kaum war Joshua hinaus auf den Gehweg getreten, pfiff ihm ein kalter Wind ins Gesicht und wirbelte seine Haare in sämtliche Richtungen. Vor ihm erstreckte sich eine dunkle Wand aus Wolken und unwillkürlich stieß er einen Fluch aus.

Bald würde vermutlich ein Regenguss auf ihn niederprasseln und er würde durchnässt bis auf die Knochen sein. Eigentlich wollte er die Strecke zum »be strong« zu Fuß zurücklegen, doch jetzt entschied er sich anders und würde die paar Meter mit dem Auto fahren.

Wie es ihm beschrieben wurde, entdeckte er das »be strong« nicht weit entfernt seiner Wohnung in einer Seitenstraße. Eigentlich wäre er an dem Gebäude beinahe vorbeigefahren, wenn nicht ein riesiges Schild am Eingang gehangen hätte.

Denn das Fitnessstudio sah nicht so aus, wie er es von Zuhause gewohnt war. Es befand sich in einer alten Turnhalle, daneben war sogar eine Schule, die aber ungenutzt aussah. Auf der anderen Seite des danebenliegenden Sportplatzes konnte er einige Zielscheiben vom Bogenschießen ausmachen. Parkplätze gab es hier keine. Joshua parkte seinen Wagen am Straßenrand und stieg aus.

Im gleichen Moment traf ihn ein Regentropfen an der Wange und ehe er sich versah, ließ der Himmel sämtlichen Regen fallen, den er in den letzten Tagen für sich behalten hatte. Schnell hastete er zur Eingangstür des »be strong« und stürmte hindurch, sobald sie weit genug offen war. Seine Wunde ziepte und sein schnell gehender Atem zeigte ihm, dass er noch lange nicht seine alte Kondition zurückerlangt hatte. Aus dem Augenwinkel sah er an der Glasscheibe einen Zettel hängen, auf dem stand, dass ein neuer Mitarbeiter für den Tresen gesucht wurde.

In seinem Kopf begann sich ein Plan zu hegen, den er nicht weiter verfolgte, denn hinter ihm erklang eine mit einem Akzent durchschnittene tiefe Stimme.

»Wir haben noch geschlossen. Öffnen erst in einer Stunde.«

Langsam drehte sich Joshua in die Richtung, aus der die Stimme kam. Hinter dem Tresen stand Carl Jankowski und sah dabei noch genauso aus, wie auf dem Polizeifoto. Demnach war das Foto also noch gar nicht so alt, mit dem Unterschied, dass sich an seinem Hals ein weiteres Tattoo zu den anderen gesellt hatte.

»Ich bin wegen des Jobs hier«, improvisierte Joshua und trat einen Schritt näher an Carl heran. Dieser zog seine buschigen Augenbrauen nach oben, sodass sich seine Stirn in unzählige Falten legte. Ein ungläubiger Blick gesellte sich dazu und Joshua wurde augenblicklich mulmig zumute.

»Du willst hier arbeiten?« Zugegeben, mit seinen Augenringen und den ungepflegten Bartstoppeln sah Joshua nicht gerade in bester Form aus, aber er verstand nicht, wieso Carl Jankowski so überrascht war.

»Warum deswegen so schockiert?«, entgegnete Joshua und straffte die Schultern.

»Weil du aussiehst, als würdest du niemals für den Mindestlohn arbeiten wollen. Du gehörst eher in ein Büro, würdest du dich mal rasieren.«

Verdammt! Seine Tarnung war nicht gut genug, vermutlich würde ihm Carl sogleich eine Absage erteilen. Nun, wenn er enttarnt wurde, konnte er wenigstens zu seiner Familie zurückkehren. Nicht das er mit Absicht versagen würde, aber sollte es so kommen, würde er mit Freude die Heimfahrt antreten. Äußerlich ließ sich Joshua nichts anmerken, hielt den bohrenden Blick von Carl stand.

»Wie heißt du überhaupt?«, fragte Carl, nachdem Joshua nichts erwiderte.

»Bela Krüger«, antwortete er, nachdem ihm beinahe sein echter Name über die Lippen kam.

»Hast du Erfahrung in diesem Bereich?« Carl machte eine ausladende Geste mit den Armen und meinte wohl das ganze Studio.

»Nein.« Carls Augenbrauen gingen erneut auf Wanderschaft. »Ich habe keine Erfahrung, aber bin lange genug in Fitnessstudios unterwegs, um einiges aufgeschnappt zu haben. Ich bin gerade erst aus Rostock hierher gezogen und suche einen Job.«

»Aus Rostock wie?« Das war das Einzige, was bei ihm hängen geblieben war? »Was führt dich dann nach Wolfsburg?«

»Ich wollte so viele Kilometer wie möglich zwischen meine Ex und mich bringen«, erwiderte Joshua und schob seine Hände in die Taschen seiner Jeanshose. Weder Simon noch Manni noch Staatsanwalt Nowak hatten ihm besondere Angaben seiner Tarnung gegeben und so musste er sich selbst eine Geschichte ausdenken. Mitten in der Nacht kam ihm eine gewisse Story in den Sinn, als er eigentlich schlafen wollte. Carl gluckste und in seine braunen Augen trat ein amüsierter Ausdruck.

»Stress mit Frauen ist immer scheiße. Dabei kannst du einfach nicht gewinnen.«

»Da hast du wohl recht«, seufzte er und für einen Moment erschien das Bild von Jeanette vor seinen Augen, schnell schob er es beiseite. Er musste sich konzentrieren und nicht über seine Verflossene nachdenken!

»Los komm, ich zeige dir erst mal alles und dann reden wir weiter.« Er winkte ihn hinter den Tresen und Joshua setzte sich in Bewegung.

Der Tresen befand sich gleich gegenüber der Eingangstür, sodass er jeden im Blick haben würde, der die Halle betrat. Hinter dem Tresen an der Wand waren mehrere Regale angebracht, auf dem sich etliche Gläser ineinander gestellt reihten und einige Dosen, deren Inhalt zum Muskelaufbau unterstützen sollte. Unter den Gläsern stand eine kleine Kaffeemaschine, daneben standen einige Tassen. Unter den Regalen war ein kleiner Geschirrspüler. Insgesamt bildete der Tresen ein L und das kurze Stück schloss direkt an die Wand an, an dem sich die Regale befanden.

Auf der anderen Seite des Tresens, dort wo man dahinter gelangen konnte, waren zwei Türen, die geschlossen waren.

»Die Leute haben jeder eine Karte, die sie durch diesen Apparat ziehen«, begann Carl zu erklären, sobald Joshua bei ihm hinter dem Tresen angekommen war und deutete auf ein Kartenlesegerät, welches mit einem Computer verbunden war, der auf dem Tresen stand. »Dann erscheint das Foto von demjenigen auf dem Bildschirm und einige Daten zu ihm. Wie er heißt, Geburtstag, und Wohnort zum Beispiel. Auch, ob er für den Monat bezahlt hat oder nicht. Leute, deren Beitrag noch offen steht, müssen wieder gehen. Erst wenn sie bezahlt haben, dürfen sie hier trainieren. In den ersten zwei Werktagen in Monat wird der Mitgliedsbeitrag eingezogen.«

»Okay.« Das hörte sich doch alles nicht so schwierig an.

»Wenn Leute einen Kaffee oder einen Proteinshake haben wollen, gibt es hier eine Kasse, in die du das Geld legst.« Carl deutete auf eine Geldkassette, die sich in einem Fach unter dem Tresen befand. »Deine Aufgaben bestehen meistens darin, die Getränke fertig zu machen und aufzupassen, dass sich hier alle an die Regeln halten. Zudem dass sich immer genügend Desinfektionsmittel und Papiertücher an den einzelnen Stationen befinden.«

»Von welchen Regeln sprechen wir hier?«, hinterfragte Joshua und sah aufmerksam zu Carl. Doch dieser antwortete ihm nicht, sondern zeigte mit dem Finger auf eine Säule zwischen all den Sportgeräten, an der ein riesiger Bilderrahmen mit zahlreichen Sätzen hing.

»Geh ruhig hin und lies sie dir alle durch. Am besten du lernst sie gleich alle auswendig.« Auf Carls Gesicht lag ein Grinsen, welches Joshua dazu brachte, diese Aussage nicht ernst zu nehmen. Dennoch trat er hinter dem Tresen hervor und betrat die Trainingsfläche, auf der sich eine Menge Sportgeräte tummelten. In der linken Ecke befand sich ein Boxring und rechts daneben eine Wand, die den restlichen Sportbereich abgrenzte. Bevor Joshua alles andere inspizieren würde, richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Regeln.

Jedes Mitglied ist für die Säuberung seines Trainingsgerätes selber zuständig.

Die Geräte werden sachgemäß benutzt, Beschädigungen werden von dem verursachten Mitglied beglichen.

Die Schließfächer sind nur für den Zeitraum im Studio gedacht, alles was längerfristig verschlossen ist, wird aufgebrochen.

Jedes Mitglied wird so akzeptiert, wie es ist.

Jegliche Wetten bei Kämpfen sind untersagt.

Es werden nur freiwillige Kämpfe ausgefochten, niemand wird dazu gezwungen.

Bei den Kämpfen wird niemand schwer verletzt.

Die Kämpfe werden nur nach vorher festgelegten Reglen ausgefochten.

Ein freundlicher Umgangston und Hilfestellungen sind immer erwünscht.

In diesem Studio werden keine Drogen oder andere Aufputschmittel toleriert.

Wer seinen Beitrag für den Monat nicht bezahlt, darf die Trainingsfläche nicht betreten. Bei mehreren Vorkommen der Nichtzahlung wird die Mitgliedschaft beendet.

Joshua starrte auf die Regeln, die in seinen Augen vollkommen Sinn ergaben. Leise Zweifel hegten sich, ob Carl Jankowski wirklich der Hauptverdächtige Nummer eins sein sollte. Wer sich solche Mühe machte, um ein gutes Klima in einem Fitnessstudio zu schaffen, würde doch nicht Drogen verticken.

Oder?

»Und?«, durchbrach Carl die Stille und stellte sich neben ihn, die Arme vor der Brust verschränkt. Auf seiner Glatze reflektierte das Licht von der Decke.

»Mit diesen Regeln kann ich mitgehen«, äußerte Joshua und sah dem Mann neben sich in die Augen.

»Gut. Dann zeige ich dir jetzt den Rest.« Gemeinsam gingen sie in die Richtung des Boxrings. »Du siehst aus, als würdest du selbst auch trainieren«, stellte Carl fest und musterte Joshua von der Seite.

»Ja, ich habe bis vor kurzer Zeit regelmäßig trainiert«, antwortete Joshua und erwiderte den Blick, den Carl ihm zuwarf. Sie blieben vor dem Boxring stehen und Joshua stellte fest, dass dieser größer war, als aus er aus der Ferne gedacht hatte.

»Warum hast du aufgehört?«

»Ist ein bisschen schwer, mit einem Messer im Bauch Situps zumachen«, erwiderte Joshua trocken und hob sein Sweatshirt hoch, um Carl sein weißes Wundpflaster zu offenbaren. Dieser stieß einen leisen Pfiff aus.

»Was hast du denn getrieben?«

»Meine Ex hat zugestochen, nachdem ich sie mit meinem besten Kumpel in unserem gemeinsamen Bett erwischte und sie verlassen wollte. Eine Woche lag ich im Krankenhaus, dann bin ich nur noch weg.«

»Weiber«, murrte Carl, »die sind alle komplett hysterisch.«

»Da muss ich dir recht geben. Also, was hat es mit dem Boxring auf sich?«

»Hier wird geboxt, wie du den Regeln entnommen hast, ist das hier reines Vergnügen. Wer Bock hat, macht mit, wer nicht, der nicht.«

»Klingt cool. In den Fitnessstudios in denen ich zuvor war, wurde so etwas nie gemacht.«

»Mit irgendetwas muss ich mich doch von den anderen spießigen Studios abheben.« Carl deutete auf die Wand neben dem Boxring. »Dahinter gibt Ida einmal die Woche einen Fitnesskurs für die weiblichen Mitglieder. Er findet mittwochs um 19.00 Uhr statt und ist immer komplett voll. Wir überlegen bereits, ob wir den Kurs nicht ausbauen sollten.«

»Wie lange führst du das Fitnessstudio denn schon?«, erkundigte sich Joshua, als sie dem hinteren Bereich den Rücken kehrten und zu den Umkleidekabinen zusteuerten.

»Ich habe es vor fünf Jahren entdeckt und ein klein wenig umbauen lassen. Früher war das einmal eine Turnhalle von der danebenliegenden Schule, die bereits seit sechs Jahren geschlossen ist. Die Umkleidekabinen habe ich auf zwei Stück minimieren lassen und stattdessen mehr Trainingsfläche gewonnen.« Der Regen prasselte laut auf das Dach und entlastete das Schweigen, welches zwischen ihnen entstand. »Hier sind die Umkleidekabinen, in denen sich verschließbare Fächer befinden. Die Mitglieder bringen selbst ein Schloss mit, um ihre Sachen einschließen zu können. Gleichzeitig sind dort auch die Duschen und Toiletten. Deine Aufgabe besteht darin, Seife, Papierhandtücher und Klopapier aufzufüllen. Bei den Damen bittest du einfach eine darum oder wenn keine drin ist, kannst du es auch selber machen.«

Nachdem sie wieder beim Tresen angekommen waren, musterte Carl Joshua ausgiebig. Dieser ließ es sich nicht anmerken und ließ seinen Blick über die unzähligen Trainingsgeräte schweifen. An den Wänden waren stellenweise mannshohe Spiegel angebracht, in denen sich die Mitglieder beim Training beobachten konnten.

»Ich will ehrlich zu dir sein Bela. Deine Stichwunde macht mir Sorgen. Wenn die neue Ware kommt, muss man auch ordentlich Kartons schleppen.«

»Meine Wunde wird mich in diesem Job nicht beeinträchtigen«, versprach Joshua und ließ dabei seine Stimme so fest klingen, wie er konnte.

Mit zusammengepressten Lippen betrachtete ihn Carl, und schien einen Moment zu überlegen. »Na gut. Ich kann dich gut leiden. Du hast den Job.«

Noch am selben Tag begann Joshua mit seiner Arbeit. In den ersten Stunden schaute Carl ihm noch über die Schulter, erklärte ihm, wie er die verschiedenen Shakes zubereiten sollte und wo er die einzelnen Materialien fand, wenn sie ausgingen.

Dann verzog sich Carl in sein Büro, welches sich hinter der rechten verschlossenen Tür am Tresen verbarg, um den Arbeitsvertrag fertigzustellen. Hinter der linken Tür war das Lager. Die Leute kamen und gingen, niemand schenkte Joshua großartig Beachtung.

Von jung und alt, kräftig und schlank waren sämtliche Typen vertreten. Niemand war darunter, der ihm verdächtig vorkam. Es wäre auch ein Wunder gewesen.

Am frühen Abend lernte er dann auch Ida kennen, die Carl mit einem Sprung in die Arme und einen schmatzenden Kuss begrüßte. Sie war ungefähr einen Meter fünfundsiebzig groß. Ihre langen schwarzen Haare reichten ihr bis zur Mitte des Rückens und die strahlend braunen Augen leuchteten auf, sobald ihr Blick auf den Mann viel. Auch auf dem Gesicht von Carl konnte er dieses bestimmte Strahlen ausmachen.

»Hey Bela, das ist meine Süße, Ida. Ida das ist Bela, er arbeitet seit heute hinterm Tresen.«

»Freut mich dich kennenzulernen«, sagte Ida und musterte ihn mit anerkennendem Blick. Er schätzte sie zwei bis drei Jahre jünger als sich.

»Freut mich auch.«

»Wollen wir los?«, fragte Ida und Carl bejahte.

»He Bela?«

»Ja?«

»Hier, schließ dann ab, ja? Wir sehen uns morgen früh.« Carl warf ihm einen Schlüsselbund zu, den Joshua mit einer Hand auffing. Ehe Joshua irgendetwas erwidern konnte, war Carl bereits mit Ida im Arm zur Tür hinaus verschwunden.

Sprachlos blickte er ihnen nach. Das war einfacher als gedacht gewesen, sich das Vertrauen von Carl Jankowski zu erschleichen. Entweder ahnte der Typ wirklich nichts, oder aber er war vollkommen leichtgläubig, was nicht zur Beschreibung von Manni und Simon passte.

Bevor Joshua weiter über die Beweggründe von Carl nachdenken konnte, wurde die Tür erneut geöffnet. Dieses Mal kam ein junger Mann herein, ungefähr in seinem Alter mit rotbraunen Haaren und braunen Augen, die trüb und Mitteilungslos wirkten. Er ließ sich auf einem der Barhocker am Tresen nieder, seine Sporttasche ließ er unbeachtet auf den Boden fallen. Von ihm ging der Geruch von billigem Bier aus. Wusste er nicht, dass Alkohol und Sport Gift zusammen waren?

»Du bist neu hier«, stellte er fest und musterte Joshua.

»Jep, habe heute meinen ersten Tag.«

»Dann mach mir mal gleich einen großen Proteinshake. Muss Muskeln aufbauen«, kommandierte er, woraufhin Joshua seine Gestalt ausführlich betrachtete. Tatsächlich wirkte er unter seinem Pullover ziemlich schlaksig.

»Klar.« Woanders hätte er so nicht mit sich sprechen lassen, doch hier musste er den Befehlston erst einmal hinnehmen. »Wie lange kommst du schon hierher?«, fragte Joshua, in dem Versuch eine einfache Konversation zu starten und in der Annahme, dass dies jeder andere in seiner Position auch tun würde.

»Bin seit acht oder neun Wochen hier.« Joshua stellte ihm seinen Proteinshake auf den Tresen und wartete, dass der Kerl ihm das Geld dafür gab.

»Mein Name ist Bela«, stellte er sich vor und hoffte, dass er den Namen seines Gesprächspartners erfahren würde.

»Mario.« Mehr sagte er nicht, warf ihm das Geld auf den Tresen und ging. Sprachlos blickte er Mario nach.

Unfreundlicher Kerl.

Die erste Woche verging ereignislos, zumindest was die Ermittlungen betraf. Jeden Tag zur gleichen Uhrzeit verließ Joshua entweder mit Carl oder alleine das Studio. Mario kam täglich und bestand auf seinen Shake, den er mit Kleingeld bezahlte. Mit den Malen kamen sie mehr ins Gespräch und sie unterhielten sich über verschiedene Themen.

So langsam gewann Joshua den Eindruck, dass er einen Zugang zu Mario fand. Auch Carl fand, wie er ihm sagte, seine Arbeitsmoral gut und äußerte ebenfalls, froh zu sein, ihn eingestellt zu haben. Darüber freute sich Joshua, denn er kam mit seiner Tarnung mit einem Fuß auf die Erde und würde so problemlos ermitteln können. Bloß das es bisher keine wirkliche Spur gab. Es frustrierte ihn sichtlich, denn mit jedem Tag der verstrich, verabschiedete er sich innerlich mehr von einem raschen Wiedersehen mit seiner Tochter.

Am Sonntag hatte er das erste Mal frei und so überfordert mit der plötzlichen Freizeit, dass er tatsächlich nicht wusste, was er mit sich anfangen sollte. Mehrmals rannte er die Stufen im Treppenhaus rauf und runter, um seine Koordination zu stärken. Nach drei Runden hämmerte sein Herz dermaßen in seiner Brust und seine Lunge schmerzte, als wäre er der unsportlichste Mensch auf Erden. Verschwitzt ließ er sich auf seinem Sofa nieder und gönnte sich ein Glas voll kaltem Wasser.

So langsam beruhigte sich sein Herzschlag und er sah sich in dem Zimmer um. Sein Blick blieb am schäbigen Bett hängen und er stand auf, um es hochzustemmen. Ein kleiner Teil seines Hirns nahm wahr, dass seine verheilende Wunde bei der Bewegung nicht protestierte.

Der Lattenrost bestand aus dicken und dünnen Verbindungen aus Metall, sie bildeten immer gleichgroße Kreise. Seine Gedanken ratterten und sein Blick wanderte noch einmal durch das spärlich eingerichtete Zimmer.

Es war perfekt.

Joshua schnappte sich einen Stapel Blätter und begann dort alles über die Personen aufzuschreiben, die ihm in der ersten Woche über den Weg gelaufen waren. Der erste Zettel füllte sich mit Daten über Carl, der Zweite wurde mit Marios versehen und der Dritte bekam nur wenige Informationen über Ida aufgedrückt. Mehr kannte er noch nicht beim Namen, aber bisher waren ihm auch keine verdächtigen Mitglieder aufgefallen. Mit den Ergebnissen eher unzufrieden, begab er sich wieder zum Bett und befestigte dort die Zettel am Lattenrost. Nachdem er fertig war, trat er einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, musterte das vorläufige Gesamtbild und durchforstete seine Gedanken, ob er auch wirklich alle Dinge aufgeschrieben hatte, die er wusste.

In seiner Hosentasche piepste sein Handy und er zog es mit gerunzelter Stirn heraus. Niemand besaß diese Nummer. Wer also sollte ihm eine Nachricht schreiben? Auf dem Bildschirm sah er den Namen Oma Inge.

Oma Inge: Komm heute Nachmittag um 16.00 Uhr zum Kaffee. (12.34 Uhr)

Um Punkt 16.00 Uhr parkte Joshua seinen VW Golf auf dem Parkplatz direkt vor dem Kiosk. Natürlich war die Nachricht nur eine Farce gewesen, in Wirklichkeit teilten ihm Simon und Manni damit mit, wann sie ihn in der geheimen Einsatzzentrale sehen wollten.