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Eine Reihe von Selbstmorden bereitet Kriminalkommissarin Lena Baumann Kopfzerbrechen. Eigentlich scheinen die Fälle eindeutig zu sein, doch die mysteriösen Briefe ohne Absender, die bei den Toten gefunden wurden, geben Lena Rätsel auf. War es wirklich Selbstmord? Je tiefer Lena in die Ermittlungen eintaucht, desto mehr überkommt sie das Gefühl, dass sich jemand in die Köpfe der Opfer eingeschlichen hat.
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Seitenzahl: 431
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Maren Graf
Todschreiber
Kriminalroman
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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
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Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2016
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Leonid Andronov /
Shutterstock.com und © hikolaj2 – Fotolia.com
ISBN 978-3-8392-4902-4
Wer durch die Straßen Kiels geht, wird einige Schauplätze dieses Romans wiedererkennen. Vielleicht begegnet ihm sogar ein »Professor Carstens« oder eine »Lena«. Dennoch: Dieser Krimi ist das Ergebnis meiner Fantasie und jede Ähnlichkeit mit realen lebenden oder toten Personen oder ihren Handlungen ist zufällig und nicht gewollt.
Man stelle sich vor, wie eine warme, etwas tiefe und sehr beruhigende Stimme sanft zu einem spricht und sich der ganze Körper bei jedem Wort mehr und mehr entspannt und sich eine wohlige Wärme überall ausbreitet und durch und durch fließt. Und man stelle sich auch vor, wie ein gewisser Zauber von den Schwüngen ausgeht, die über das Blatt fließen wie sanfte Wellen warmer Luft, die man tief einatmet.
Jakob Richter stand vor der großen Anrichte im Flur und starrte auf den weißen Umschlag in seiner Hand. Er war heute früher nach Hause gekommen, hatte die Post geholt, seinen Mantel aufgehängt und die einzelnen Sendungen durchgesehen. Werbung, Rechnungen und seine neue Kreditkarte. Und dieser Umschlag, auf dem mit blauer Tinte handgeschrieben sein Name stand. Sonst nichts. Er wendete das Kuvert hin und her und dachte darüber nach, wer der Absender war. Dass er es nie erfahren würde, dachte er nicht.
Noch während er hinüber ins Wohnzimmer ging, öffnete er den Brief und zog das einzelne Blatt heraus, das im Inneren auf ihn wartete. Was darauf stand, ließ ihn plötzlich innehalten. Als würde sich eine schwere Hand von hinten auf seine Schulter legen und von dieser Stelle aus einen Schauer über den Rücken treiben.
Liebster Jakob,
es ist lange her, dass du einen handgeschriebenen Brief gelesen hast, nicht wahr? Dabei ist es doch ganz wunderbar. Es geht ein gewisser Zauber davon aus, dem man sich ganz hingeben kann. Es tut so gut, jeden Gedanken fallen zu lassen und alle Muskeln zu lösen, zu spüren, wie sich eine wohlige Wärme der Entspannung ausbreitet und durch den ganzen Körper fließt.
Er bemerkte gar nicht, wie er sich langsam auf das Sofa fallen ließ und tief in die Kissen einsank. Um ihn herum schienen die Sekunden zu erstarren. Alles wurde leise und entfernte sich, als würde er in seinen eigenen Körper hineingesogen werden. Nur die Worte, die scheinbar ein anderer für ihn las, drangen zu ihm. Glasklar und durchdringend hallten sie in seinem Kopf wider wie in einem riesigen Saal, und ohne dass er es wahrnahm, ging sein Puls unter der Haut langsamer, obgleich eine große Anspannung von ihm Besitz ergriff.
Dich umgibt ein schwerer, undurchdringbarer Nebel aus Kummer und Haltlosigkeit. Er lastet auf dir wie ein drückender Mantel, der dich immer wieder zu Boden zieht. Du spürst, wie er dich beinahe erdrückt. Befreien müsste man sich. Sich losreißen von all dem, was einen fesselt. Stell dir vor, man könnte seinen eigenen Weg gehen und wäre frei zu entscheiden, wohin dieser führt.
Es waren nur Minuten, in denen sich die tiefblaue Tinte in mächtigen Schwüngen in sein Bewusstsein fraß. Aber als Jakob Richter schließlich das weiße Blatt Papier sinken ließ, war sein Blick leer. Jegliche Spannung war aus seinem Körper gewichen, sein Gesicht wirkte blass und ausdruckslos. Einen unendlichen Moment lang saß er noch da. Dann, wie auf einen stillen Befehl hin, erhob er sich.
Es wird ein herrliches Gefühl sein, endlich alles loszulassen.
Alle Vorbereitungen traf er ruhig, fast wie selbstverständlich. Der Stuhl, die Gardinenstange, die Schlinge. Selbst als die kalte Schnur um seinen Hals lag, war seine Miene unbewegt.
Seine Augen starrten dumpf in eine Entfernung jenseits des Wohnzimmers, während die Schlinge seine Kehle langsam zuschnürte.
Ich wünsche dir alles Gute, Jakob.
Marie Sander stand in der Küche und bereitete das Mittagessen zu. Sie war gerade dabei, die Tomaten zu waschen und sie dann in kleine Würfel zu schneiden. Durch das Fenster über der Arbeitsplatte, auf der sie hantierte, fiel helles Sonnenlicht. Draußen war es ungewöhnlich mild und der Oktober präsentierte sich von seiner goldensten Seite. Alle Sträucher und Bäume hatten sich in ein buntes Blätterkleid gehüllt und umspielten ihren sorgfältig angelegten Garten rund um den großen Gartenteich in den herrlichsten Farben.
Marie wischte sich mit dem Handrücken eine Haarsträhne aus der Stirn und nahm die letzte Tomate zum Schneiden auf das Brett. Es war eine mühselige Arbeit und sie hatte sie auch nur etwas widerwillig begonnen. Aber David hatte sich für heute eben frische Tomatensuppe gewünscht und sie fand es ja gut, dass er so gerne gesunde Sachen aß. Andere Kinder in seinem Alter rührten weder Gemüse noch Obst an.
Sie warf einen kurzen Blick durch die offene Tür ins Wohnzimmer. Vor ein paar Minuten saß er noch auf dem Teppich und spielte mit seiner Parkgarage. Aber wahrscheinlich war ihm das zu langweilig geworden und er holte sich gerade ein neues Spielzeug. Das Essen würde auch noch eine Weile dauern. Zum Glück konnte sich David sehr gut allein beschäftigen. Viele Kinder ihrer Freundinnen wussten gar nicht, wie man überhaupt alleine spielte. Die brauchten immer Mama oder Papa, die ihnen ein Programm boten, und hingen ihnen ständig am Rockzipfel. Marie schüttelte unbewusst den Kopf. Ihr wäre das zu anstrengend. Mit David war es doch sehr unkompliziert. Er war zwar erst drei, aber im Grunde schon sehr selbstständig.
Mit dem Rücken des Messers schob Marie die Tomatenwürfel vom Brett in den Topf. Augenblicklich erfüllte das brutzelnde Geräusch die Küche und der Geruch von frischen Tomaten breitete sich aus. Sie setzte den gläsernen Deckel auf, legte Brett und Messer in die Spüle und wusch sich die Hände. Während das kühle Wasser über ihre Haut lief, sah sie gedankenverloren aus dem Fenster und fuhr mit einem Mal vor Schreck zusammen.
»David!« Es war mehr ein ersticktes Keuchen als ein Rufen, das aus ihrer Kehle kam, als sie ihren Sohn am Gartenteich sah. Er hatte sich weit über den Rand gebeugt und planschte mit den Fingern im Wasser. Er kniete bereits in einer großen Pfütze. Marie riss sich aus ihrer Starre und hastete aus der Küche ins Wohnzimmer. Die Terrassentür stand offen, ein paar Spielautos standen davor. Ohne darüber zu stolpern, stürmte sie durch den Spalt der Glastür nach draußen. »David!«, rief ihre Stimme nun fester und bestimmt. Ihr Schreck hatte sich in Ärger gewandelt. Komm sofort vom Teich weg!, wollte sie noch rufen, aber noch bevor sie ihren Mund ein weiteres Mal öffnete, fuhr ihr Sohn selbst erschrocken herum. Er wusste, dass er nicht allein am Wasser spielen durfte. Es ist zu gefährlich, wurde ihm immer gesagt. Etwas zu hastig stand er auf und machte einen Satz vom Rand des Teiches weg. Doch sein Schritt ging ins Leere, der Schreck hatte ihm die Orientierung genommen. Ohne zu wissen, wie ihm geschah, stürzte er ins Wasser.
Marie Sander stieß erneut einen Schrei aus, doch dieses Mal war er noch furchtbarer und entsetzter als zuvor. Ihre Beine liefen wie von selbst los. Aber sie erreichten nicht einmal das Ende der Terrasse. Ihre Füße stießen auf etwas Schweres, das am Boden lag und ihr den Weg versperrte. Ob es der Gartenschlauch oder der Sack Blumenerde war, konnte sie nicht mehr sehen. Haltlos fiel sie vornüber und ihr Kopf prallte auf die sauber gelegte Beetkante. Vor ihren Augen verschwamm der Rasen und der große Gartenteich war nur noch ein dunkelgrünes Funkeln. Warum die Eile?, fragte sie sich noch bitter und ein letztes Flüstern rann über ihre Lippen: »David.« Dann wurde es schwarz um sie herum.
Auf den Straßen lagen noch die Reste vom letzten Schnee. Nicht mehr weiß und unberührt wie am ersten Tag, sondern schmutzig grau, von Füßen zertreten und von Autoreifen durchzogen. Die Weihnachtszeit war endgültig vorbei und hatte die letzte Gemütlichkeit mit sich genommen. Zurückgeblieben war der nackte Januar in seiner ganzen Trostlosigkeit. Wie der verkaterte, matte Tag nach einer durchfeierten Nacht. Orientierungslos und blass.
Lena schaute durch die Beifahrerscheibe nach draußen und fröstelte. Die Heizung lief auf Hochtouren, aber es wurde einfach nicht warm im Auto. Mit eiskalten Händen kramte sie in ihrer Manteltasche nach dem kleinen Tablettenblister, den sie am Morgen eingesteckt hatte. Dieses Sodbrennen würde sie noch umbringen. Sie hatte das Gefühl, ihr komplettes Innenleben würde in Flammen stehen. Heute war es wieder besonders schlimm. Sie zog die silberne Packung aus der Tasche, drückte eine der Tabletten heraus und steckte sie in den Mund. Von der Fahrerseite aus spürte sie Marks Blick auf sich ruhen. Gleich würde er nachfragen, was los sei, und dann würde er ihr zum zehnten Mal sagen, sie solle deswegen zum Arzt gehen. Wegen Sodbrennen. Er mochte ja wegen jeder Erkältung zum Doktor rennen, aber deshalb musste sie das noch lange nicht tun. Es gab einfach Dinge, die man auch ganz gut selber in den Griff bekam. Oder solche, die man schlichtweg ertragen musste.
»Was hast du?« Da war sie schon, die Frage.
»Nichts. Nur ein bisschen Sodbrennen.« Lena versuchte, so nebensächlich wie möglich zu klingen, um seinen Ratschlägen vielleicht diesmal zu entkommen. Er arbeitete nun schon seit über fünf Jahren bei der Mordkommission mit ihr zusammen. So langsam müsste er wissen, dass er damit bei ihr auf Granit biss. Aber sie kannte ihren Partner schließlich auch seit dieser halben Ewigkeit und wusste, dass das nicht der Fall war.
»Du solltest dir wirklich mal überlegen, ob du dich nicht doch mal durchchecken lässt. Das geht doch schon länger so, oder nicht?«
»Es ist nur Sodbrennen.«
»Ja, aber auch nur Sodbrennen hat eine Ursache.«
Ich weiß, dachte sie und schaute aus dem Fenster. Sie durchquerten gerade das enge Straßengeflecht des Kieler Stadtteils Düsternbrook. Das Wummern der Reifen, die über das unebene Kopfsteinpflaster holperten, dröhnte ihr in den Ohren. Zum Glück tauchte in diesem Moment das Schild zum Niemannsweg auf. Mark setzte den Blinker und bog ab. Es war das typische Straßenbild, das sich durch dieses Viertel an der Förde der Stadt zog. Kopfsteinpflaster und großzügige, gepflegte Häuser. Einige davon konnte man getrost als Villen bezeichnen und ihre Bewohner als die gehobenere Schicht der Kieler, die sich neben ihren noblen Autos noch eine Haushaltshilfe gönnten. Von hier aus waren es nur wenige Meter zum Wasser und obwohl die Umgebung ruhig und im Sommer grün war, befand sie sich doch sehr nahe zur Innenstadt. Lena war nicht oft in dieser Gegend. Höchstens einmal auf einem ihrer Spaziergänge zur Kiellinie, bei denen sie meist auch einen kurzen Abstecher durch den wunderschönen Botanischen Garten machte, der gleich in der Nähe war.
»Welche Hausnummer?«, fragte Mark und blickte zu ihr herüber. Irgendwie sah er müde aus, stellte Lena fest. Und lustlos. Wenn sie seinen Gesichtsausdruck vorhin richtig gedeutet hatte, war er von diesem Extra-Einsatz alles andere als begeistert gewesen. Wie so oft hatte er nur ein Brummen verlauten lassen und war mit muffiger Miene mit ihr zum Wagen gestapft. Zwischen seinen dunklen Brauen verlief eine schmale Linie und zeigte seinen Unmut. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie denken, dass er jeden Tag von Neuem überlegte, ob er überhaupt zur Arbeit erschien. Aber sie wusste auch, dass hinter seiner grimmigen und schroffen Art ein Polizist steckte, der seinen Job ernst nahm und dem viel daran lag, ihn gut zu machen.
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