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ER MUSS IHR DIE WAHRHEIT VERSCHWEIGEN, UM SIE ZU BESCHÜTZEN! Nach einer schweren Verletzung will der ehemalige SEAL Reese Hendrix nur eins: Seine Ruhe haben. Doch als ein Freund ihn um einen Gefallen bittet, kann er nicht ablehnen. Er gibt sich als Blaire Scofields neuen Bodyguard aus und soll dabei unauffällig Informationen über ihren Vater sammeln. Als dieser spurlos verschwindet, überschlagen sich die Ereignisse und Reese versucht, Blaire vor der unbekannten Gefahr zu schützen. Schon bald lodern Gefühle zwischen ihnen auf und Reese muss sich entscheiden, ob er die Lüge weiterhin der Wahrheit vorzieht ...
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Seitenzahl: 476
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Für Opa,
du hast gekämpft und am Ende hast du gewonnen.
Navy SEAL: Spezialeinheit der US Navy, Einsatzorte sind Meer,
Luft und Boden (SEa, Air, Land)
Winchester (M14): Sturmgewehr der Navy SEAL
Black Hawk: Hubschrauber der Navy SEAL
NWU: Navy Working Uniform Typ II (mit
Wüstentarnmuster)
FBI: Federal Bureau of Investigation
Special Agent: Ermittler einer Bundesregierung,
überwiegend in strafrechtlichen Untersuchungen tätig
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Epilog
Schlusswort
Die Schüsse hallten von Trümmern wider, die einmal eine kleine Stadt gewesen waren. Mit wild hämmerndem Herzen suchte Reese Hendrix hinter einem Stück Mauerwerk Schutz und kauerte sich wie ein Feigling dahinter. Eine Tatsache, die er hasste. Aber ihm blieb nichts anderes übrig, wenn er überleben wollte.
Sie waren in eine Falle getappt, von der sie nichts geahnt hatten. Alles, was sie hatten tun wollen, war eine Erkundungstour durch das zerstörte Gebiet. Vielleicht hofften sie sogar, noch Überlebende zu finden. Doch offenbar war das Gelände nicht so verlassen, wie sie angenommen, obwohl sie es über Stunden hinweg beobachtet hatten.
Er hatte keine Zeit zu bereuen, in den Hinterhalt gelaufen zu sein. Das würde er später tun. Falls es ein Später geben sollte. Irgendwo hörte er einen kurzen Schmerzensschrei über das Dröhnen in seinen Ohren hinweg. Dann vernahm er nur noch die Schüsse der feindlichen Männer und das Pochen seines Herzens.
Immer wieder versuchte er, über das Funkgerät in seinem Helm Kontakt zu seinem Team aufzunehmen, doch es antwortete ihm niemand. Deshalb ging er vom Schlimmsten aus: Er war der Einzige, der noch am Leben war.
Der Geruch nach Rauch drang ihm beharrlich in die Nase. Unwillkürlich lugte er über seinen Schutzwall hinüber und sah den dunklen Black Hawk, der sie hatte retten sollen. Ihn und sein Team. Die Taliban hatten ihn einfach vom Himmel geschossen. Es war ihnen egal, dass die Menschen darin starben. Sie waren eiskalt und unberechenbar vorgegangen, weshalb es Reese nicht im Geringsten leidtat, dass Feuer erwidert und einige von ihnen getötet zu haben. Als Reese einen seiner Teamkameraden entdeckte, wie er halb aus dem Hubschrauber heraushing, flammte Wut in seinen Adern auf. Offenbar war er tot. So wie viele andere auch.
Doch von irgendwoher kam immer noch Gegenwehr, denn die Maschinengewehre der feindlichen Männer dröhnten weiter. Reese seines war unbrauchbar. Seine Munition war nach stundenlanger Abwehr verbraucht.
Plötzlich bekam die Wand unter ihm ein Einschussloch und er verbarg sich wieder dahinter. Krampfhaft versuchte er, einen Weg aus der Misere zu finden und wie er das überleben konnte. Unwillkürlich fiel sein Blick auf seine Hände, die das Gewehr umklammerten. An ihnen haftete noch immer das Blut eines Kameraden. Schwer schluckte Reese und verbot sich, den Gedanken zu vertiefen. Es würde ihm nicht helfen, jetzt in Selbstvorwürfen zu versinken.
Mit einem Mal endeten die Schüsse und alles, was er hören konnte, war sein hektischer Atem. Noch nie war er in solch einer Situation gewesen. Immer war es brenzlig, wenn sie in eines der Risikogebiete flogen, aber das ...
Das Knacken in seinem Funkgerät ließ ihn zusammenzucken. »Smilie bist du da?«, ertönte die Stimme seines Kameraden Nemo.
»Ja, bin hier Nemo. Wo bist du?«, fragte Reese und sah sich nach allen Seiten um.
Angespannt wartete er auf die Antwort und als sie kam, durchströmte ihn ungeahnte Erleichterung.
Vorsichtig machte er sich auf den Weg, sah sich dabei ununterbrochen wachsam um. Doch nichts wies darauf hin, dass noch irgendjemand hier war. Unruhe flammte in seinem Magen auf und sein Instinkt drängte ihn dazu, sofort die Flucht zu ergreifen. Trotzdem bahnte er sich seinen Weg durch die Trümmer und hielt Ausschau nach Kameraden, die noch am Leben sein könnten. Glücklicherweise befand sich sein Bruder Ramon im Trainingslager in Coronado, Kalifornien. Normalerweise wäre er mit auf diese Mission gegangen, doch er hatte sich beim Training den Kopf verletzt und hatte diesen Einsatz auslassen müssen.
Endlich entdeckte Reese Nemo zwischen den Trümmern und ging zügig auf ihn zu. Bevor er sich neben ihm niederließ, checkte er nochmals die Umgebung, konnte aber nichts Verdächtiges erkennen. Schließlich kniete er sich neben Nemo und besah sein blutendes Bein.
Nemo umklammerte seinen Oberschenkel und sah ihm schmerzverzerrt ins Gesicht. »Die Scheißkerle haben mir die Arterie kaputt geschossen.«
»Woher willst du das wissen? Bist du plötzlich allwissend geworden?«, brummte Reese und riss den Ärmel seiner NWU ab, um etwas zum Abbinden zu haben. Ohne Wenn und Aber befestigte er den provisorischen Verband um Nemos Schenkel und drapierte den Knoten so, dass er direkt auf der Wunde lag.
»Ich spüre, wie das Blut aus meinem Körper dringt«, erwiderte Nemo durch zusammengebissene Zähne.
»Das ist nur ein Kratzer, stell dich nicht so an. Bringen wir dich hier weg und suchen uns ein besseres Versteck. Kannst du laufen?«
»Sicher«, sagte Nemo und kämpfte sich mühselig auf die Beine. Nahezu sofort gab sein verletztes Bein unter seinem Gewicht nach. Schnell legte sich Reese seinen Arm über die Schultern, schlang den Linken um Nemos Taille und nahm seine Winchester in die freie Hand. Zusammen suchten sie nach einem Versteck und gleichzeitig nach weiteren Überlebenden.
»Glaubst du ...«, begann Nemo, wurde jedoch unterbrochen, als klackende Geräusche ertönten und zwei Handgranaten wenige Meter von ihnen entfernt landeten. Ehe Reese etwas rufen konnte, gab Nemo ihm einen kräftigen Stoß und er taumelte, bevor er zu Boden stürzte.
vierzehn Monate später
»Reese!«
Er ignorierte die Person, die seinen Namen rief und schwang erneut das Beil, um das Holz vor sich zu zerteilen. In der vergangenen Woche hatte ein Sturm gewütet und einen Baum auf der Ranch entwurzelt. Normalerweise ließen sie die Bäume liegen, doch dieser hatte die Zufahrtsstraße zum Haupthaus blockiert und so hatten sein Vater und er diesen mit dem Kettenschlepper beiseitegezogen. Zufrieden bemerkte er das Geräusch, welches das Holz von sich gab, als sich das Beil seinen Weg hindurch bahnte.
»Reese!« Dieses Mal erklang der Besitzer der Stimme schon näher. Dennoch beachtete er ihn nicht. Wieder hob er das Beil über den Kopf, so weit, bis seine Schulter einen protestierenden Schmerz von sich gab. Davon ließ sich Reese jedoch nicht beirren, er triezte sein Gelenk bei jeder Gelegenheit. Abermals sauste das Beil hinab und der Holzblock vor ihm sprang auseinander. Grimmig hob er die beiden Holzscheitel auf und warf sie in die Schubkarre.
»Verdammt noch mal, hast du mich nicht gehört?«, blaffte Riley und riss ihm das Beil aus der Hand, als er gerade dazu ansetzte, ein neues Holz zu entzweien. Stumm sah Reese seinen Bruder an. Sie trennten knapp zehn Zentimeter und obwohl Riley sein älterer Bruder war, war er trotzdem kleiner. »Was ist nur los mit dir?«
»Nichts, es geht mir gut«, erwiderte Reese und wollte sich das Beil zurückholen, doch Riley machte schnell einen Schritt zurück.
»Ich glaube dir nicht. Mum glaubt dir nicht. Sie ist deinetwegen komplett aus dem Häuschen. Tu ihr das nicht weiter an. Und dir auch nicht«, bat Riley und musterte ihn eindringlich.
»Sag ihr, sie braucht sich keine Sorgen um mich zu machen. Ich komme schon klar«, murrte Reese und schob die Schubkarre über den unebenen Boden zu einem Unterstand am hinteren Teil seines Hauses, in dem er immer ein wenig Feuerholz lagerte.
Riley folgte ihm. »Sag es ihr selber. Sie wird bald hier aufschlagen und dich an deinen Ohren zum Familienessen zerren. Selbst wenn du bereits einunddreißig Jahre alt bist. Und du weißt, sie macht das.«
Reese seufzte. Das blöde Familienessen hatte er vergessen. »Sag ihr, ich werde da sein.«
»Auch geduscht?«, fragte Riley mit hochgezogenen Augenbrauen und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Leck mich!«, knurrte er und stapelte die Holzscheite auf die anderen, die er bereits zurechtgestutzt hatte.
»Da ist ja der alte Reese«, bemerkte Riley leise und Reese spürte den besorgten Blick seines Bruders auf sich ruhen. »Hey Mann, wir wissen nicht, was du durchgemacht hast. Aber seit dem Tag vor fünfzehn Monaten, als du von hier aufgebrochen bist, erkennen wir dich nicht mehr wieder ...«
Unwillkürlich schloss Reese die Augen und versuchte, die aufkeimenden Erinnerungen zu verdrängen, so wie er es bereits seit Monaten gekonnt tat. Inzwischen war er Meister darin. Nur nachts, wenn sich seine Barrieren eine Pause gönnten, kamen die ungebetenen Flashbacks zurück und ließen ihn jedes Mal schweißgebadet aufwachen. Auch noch nach über einem Jahr waren die Schuldgefühle da und würden ihn vermutlich niemals zur Ruhe kommen lassen. Sie gehörten zu ihm wie seine kaputte Schulter. Selbst wenn sie nicht der Grund für seine vereitelte Rückkehr gewesen war, war er sich nicht sicher, ob er es hätte tun können.
»Ich bin für dich da. Das weißt du oder? Egal wann. Immer«, sagte Riley und Reese öffnete die Augen. Langsam drehte er sich zu ihm um. Dass Riley ihm das sagte, war nicht das erste Mal. Ihre Beziehung war immer von Leichtigkeit gezeichnet gewesen und Reese liebte kaum etwas mehr, als seinen älteren Bruder zur Weißglut zu treiben. Aber auch das zählte zur Vergangenheit.
»Danke. Aber mir geht es gut. Sag Mum, ich bin heute Abend da.«
Mit nachdenklicher Miene nickte Riley schließlich und ließ ihn allein zurück. So wie er es mochte. Allein zu sein war der einzige Zustand, den er im Moment noch ertrug.
»Reese«, rief Paloma Hendrix, als er geduscht und rasiert durch die Tür ins Esszimmer des Haupthauses der Hendrix-Ranch trat.
Seine gesamte Familie war schon da, bis auf Ramon, der im Einsatz war. Bei dem Gedanken presste sich sein Magen zusammen und er verdrängte das erdrückende Gefühl. Ramon wusste, was er tat!
Er bemühte sich, allen ein Lächeln zu schenken, und ließ sich auf einem Stuhl nieder. Ihm gegenüber saß Hayden, die Lebensgefährtin von Riley, die ihm einen mitfühlenden Blick zuwarf, den er ignorierte.
Nick Hendrix, sein Vater, räusperte sich. »Jetzt wo wir alle da sind, können wir ja anfangen.«
Das Essen verlief schweigend. Reese kaute auf seinem Stück Steak herum, ohne es zu schmecken, und hielt seinen Blick gesenkt. Auch ohne hinzusehen wusste er, dass seine Familie ihn musterte und dass die Stimmung seinetwegen so bedrückt war. Normalerweise war das Esszimmer immer von Gesprächen und Gelächter erfüllt.
Doch seitdem er schwer verletzt nach Hause zurückkehrt war, war alles anders. Nicht nur er hatte sich grundlegend verändert, seine Familie hatte es zwangsläufig auch getan. Und das war eine Tatsache, die ihn noch mehr schmerzte, als die Ereignisse in der feindlichen Ruine.
Als er einen Schluck von seinem Bier nahm, begegnete er den hellgrünen Augen von Hayden. Nachdenklich musterte sie ihn. Auch wenn er sie wie eine Schwester liebte, konnte er ihren Blick nicht lange standhalten. Sie machte seinen Bruder glücklich und die beiden waren so vernarrt ineinander, dass es beinahe abstoßend war. Einmal mehr war er froh, nicht in den Club der verliebten Idioten zu gehören. Er war stolz darauf, ein Junggeselle zu sein. Und das würde sich vermutlich auch niemals ändern.
»Wann werdet ihr morgen aufbrechen?«, fragte Paloma an Riley und Hayden gewandt und durchbrach so die deprimierende Stimmung.
Riley griff nach der Bierflasche vor sich auf dem Tisch. »Wir werden nach dem Frühstück losfahren.«
Reese horchte auf und überlegte, wovon seine Mutter und Riley sprachen. Dann fiel es ihm wieder ein. Hayden und Riley wollten in den Urlaub fahren. Die beiden hatten keinen leichten Start in ihrer Beziehung und wurden von Haydens Exmann angegriffen und schwer verletzt. Bei seinem Bruder sah es einige Zeit nicht so aus, als würde er die Ereignisse überleben, doch dem war glücklicherweise nicht so. Es gehörte eben einiges dazu, einen Hendrix umzubringen. Bei seinen Gedanken zuckte er minimal zusammen. Er war vielleicht am Leben, doch er fühlte sich wie tot.
Betont langsam legte er sein Besteck auf den Teller. »Riley, Hayden, ich wünsche euch einen tollen Urlaub. Ich werde mich jetzt verabschieden.« Mit diesen Worten erhob er sich und verließ beinahe fluchtartig den Raum. Paloma rief ihm etwas hinterher, doch er war bereits zur Haustür hinaus.
Der dunkle Pick-up, den er anstrebte, stand ein Stück vom Haus entfernt. In Windeseile hatte er ihn erreicht, war hinein gesprungen und hatte den Motor gestartet. Beim Anfahren gab er so viel Gas, dass der Splitt unter den Reifen in sämtliche Richtungen flog.
Nur weg hier!
Bis vor vierzehn Monaten war seine Familie alles für ihn gewesen. Jetzt ertrug er ihre Gegenwart nicht mehr. Für diesen Gedanken schämte er sich. Aber er konnte nicht anders. Jedes Mal, wenn er sich bei ihnen aufhielt, konnte er spüren, wie besorgt sie um ihn waren. Wie sehr ihn ihre Sorge niederdrückte, weil er ihnen nichts vormachen konnte. Dafür reichte seine mentale Kraft nicht aus.
Zwei Stunden später betrat er seine Lieblingskneipe in Huntington Park, Los Angeles und ließ sich auf einem der Barhocker nieder. Die Barkeeperin Alaina sah ihn hinter dem Tresen an und stellte ihm wortlos ein Bier vor die Nase.
»Ich brauche etwas Härteres«, sagte er und trank das Bier bis zur Hälfte aus.
Alaina nickte. »Scheißtag?«
Reese stellte die Bierflasche vor sich ab. »Kann man so sagen.«
Mitfühlend sah Alaina ihn an, doch er ignorierte es. Obwohl er sie bereits seit einigen Jahren kannte, bereitete ihm ihr empathischer Blick kein beklemmendes Gefühl.
»Hier, der geht aufs Haus«, meinte Alaina und stellte ihm einen Scotch vor die Nase.
»Danke.« Mit einem Zug kippte er den Drink herunter und bedeutete ihr stumm, nachzuschenken. Seufzend kam sie seinem Wunsch nach.
Die Kneipe war bis auf wenige Ausnahmen leer, was ihm nur recht war. Leise wurde Musik im Hintergrund gespielt und die schummrige Atmosphäre passte zu seiner Stimmung. Erst in ein paar Stunden würde die Bar brechend voll werden.
»Wie wäre es, wenn du über deinen Scheißtag redest?«, fragte Alaina und stützte sich mit beiden Händen auf die Thekenplatte auf. »Ansonsten muss ich dir vielleicht die Servietten in Rechnung stellen.« Der Sarkasmus in ihrer Stimme war kaum zu überhören, dennoch sah Reese sie irritiert an.
»Oh, sorry.« Reese ließ die restlichen Fetzen der dritten Serviette fallen und schob sie zu einem Haufen zusammen. Er war vollkommen in seine Gedanken versunken gewesen und hatte nicht bemerkt, was seine Finger taten. »Nein, ich will nicht darüber reden.«
Erneut kam ein Seufzen über Alainas Lippen und sie wendete sich von ihm ab, um einen anderen Gast zu bedienen. Inzwischen wusste sie, dass Reese ein Sturkopf war. Er war in den letzten Monaten oft genug in die Bar gekommen, dass sich zwischen ihnen eine platonische Freundschaft entwickelte.
Gedankenverloren starrte Reese in sein Glas und blendete alles um sich herum aus. Langsam griff er nach diesem, um es sich an den Mund zu führen. Aus Erfahrung wusste er, dass der Alkohol die Dunkelheit nur bedingt vertreiben würde. Dennoch floh er immer wieder in den Dunstschleier, der nur wenige Stunden anhalten würde. Beim Erwachen war sie jedes Mal noch finsterer, dennoch sah Reese keinen anderen Weg.
Alainas Lachen drang an seine Ohren und er sah in ihre Richtung, bis sie seinen Blick zu bemerken schien, denn sie wendete sich von dem anderen Gast ab und kam zu ihm herüber. »Willst du noch einen?«
»Ja, gib mir einen Doppelten«, murmelte er und schob ihr sein Glas zu.
»Okay.« Sie kam seinem Wunsch nach und ließ ihn wieder allein.
Bevor er das Glas wieder leeren konnte, spürte er das Handy in seiner Hosentasche vibrieren. Sofort war er sich sicher, dass ihn jemand aus seiner Familie anrief, und er geriet in Versuchung, den Anruf zu ignorieren.
Was ist, wenn etwas passiert ist?
Wie von selbst schob sich seine Hand in die Tasche und zog es heraus. Der Name auf dem Display ließ ihn innehalten und die Stirn runzeln.
Jace.
Was wollte er von ihm? Seit den Geschehnissen vor sechzehn Monaten hatte er mit Jace kein Wort mehr gewechselt. Dass ihn sein alter Kumpel nun anrief, wunderte ihn. Wieder war es eine automatische Bewegung, die den Anruf annahm und ihn das Handy ans Ohr halten ließ.
»Hallo«, murrte Reese und hatte gerade die Begrüßung von sich gegeben, als Jace bereits den Grund für seinen Anruf kundtat.
»Ich brauche deine Hilfe, Reese.« Der gewisse Unterton in Jace‘ Stimme verriet Reese, dass es wichtig war.
»Was ist los?«
»Das kann ich dir nicht am Telefon erzählen. Können wir uns treffen? Am besten gestern«, sagte Jace und Reese verdrehte postwendend die Augen.
»Ich bin in meiner Lieblingsbar, wenn du reden willst, komm her und trink was mit mir.«
Als Jonathan Carlisle die Bar betrat, wurde es Still. Selbst Alaina hielt in ihrem Tun inne und ihr wäre beinahe das Bier über den Rand des Glases gelaufen. Der FBI Agent war eine imposante Erscheinung und noch größer als Reese. Sein Anzug war maßgeschneidert und saß wie immer perfekt. Bei ihrer letzten Begegnung hatte Jace genauso ausgesehen und vielleicht, vermutete Reese, hatte er sogar denselben Anzug an. Mit geübtem Blick sah Jace über die wenigen Menschen hinweg, bis er Reese entdeckt hatte und kam schnellen Schrittes auf ihn zu.
»Hallo Reese.«
»Jace«, erwiderte er und nippte an seinem Scotch.
»Vielleicht solltest du das Trinken sein lassen. Ich brauch dich nüchtern.«
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Reese seinen Freund an. »Wobei könntest du meine Hilfe brauchen? Und ich kann so viel trinken, wie ich will. Ich bin ein entpflichteter Navy SEAL.«
»Und genau das macht dich so nützlich ...«
Genervt stöhnte Reese auf und wendete sich Jace zu. »Sag, was du zu sagen hast oder schweig und trink mit mir.«
»Ich brauche dich für einen Job als Bodyguard.«
»Was?«
Jace´ Mundwinkel zuckte. »War die Ausführung zu kompliziert für dich?«
Statt ihm zu antworten oder ihm einen Tritt in den Allerwertesten zu verpassen, kippte Reese seinen Drink hinunter und orderte den nächsten.
»Es ist inoffiziell. Ich komme in meinem Fall sonst nicht weiter.«
»Ich war noch nie ein Bodyguard.«
»Das ist mir egal, du sollst in erster Linie die Augen offenhalten und die Ohren spitzen. Und was das angeht, warst du schon immer der Beste«, meinte Jace.
Er muss wirklich verzweifelt sein.
Jonathan Carlisle machte niemals Komplimente. Schon gar nicht Reese. Das Schweigen zwischen den beiden Männern hielt an, bis Alaina den nächsten Scotch vor ihm abgestellt hatte und davon gegangen war. Dann ergriff Jace erneut das Wort. »Komm schon, du hast dann auch was gut bei mir.«
Das klang gar nicht schlecht, letztes Mal hatte Reese all seine Gefallen bei Jace eingefordert, um die Leben von Hayden und Riley zu retten. Etwas bei einem FBI Agenten gut zu haben, war immer hilfreich.
»Zwei Gefallen, egal welcher Art und ich bin dabei«, erwiderte Reese.
Ohne zu zögern, stimmte Jace zu und stieß sich von der Theke ab. »Die Details verrate ich dir im Auto. Hier haben sogar die Gläser Ohren.«
Reese sah Jace nach und trank erst seinen Scotch aus, als dieser die Bar verlassen hatte. Achtlos warf er ein paar Scheine auf die Bar und kam auf die Füße.
Alaina trat auf ihn zu und sah ihn fragend an. »Was war das denn für einer? Steckst du etwa in Schwierigkeiten?«
»Er ist ein alter Freund, der mich um einen Gefallen gebeten hat. Wir sehen uns«, erwiderte er und klopfte zum Abschied auf die Theke.
Draußen vor der Tür atmete Reese die kühle Luft ein und suchte die Umgebung nach Jace ab. Zunächst erblickte er seinen alten Freund nicht und er glaubte schon, sich den Besuch in der Bar nur eingebildet zu haben, als er ihn schließlich doch entdeckte. Jace lehnte ein Stück die Straße hinunter an einem dunklen SUV. Die Arme hatte er vor der Brust verschränkt. Während Reese auf ihn zuging, bemerkte er, dass der Alkohol bereits seine Wirkung entfaltete. Es war nicht so, dass er torkelte oder Schwierigkeiten mit seiner Wahrnehmung hatte, sondern dass er lahme Beine hatte und er seine Gedanken nicht mehr ganz so schnell zu fassen bekam.
Nachdem er die Straße überquert hatte, kam er bei Jace an. Dieser gab seine Körperhaltung auf und deutete ihm, sich auf den Beifahrersitz zu setzen. Als Reese die Tür öffnete, wehte ihm der typische Neuwagengeruch entgegen.
Kaum hatte er sich auf dem beigen Leder niedergelassen, hielt ihm Jace bereits eine dünne Akte unter die Nase. »Da stehen alle Informationen drinnen, die du benötigst.«
»Ich dachte, es wäre keine offizielle Sache.«
»Ist es auch nicht. Dennoch brauchst du die Auskünfte, um kostbare Angaben für mich sammeln zu können«, sagte Jace und hielt ihm weiterhin die Akte hin.
Reese nahm die Mappe entgegen und schlug sie auf. Im dämmrigen Licht konnte er die geschriebenen Worte nur schwer entziffern. Jace schien es zu bemerken, denn plötzlich hielt er ihm sein Mobiltelefon entgegen und hatte zuvor die Taschenlampenfunktion aktiviert. Auf der ersten Seite entdeckte er eine junge Frau. Das Foto schien eine offizielle Fotografie zu sein, denn im unteren Bereich war ein Copyright angegeben. Unter dem Foto stand ein Name: Blaire Ann Scofield. Ohne Zweifel war die Frau sehr attraktiv.
»Deine Zielperson ist diese Frau. Sie ist fünfundzwanzig Jahre alt und die Tochter des bekannten Chirurgen Theodor Scofield. Er ist der beste Arzt in Kalifornien«, berichtete Jace, während Reese noch damit beschäftigt war, das Foto anzustarren. Je länger er es betrachtete, desto sicherer war er sich, diese Frau zu kennen. »Theodor Scofield ist auf der Suche nach einem neuen Bodyguard und da kommst du ins Spiel.«
Endlich sah Reese von dem Foto auf und schüttelte den Kopf. Womöglich kannte er sie gar nicht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sah sie nur einer anderen Frau sehr ähnlich, mit der er mal was am Laufen hatte.
»Hast du mir überhaupt zugehört?«
Schuldbewusst zuckte Reese zusammen und nickte schnell. Immerhin hatte er Bruchstücke mitbekommen. »Und wieso glaubst du, dass dieser Doc einen Mann ohne jegliche Berufserfahrungen als Bodyguard einstellt?«
»Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. Ich beobachte diesen Mann bereits seit Monaten und das Kostbarste, was er besitzt, ist seine Tochter. Er wird den Besten der Besten haben wollen und da kommst nur du infrage, weil nichts an dir gleich Cop schreit.«
»Um was geht es in dieser Sache überhaupt?«, fragte Reese und wendete sich Jace zu.
»Um tote Menschen, die ausgenommen wie Weihnachtsgänse aufgefunden werden. Ihnen fehlen jegliche Organe. Die angewendete Technik spricht für einen Arzt, Gerichtsmediziner oder jemanden, der es erlernt hat, mit einem Skalpell umzugehen. Das FBI ermittelt schon seit Jahren und hatte den Kreis der Verdächtigen sehr eingeengt. Doch im letzten Jahr gab es keine neuen Leichen und verwertbaren Spuren mehr. Meiner Meinung nach kann es nur Theodor Scofield sein, doch wir konnten es ihm nie nachweisen. Uns sind die Hände gebunden. Alles, was wir haben, sind Theorien. Mein Boss will davon nichts mehr wissen und hat die Ermittlungen aufgrund stillstehender Beweise vor zwei Monaten eingestellt.«
»Und jetzt willst du, dass ich von innen heraus ermittle?«
»Ich will, dass du mir irgendetwas lieferst, dass diesen Drecksack aus dem Verkehr zieht. Wir haben es hier nicht mit eingewilligter Organspende zu tun, sondern mit organisiertem Handel auf dem Schwarzmarkt. Was glaubst du, wie viel man für eine Niere oder ein Herz bekommt?«
Schweigend sah Reese Jace an.
»Es ist alles inoffiziell und wenn du erwischt wirst, bist du in erster Linie auf dich gestellt. Aber ich werde alles tun, um dich zu schützen. Bist du dabei?«
»Ich weiß nicht, Jace. Vielleicht bin ich nicht der Richtige für diesen Job.«
»Da bin ich anderer Meinung. Ich mache dir einen Vorschlag. Du versuchst, den Job als Bodyguard zu bekommen und wenn es dir nicht gelingt, lasse ich die Sache sein und du kannst nach Hause fahren. Erhältst du aber den Job ...« Den Rest des Satzes ließ er unbeendet.
Reese seufzte. Er ging sowieso nicht davon aus, den Job zu bekommen. Was konnte es also schaden, es zu probieren? »In Ordnung. Versuchen wir es.«
Die Schüsse hallten ohrenbetäubend von den Trümmern wider. Es waren so viele, dass Reese unmöglich bestimmen konnte, woher die Kugeln flogen. Von irgendwoher vernahm er Schmerzenslaute, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagten, obgleich ihm unsagbar heiß war und ihm der Schweiß über das Gesicht lief. Er wusste, dass es nicht real war, und dennoch war er in seiner Panik gefangen, konnte sich nicht rühren, kauerte nur auf dem unebenen Boden und hielt sich schützend die Arme über den Kopf.
Wie ein Feigling.
Weitere Schüsse erklangen, doch das Geräusch veränderte sich. Mit jedem Schuss wurde es leiser, bis es mehr und mehr einem Klopfen glich. Reese kniff die Augen zusammen und versuchte, die Geräusche einzuordnen. Das Pochen wurde lauter, bis es zu einem Hämmern wurde. Plötzlich verschwand es und eine Stimme ertönte.
»Aufstehen Prinzessin!«, rief jemand und die Vorhänge am Fenster wurden zurückgezogen, sodass Reese schlagartig die Morgensonne direkt ins Gesicht traf. Dieser riss überrascht die Augen auf und kniff sie augenblicklich wieder zusammen. Murrend vergrub er sein Gesicht im Kissen. »Herr Gott, bist du immer so ein Morgenmuffel?«
»Schnauze«, knurrte Reese gedämpft ins Kissen. »Es ist früh am Morgen, was hast du erwartet? Ich bin erst vor ein paar Stunden ins Bett.«
»Deine Schuld. Ich habe dir gesagt, du sollst rechtzeitig in die Federn. Komm schon, wir haben viel zu tun. Sonst schmeiße ich dich persönlich aus dem Bett!«
Wenn es möglich war, vergrub Reese sein Gesicht noch tiefer in den Kissen und gab ein lautes Stöhnen von sich. In seinem Kopf herrschte ein stetiges Hämmern, welches dem Alkohol geschuldet war, den er nach dem Treffen mit Jace noch in der Hotelbar verinnerlicht hatte. Nachdem er Jace zugesagt hatte, hatte dieser ihn in einem nahegelegenen Hotel eingecheckt und gemeint, er würde morgen früh wiederkommen. Natürlich hatte Reese nicht damit gerechnet, dass er wirklich so zeitig auf der Matte stehen würde.
»Ich habe einen riesigen Becher Kaffee und neue Kleidung für dich mitgebracht. Jetzt beweg deinen Arsch aus dem Bett«, forderte Jace und Reese hörte, wie sich dieser auf ihn zubewegte.
»Du bist ein Sklaventreiber.«
»Mag sein, aber ich habe Kaffee.«
Innerlich zählte Reese bis drei, dann schwang er die Beine aus dem Bett und wendete der Sonne den Rücken zu. Müde fuhr er sich durch das kastanienbraune Haar, wodurch es in sämtliche Richtungen abstand. Normalerweise stand er nicht um diese Uhrzeit auf. Nicht, wenn er so viel Scotch wie gestern getrunken hatte. Ohne Jace anzusehen, ging er in das kleine Bad und putzte sich die Zähne und machte sich frisch.
Als er wieder herauskam, hatte es sich Jace in dem Sessel gemütlich gemacht, der neben dem Fenster stand. Auch heute steckte sein Körper in einem maßgeschneiderten Anzug mit Krawatte. Sein Haar war mithilfe von Gel in Position gebracht. Mit einem Nicken deutete Jace auf eine Papiertüte auf dem Bett. Trotz seiner Kopfschmerzen verspürte Reese Neugierde und er trat darauf zu. Kurzerhand griff er hinein und zog einen dünnen grünen Pullover und eine dunkle Jeanshose hervor. Außerdem befanden sich noch schwarze Boots in der Tüte.
»In den Klamotten von gestern kannst du dich ja schlecht für den Job bewerben«, sagte Jace und erhob sich. Während er auf Reese zuging, musterte er diesen von oben bis unten. »Ich warte draußen vor der Tür auf dich. Sorg dafür, dass du nicht aussiehst, als wärst du gerade aus dem Bett gefallen.« Im Vorbeigehen drückte er Reese den großen Kaffeebecher in die Hand und verschwand aus dem Zimmer.
Tief atmete Reese durch, dann betrat er erneut das Bad.
Zehn Minuten später ging Reese durch die Schiebetür der Hotellobby und trat auf Jace´ schwarzen SUV zu. Wie durch ein Wunder passten die Klamotten, nur die Schuhe waren ein wenig zu eng und drückten an seinen Zehen. Den Kaffeebecher hatte er noch im Hotelzimmer ausgetrunken und das Koffein hatte das Pochen in seinem Kopf etwas eingedämmt.
»Wo fahren wir hin?«, fragte Reese, sobald er auf dem Beifahrersitz saß.
»Die Villa von Dr. Scofield liegt im Ledgewood Dr, Hollywood, ungefähr vierzig Minuten von hier.«
Scheinbar hatte Jace nicht übertrieben, als er sagte, Theodor Scofield sei der beste Chirurg des Landes. Sofort flammten in Reese´ Kopf Vorurteile gegenüber der Tochter auf, die er nur schwer mäßigen konnte. Doch jeder wohlhabenden Frau, der er bisher begegnet war, erfüllte genau diese Klischees. Sollte es bei der Tochter also anders sein?
»Während wir fahren kannst du dir ja noch einmal die Akte ansehen«, sagte Jace und hielt ihm Besagtes hin.
Dieses Mal griff Reese gleich nach der Mappe und schlug sie auf. Gestern war er skeptisch gegenüber Jace´ Bitte gewesen, doch jetzt war er beinahe euphorisch. Das Gefühl setzte sich in seiner Brust fest und vertrieb den dunklen Fleck ein kleines Stück, der dort seit vierzehn Monaten ruhte. Blaires Foto übersprang er und überflog die Daten, die über sie existierten. Danach widmete er sich den Informationen von Theodor, die ausführlicher waren.
»Warum sucht er eigentlich einen Bodyguard für seine Tochter?«, fragte Reese und sah von den Papieren auf. »Wenn ich das richtig verstanden habe, hat er noch nie einen Leibwächter für sie angeheuert, sondern immer nur eine allgemeine Sicherheitsfirma beauftragt.«
»Das ist eine Frage, die ich mir ebenfalls gestellt habe. Genau deshalb ist es wichtig, dass du Theodor von dir überzeugst. Von dir hängt im Grunde meine Karriere ab. Ich habe mich bei meinem Boss weit aus dem Fenster gelehnt, um mir den Fall doch noch mal annehmen zu können.«
»Was soll das heißen?«
»Es ist unwichtig. Gib einfach dein Bestes, Reese. Mehr verlange ich gar nicht«, erwiderte Jace geheimnisvoll.
Mit gerunzelter Stirn betrachtete Reese seinen Freund, den er seit seiner Anfangszeit bei den SEALs kannte. Damals hatte Jace ihn trainiert und wurde vier Jahre später aus dem Dienst entlassen.
Schweigend fuhren sie die nächsten Minuten durch Los Angeles. Trotz des morgendlichen Verkehrs kamen sie gut voran. Als Jace den SUV in den Ledgewood Dr lenkte, schloss Reese die Akte und beobachtete staunend die Häuser, an denen sie vorbeifuhren. Teilweise waren die Gebäude durch hohe Mauern von seinen Blicken abgeschirmt und er konnte nur erahnen, wie es dahinter aussah.
»Ich werde den Wagen hier parken und du wirst die restlichen Meter zu Fuß zurücklegen. Es ist das Haus in der Kurve.« Jace zeigte auf ein Anwesen, welches von einer weißen Steinwand umgeben war. Die Einfahrt war mit einem elektrischen Zaun versperrt. »Bevor du das Grundstück betrittst, musst du dich mithilfe der Gegensprechanlage anmelden und dein Gesicht in die Kamera richten. Theodor hat das Beste vom Besten an Sicherheitsvorrichtungen.«
Reese schüttelte mit dem Kopf. Er konnte nicht verstehen, wie ein Mensch so paranoid sein konnte. »Dann versuche ich mal mein Glück.«
»Ich warte hier.«
Mit einem Nicken in Jace´ Richtung stieg er aus und schloss die Tür hinter sich. Ihm wehte ein angenehmer Wind ins Gesicht und strich ihm die Haare aus der Stirn. Im April waren die Temperaturen in Los Angeles noch bei etwa zwanzig Grad. Die große Hitze würde erst in ein paar Wochen kommen und für mehrere Monate bleiben.
Langsam näherte sich Reese dem Zielhaus und spürte dabei Jace´ Blick im Rücken. Immer wieder überprüfte er die Umgebung. Rechts von ihm lag in einiger Entfernung das berüchtigte Hollywood Sign, welches er schon seit seiner Teenagerzeit nicht mehr besucht hatte. Wenn man in dieser Stadt oder so wie er, in der Nähe von Los Angeles lebte, waren die Touristenattraktionen nichts Besonderes mehr. Wahrscheinlich kamen hier jeden Tag Unmengen an Urlaubern vorbei, um zu den riesigen Buchstaben zu wandern. Trotzdem war es eine ruhige Gegend.
Als Reese an der Mauer ankam, die seinen Blick auf die Villa versperrte, legte er den Kopf in den Nacken. Obwohl er bereits ziemlich groß war, konnte er das Ende nicht mit einer Hand berühren. Die Steinwand musste mindestens drei Meter hoch sein. Er konnte sich nicht vorstellen, wie es war, mit solchen Schutzmaßnahmen zu leben.
Waren diese Leute wirklich glücklich?
Mit diesem Gedanken in Kopf trat er auf das schmale Tor zu. Auf Brusthöhe befand sich neben ihm eine Klingel, die er betätigte. Gleichzeitig leuchtete darüber ein Bildschirm auf und er konnte sich selbst darin betrachten. Stirnrunzelnd nahm er es zur Kenntnis.
»Ja, bitte?«, erklang eine verzerrte Stimme aus einem Lautsprecher, der in der Mauer integriert und auf den ersten Blick nicht sichtbar war.
»Ich möchte zu Mr Scofield, um mich als Bodyguard vorzustellen.«
»Name?«
»Reese Hendrix«, antwortete er.
Es verging ein Augenblick, ehe das Tor ein surrendes Geräusch von sich gab und lautlos aufschwang. Zögernd trat Reese hindurch und wurde gleich von einem Mann im schwarzen Anzug empfangen. Seine Augen wurden von einer dunklen Sonnenbrille verborgen. Unter seiner Anzugjacke trug er gut sichtbar eine Pistole. »Ich muss Sie auf Waffen und gefährliche Gegenstände überprüfen, Sir«, sagte der Anzugträger. »Ansonsten können Sie dieses Haus nicht betreten.«
Herr Gott. Wo war er da nur hineingeraten?
Nickend stimmte Reese der Prozedur zu. Immerhin hatte er nichts zu verbergen. Er streckte die Arme aus und stellte sich breitbeinig hin. Er wusste ganz genau, welche Körperhaltung und Handgriffe angewendet werden mussten, um auch die unwahrscheinlichsten Verstecke bemerken zu können. Noch vor 14 Monaten war er derjenige gewesen, der andere abtastete. Aus seiner hinteren Hosentasche zog der Mann seine Geldbörse hervor. Sein Satellitentelefon hatte er nicht bei sich, das hatte er bei Jace im SUV gelassen.
»Haben Sie ein Problem damit, dass wir Ihre Daten überprüfen?«
Stirnrunzelnd sah Reese den Mann in die Sonnenbrille. »Wenn Sie sonst nichts Spannenderes zu tun haben. Hauptsache, ich kriege die Brieftasche samt Inhalt wieder. Die war teuer.« Und das war nicht einmal gelogen. Den Geldbeutel aus Leder hatte er letztes Jahr von seinen Eltern zu Weihnachten bekommen, da seine alte Geldbörse beinahe auseinanderfiel.
Der Mann vor ihm schien von seinem sarkastischen Ton wenig beeindruckt. »Folgen Sie mir, Mr Hendrix.«
Ohne eine weitere Erwiderung vonseiten Reese abzuwarten, drehte sich der Mann um und ging den breiten Weg entlang, der geradewegs zu einer Haustür führte. Rasch folgte Reese ihm und nahm sämtliche Eindrücke in sich auf. Die Hausfassade war im gleichen weiß wie die Mauer hinter ihm. Alle Fenster hatten schwarze Rahmen und Fensterbänke. Links von ihm war eine riesige Palme. Rechts standen einige Töpfe in verschiedenen Größen mit Grünpflanzen darin. Der Weg vor ihm war aus Natursteinplatten gelegt. Dazwischen gab es kein Fitzelchen Unkraut. Auch der Rest des Anwesens wirkte wie geleckt. Anscheinend hatte Theodor Scofield mehrere Angestellte.
Innerlich verdrehte Reese darüber die Augen. So reich wie der Mann war, war das ein dummer Gedanke. Natürlich hatte er Personal.
Hinter ihm schloss sich das Tor mit einem Klicken und Reese warf einen Blick über seine Schulter. Beunruhigung erfasste ihn. Er war vielleicht kein SEAL mehr, doch er hasste es immer noch, keinen Fluchtweg zu kennen. Ihm blieb keine Zeit, dem Gefühl mehr Raum zu geben, denn er trat durch die hellbraune Flügeltür ins Innere des Hauses. Sofort vernahm er den zarten Geruch von Jasmin, dem Lieblingsduft seiner Mutter. Ansonsten hätte er diesen ums Verrecken nicht erkannt. Ehe er das Zimmer näher inspizieren konnte, drehte sich der Mann vor ihm um.
»Bitte warten Sie dort. Mr Scofield wird Sie gleich empfangen.« Beim Sprechen deutete er auf eine kleine Sitzgruppe rechts von ihm. »Möchten Sie einen Kaffee? Oder etwas anderes?«
»Nein, danke«, erwiderte Reese und ging auf das schwarze Ledersofa zu. Dazu gab es einen passenden Sessel. Seine Schritte wurden von einem hellbraunen Teppich geschluckt, bevor er sich auf dem Sessel niederließ.
Wachsam sah sich Reese um. In der Mitte des Eingangsbereichs gab es eine breite Holztreppe, die ins Obergeschoss führte. Neben der Haustür war ein kleinerer Raum, in dem sich offensichtlich die Sicherheitsleute aufhielten, denn Reese konnte einige Bildschirme erkennen. Auf einem von ihnen entdeckte er sein eigenes Gesicht. Egal, nach was sie suchten, sie würden nichts finden. Außer ein paar Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens oder Falschparkens. Ansonsten besaß Reese eine weiße Weste. Sämtliche Einsätze seiner SEAL-Karriere unterlagen der Geheimhaltung und das war gut so. Es gab Dinge, die waren nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und sollten auch niemals ans Tageslicht gelangen. Unwillkürlich begann seine Schulter zu schmerzen und er rieb geistesgegenwärtig mit der Hand darüber.
Um sich abzulenken, sah sich Reese weiter um. Der helle Boden blitzte. In regelmäßigen Abständen lagen kleinere Teppiche, die die gleiche Farbe wie der zu seinen Füßen, hatten. Hinter der Treppe führten mehrere Türen ab, die allesamt geschlossen waren. Zu gern hätte Reese diese geöffnet, um zu wissen, was sich dahinter befand. Ansonsten hingen einige Gemälde an den Wänden. An einer Wand stand auf einer Säule eine hässliche Skulptur. Reese würde seine Ersparnisse verwetten, dass dieses Ding ein paar tausend Dollar gekostet hatte.
Plötzlich waren Schritte zu hören und er sah auf. Eine junge Frau kam die Stufen hinunter, blickte auf ihr Mobiltelefon in den Händen und tippte mit den Daumen darauf herum. Auf ihren Zügen lag ein kleines Lächeln. Das blonde Haar trug sie offen. Immer weiter kam sie die Treppe abwärts und sah nicht von dem Gerät in ihren Händen auf.
Unweigerlich dachte Reese, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die Stufen herunterfallen müsste. Als hätte die Schwerkraft nur auf den Gedanken seinerseits gewartet, geschah es. Die junge Frau rutschte mit dem Fuß ab und schwankte. Zunächst wirkte es, als würde sie tatsächlich die restlichen Stufen hinunterstürzen und Reese war bereits aufgesprungen, als sie ihr Gleichgewicht wiedererlangte. Zarte Röte bildete sich auf ihren Wangen und sie sah sich um.
Ihr Blick begegnete seinem.
Schlagartig formte sich eine Erinnerung in seinem Kopf und er wusste, woher er sie kannte. Auf seine Lippen stahl sich ein schiefes Grinsen und ihre geweiteten Augen verrieten, dass sie ihn ebenfalls wiedererkannte.
Zwei Monate zuvor
»Weißt du, wie der Valentinstag entstanden ist?«, fragte eine junge Frau mit blauen Strähnen in den blonden Haaren und sah Reese von der Seite an. In der Hand hielt sie ein Glas mit Scotch.
Obwohl er kein Interesse an dieser Unterhaltung hatte, antwortete er ihr. »Du meinst eine andere Story als die, dass allen Männern der Welt ein schlechtes Gewissen eingeredet wird und sie sich an einem Tag im Jahr besonders ins Zeug legen sollten?« Kaum hatte er zu Ende gesprochen, kippte er seinen Drink in einem Zug herunter. »Noch einen!«, orderte er in Alainas Richtung, die hinter dem Tresen stand und ihrem Gespräch mit einem Schmunzeln folgte.
Der Frau entwich ein Schnauben. »Männer sind Arschlöcher, wenn sie ihre Frau nur an einem Tag im Jahr lieben und ehren.«
»Da stimme ich dir zu«, sagte Reese und kippte auch den nächsten Drink hinunter.
»Hat dich deine Freundin verlassen oder wieso sitzt du am heutigen Abend allein in der Bar und betrinkst dich?«, wollte sie wissen und sah ihn von der Seite an.
»Ich zähle zu den Arschlöchern, die sich nichts aus dem Valentinstag machen«, erwiderte Reese und sah die junge Frau endlich genauer an, die einen Barhocker weiter saß. Ihr intensiver Blick ließ ihm die Luft wegbleiben. Unwillkürlich bekam er eine Gänsehaut. Das Dunkelblau ihrer Augen funkelte amüsiert und sie besaß die vollsten Lippen, die er jemals zu Gesicht bekommen hatte. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, führte sie das Glas mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit an ihren Mund und trank es aus.
»Ich steh auf Arschlöcher, vor allem, wenn sie mir noch einen Drink spendieren«, äußerte sie und warf ihm ein freches Grinsen zu.
Mit dieser Aussage hatte sie sein Interesse vollends geweckt.
Fuck! Diese Frau spielte mit ihm. Langsam ließ er seinen Blick an ihrem Körper hinunter und hinauf wandern, was er sah, gefiel ihm. Das lange blonde Haar reichte ihr bis über die Brüste. Der Stoff ihres Kleides war bis zur Hälfte ihrer Oberschenkel hinaufgerutscht und ihre Füße steckten in Stiefeln, die bis zu ihren Knien reichten.
»Noch einen Drink für die Lady«, bat er an Alaina gewandt und richtete seine Aufmerksamkeit wieder zu der jungen Frau.
»Was hast du heute gemacht?«
Bevor er ihr antwortete, rutschte er auf den Barhocker neben sie. »Ich habe eine Leiche im Wald verscharrt«, flüsterte er ihr ins Ohr. Für einen Moment riss sie die Augen auf, dann stahl sich ein keckes Lächeln auf ihre Lippen.
»Genau das Gleiche habe ich auch getan«, offenbarte sie. Nebenbei bekam er mit, wie der neue Drink vor sie auf den Tresen gestellt wurde und wie sich Alaina einem anderen Gast zuwendete. »Ich heiße Ann. Danke für den Drink.«
»Gern geschehen. Ich bin Reese«, erwiderte er und stellte fest, dass auch vor seiner Nase ein neues Glas stand, obwohl er diesen nicht bestellt hatte.
»Scheinbar weiß die Barkeeperin, was ihre Gäste wollen.« Anns Tonfall war eindeutig verrucht. Und so, wie sie ihn betrachtete, war er sich sicher, dass sie nur eine Sache im Sinn hatte.
»Und weißt du auch, was du willst?«, fragte er und musterte sie aufmerksam.
Ann entwich ein Schnauben. »Welche Frau weiß das schon? Aber im Moment bin ich mir sehr sicher.« Während sie das sagte, sah sie ihn mit einem Feuer in den Augen an, welches ihm die Sprache verschlug. Normalerweise war er immer derjenige, der aufs Ganze ging und die Damen weichkochte. Dieses Mal war der Spieß umgedreht und irgendwie gefiel es ihm. Für einen Moment vergaß er, warum er diese Bar überhaupt betreten hatte. »Ich werde zur Toilette gehen«, sagte Ann, hob das Glas an ihre Lippen und trank den Scotch aus. »Kommst du mit?«, fragte sie leise, als sie sich von dem Barhocker erhob und neben ihm zum Stehen kam.
»Finde es heraus.«
Während er ihr nachsah, wie sie zu dem Gang ging, in dem sich die Toiletten befanden, nippte er an seinem Glas. Die Stiefel ließen ihre Beine endlos lang erscheinen und der Gedanke daran, wie es sein würde, wenn sie sich nackt um seine Hüfte schlangen, tanzte vor seinem inneren Auge. Zügig kippte er den Scotch herunter, warf ein paar Scheine auf den Tresen, ohne hinzusehen, ob es nicht viel zu viel war, und trat ebenfalls den Weg zu den Toiletten an. Ihm war schleierhaft, wieso er es nicht tun sollte.
Er liebte Frauen.
Er liebte Sex.
Das war kein Geheimnis. Und scheinbar machte es Ann nichts aus, eine weitere Kerbe in seinem imaginären Bettpfosten zu sein. Ganz im Gegenteil, sie setzte es darauf an und es würde ihn nicht wundern, wenn sie ihn genau auf die gleiche Art betrachtete. Es war etwas anderes, als die Male zuvor. Wenn er eine Frau aufriss, dauerte es Stunden und jede Menge Geplauder, bis sie bei ihr zu Hause waren, ehe es zum Vergnügen kam. Danach gaben sie ihm ihre Handynummer, die er zwar entgegennahm, aber nie anrief und im nächsten öffentlichen Mülleimer entsorgte. Eine seiner Regeln war, niemals ein zweites Mal mit einer Frau zu schlafen.
Reese war kein Arschloch, er stellte zu Beginn ganz klare Grenzen auf und sagte den Frauen, woran sie waren. Ließen sie sich darauf ein, war es nicht sein Problem, wenn sie im Nachhinein enttäuscht waren. Nicht dass sich die Frauen jemals bei ihm über ihre Orgasmen beschwerten.
Noch während Reese den schummrigen Gang entlangging, wurde er gepackt und in den nächstbesten Raum gezogen. Seine Augen bekamen nicht einmal die Gelegenheit, sich an die plötzliche Helligkeit zu gewöhnen, denn sofort wurden seine Lippen von einem weichen und heißen Mund in Beschlag genommen. Mit der gleichen Heftigkeit erwiderte er den Kuss und drang mit der Zunge in ihren Mund ein, wo sie sofort in Empfang genommen wurde. Der Kuss wurde eindeutig von bebendem Verlangen dominiert, doch dagegen hatte Reese nichts. Ihm war es lieber, wenn es gleich zur Sache ging. Langes Vorspiel war ihm noch nie wichtig gewesen. Das Blut tobte durch seinen Körper und sammelte sich in seinen Lenden, um von dort in seinen Schaft zu wandern. Allein Anns Mund machte ihn so dermaßen an, dass es ihm in den Ohren rauschte.
Zwei Hände begannen, seinen Gürtel zu öffnen, und er löste sich von ihr. Stumm sah er in ihre dunkelblauen Augen, die vor Lust verhangen waren. Dann sah er sich für eine Sekunde um, stellte fest, dass sie sich in der Damentoilette befanden, und schob sie in eine der beiden Kabinen. Hinter sich verriegelte er die Tür und drängte sich wieder an Anns weichen Körper, nahm ihren Mund vollkommen ein. Ihre Zunge stachelte ihn weiter an und sein harter Schaft presste sich gegen die Knopfreihe seiner Jeanshose. Mühelos hob er sie hoch und presste sie gegen die Wand. Ann entwich ein Stöhnen, als sie seinen Ständer an ihrem Schoß spürte. Sie stieß sich von der Wand ab, brachte ihn ins straucheln und er landete mit ihr auf dem Toilettendeckel. Mit dem Rücken knallte er gegen den Wasserkasten, doch das war ihm herzlich egal.
Seine Hände wanderten unter ihr Kleid und er schob den Stoff nach oben, sodass ihr Höschen offenbart wurde. Ohne zögern ließ er seine Finger weiter wandern und stieß auf durchnässten Stoff.
Fuck! Rasch drang er darunter und seine Finger wurde von Nässe umschlossen.
Fuck! Sie war so nass, dass er beinahe allein durch diese Feststellung gekommen wäre.
Über ihm stöhnte Ann unterdrückt und er verspürte den Wunsch, sie laut schreien zu hören. Obgleich er kein Freund von Vorspielen war, ließ er seinen Finger erneut durch ihre Spalte wandern, bis er an ihrer Klitoris ankam und diese massierte. Ruckartig löste sich Ann von ihm und stöhnte. Gleichzeitig öffnete sie ihre Beine, die auf seinen knieten, etwas mehr. Die Hitze ihrerseits nahm ihn gefangen und er wollte mehr davon spüren. Angespannt drang er mit einem Finger in sie ein und massierte mit dem Daumen weiter ihren empfindlichen Punkt. Schnell nahm er noch einen zweiten Finger dazu. Als Ann ihre Hüften ruckartig auf seine Hand stieß, riss er vor Überraschung die Augen auf. Mit ihren Händen hielt sie sich an seinen Schultern fest und begann seine Hand zu reiten.
Fuck! Etwas Heißeres hatte er bisher noch nicht zu Gesicht bekommen. Vollkommen gelöst nahm sie sich in dem Augenblick, was sie wollte. Rasch drang er mit einem dritten Finger in sie ein und das Stöhnen ihrerseits wurde lauter. Sein Schaft presste sich schmerzhaft gegen seine Jeans und wollte unbedingt befreit werden, doch um nichts in der Welt wollte er diesen Anblick verpassen. Ihre Bewegungen wurden heftiger und Reese zog ihr das Kleid herunter, offenbarte einen weißen Spitzenbh und befreite ihre Brust daraus. Er begann ihre Brustwarze zu reizen, knabberte daran und biss zu. Anns innere Muskeln zogen sich um seine Finger zusammen und er wusste, sie war kurz davor zu kommen.
»Los komm Hübsche«, raunte er. »Komm für mich. Fuck! Du siehst hammermäßig aus. Weißt du, wie sehr es mich anmacht, dir zuzusehen, wie du meine Hand reitest?« Wieder zogen sich ihre Muskeln zusammen. »Ja genau so! Lass es raus. Komm Hübsche! Mach weiter, fick mich!« Ihr Stöhnen wurde lauter, ihre Bewegungen noch schneller. Die Nässe lief an seiner Hand herunter. »Komm! Jetzt!«, raunte er ihr ins Ohr und biss ihr in den Hals.
Reese konnte den Zeitpunkt exakt bestimmen, wann der Orgasmus sie übermannte. Ihr Atem kam stoßweise aus ihrem Mund und er konnte ihren hämmernden Herzschlag in seinem Körper wahrnehmen.
Plötzlich erstarrte Anns Gestalt auf eine andere Art und Weise. Steif stieg sie von seinen Beinen herunter, riss einige Blätter Toilettenpapier aus dem Spender und reichte sie ihm. Obwohl seine Hand von ihrer Feuchtigkeit benetzt und noch immer heiß war, vermisste er den Kontakt zu ihrem Körper. Irgendetwas war in der letzten Minute geschehen, doch Reese konnte nicht sagen, was es war.
»Danke«, murmelte sie, sah überall hin, nur nicht zu ihm.
»Gern ...« Ann wirbelte herum, öffnete die Verriegelung und stürzte aus der Kabine. »... geschehen«, beendete er seinen Satz und sah auf seinen Ständer, der noch immer in seiner Hose steckte.
Was zum Teufel war hier gerade passiert?
Man hatte ihn auf dem Trockenen sitzen lassen und das ironische daran war, dass es ihm zum allerersten Mal geschah.
Heftig blinzelnd kam Reese zurück in die Realität und sah sich noch immer der überraschten Ann gegenüber. Obwohl die Begegnung bereits über zwei Monate her war, hatte er sie nicht vergessen. Ob es daran lag, dass sie die erste Frau war, die ihm einen Orgasmus verwehrt hatte oder aber an der Intensität während ihres Techtelmechtels, konnte er nicht sagen.
Reese räusperte sich. »Es freut mich, dich wiederzusehen, Hübsche.«
Mit offenen Mund starrte sie ihn weiter an. Das verräterische Pochen an ihrem Hals verriet, wie sehr sie diese Begegnung aus der Bahn warf. Im gleichen Moment wurde hinter der Treppe eine Tür geöffnet und ein großer molliger Mann kam zum Vorschein. Sein Alter musste in den fünfzigern liegen. Sofort wusste Reese, dass es sich um Theodor Scofield handelte.
»Was ist denn hier los?«, fragte er und kam neben seiner Tochter zum Stehen. Argwöhnisch sah er zwischen ihr und Reese hin und her.
Blaire schluckte und warf ihrem Vater einen flüchtigen Blick zu. »Nichts, Daddy.«
Trotz der Beteuerung warf Theodor Reese einen skeptischen Blick zu. »Kommen Sie mit, Mr Hendrix.«
Wenn es möglich war, wurden Blaires Augen noch größer. Stumm sah sie zu, wie ihr Vater sich herumdrehte und Reese sich ebenfalls in Bewegung setzte.
Reese ging nahe an der Treppe vorbei und warf Blaire einen verschmitzten Blick zu. Flüsternd sagte er: »Du schuldest mir noch einen Orgasmus.«
Vor Empörung wurden Blaires Wangen dunkelrot und in ihren Augen funkelte Ärger. Doch bevor sie ihm antworten konnte, war er bereits an ihr vorbeigegangen und er konnte nicht verhindern, wie sich ein breites Grinsen auf seine Lippen stahl.
Dieses Grinsen wurde ihm aus dem Gesicht gewischt, als er Theodor in den Raum folgte, der offensichtlich sein Büro war und dieser sich abrupt zu ihm herumdrehte. »Mr Hendrix. Was auch immer da zwischen Ihnen und meiner Tochter vorgefallen ist, vergessen Sie es. Sollten Sie diesen Job bekommen, dulde ich es nicht. Sie werden rein professionell mit ihr umgehen und sich im Notfall zwischen sie und die Kugel werfen. Oder was auch immer Blaire droht, verstanden?«
Obgleich Theodor kleiner war als er, schaffte er es dennoch, Reese ein mulmiges Gefühl zu verpassen. »Verstanden.«
»Gut, dann setzen Sie sich.« Mit beherrschten Schritten trat er um den Schreibtisch herum und ließ sich dort in seinem Chefsessel nieder.
Schnell folgte Reese seinem Beispiel und setzte sich auf den ledernen Sessel vor dem Schreibtisch. Dabei gab das Leder keinen Millimeter unter seinem Gewicht nach. Theodor betrachtete ihn durch dunkelblaue Augen und schlug dann eine dünne Mappe auf. Überrascht nahm Reese die erste Seite zur Kenntnis, die sämtliche Daten über ihn preisgab.
Offenbar bemerkte Theodor seine Gefühlsregung. »Sollten Sie irgendetwas vor mir zu verbergen versucht haben, so sind Sie gescheitert. Meine Männer sind die Besten der Besten. Sie finden alles heraus. Wenn es nötig wäre, würden sie sogar herausfinden, ob Sie sich nach dem Pissen die Hände waschen.«
Reese verstand, was dieser Mann bezweckte und hob die Augenbrauen. »Stellen Sie sich vor, ich schüttel ihn sogar vorher ab, bevor ich ihn zurück in die Hose stecke.« Schon während er diesen Kommentar von sich gab, wusste er, dass er übers Ziel hinausgeschossen war.
Finster blickte ihm Theodor entgegen. »Ich muss sagen, ich bin beeindruckt davon, dass Sie ein ehemaliger Navy SEAL sind. Genau so jemanden habe ich als Personenschützer für meine Tochter gesucht.«
Instinktiv wusste Reese, es würde ein Aber kommen.
»Aber Ihr Mangel an Reverenz lässt mich zu dem Schluss kommen, dass Sie Ihrer Aufgabe vielleicht nicht so nachkommen, wie es sein muss. Außerdem haben Sie keinerlei Erfahrung als Bodyguard.«
»Bei allem Respekt Mr Scofield. In meiner Zeit als SEAL habe ich unzählige Male Personen beschützt. Das können Sie mir also nicht ankreiden. Nehme ich mich einer Aufgabe an, gebe ich immer hundertfünfzig Prozent und wenn es nötig wird, stelle ich mich zwischen die Gefahr und meiner Schutzperson. Egal, wer es ist.«
Theodor legte den Kopf schräg und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Wieso wollen Sie ausgerechnet meine Tochter beschützen? Wie ich der Akte entnehme, arbeiten sie seit ihrer Dienstentlassung auf einer Ranch etliche Meilen von hier.«
Reese schluckte. Auf diese Frage hatte er keine passende Antwort. Schließlich konnte er schlecht sagen, dass er bloß einem Freund einen Gefallen tat. »Weil ich denke, dass es wichtig ist.«
»In der Tat Mr Hendrix. Meine Tochter bedeutet mir alles. Sie ist mein wichtigstes Juwel. Verzeihen Sie mir also, dass Sie mich nicht genügend überzeugt haben, Ihnen diesen wichtigen Job anzuvertrauen. Am Ausgang bekommen Sie Ihre Geldbörse ausgehändigt.«
Tief atmete Reese ein und aus. »Okay.«
Wie von Theodor gesagt, bekam er an der Haustür seine Brieftasche zurück. Von Blaire fehlte jede Spur. Während er das Haus verließ und den Weg zum Tor zurücklegte, wusste er, er wurde beobachtet. Kurz bevor er das Tor erreichte, ging es mit dem surrenden Geräusch auf und schloss sich hinter ihm wieder.
Er hatte es nicht geschafft.
Jace würde nicht erfreut sein.
Kaum hatte er die Autotür geöffnet, sah Jace ihn erwartungsvoll an. Mehr als ein Kopfschütteln brachte Reese jedoch nicht heraus. Auch wenn er den Job nicht hatte haben wollen, fühlte er sich mies. Immerhin hatte Jace sämtliche Hoffnungen in ihn gesetzt.
»Was jetzt?«, fragte Reese und warf seinem Freund einen schnellen Blick zu.
»Plan B.«
Blaire Scofield starrte in den Kühlschrank und versuchte die unerwartete Begegnung mit Reese zu verdrängen. Niemals hätte sie damit gerechnet, ihn wieder zu treffen. In dieser Stadt lebten über vier Millionen Menschen. Wie hoch war da die Wahrscheinlichkeit, diesen einen Mann wiederzusehen? Und wie wahrscheinlich war es, dass sich dieser Mann auch noch für die freie Stelle des Personenschutzes vorstellte?
Stumm vor sich hin fluchend, nahm sich Blaire einen Joghurt aus dem oberen Fach. Achtlos gab sie der Kühlschranktür einen Schubs und zuckte überrascht zusammen, als sie ihren Vater neben sich entdeckte.
»Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte er. »Aber ich muss mit dir reden, bevor du zur Arbeit gehst.«
Er hatte recht. In dreißig Minuten musste sie los. »Ich auch mit dir.«
Neugierig betrachtete er sie durch seine dunkelblauen Augen, die sie von ihm geerbt hatte. »Worüber?«
»Ich brauche keinen Gorilla, Daddy. Wirklich nicht. All die Sicherheitsmaßnahmen reichen aus.«
Sofort wiegelte er ab. »Papperlapapp. Ich habe jemanden gefunden. Er wird morgen früh seinen Dienst beginnen.«
»Daddy!«, versuchte es Blaire erneut, stieß aber auf taube Ohren.
»Die Sache ist entschieden. Ich weiß, was das Beste für dich ist. Und wenn ich sage, du brauchst jemanden, der auf dich achtgibt, dann ist das so.«
Blaire wollte ihm erneut widersprechen. Sie würde die Sache nicht einfach so auf sich sitzen lassen. Doch einer der Securitymänner ihres Vaters betrat die Küche. »Mr Scofield? Da ist etwas, was Sie sehen sollten.«
Dieser seufzte und wendete sich von Blaire ab, um seinem Schutzmann zu folgen.
Verärgert sah Blaire ihm nach. Wobei sie nicht wusste, woher ihr Ärger konkret stammte. War es die Tatsache, dass ihr Vater über sie bestimmte, oder lag es daran, dass sie Reese wieder begegnet war?
Vor zwei Monaten war sie mit Absicht in die kleine Bar im Huntington Park gefahren. Nicht um dort hemmungslos mit einem Mann auf der Toilette rumzumachen, aber um dem ganzen Trubel zu entkommen. Ihr Freund Noah hatte ihr ein grandioses Date am Valentinstag versprochen und dieses Versprechen platzen lassen. Außerdem saß Blaire ihr Vater im Nacken, der wollte, dass sie auf jeden Fall nach dem Shooting nach Hause kam. Direkt nach dem Anruf ihres Vaters hatte sie genau das Gegenteil getan und sich ein Taxi in die entgegengesetzte Richtung genommen.
Von dem Shooting hatte sie noch blaue Strähnen in den Haaren und ein ziemlich enges Kleid an. Doch das war ihr egal. Alles, was sie wollte, war für einen Moment das zu tun, wonach ihr war. Als sie Reese an der Bar sitzen sah und mit ihm ins Gespräch kam, flammte etwas anderes in ihren Adern auf. Vergessen waren Noah und ihr Vater. Sie konnte es selbst nicht erklären.
Oder doch, sie konnte es.
Es war schlichtweg einfach: Blaire wollte Reese. Einmal wollte sie ungezügelt sein. Etwas Lasterhaftes tun. Nachdem Reese ihr sein schiefes Grinsen offenbarte, konnte sie an nichts anderes mehr denken.
Unwillkürlich bedeckte Blaires Körper eine Gänsehaut. Plötzlich hatte sie Reese Stimme im Ohr, wie er sie auf der Toilette anstachelte, sich das zu nehmen, was sie wollte. In diesem Augenblick hatte es gewirkt, doch sobald sie den Höhepunkt erreicht hatte und ihr wieder alles bewusst wurde, hatte sie sich dafür geschämt.
Das war nicht sie gewesen.
Das war aus dem Effekt heraus geschehen.
Und trotzdem konnte sie nicht aufhören, daran zu denken. Noch nie hatte sie diese Intensität gespürt. Noch nie hatte sie ein Kuss so dermaßen aus der Haut fahren lassen.
Plötzlich platzte der Joghurtbecher in ihrer Hand und dessen Inhalt spritzte überall hin.
»Verdammter Mist!«, fauchte sie und sah auf ihren dunkelroten Jumpsuit herunter, der mit weißen Flecken übersät war.
»Was machen Sie denn da, Ms Scofield?«, fragte die Haushälterin Gisele, die in dem Augenblick in die Küche trat. »Lassen Sie nur, ich mache das schon.« Noch während sie sprach, nahm sie Blaire den zerstörten Becher aus der Hand und winkte sie dann davon.
»Vielen Dank.«
Auf dem Weg ins Obergeschoss schwor sie sich, keinen Gedanken mehr an Reese zuzulassen. In ihrem Zimmer hastete sie in den begehbaren Kleiderschrank und riss sich das dreckige Kleidungsstück vom Körper. Der kleine Zwischenfall würde dafür sorgen, dass sie zu spät zu ihrem Termin mit Noah kam. Zwar fand heute kein Shooting statt, aber es würden die letzten Absprachen und Anproben stattfinden. Übermorgen würde Blaire den Auftrag ihres Lebens bekommen. Wenn alles so klappte, wie sie sich das erhoffte, würde es endlich zum Durchbruch ihrer Karriere kommen. Die Fotos waren für eine renommierte Zeitschrift, die selbst in Europa gedruckt und verkauft wurde.
Bei dem Gedanken klopfte ihr Herz schneller.