Toffee - Rheingau Krimi - Teil 1 - John Steinheimer - E-Book

Toffee - Rheingau Krimi - Teil 1 E-Book

John Steinheimer

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Beschreibung

Eine brutale Mordserie erschüttert den friedlichen Rheingau. Eine Winzer-Familie nach der anderen wird ermordet aufgefunden. Kommissar Frank Weinberg und sein Kollege Heiko Dillmann stehen vor einem Rätzel. Den einzigen Hinweis, den sie haben ist ein englisches Toffee. Leseprobe: "…Einige Sonnenstrahlen drangen durch das offene Tor bis zu der abgenutzten Steintreppe, die in den uralten Gewölbekeller hinunter führte. Die Burkharts nutzten diesen Keller für Weinproben und kleinere Veranstaltungen. Der recht große Kellerraum war an den Wänden mit alten Holzfässern und Regalen mit edlen Weinflaschen vollgestellt. Ein Mann, Ende dreißig, saß ruhig auf einem massiven Holzstuhl und starrte besinnungslos in den Raum. Er war recht schlank, hatte kurze braune Haare, einen Dreitagebart, und sein Gesicht war kreidebleich. Sein Kopf war an der hohen Rückenlehne mit einem Lederband befestigt, und auch seine Arme, Beine und sein Oberkörper waren am Stuhl festgebunden. Rechts über ihm lag, zwischen zwei Holzfässern eingeklemmt, ein zehn Liter Glasballon mit Wein gefüllt. Wie bei einer Infusion verlief ein dünner Schlauch von diesem Glasbehälter über eine Braunüle in die Vene seines rechten Arms. Aus dem linken Arm verlief ein Schlauch in einen anderen Glasballon auf dem Boden, in dem sich bereits eine große Menge Blut gesammelt hatte. Gegenüber lehnte eine junge attraktive Frau mit gespreizten Beinen über einen Tisch. Ihre Füße waren an den Tischbeinen gefesselt. Ihr Oberkörper lag vornübergebeugt auf dem Tisch, und ihre Arme waren links und rechts an den anderen Tischbeinen befestigt. Ihre langen blonden Haare fielen über ihr Gesicht und verdeckten den Knebel, der in ihrem Mund steckte, und die blutende Wunde an ihrer rechten Schläfe. …"

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Das Werk einschließlich aller einzelnen Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung – auch auszugsweise – ist nur mit Zustimmung des Verfassers erlaubt.

Alle Personen, Orte und Handlungen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

1. Auflage Februar 2014

© Copyright 2014 John Steinheimer.

Alle Rechte vorbehalten

ISBN: 9783955779207

Titelbild: © John Steinheimer

Inhaltsverzeichnis

Im Weinkeller

Die Beweisaufnahme

Das Familienfass

Der Morgen danach

Die gleiche Route

In der Fußgängerzone

Das Treffen im Café

Ein Glas Wein am Rhein

Gehäckselt im Wingert

Ein Spaziergang in Hausen

Ein bewegter Tag

In der Redaktion

Gepflockt im Hof

Schusswechsel im Wingert

Der Anruf aus Australien

Die Reise nach London

Die Auktionen

Das große Aufräumen

Der Redakteur

Susannes Rückkehr

Im Weinkeller

Das Weingut Burkhart liegt im Rheingau in einer kleinen Seitenstraße von der Bundesstraße 260 in Martinsthal. Jürgen Burkhart hatte es vor einigen Jahren von seinen Eltern geerbt und seitdem viel investiert und daraus ein wirkliches Schmuckstück mit den edelsten Weinen von den besten Hanglagen im Rheingau gemacht. Seine Frau Sylvia half ihm mit vollen Kräften. Leider war die Ehe bisher kinderlos geblieben, und so steckten die beiden alle Energie in ihr Anwesen.

Der Hof war von einer wunderschönen alten Steinmauer umgeben, die von Weinreben bewachsen war. Das große schmiedeeiserne Tor wirkte wie die Pforte zu einem Schloss. Der Innenhof war mit altem Kopfsteinpflaster ausgelegt und bot genug Platz für einige Tische und Bänke, die bei schönem Wetter für die Straußwirtschaft genutzt wurden. Liebevoll waren verschiedene Pflanzen und Blumen im Innenhof arrangiert und sorgten für ein einladendes Erscheinungsbild.

Das Haupthaus war ein altes Fachwerkhaus mit dunklen Holzbalken, weißgetünchten Wänden und dunkelroten Lamellenklappläden. Die kleinen Fenster waren stilechte aber moderne Doppelglasfenster mit schönen Vorhängen und dezenten Dekorationen. Die große Scheune war im gleichen Stil wie das Haupthaus gebaut, und auch hier merkte man die Liebe zum Detail. Eines der beiden großen Holztore mit schmiedeeisernen Beschlägen stand offen, und eine Katze kam heraus. Die Frühjahrssonne schien an diesem Freitag mit den letzten Abendstrahlen in den menschenleeren Hof und hüllte ihn in ein zartes Orange.

Einige Sonnenstrahlen drangen durch das offene Tor bis zu der abgenutzten Steintreppe, die in den uralten Gewölbekeller hinunter führte. Die Burkharts nutzten diesen Keller für Weinproben und kleinere Veranstaltungen. Der recht große Kellerraum war an den Wänden mit alten Holzfässern und Regalen mit edlen Weinflaschen vollgestellt.

Ein Mann, Ende dreißig, saß ruhig auf einem massiven Holzstuhl und starrte besinnungslos in den Raum. Er war recht schlank, hatte kurze braune Haare, einen Dreitagebart, und sein Gesicht war kreidebleich. Sein Kopf war an der hohen Rückenlehne mit einem Lederband befestigt, und auch seine Arme, Beine und sein Oberkörper waren am Stuhl festgebunden. Rechts über ihm lag, zwischen zwei Holzfässern eingeklemmt, ein zehn Liter Glasballon mit Wein gefüllt. Wie bei einer Infusion verlief ein dünner Schlauch von diesem Glasbehälter über eine Braunüle in die Vene seines rechten Arms. Aus dem linken Arm verlief ein Schlauch in einen anderen Glasballon auf dem Boden, in dem sich bereits eine große Menge Blut gesammelt hatte.

Gegenüber lehnte eine junge attraktive Frau mit gespreizten Beinen über einen Tisch. Ihre Füße waren an den Tischbeinen gefesselt. Ihr Oberkörper lag vornübergebeugt auf dem Tisch, und ihre Arme waren links und rechts an den anderen Tischbeinen befestigt. Ihre langen blonden Haare fielen über ihr Gesicht und verdeckten den Knebel, der in ihrem Mund steckte, und die blutende Wunde an ihrer rechten Schläfe.

Der Schlag des maskierten Fremden hatte sie ohnmächtig werden lassen, doch so langsam kam sie wieder zu sich. Plötzlich spürte sie, wie ihre Kleidung mit einer scharfen Klinge von den Füßen über den Rücken bis zum Kopf aufgetrennt wurde und sie nun vollkommen nackt auf dem Tisch lag. Der maskierte Fremde stellte sich hinter sie und betrachtete ihren nackten Körper. Er war sichtlich von ihrem nackten Hintern angetan. Langsam zog er sich die Hosen herunter und massierte leicht seinen Penis, bis er hart genug war, ein Kondom überziehen zu können. Die Verlockung dieser jungen hübschen Frau war einfach zu groß, und so gab er seinem Trieb nach. Er trat von hinten an sie heran und führte sein Glied in sie ein, dann nahm er seinen Gürtel, schlang ihn ihr um ihren Hals und zog bei jedem Stoß fester zu.

Nach einigen Minuten ließ er befriedigt von ihr ab, zog sein Glied samt gefülltem Kondom aus ihr heraus, entfernte den Gürtel, zog sich an und verließ den Gewölbekeller, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Frank Weinberg stand an diesem Samstagmorgen früh auf und machte sich mit seinem alten Traktor auf den Weg zu seinem Wingert am Rauenthaler Wülfen, um dort das Gras zu mähen. Er war gerne Winzer, auch wenn er es nur neben seiner eigentlichen Arbeit als Hobby betrieb. Dennoch waren ihm in den letzten Jahren seine Weine sehr gut gelungen, worauf er mächtig stolz war. Den Hof, die Weinberge und die gesamte Ausrüstung hatte er vor vielen Jahren von einem alten Mann übernommen, der zu seiner Tochter nach Amerika ziehen wollte.

Sein Weg führte ihn durch Eltville die Schwalbacher Straße Richtung Martinsthal entlang. Am Hundetrainingsplatz bog er links ab und fuhr dann die Feldwege am Hang nach Rauenthal zu seinem Wingert. Das Gras stand schon recht hoch, und es wurde Zeit, es zu mähen.

Als er nach zwei Stunden mit der Arbeit fertig war, lenkte er seinen Traktor zu einer schönen Aussichtsstelle und packte sein mitgebrachtes Frühstück aus. Der heiße Kaffee aus der Thermoskanne tat an diesem sonnigen, aber kalten Frühjahrsmorgen richtig gut. Die belegten Brote schmeckten nach getaner Arbeit im Freien einfach besser. Zufrieden blickte er über den oberen Rheingau und betrachtete den Nebel auf dem Rhein, der sich langsam durch die Sonnenstrahlen auflöste. Gibt es einen friedlicheren Ort als diesen, fragte er sich gerade, als sein Handy zu klingeln begann. Wie aus dem Paradies gerissen ging er ans Telefon. „Frank Weinberg?“ „Frank, wir haben einen Tatort in Martinsthal, Hof Burkhard, weißt du, wo das ist, und kannst du schnell kommen?“, fragte ihn sein Kollege am anderen Ende. „Ja, ich weiß, wo das ist, ich bin ganz in der Nähe. Es dauert aber etwas, ich bin mit dem Traktor unterwegs“, antwortete er, legte auf und startete den Motor.

Über die Feldwege ging es zwar etwas schneller, dennoch musste er durch die engen Straßen von Martinsthal auf die gegenüberliegende Ortsseite fahren. Er mochte diese engen Straßen nicht, an denen nicht einmal zwei Autos aneinander vorbei passten, alleine schon deswegen würde er nie nach Martinsthal ziehen. Auf der Fahrt erinnerte er sich an die Begegnung mit den Burkharts. Er hatte sie vor Jahren auf einem Winzerfest kennengelernt und fand die beiden sehr nett. Besonders an Frau Burkhart konnte er sich noch gut erinnern. Sie war eine sehr attraktive junge Frau, und ihr natürlicher Charme nahm ihn schnell gefangen. Was war wohl dort auf dem Hof passiert, dass man die Kriminalpolizei kommen lassen musste?

Langsam fuhr er mit seinem Traktor durch das große Tor in den Hof der Burkharts. Dort wurde er bereits von seinem Kollegen und einigen Streifenpolizisten, die alle sehr geschockt zu sein schienen, erwartet. Heiko Dillmann, sein Kollege, kam auf ihn zu. „Hallo Frank, so etwas hast du noch nicht gesehen, mach dich auf etwas gefasst“, sagte er zu ihm und machte eine Handbewegung, dass er ihm folgen sollte. Verunsichert ging er hinter ihm her in die Scheune und die alte Steintreppe hinunter in den Gewölbekeller.

Heiko war groß, muskulös, hatte mittellange, fast schwarze Haare mit einem Mittelscheitel. Er hatte sehr ausgeprägte Wangenknochen und ein ebenso markantes Kinn. Stets perfekt rasiert, trug er gern feine Anzüge, um über sein junges Alter mit Anfang dreißig hinwegzutäuschen. Vor circa einem Jahr wurde Heiko ihm als Kollege zugeteilt. Sie verstanden sich von Anfang an recht gut, auch wenn ihm die etwas stürmische Art manchmal etwas auf den Geist ging. Vielleicht war es einfach noch sein jugendliches Alter und die Unerfahrenheit, die ihn hin und wieder so unüberlegt handeln ließen. Aber noch ein, zwei Jahre, und er wird ihn sich schon zurechtgebogen haben.

Als sie im Keller angekommen waren, trat Heiko zur Seite und gab den Blick auf den Tatort frei. Frank blieb wie angewurzelt stehen. Jürgen Burkhart saß mit blutleerer Haut auf einem Stuhl gefesselt vor ihm. Die Weininfusion hatte jeden Tropfen Blut aus seinem Körper gespült und durch einen Riesling des letzten Jahrgangs ersetzt. Der Glasballon auf dem Boden war randvoll mit Blut gefüllt. Die Augen waren geöffnet und starten auf seine Frau. Sylvia Burkhart lag nackt an einen Tisch gefesselt auf der anderen Seite des Kellers. Ihr entblößter Hintern zeigte in Richtung ihres Mannes. Er erinnerte sich, wie verführerisch sie damals auf dem Winzerfest aussah, und nun lag sie tot vor ihm an einen Tisch gefesselt.

Fassungslos wandte er sich zu Heiko. „Wer macht so etwas und warum?“, fragte er ihn rein rhetorisch, denn woher sollte Heiko dies wissen. Nach und nach kamen die Leute der Spurensicherung die Treppe hinunter und begannen mit ihrer Arbeit. Auch Dr. Althaus als diensthabender Gerichtsmediziner traf am Tatort ein. Frank kannte ihn schon seit vielen Jahren und war froh, dass er diesem Fall zugewiesen worden war.

Dr. Wolfgang Althaus war ein sehr ruhiger und gewissenhafter Mensch, dem so schnell nichts entging. Er war ein sehr großer, schlanker Mann Ende fünfzig. Seine gebeugte Haltung hatte er wahrscheinlich durch die vielen Leichen, über die er sich bei den unzähligen Obduktionen gebeugt hatte. Herr Althaus nickte Frank freundlich zu und machte sich daran, einen ersten Überblick zu gewinnen.

„So etwas habe ich bisher auch noch nicht gesehen. Ich bin immer wieder überrascht, wie einfallsreich manche Mörder sind“, sagte Dr. Althaus mehr zu sich selbst. „Können Sie ungefähr sagen, wann die beiden gestorben sind?“, fragte Frank ihn. „Nun, bei diesem Mann ist das sehr schwer, die Wirkung einer Weininfusion auf einen menschlichen Organismus muss ich mir erst einmal durch den Kopf gehen lassen. Aber bei dieser Frau sind es noch keine vierundzwanzig Stunden her.“ „Woran ist die Frau gestorben?“, fragte Heiko. Althaus scannte kurz über ihren nackten Körper und nahm sich den Kopf etwas genauer vor. „Mein erster Eindruck ist, dass sie erwürgt wurde. Mehr kann ich ihnen wie immer erst später sagen.“

Frank und Heiko verließen den Tatort und schnappten im Hof nach frischer Luft. Sie versuchten, ihre Fassung wiederzugewinnen und einen klaren Gedanken fassen zu können. Doch diese eiskalte Brutalität hielt sie noch einige Zeit gefangen. „Wer hat die beiden gefunden?“, fragte Frank und unterbrach das Schweigen. „Es war Arthur Daschinsky, er ist hier das Mädchen für alles und hilft den beiden schon seit Jahren. Er kommt aus Polen, spricht aber sehr gut Deutsch. Er wollte heute mit Herrn Burkhart einiges im Keller umbauen. Herr Daschinsky sitzt dort drüben“, erklärte ihm Heiko. Beide gingen zu ihm hinüber und ließen sich die Entdeckung noch einmal schildern. Frank erschien dabei nichts Ungewöhnliches, bedankte sich bei Herrn Daschinsky und ließ ihn nach Feststellung der Personalien nach Hause gehen.

Frank konnte nicht anders und ging nochmals in den Keller zurück. Die Männer der Spurensicherung und der Gerichtsmediziner waren noch fleißig am Werk. Frank setzte sich mitten im Keller im Schneidersitz auf den Boden und betrachtete sich alles ganz genau. Er machte dies häufiger und versuchte dadurch, jedes Detail in sich aufzunehmen. Plötzlich erfassten seine Augen einen kleinen Lichtreflex unter einem der Fässer neben dem Tisch, auf dem Sylvia Burkhart lag. „André, kannst du mal nachsehen, was das da unter dem Fass ist?“, fragte Frank den Leiter der Spurensicherung. Er kannte André Gerber nun schon seit vielen Jahren und arbeitete sehr gerne mit ihm zusammen. Sie waren beide auf einer Wellenlänge und verstanden sich auch, ohne viel mit einander zu sprechen. André war ein eher unauffälliger, mittelgroßer, dunkelblonder Mann mit einem kleinen Bauchansatz. Gewissenhaft untersuchte er den Fundort und zog ein Toffee-Bonbon unter dem Fass hervor. Frank und André starrten auf das Toffee, es passte so gar nicht in dieses Ambiente. Herr Gerber packte es in einen Plastikbeutel, beschriftete es und stellte ein Nummernschild am Fundort auf.

Als alle im Keller fertig waren, arbeiteten sie sich noch durch die Scheune und durch das Haupthaus. Auch Frank Weinberg ging durch das Wohnhaus und versuchte, wieder alles in sich aufzunehmen. Irgendwie ließ ihn dieses Toffee nicht in Ruhe, und er suchte im Haus nach solchen Toffee-Bonbons, doch nirgends konnte er welche finden. Genau genommen konnte er überhaupt keine Süßigkeiten finden. Die Burkharts mochten scheinbar keine Süßigkeiten.

Nachdem die Toten mit dem Leichentransporter abtransportiert worden waren, der Tatort versiegelt war und alle gegangen waren, machte sich Frank Weinberg auf den Weg zu einem anderen Wingert, um auch dort Gras zu mähen. Das Wetter schien einigermaßen beständig, und so wollte er dies ausnutzen. Dazu musste er jedoch wieder durch die engen Gassen von Martinsthal fahren, dann am Kreisel geradeaus über die Brücke der Umgehungsstraße in den Feldweg. Als er an dem Weingut und Reiterhof den Berg zur Hub hinauffuhr, bemerkte er, dass dieses Gut verlassen aussah, schenkte dieser Beobachtung jedoch keine weitere Aufmerksamkeit. Sein Wingert lag am Südwesthang der Großen Hub in Richtung Eltville, und man hatte von dort aus einen herrlichen Blick über das Rheintal. Er liebte diesen Weinberg, wie gerne hätte er hier ein Haus gebaut, um diesen Ausblick täglich genießen zu können. Hin und wieder fuhr er mit seinem Quad hier herauf und entspannte sich von seiner Arbeit. So genoss er es auch heute, und das Mähen war eher Meditation als Arbeit. Leider war er viel zu schnell damit fertig, und so stellte er sich noch eine Weile mit seinem Traktor auf den oberen Weg und versuchte, die Eindrücke des heutigen Tages zu verarbeiten.

Langsam rollte eine riesige Regenfront das Rheintal hinauf, und die dunkelgrauen Schleier, die aus ihr herausfielen, ließen nichts Gutes erahnen. Dennoch blieb Frank Weinberg wie angewurzelt stehen. Vielleicht brauchte er den Regen, um seine Gedanken reinzuwaschen, und nass würde er beim Nachhauseweg ohnehin werden. Also kam es auf ein paar Minuten mehr oder weniger auch nicht an. Die gewaltige Regenfront kam immer bedrohlicher auf ihn zu und verfinsterte die Sonne, als ob es Nacht werden würde. Es wirkte wirklich gespenstisch, über ihm war es dunkelste Nacht, doch am Horizont schien immer noch die Sonne und erleuchtete die Ränder der riesigen Regenfront wie einen Feuerkranz. Plötzlich war es für ein paar Sekunden völlig still, kein Wind, kein Vogel einfach nichts war zu hören. Der dunkelgraue Schleier kam wie eine undurchdringliche Wand auf ihn zu, und er spürte die Angst in sich, von ihr überrollt und zerquetscht zu werden. Doch bevor er etwas tun konnte, brach der Wolkenbruch über ihn herein. Unmengen an Wasser ergossen sich in Sekunden über ihn und durchnässten ihn bis auf die Knochen. Noch nie hatte er so einen Regenschauer zuvor erlebt. Er stellte sich auf seinen Traktor, schloss die Augen und streckte seinen Kopf und seine Arme in den Himmel, als ob er jeden Tropfen willkommen heißen wollte. Die Regentropfen klatschen so fest auf seinen Körper, dass er zu lachen anfing. Dabei hätte er sich fast an den Regenmassen, die in seinen Mund flossen, verschluckt. Wie lange er so im Regen stand, konnte er nicht mehr sagen. Völlig nass kam er zu Hause an.

Nachdem er sich trockengelegt hatte, machte er sich noch schnell einige Pizzabrote. Dazu nahm er normales Brot, strich etwas Ketchup darauf, streute einige Kräuter darüber, deckte das Ganze mit Käse ab und schob es für circa zwanzig Minuten in den Backofen, bis der Käse schön geschmolzen und ein bisschen knusprig war. Als er mit dem Essen fertig war, legte er sich mit einer guten Flasche Wein in die Badewanne und ließ anschließend den Abend vor dem Kamin ausklingen.

Die Beweisaufnahme

Montagmorgen fuhr Frank Weinberg mit seinem Kollegen Dillmann zum gerichtsmedizinischen Institut nach Frankfurt. Dort erwartete sie bereits Dr. Althaus und führte sie direkt in den Sektionssaal. „Guten Morgen, meine Herren. Dieser Fall hat mir keine Ruhe gelassen, und ich habe mich das ganze Wochenende damit beschäftigt. Fangen wir mit Frau Sylvia Burkhart hat. Sie wurde von einem Schlag mit einem stumpfen Gegenstand an der rechten Schläfe getroffen. Der Schlag wurde wahrscheinlich von einem Rechtshänder von hinten ausgeführt. Der Winkel des Abdrucks weist auf eine circa ein Meter neunzig große Person hin. Durch diesen Schlag hatte sie sicherlich für einige Zeit die Besinnung verloren, gestorben ist sie daran allerdings nicht. Die Todesursache ist Ersticken, was durch das Erdrosseln mit einem circa fünf Zentimeter breiten Band, zum Beispiel einem Gürtel, erreicht wurde. Der Stresshormonspiegel in ihrem Blut zeigt eindeutig, dass sie die Erdrosselung bei vollem Bewusstsein miterlebt haben musste. Der Todeszeitpunkt war ziemlich exakt siebzehn Uhr am Freitag. Zeitgleich wurde sie dabei auch noch vergewaltigt. Betrachtet man den Winkel der Würgemale, so könnte es der gleiche Täter mit ein Meter neunzig Körpergröße sein. Er verwendete dabei jedoch ein Kondom, und da wir auch keine Schamhaare gefunden haben, war er wahrscheinlich im Intimbereich rasiert. Wir analysieren gerade noch die Gleitmittelrückstände des Kondoms und werden diese mit den einzelnen Herstellern vergleichen. Leider kann dies noch einige Tage dauern, erst dann können wir Ihnen die Kondommarke nennen“, führte Dr. Althaus aus.

Frank und Heiko hatten zunächst keine Fragen, also fuhr Dr. Althaus mit Herrn Jürgen Burkhart fort: „Herr Burkhart ist genau genommen an einer zu hohen Blut-Alkohol-Konzentration gestorben. Letztendlich hatte er einen Alkoholspiegel von 11,5 Volumenprozenten, das könnten lediglich einige Bakterien überleben, ein anderes Lebewesen jedoch nicht. Da sein Blut durch reinen Wein ausgetauscht wurde, können wir hier nicht mehr von Promille reden, wie es eigentlich üblich ist. Aber irgendwie ist Herr Burkhart auch verblutet, denn der Wein erfüllt nicht die Funktionen des Blutes, und so wurden die verschiedenen Organe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Der Alkohol war jedoch schneller als der Sauerstoffmangel. Der Stresshormonspiegel in seinem Blut war nicht besonders hoch, er wird durch den vielen Alkohol nicht viel mitbekommen haben. An seinem Hinterkopf haben wir auch eine Schlagwunde vom gleichen stumpfen Gegenstand gefunden, und auch diese wurde von einem circa ein Meter neunzig großen Mann ausgeführt. Beim Fesseln war Herr Burkhart nicht bei Bewusstsein, und auch später versuchte er nicht, sich zu befreien, sonst hätte es stärkere Verletzungen an den Fesselstellen gegeben. Ich nehme an, als er wieder zu Bewusstsein kam, war die Wirkung des Alkohols bereits sehr stark, und er konnte alles nicht mehr richtig wahrnehmen. Der Todeszeitpunkt war etwas später als der seiner Frau, es muss so gegen siebzehn Uhr dreißig gewesen sein, als er den Folgen des Alkohols erlag. Haben Sie noch Fragen?“, schloss Dr. Althaus und blickte Frank und Heiko fragend an. „Nein, Herr Dr. Althaus. Ich würde mich nur freuen, wenn Sie mir so schnell wie möglich ein Ergebnis wegen des Kondoms geben könnten“, sagte Weinberg. Dr. Althaus nickte und begleitete sie noch hinaus.

„Eine Frage hätte ich doch noch“, wendete sich Frank erneut an Herrn Althaus. „Mit welchem Wein wurde er getötet?“ „Es war eine 2012 Riesling Spätlese von der Großen Hub in Martinsthal, und zwar aus seinem eigenen Keller. Ich wusste, dass Sie mich das fragen würden, und hatte einige Proben aus dem Keller mitgenommen. Sie hätten mich schwer enttäuscht, wenn Sie nicht danach gefragt hätten“, antwortete er grinsend. Weinberg und Dillmann bedankten sich und fuhren zur Spurensicherung nach Wiesbaden ins Polizeipräsidium im Konrad-Adenauer-Ring.

Eigentlich wären auch sie, als ein Teil der Mordkommission, dort stationiert, doch der Raummangel zwang sie, eine andere Bleibe zu suchen. Mehr durch Zufall sind sie so in einem kleinen Raum in der Polizeidienststelle in Eltville gelandet. Die Kollegen waren dort sehr nett und hilfsbereit, und sie hatten es auch nicht weit nach Wiesbaden in die Zentrale. Da die beiden ohnehin für den Rheingau zuständig waren, passte das recht gut. Frank hatte natürlich auch nichts dagegen, denn er wohnte schließlich in Eltville. Heiko wohnte in Wiesbaden-Schierstein und hatte es dadurch auch nicht sehr weit nach Eltville.

André Gerber saß gerade an seinem Schreibtisch und beendete den Bericht. „Hallo, Herr Gerber. Haben Sie etwas gefunden?“, fragte Frank seinen langjährigen Kollegen. Der blickte von seinem Schreibtisch auf und machte eine Geste, dass sie sich setzen sollen. Es dauerte noch einige Sekunden, dann wandte sich Herr Gerber ihnen zu. „Also, viel war es nicht, was wir gefunden haben. Der oder die Täter waren sehr professionell, wir haben keine Fußspuren, keine Fingerabdrücke, keine Haare, keine Speichelreste und auch sonst keine DNA-Spuren. Die verwendeten Materialien waren entweder aus dem Keller oder der Scheune des Weinguts oder es waren medizinische Einwegmaterialien, von denen jedoch die Verpackung fehlt und wir so die Herkunft nicht bestimmen können. Fast weltweit werden die gleichen chemischen Bestandteile zur Herstellung dieser Nadeln und Schläuche verwendet. Wir haben es hier also mit wirklichen Profis zu tun. Eine Sache haben wir dennoch gefunden, das heißt, eigentlich haben Sie sie gefunden“, sagte Herr Gerber und zeigte auf Frank Weinberg. Heiko Dillmann wurde plötzlich hellhörig. Gab es da etwas, was er noch nicht wusste? „Es war dieses Toffee-Bonbon, das Sie unter dem Weinfass gefunden haben. Allzu lange kann es dort noch nicht gelegen haben, denn es befand sich fast kein Staub darauf. Also, vielleicht ein bis zwei Tage, länger auf keinen Fall. Es waren sogar Teile eines Fingerabdrucks darauf, die wir noch analysieren. Der Herkunftsort dieses Toffees ist mit hoher Wahrscheinlichkeit England. Genaueres konnten wir jedoch noch nicht herausfinden. Sie sehen, wir haben noch nicht wirklich viel“, schloss Herr Gerber seinen Bericht und blickte die beiden fragend an.

„Könnten Sie mir ein Bild von diesem Toffee ausdrucken?“, fragte Frank ihn, und Herr Gerber überreichte ihm wortlos einige Ausdrucke, die er bereits vorbereitet hatte. Die beiden Kommissare bedankten sich bei ihrem Kollegen der Spurensicherung und fuhren in ihr Büro in die Polizeidienststelle nach Eltville.

Während der Fahrt sprachen die beiden kein Wort, und auch als sie an ihren Schreibtischen saßen, sprachen sie eine ganze Weile nichts. „Was hat es mit diesem Bonbon auf sich?“, fragte Heiko und brach das Schweigen. „Ich weiß es noch nicht, ich habe es unter einem Weinfass direkt neben Frau Burkharts Leiche gefunden.“ „Aber das könnte doch von allen möglichen Leuten stammen, selbst von Burkharts könnte es sein“, gab Heiko zu bedenken. „Nein, die Burkharts hatten im ganzen Haus keine Süßigkeiten“, sagte er und ergriff seine Unterlagen. „Lass uns zu Herrn Daschinsky fahren, ich würde mir gerne ansehen, wie er wohnt“, sagte Frank und stand auf.

Herr Daschinsky wohnte in Martinsthal in der Kirchstraße alleine in einem Einzimmerappartement. Das Haus war alt, leicht verfallen und stand in einem der engen Gässchen, die Frank so liebte. Sie parkten das Auto auf einem kleinen öffentlichen Parkplatz an der Hauptstraße und gingen dann die paar Meter zu Fuß bis zum Haus. Nachdem Sie geklingelt hatten, dauerte es nicht lange, und Herr Daschinsky öffnete ihnen die Tür. „Hallo Herr Daschinky, ich hoffe Sie haben den Schrecken schon ein bisschen überwunden. Könnten wir Ihnen ein paar Fragen stellen?“, sagte Frank, und Herr Daschinsky ließ die beiden ohne ein Wort hinein.