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Das neue biotechnologische Unternehmen Bio-RO-Tec wird von dem narzisstischen Professor Rogmann zusammen mit seiner Frau geführt. Das Machtstreben gepaart mit seinem krankhaften Geltungsbedürfnis verleitet ihn zu den unterschiedlichsten kriminellen Aktivitäten. Dazu bedient er sich chemischer, elektronischer und digitaler Hilfsmittel, die unerwartete Situationen hervorrufen und den Leser in Atem halten, ihn überraschen und staunen lassen. Den passionierten Krimiliebhaber werden besonders die ausgeklügelten Tätertechniken faszinieren, die in einer breiten Vielfalt anzutreffen sind. Seine skrupellosen Machenschaften und seine Ignoranz gegenüber der Realität werden Rogmann schließlich zum Verhängnis.
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Seitenzahl: 390
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Der Autor Pit Saylor ist 47 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Der 14-jährige Sohn liegt nach einem schweren Verkehrsunfall im Wachkoma. – Pit lebt mit seiner Familie in der Nähe von Hamburg und arbeitet hauptberuflich als Bibliothekar. Sein Vater ist Engländer und fuhr als Nautiker zur See. Seine Mutter war Lehrerin in einer Hamburger Schule. Pit Saylor begann aufgrund eines guten Abiturs in Hamburg Physik zu studieren, brach das Studium aber nach dem vierten Semester ab und schrieb sich in der juristischen Fakultät ein. Aber auch dieses Studium entsprach nicht seinen Wünschen und so ging er in die Praxis und landete nach einigen Versuchen in einer Bibliothek, wo er immer noch tätig ist. Nebenbei verfasst er Kurzgeschichten und schreibt Romane. Noch gilt aber seine Vorliebe der Kriminalliteratur.
SONNABEND
SONNTAG
MONTAG
DIENSTAG
MITTWOCH
DONNERSTAG
FREITAG
SONNABEND
SONNTAG
MONTAG
DIENSTAG
MITTWOCH
DONNERSTAG
FREITAG
SONNABEND
SONNTAG
MONTAG
DIENSTAG
MITTWOCH
DONNERSTAG
FREITAG
SONNABEND und SONNTAG
MONTAG
DIENSTAG
MITTWOCH
DONNERSTAG
FREITAG
SONNABEND
SONNTAG
MONTAG
DIENSTAG
MITTWOCH
DONNERSTAG
FREITAG
SONNABEND
SONNTAG
EIN MONTAG IN WAKEFIELD
EIN MONTAG IN WÜRZBURG
AUF NACH MOSKAU!
DIENSTAG
MITTWOCH
DONNERSTAG
FREITAG
MONTAG
EIN DIENSTAG IN WÜRZBURG
EIN DIENSTAG IN WAKEFIELD
MITTWOCH
DONNERSTAG
ZWEI MONATE SPÄTER
DIENSTAG
MITTWOCH
DONNERSTAG
EIN MONTAG IN KANADA
EIN MONTAG IN DEUTSCHLAND
DIENSTAG
MITTWOCH
EINEN MONAT SPÄTER
DIENSTAG
MONTAG
EIN VIERTELJAHR SPÄTER – MONTAG
DONNERSTAG
FREITAG
MONTAG
ZWEI MONATE SPÄTER
DIENSTAG
MITTWOCH
DONNERSTAG
ZWEI TAGE SPÄTER
DER TAG DANACH
Eine imposante weiße Stadtvilla auf einem großen Grundstück mit einem Gartenteich, an dessen Ufer verschiedene Natursteine liegen und ein kurz geschnittener englischer Rasen mit bunten Blumenoasen ist das Zuhause des Ehepaares Rogmann. Auf dem Dach des eingeschossigen Hauses ist eine Solaranlage aufgebaut. Damit verringern sie nicht nur ihre Energiekosten, sondern setzen ein sichtbares Zeichen, etwas gegen den drohenden Klimawandel zu tun.
Im Inneren des geräumigen 170 m2 großen Gebäudes befindet sich ein elegant eingerichtetes, großes Wohnzimmer, daneben eine moderne Küche, deren Herd in der Mitte angeordnet ist. Diese Kochinsel hatte sich Billy gewünscht, weil sie oft und gern selbst das Essen zubereitet. Daran schließt sich ein ebenfalls weitläufiges Bad an, mit einer auf einem flachen Podest frei stehenden Badewanne, einer Großraumdusche und mit den üblichen Sanitäranlagen. Auf der gegenüberliegenden Hausseite befindet sich das Schlafzimmer und daneben ein kleines Ruhezimmer, das mit einer dunkelroten, strukturierten Tapete ausgekleidet ist und in dessen Mitte ein französisches Bett steht. Hier hinein hatte Billy noch eine kleine Kommode und einen Biedermeiertisch mit zwei Stühlen gestellt. Gegenüber dem Bett ist in der Wand ein kleiner Tresor eingelassen, den Jo für den Schmuck seiner Ehefrau einbauen ließ.
In dem kleinen Hauswirtschaftsraum, der sich an die Küche anschließt, ist genügend Stauraum vorhanden. Hinter dem Haus steht eine Doppelgarage. An der Straßenseite grenzt ein handgefertigter Zaun aus Edelstahl mit einem elektrisch zu öffnenden Zufahrtstor und eine Eingangstür das Grundstück zur Straße ab.
Am Gesamteindruck dieser komfortablen Wohnanlage für zwei Personen ist zu erkennen, dass man hier in der Oberschicht unserer Gesellschaft angekommen ist.
Hausherr ist der Biochemiker Prof. Dr. Joachim Rogmann. Er hat nicht nur an einer renommierten Universität in Deutschland studiert, sondern auch an der Harvard University und an dem Massachusetts Institute of Technology. Nach dem Berufsbeginn in einem bekannten deutschen Unternehmen hatte er vor etwa 20 Jahren zusammen mit seiner Ehefrau Sybille das
‚Bio-RO-Tec‘ Institut für Biotechnologie“ in der Nähe von Würzburg gegründet. Seitdem hat sich aus dem anfangs kleinen Unternehmen die heute Europa weit agierende Forschungs- und Fertigungsstätte mit 180 Mitarbeitern entwickelt.
Jo, so wird er von seinen Freunden in Kurzform genannt, ist ein großer, sportlich trainierter, dunkel-haariger Mann, der auf ein gepflegtes Äußeres bedacht ist und auch in dem Institut im Business – Look erscheint. Er legt bei sich und bei den Personen in seinem Umfeld großen Wert auf kultivierte Umgangsformen. Jo gilt als absolut zuverlässig, höchst akkurat, wenn nicht sogar etwas penibel, ist von einer beachtlichen Intelligenz und steht überall gern im Mittelpunkt. Mit seinem Geld geht er zurückhaltend um. Aber seinen Mitarbeitern gewährt er ein den Leistungen entsprechendes gutes Gehalt. Seine Kollegialität hingegen hält sich in Grenzen. Auch jedem Fremden würde bereits bei der ersten Begegnung klar werden, dass er einem ausgeprägten Narzissten gegenübersteht.
Jos Verhältnis zu Frauen ist sehr unterschiedlich. Seine Ehefrau schätzt er nur deshalb, weil sie stets trotz ihrer beruflichen Verpflichtungen dafür sorgt, dass das familiäre Leben in geregelten Bahnen verläuft. Aber mit Zärtlichkeiten und Liebesbezeugungen ihr gegenüber hält er sich sehr zurück. Ihre Hausarbeit ist in seinen Augen die selbstverständliche Aufgabe einer Ehefrau. Allerdings ist Jo in hohem Maße eifersüchtig und schreckt vor keinem Mittel zurück, wenn Billy ihm einen Anlass geben würde.
Fremden weiblichen Personen, das betrifft nicht nur Frauen, sondern auch jene, die noch auf dem Wege sind, es zu werden, begegnet er immer mit respektierender Freundlich- und Großzügigkeit. Der große Jo zeigt sich dann gern als Gönner und berichtet mit gespielter Geringschätzung von seinen Erfolgen. So hat er im Laufe der Zeit ein empathisches Gespür dafür entwickelt, wenn bei seinem Gegenüber eine Sympathie aufkommt. Dann gelingt es ihm fast immer, diese weiblichen Gefühle zu fördern, bis er sein Ziel erreicht hat.
Sein gutes Management im Geschäftsleben trägt immer wieder neue Früchte, sodass er das Unternehmen erweitern und modernisieren kann. Das Motto ‚Geld regiert die Welt‘ bestimmt sein Handeln. Allerdings lässt er sich gelegentlich in dubiose Geschäfte ein, wenn er sich davon einen Vorteil erhofft.
Elisabeth Henne, eine 32 Jahre alte, gut gekleidete und charmante Frau, arbeitet als seine Chefsekretärin. Sie ist stets höflich, hilfsbereit und hat die Fähigkeit erworben, Wünsche ihres Vorgesetzten von seinen Augen abzulesen. Auf Frau Henne kann er sich immer verlassen, denn sie würde es nie versäumen, ihn auf einen Termin aufmerksam zu machen. Diskretion ist bei ihr oberstes Gesetz. Wegen ihres unkomplizierten Auftretens wird sie von allen nur kurz „Hühnchen“ genannt.
Seine Ehefrau Sybille ist eine gutaussehende, schlanke Frau mit einem ausgeprägten ästhetischen Empfinden. Billy, wie sie von ihren Freunden liebevoll genannt wird, versteht es, sich gut und stets der jeweiligen Situation angepasst zu verhalten und zu kleiden. Bei der Wahl ihrer Kleidungsstücke und der Accessoires liest die inzwischen 39-Jährige das Preislabel erst nach dem Kauf.
Sie kennt Jo schon aus seiner Zeit in dem deutschen Großunternehmen. Dort hat Sybille ihre eigene Forschungstätigkeit auf die Anwendung biologischer Prozesse in technologischen Abläufen ausgerichtet und auch auf diesem Gebiet promoviert. Dabei lernte sie ihren jetzigen Mann kennen, der ihr damals als ‚Doktorvater‘ an der Seite stand. Auch sie empfand gegenüber Jo ein gewisses Maß an Respekt und Hochachtung, allerdings nur mit Hinsicht auf seine wissenschaftliche Leistung. Sie blickte auf zu ihm und Jo nahm diese Wertschätzung gern entgegen. So entwickelte sich daraus eine Liebesbeziehung, die beide in die Ehe führte. Eine richtige Familie zu werden, ist ihnen bis jetzt nicht vergönnt. Leider steht Jo auf dem Standpunkt, dass Kinder nicht unbedingt notwendig sind, um miteinander glücklich zu sein. Sie würden ohnehin nur viel Geld kosten und niemand weiß, in welche Richtung sie sich entwickeln. Diese familienfeindliche Haltung nahm jedes Mal, wenn sie zur Sprache kam, Billy mit großer Entrüstung auf. Unterschiedliche Standpunkte sind inzwischen zu einem immer wiederkehrenden Streitpunkt geworden. Dennoch gründeten sie gemeinsam das Unternehmen ‚Bio-RO-Tec’.
Sybille war schon als Schülerin von technischen Verfahren angetan. Besonders die Fotokunst erweckte ihre gesteigerte Aufmerksamkeit. Ihre Eltern erkannten rechtzeitig die kreativen Züge ihrer Tochter und so schenkten sie ihr einen Fotoapparat. Diesem Hobby blieb Billy bis zum heutigen Tage treu.
Sie liebt die Natur mit der vielfältigen Schönheit der Blumen und Pflanzen. Deshalb gehören diese zu ihren beliebtesten Fotomotiven. So bewundert sie immer wieder die japanische Kunst des Blumenbindens. Deswegen hat sie sich zu einer 14-tägigen Reise nach Japan entschlossen, um Ikebana zu erlernen.
Mit an der Spitze des Forscherteams arbeitet der 29-jährige, promovierte Dipl.-Chem. Peter Lewitsch. Er ist ein überaus mitteilungsfreudiger und kollegialer Mitarbeiter, der von fast allen nur Piotr genannt wird. Das ist darauf zurückzuführen, dass er sich nach seinem Studium in Deutschland für sechs Semester an der ‚Lomonossow-Universität‘ in Petersburg eingeschrieben hatte. Dadurch erlernte er perfekt die russische Sprache und konnte, begünstigt durch sein Kommunikationsbedürfnis, viele Kontakte zu russischen Wissenschaftlern und auch berufsfremden Menschen aufbauen.
Heute ist er enger Mitarbeiter von Billy, die ihn sehr sympathisch findet, wobei die Gegenseitigkeit dieser Empfindung nicht zu übersehen ist. Er ist zwar ein hervorragender Forscher, doch Billy dennoch ein wenig unterlegen. Piotr schätzt sie unendlich und wiederholt das auch bei verschiedenen Gelegenheiten. Dem aufmerksamen Beobachter entgeht es nicht, dass hier ein gutes Maß an Liebe mitschwingt. Noch ist Piotr unverheiratet, denn er hat viel Zeit mit dem Studium und fakultativen Fortbildungen verbracht. Die zusätzlichen sechs Semester in Russland waren für seine mentale Entwicklung von herausragender Bedeutung.
Er vermeidet es, über sein Praktikum in den Petersburger Laboratorien des russischen Geheimdienstes zu sprechen. Piotr konnte dort in den drei Monaten zwar viel lernen, was dazu beitrug, seine Hochschätzung für deren Forschung zu bestätigen. Doch die Russen hielten sich bedeckt, ihm zu viel Wissen mitzugeben. Sie wollten verhindern, dass er es für eigene oder gegen Russland gerichtete Aktionen verwendet.
Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit in Deutschland widmet er sich intensiv seinem Hobby als Funkamateur.
Seitdem er Billy das erste Mal gesehen hatte, war es um ihn geschehen. Selbst wenn die schönsten Frauen an ihm vorbeigehen, schenkt er ihnen keinen Blick. Obwohl Billy 10 Jahre älter ist als er, bleibt das für seine tiefe Zuneigung ohne jede Bedeutung. Er träumt von ihr und versucht, ständig in ihrer Nähe zu sein.
Piotr kann sich sein kurioses Benehmen und diese unzerstörbare Zuneigung nicht erklären. Er hat bereits einmal einen Psychologen aufgesucht, um zu erfahren, wie sein Verhalten zu erklären ist. Aber auch der „Fachmann für das Seelenheil“ konnte ihm keine Ursache nennen. In fünf Sitzungen wurde immer wieder sein Leben von der ersten Minute, an die er sich erinnern konnte, in sein momentanes Bewusstsein zurückgerufen. Der Psychologe stellte gezielte Fragen, die helfen sollten, das Verhältnis zu seiner Mutter darzustellen. Pjotr hat auch keine Geschwister, sodass man von einem Liebesentzug seiner Mutter ihm gegenüber hätte ausgehen müssen. So wie Pjotr es in seinen Erzählungen und ausführlichen Schilderungen darstellte, herrschte zwischen ihm und seiner Mutter ein sehr liebevolles Verhältnis.
Nach der letzten Sitzung konnte der Psychologe als Zusammenfassung nur eine Erklärung geben: Die große Fürsorge seiner Mutter versuchte Piotr in seinem neuen Leben als eigenständiger, erwachsener Mensch wiederzuerlangen. Daher sucht er sich gezielt eine reife Frau aus, von der er eine Art mütterliche Geborgenheit erwartet. Infolge seines Alters kommt noch ein Liebesbedürfnis auf, was er sich nun erfüllen will. Der Psychologe resümierte schließlich, dass Piotrs Liebe zu dieser Person und deren Anziehungskraft beständig bleiben wird.
Etwas einfacher stellt sich uns der 26 Jahre alte Laborassistent Franz Wagner vor. Sein geistiges Potenzial reicht nicht aus, um über ein Studium in die wissenschaftliche Laufbahn zu kommen. Er ist mehr ein junger Mann der Tat, der ohne Zögern neben seinen dienstlichen Aufgaben Experimente und andere Versuche durchführt, die von den Unbeteiligten nicht gern gesehen werden. Die Zehn Gebote haben für Franz mehr einen richtungsweisenden Wert, denn sie sind für ihn eine bloße Empfehlung für eine soziale Lebensführung.
Das andere Geschlecht spielte bislang im Leben von Franz nur eine rein formelle Rolle, sodass er sich bis jetzt ohne eine Frau recht wohlfühlt. Sein wirkliches Interesse gilt allgemein motorisierten Fahrzeugen. Allerdings kann er sich in seiner Gehaltsklasse nur mit Autos mit geringem Hubraum beschäftigen. Chemische Basteleien unter dem Aspekt, neue Drogen zu kreieren, hatten ihm schon einmal fast die Arbeitsstelle gekostet. Daher beschränkt er sich jetzt auf die korrekte Ausführung der Aufgaben, die ihm übertragen werden. Das tut er gewissenhaft und ohne Widerspruch.
Die Arbeitszeit beginnt für die Abteilungen der Produktion um 7 Uhr und endet um 16 Uhr. Darin enthalten sind 15 Minuten für ein zweites Frühstück und 30 Minuten für die Mittagspause. 15 Minuten ihrer täglichen Arbeitszeit spendet die Belegschaft für die Aufforstung des Regenwaldes. Diese umweltbewusste Aktion hat dem Unternehmen eine hohe Wertschätzung in politischen Kreisen eingebracht. Die betriebsinterne Umsetzung unterliegt der Geheimhaltung.
Für die Abteilungen der Forschung beginnt der Arbeitstag erst um 8 Uhr und endet um 17 Uhr mit gleicher Pausenregelung wie bei der Produktion. Dieser gestaffelte Arbeitsbeginn bewirkt unterschiedliche Zeiten für die Mittagspause und verhindert so einen zu großen Andrang in der Kantine.
Haupterzeugnisse der Firma sind homöopathische Präparate und Nahrungsergänzungsmittel. Hinzu kommen noch spezielle veterinärmedizinische Erzeugnisse für die landwirtschaftlichen Nutztiere.
Die verschiedenen Forschungsabteilungen beschäftigen sich mit der Neu- und Weiterentwicklung solcher und ähnlicher Präparate. Eine Ausnahme bildet die von Jo bezeichnete „Kopfgruppe“, die einige Neuentwicklungen vorantreibt. Ihr gehören neben Jo noch Billy, Piotr und Franz an.
Billy arbeitet bereits seit drei Jahren an der Entwicklung eines Mittels zur Stagnation des Krebswachstums und ist auf diesem Weg schon so weit vorangekommen, dass demnächst die ersten Versuche an menschlichen Probanden durchgeführt werden sollen.
Piotr beschäftigt sich ebenfalls mit der Krebsforschung, speziell mit der Onkogenese. Sein Ziel besteht darin, bereits im Embryonalstadium eine Hürde gegen die Entwicklung von Krebszellen zu schaffen.
Beide Themen haben Weltbedeutung und Jo ist fest entschlossen, einen oder zwei Anträge auf Erteilung des Nobelpreises einzureichen.
Während Billy und Piotr sich intensiv ihren Themen widmen, ist Jo mit Reisevorbereitungen beschäftigt. Er hat sein Team davon in Kenntnis gesetzt, dass er ab morgen für zwei Wochen nach Zürich zu einem Kongress fährt und anschließend in der Schweiz an verschiedenen Institutionen Seminare abhalten wird. Billy wird ihn in seiner Abwesenheit vertreten.
Sie ist sich aber sicher, dass Jo diese zwei Wochen für eine andere Art der „Weiterbildung“ vorgesehen hat.
Vor bereits sechs Jahren nahm Jo tatsächlich an einem Symposium in Zürich teil. Dort lernte er den auf seinem Fachgebiet der Onkologie hervorragenden Prof. Dr. Winter kennen. Dieser 62-jährige Wissenschaftler hatte seine Tochter Ilona, damals gerade 21 Jahre alt, zu dem Kongress mitgenommen, damit sie bereits mit dem Gefühl vertraut gemacht wird, wie es ist, bekannt zu sein. Auch sie sollte nach seinem Wunsch einmal eine bedeutende Forscherin werden. Das war allerdings nur der stille Wunsch des strebsamen Vaters. Seine Tochter hatte andere Zukunftsvisionen.
Als sie damals Jo vorgestellt wurde, geschah etwas in ihrer Psyche, was getrost als eine mentale „Weichenstellung“ bezeichnet werden könnte. Bald stellte sie sich die Frage: „Warum soll ich jahrelang studieren, wenn es doch einfacher ist, mit meinem Charme und Körper einen bereits bekannten Wissenschaftler zu umgarnen und auf diese Weise ins Rampenlicht zu kommen?“ Sie schaute Jo in die Augen, lächelte und wartete nicht lange auf eine positive Erwiderung. Und schon brauchte er sich keine Gedanken mehr zu machen, womit er die Vortragspausen ausfüllen könnte. Zwischen beiden entwickelte sich überraschend schnell eine Zärtlichkeit, von der Billy nur träumen kann. Ilona wurde im Handumdrehen zu einem festen Bestandteil seines privaten Lebens.
Dass diese Entwicklung von ihrem Vater ganz und gar nicht gewollt war, lässt sich erahnen. Doch es führte kein Weg an den Vorstellungen für das weitere Leben von Ilona vorbei.
Morgen früh reist Jo nicht nach Zürich, sondern er fliegt nach Stockholm. Dort wird er Ilona treffen und gemeinsam mit ihr zwei Wochen Schwedenurlaub genießen.
Nach Dienstschluss treffen sich Jo und Billy in ihrem Zuhause. Sie trinken auf der Terrasse, die neben dem Gartenteich angelegt ist, in Ruhe eine Tasse Cappuccino. Bei dieser Gelegenheit eröffnete Jo Billy den Reiseplan:
„Hör zu Billy, ich fliege morgen früh mit der 8-Uhr-Maschine nach Zürich zu dem jährlichen Kongress. Dort werde ich meine Vorträge halten und dann an einigen Institutionen in der Schweiz Seminare zu aktuellen Themen der Krebsbekämpfung durchführen“.
Billy nimmt einen großen Schluck Cappuccino und antwortet mit der ihr eigenen Gelassenheit:
„Ist gut Jo, du brauchst das nicht weiter auszuführen, da mir bekannt ist, dass diese Meetings jährlich stattfinden. Ebenso weiß ich sehr wohl, dass du diese Kongresse in den letzten fünf Jahren nicht mehr besucht hast. Du amüsierst dich mit einem inzwischen groß gewordenen Kind, um dir deine Männlichkeit zu beweisen. Schon lange hast du mich fühlen lassen, dass du in mir nur eine akademische Hausfrau siehst, die du im Beisein anderer in den Himmel lobst, um als dankbarer Ehegatte dazustehen. Aber du bist es nicht mehr.
Glaubst du vielleicht, es ist für mich ein Vergnügen, wenn ich schon am ersten Januar eines jeden Jahres weiß, wie unser Sexualleben bis Silvester verläuft. Mit ungebrochener Regelmäßigkeit findet unsere „Liebe“ wöchentlich am Sonnabend statt. Vollkommen fantasielos spielst du auch dabei das Oberhaupt. Wie gern hätte ich mit dir ein Kind gehabt. Aber es hat nicht geklappt. Du warst auch nicht bereit, mit mir einen Arzt aufzusuchen, damit wir gewusst hätten, an wem es liegt.“
Jo holt tief Luft und erwidert:
„Natürlich freue ich mich auf das Zusammensein mit Ilona. Ich benötige ihre Zuneigung für den Aufbau meiner inneren kreativen Kräfte. Sie ist mein Jungbrunnen. Den kannst du mir als 39 Jahre alte Frau nicht mehr bieten.“
Jo verschwindet und wirft hinter sich die Tür zu. – Billy bleibt still sitzen, trinkt den letzten Schluck des kalt gewordenen Cappuccinos und lauscht dem leisen Plätschern der Fontäne im Gartenteich.
Sie denkt an ihren Bruder, den Ingenieur Artur Meister. Was hat dieser Mann alles auf sich genommen, um seiner plötzlich erkrankten Frau die letzten Monate ihres Lebens erträglich zu machen. Er war jeden Tag bei ihr im Hamburger Krankenhaus.
Als beide merkten, dass die letzte Stunde nahte, wich er nicht mehr von ihrer Seite und hielt ihre Hand. Er erfüllte ihren Wunsch nach einer Seebestattung. Dann war für ihn die schönste Zeit vorbei. Fast sein gesamtes, hart erarbeitetes Vermögen hatte er für die zahlreichen Therapien seiner Liebsten hergegeben. Nun war er nahezu mittellos, aber zu stolz, um von ihr, seiner Schwester, finanzielle Hilfe anzunehmen, die sie ihm gern gegeben hätte. Er heuerte auf einem Schiff an und ist ausgewandert nach Kanada, um dort in der Nähe von Ottawa ein beschiedenes Leben zu führen.
Billy bleibt noch sitzen, die Gedanken an ihr eigenes Leben lassen ihr keine Ruhe. Wie soll es jetzt weitergehen? Muss sie sich bei einem so schändlichen Verhalten ihres Gatten noch immer an das Eheversprechen halten? Sie weiß sehr wohl, dass es einen Mann gibt, der sie auf Händen tragen würde. Aber sie weist ihn jedes Mal in die Schranken, ganz gegen ihr eigenes Gefühl.
Billy beschließt, nach diesem Gespräch nicht im gemeinsamen Schlafzimmer die Nacht zu verbringen, sondern geht in das „Ruhezimmer“, legt ihr kleines Merkbuch in den Tresor und geht zu Bett.
Das Merkbuch hat eine ganz besondere Bedeutung, da Billy für streng vertrauliche Informationen kein elektronisches Medium benutzt. Sie skizziert und schreibt alles in ihr kleines Büchlein, das sie immer in ihrer Handtasche bei sich hat. Nachts liegt es im Tresor, dessen Code nur sie allein kennt.
Bewusst frühstückt sie heute später, denn dann ist Jo bereits aus dem Haus. Obwohl der Sonnabend kein Werktag ist, fährt Billy in die Firma. Dort genießt sie die Ruhe und wendet sich ihrem Hobby zu, der Fotografie. In ihrem PC ruft sie ihre Bilddateien ab und erfreut sich immer wieder am Anblick vieler prachtvoller Blumen, die sie fotografiert hat. Der Reiz solch schöner Fotos liegt darin, sie mit einer passenden Software noch strahlender erscheinen zu lassen. Also experimentiert sie mit einem bekannten Bildbearbeitungsprogramm, verändert Farbe und Sättigung und kombiniert verschiedene Fotos mit verringerter Transparenz. Es bereitet ihr Freude und diese Kreativität stärkt ihr Selbstbewusstsein.
Weil Pjotr keine eigene Familie hat, verbringt er viel Zeit in der Firma. Manches Wochenende gehört entweder dem Amateurfunk oder er treibt seine Forschungsarbeiten vehement voran, um Billys Vorsprung einzuholen.
Während sie immer neue Blumenvariationen auf dem PC entstehen lässt, wird Billy von Piotr gestört, der bei der Literaturrecherche auf einen interessanten Punkt gestoßen ist, über den er mit ihr gern sprechen möchte.
Nun gut dann ist jetzt erst einmal wieder Schluss mit Fotografie und die Biowissenschaft rückt in den Vordergrund. Beide sitzen aufmerksam vor Piotrs PC und lesen die interessanten Passagen, die Pjotr bereits erwähnt hatte. Ein wenig berühren sich ihre Körper und schon erwacht in Piotr das unbeschreibliche Gefühl einer angenehmen Nähe. Er denkt an seinen Psychologen und kann ihm nur zustimmen. Es ist so. Die unsichtbare Kraft, die von Billy ausgeht, wird immer stärker.
Auch Billy spürt wieder das tiefe Verlangen, wenn sie an Pjotr denkt oder in seiner Nähe ist.
Doch anders als sonst wehrt sie sich heute nicht. Beide lesen zwar weiter, aber ob sie den Inhalt tatsächlich begreifen, bleibt momentan sehr fraglich. Billy zeigt mit ihrem Finger auf einen englischen Fachausdruck, der ihr fremd ist und fragt Piotr:
„Weißt du, was das heißt?“
Piotr erfasst ihren Finger, greift nach der ganzen Hand und führt sie vom Bildschirm weg auf die Schreibtischplatte. Billy wendet ihren Kopf, um sicher zu sein, dass sie unbeobachtet sind. Unvermutet fasst sie mit beiden Händen seinen Kopf und gibt ihm einen Kuss. Piotr sieht ihr in die Augen und er spürt, dass eine nie gekannte Röte sein Gesicht überzieht und sagt ganz leise zu ihr:
„Nach diesem Moment habe ich mich schon jahrelang gesehnt.“
Und Billy stimmt ein:
„Ich aber auch, doch ich durfte es nicht zeigen.“
„Und warum darfst du es jetzt?“
fragt Piotr. - Billy antwortet kurz:
„Piotr, lass uns jetzt weiterarbeiten und sei heute zum Abendbrot um 19 Uhr bei mir. Es gibt viel zu erzählen!“
Natürlich vergeht dieser Tag ganz besonders schnell. Piotr ist aus dem Häuschen vor Glück. Aber wie soll die Zukunft aussehen? Auf keinen Fall darf ihm jetzt ein Fehler unterlaufen, denn es ist erst der Anfang. Und ein Anfang ist stets bedeutungsvoll. Ein schlechter Anfang kann alles zerstören, ein guter Anfang kann der Beginn eins fantastischen Lebens sein: also ein Anfang mit Bedacht.
Seine Arbeit beendet er etwas früher, denn er muss unbedingt noch in ein Blumengeschäft und auch in eine Weinhandlung. Wie ruhig war dagegen sein Alltag bis gestern, aber lange nicht so schön!
Kurz vor 19:00 Uhr drückt er den Klingelknopf. Billy öffnet die Tür und sagt:
„Piotr schön, dass du da bist!“
„Danke für die Einladung, ja ich möchte immer da sein!“
Billy kann sich das Schmunzeln nicht verkneifen, doch sie kennt ihn sehr gut und seine übergroße Zuneigung. Manches Mal machte sie ihr Angst und sie denkt:
„Schon einmal wurde mir von einem Mann gesagt, dass er mich unendlich lieben würde, und jetzt fährt dieser ‚er‘ mit einer anderen Frau durch Schweden. Vielleicht hört auch sie wieder dieses „Gesäusel“ von unendlich währender Liebe, aber sie hat es so gewollt. Interessiert mich nicht.“
Aber bei Pjotr brauche ich mir solche Gedanken nicht zu machen.
„Tritt ein, Piotr, fühle dich hier wie zu Hause. Ich habe uns ein kleines Abendbrot zubereitet.“
„Und ich habe dazu passend einen lieblichen Rotwein mitgebracht!“
Nun stellt sich allmählich wieder die ersehnte Ruhe und angenehme Stimmung ein. Sie setzen sich und nehmen den ersten Schluck auf ‚ein paar schöne Stunden zu zweit!‘
Heute Abend sind sie ungestört und beide haben viel Zeit, interessante Gespräche zu führen und an die Zukunft zu denken. Dass plötzlich das Telefon klingelt, stört sie nicht, aber Billy muss dennoch den Anruf entgegennehmen.
„Hallo, mein Schatz. Ich wollte mich nur melden, dass ich gut in Zürich angekommen bin!“
kommt ihr aus dem Telefon entgegen. Darauf antwortet Billy:
„Joachim, bitte unterlass diese gespielten Zärtlichkeiten von jetzt an und für immer. Ich bin nicht dein Schatz, sondern lediglich deine amtlich beurkundete Ehefrau und nichts weiter. Und gewöhne dir das Lügen ab. Du bist nicht in Zürich, denn deine 8-Uhr-Maschine flog nach Stockholm. Und warum rufst du gerade jetzt an? Ist Ilona gerade unter der Dusche und sie darf dein Gespräch mit mir nicht hören. Rufe nie wieder an, denn du störst einen sehr angenehmen Abend. Den habe ich mir nach 20 Jahren auch verdient.“
Das war bereits die Einstimmung auf die folgende Unterhaltung mit Piotr. Billy braucht jetzt einen geduldigen Zuhörer, denn sie muss sich viel von der Seele reden.
Als das Abendessen beendet ist, räumt Billy den Tisch ab bis auf die Weingläser und die Flasche mit dem Rotburgunder.
Billy meint zu Piotr, dass sie auf der Couch einen bequemeren Platz haben und sie wechseln die Sitzplätze.
Plötzlich klingelt jemand an der Haustür. Billy geht hin, öffnet die Tür und sagt:
„Hallo Franz, was führt dich zu mir?“
„Hallo Billy darf ich eintreten?“
„Nein darfst du nicht. Was möchtest du?“
„Jo hat mich eben angerufen, er benötigt für einen Vortrag noch Unterlagen aus seinem Schreibtisch, die soll ich mitnehmen und ihm etwas vorlesen!“
„Franz, lass dich nicht zum Narren machen. Jo ist bei keinem Kongress und er benötigt auch keine Unterlagen, er ist mit seiner Geliebten in Schweden und macht Urlaub. Du sollst nur herausfinden, ob ich allein zu Hause bin oder Besuch habe, stimmts?“
„Ja, das soll ich!“
„Franz, geh nach Hause, trink ein Bier und vergiss Jo.“
Nun kann Billy Piotr ihr Herz ausschütten und von ihrer Vergangenheit erzählen, ohne zu befürchten, dass sie Jo wieder stört:
„Wir hatten uns damals in einem Großbetrieb kennengelernt, in dem wir beide beschäftigt waren. Jo beeindruckte mich durch seine wissenschaftliche Leistung, sein sicheres Auftreten und seine betont höflichen Umgangsformen. Er war ein Frauentyp und ich verliebte mich in ihn. Bald aber musste ich feststellen, dass er auch andere junge Frauen attraktiv fand und von diesem oder jenem Tête-à-Tête nicht abgeneigt war. Diese dreiste Untreue ist mit den Jahren immer heftiger und häufiger geworden. Heute sagt er mir frech ins Gesicht, dass er die körperliche Nähe junger, hübscher Frauen brauche, um seine Kreativität zu forcieren, denn eine 39-Jahre alte Frau, wie ich es bin, sei dazu nicht mehr in der Lage. Piotr, kannst du dir vorstellen, was so eine diffamierende Beurteilung in meinem Inneren bewirkt?
Jo ist schon wieder unterwegs, mit einer inzwischen 26-jährigen Blondine, die ihm all das sagt, was er hören will. Soll er tun, was er absolut nicht lassen kann, aber seine Zweisamkeit früherer Zeiten mit mir ist zu Ende. Ich möchte ein neues Leben beginnen, mit einem Partner auf Augenhöhe. Gegenseitigen Respekt sehe ich als grundlegende Eigenschaft einer dauerhaften Partnerschaft. Dazu gehört selbstverständlich ein gutes Maß an Empathie, um dem anderen das zu geben, was ihn glücklich macht und umgekehrt. Unsere erotische Beziehung ist davon meilenweit entfernt und ich fühle mich bei Jo nur noch sexuell verpflichtet. Damit ist ab heute ein für alle Mal Schluss. Ich hoffe, dass ich in dir einen einfühlsamen Partner finde.“
Billys langes Eingeständnis einer gescheiterten Ehe gibt Piotr etliche Denkanstöße, die er erst einmal zu verarbeiten hat.
Inzwischen ist es fast Mitternacht geworden, Piotr rekelt sich und sagt:
„Ich glaube, es ist schon spät und ich werde….“
„Du glaubst doch nicht etwa, dass ich dich jetzt gehen lasse, du bleibst hier.
Wir haben noch viel nachzuholen!“
Heute dürfen beide getrost länger schlafen und gemeinsam allmählich aufwachen. Sie geben sich einen ‚Guten-Morgen-Kuss‘ und überlegen, wie sie den heutigen Ruhetag verbringen können. Natürlich wird auch über die Chancen eines Nobelpreises gerätselt, obwohl Jo vorweg bestimmt hatte, dass die Prämie bei einem Nobelpreis sofort in das Unternehmen fließen würde. Die Mitarbeiter, die an der Forschungsaufgabe mitgewirkt haben, erhalten sowieso ein hohes Gehalt. Damit seien alle Leistungen ausreichend abgedeckt.
Bei diesem Gespräch kommt auch die Frage nach der Geheimhaltung von Forschungsergebnissen auf. Pjotr erklärt Billy, dass er seine Aufzeichnungen mit einer doppelt gesicherten Verschlüsselung auf einer externen Festplatte speichert. Diese nimmt er mit, wenn er einmal längere Zeit verreist.
Billy steht einer digitalen Speicherung eher skeptisch gegenüber, da sie an keine absolut sichere Codierung glaubt. Sie erzählt Pjotr, dass sie ihre Aufzeichnungen ganz einfach in ein kleines Merkbuch schreibt, was sie immer bei sich führt und des Nachts im Tresor aufbewahrt. Das ist für sie ein sicherer Ort.
Nun soll es aber genug sein mit Diskussionen über Forschung und Geheimhaltung am Sonntag. Jetzt steht das private Leben wieder im Vordergrund.
An Stelle dessen macht es mehr Sinn, wenn sie über ein neues gemeinsames Wohnhaus nachdenken. Natürlich soll ein Blumengarten dazugehören und Billys Entwurf gewinnt eine besondere Bedeutung. Die große Leidenschaft für Blumen und außergewöhnliche Gewächse führt sie zu absonderlichen Kreationen.
Am Nachmittag sitzen sie auf der Terrasse und trinken Billys Eiskaffee.
Der Nachmittag verläuft für beide genau so, wie sich Billy das harmonische Zusammenleben wünscht.
Sie schöpfen Kraft für den nächsten Arbeitstag, denn ihnen ist bewusst, dass da allerhand auf sie zukommen wird.
Am Montagmorgen wünschen sie sich mit einem Kuss einen schönen Tag und frühstücken gemeinsam in aller Ruhe und Besinnlichkeit. Danach starten sie leider jeder mit seinem eigenen Auto in die Firma. Vorher fragt Pjotr Billy aber noch: „Nimmst du nicht aus dem Tresor dein Merkbüchlein mit?“ – „Nein, das bleibt hier, bis ich wieder einen Bericht hineinschreibe.“
Im Unternehmen beschäftigt sich jeder mit den aktuellen Forschungsaufgaben und Piotr geht es besonders gut von der Hand. Seine große Belegarbeit über die „Hemmung der Krebsbildung im Embryonalstadium“ kann er heute beenden und sie dem Professor Rogmann vorlegen, der sie nach Stockholm weiterleiten will an das Nobelkomitee.
Aber immer wieder drängen sich persönliche Fragen in seine Forschungsarbeit. Wie soll es weitergehen, wenn es zu einer Scheidung kommt? Piotr hatte von Billy erfahren, dass ihr zwar das halbe Haus gehört, doch alles andere ist Eigentum von Jo. Das hatte er in einem Ehevertrag so formuliert, dass dieser zu seinen Gunsten war. In ihrer damaligen Hingabe hatte Billy diese Tücke in dem Vertrag noch nicht erkannt oder erkennen wollen. Nun aber steht es da schwarz auf weiß. Pjotr zieht daraus den Schluss: ‚Wir müssen beide das Unternehmen verlassen und uns eine neue Beschäftigung suchen. Und mit welchen finanziellen Mitteln können wir diese Schaffenspause überbrücken, in der wir kein Gehalt bekommen?‘ Piotr ist der Mann und er fühlt sich in der Pflicht, für die materielle Sicherheit zu sorgen. Dabei schwebt ihm eine Lösung vor.
Billy tritt in diesem Augenblick in sein Labor und sagt:
„Piotr, ich habe heute in Joachims Büro eine E-Mail gefunden, in der er eine russische Expertengruppe zu einem Besuch in unsere Firma eingeladen hatte. Sie bestätigen heute die Einladung und kündigen sich mit fünf Personen für Donnerstag früh um 11:00 Uhr an. Ich muss da noch einiges organisieren, genauer gesagt in Gang setzen.“
Heute Abend fährt Piotr zu Billy zum gemeinsamen Abendbrot.
Nach dem Abendessen besprechen sie kurz einige Punkte, die den Besuch der Russen betreffen. Sie werden, wie es Joachims Art ist, das Unternehmen in das beste Licht setzen, aber wesentliche Fragen in ‚allgemein konkreter‘ Form zu beantworten wissen.
Dann aber fällt Piotr etwas ein und er sagt:
„Ich muss noch einmal kurz in meine Wohnung, um mich mit frischer Kleidung einzudecken.“
Als er nach über einer Stunde noch nicht zurück ist, wird Billy ungeduldig. Sie zieht sich eine Jacke an, geht auf die Straße und schaut ziellos nach beiden Seiten. Sie kann aber nichts erkennen und geht ein paar Schritte weiter. In großer Entfernung entdeckt sie zwei kleine rote Punkte, die die Rücklichter eines Autos sein könnten. Weil sich diese Lichter nicht bewegen, geht sie näher und stellt fest, dass es Pjotrs Auto ist, das halb auf dem Gehweg steht. Der Motor läuft noch. Durch die Seitenscheibe erblickt sie Pjotr, der in sich zusammengerutscht ist und den Kopf hängen lässt. Sie erschrickt, greift nach ihrem Handy und setzt einen Notruf ab.
Billy fasst nichts an und lässt auch noch den Motor laufen. Nach wenigen Minuten kommen in schneller Fahrt ein Rettungsfahrzeug und ein Streifenwagen. Die Polizisten öffnen die Tür, stellen nur den Motor ab und machen dann den Platz frei für die Rettungskräfte. Der Notarzt stellt zwar fest, dass das Herz noch schlägt, aber sehr langsam. Eine weitere Diagnose kann er noch nicht stellen. Pjotr wird eine Sauerstoffmaske angelegt und mit der Trage in das Rettungsfahrzeug geschoben. Billy beantwortet noch schnell ein paar Fragen der Polizisten und fährt dann mit ins Krankenhaus.
Hier vermutet der Arzt zunächst einen Schlaganfall. Doch bei der Blutuntersuchung werden toxische Substanzen gefunden, die die Ohnmacht ausgelöst haben. Nach einer Stunde ist die normale Sauerstoffsättigung des Blutes wieder erreicht und Pjotr ist ansprechbar. Er schaut Billy verwundert an und fragt:
„Billy, wo bin ich? Was ist geschehen? Ich wollte doch in meine Wohnung fahren?“
„Pjotr, es ist alles gut. Du liegst in einem Bett und bist im Krankenhaus, weil du plötzlich ohnmächtig wurdest.“
Der Stationsarzt wendet sich an Billy:
„Ich möchte den Patienten noch diese Nacht hierbehalten, um sicher zu sein, dass sein Zustand wieder stabil ist. Morgen kann er dann das Haus verlassen, wenn alles wieder normal ist.“
Billy verabschiedet sich von Pjotr und lässt sich mit einem Taxi nach Hause bringen. Ihre Aufregung hat sich noch nicht ganz gelegt, denn immer wieder stellt sie sich die Frage, was die Ursache gewesen sein könnte.
Auf dem Weg zu ihrem Haus fährt sie an der Unglücksstelle vorbei und stellt fest, dass Pjotrs Auto bereits von der Polizei abgeholt worden ist. Sie wollen klären, ob eventuell eine kriminelle Handlung zu dem Ohnmachtsanfall geführt hat.
In der folgenden Nacht findet sie keine Ruhe. Hatte sie vielleicht etwas Ungenießbares auf den Tisch gebracht? Aber warum hat sie dann nichts gemerkt? Und wer sollte Interesse daran haben, Pjotr etwas anzutun? Mit diesen wirren Gedanken und Vermutungen vergehen die Stunden, bis sie schließlich ermüdet einschläft.
Gleich nach dem Frühstück will Billy ins Krankenhaus fahren, um nach Pjotr zu sehen. Sie packt schnell ihre Tasche, greift nach dem Autoschlüssel und verlässt das Haus. Als sie sich dem Auto nähert, entdeckt sie etwas Weißes an der Frontscheibe. Sie geht näher und sieht einen Briefumschlag, über dem quer der Stiel einer schwarzblauen Rose liegt. Der Scheibenwischer klemmt unterhalb der kräftigen Blüte den Briefumschlag und die Blume fest. Einen Moment steht sie wie versteinert davor. Dann öffnet sie die Autotür, holt aus dem Handschuhfach ein Paar Gummihandschuhe und hebt nun vorsichtig den Wischerarm an, damit sie die Rose und den Briefumschlag wegnehmen kann. Genauso vorsichtig öffnet sie den Umschlag und nimmt einen kleinen Zettel heraus. Darauf steht mit Schreibmaschine geschrieben der kurze Text: „ich bin dein mann und nicht der deutsch-russe. ich gebe nicht auf. Adam.”
Als sie sich etwas gefangen hat, ruft sie Kommissar Müller an und bittet ihn zum Tatort. Schnell ist er vor Ort und hat gleich zwei Beamte der KTU mitgebracht. Sie nehmen Fingerabdrücke vom Rahmen der Frontscheibe. Billy gibt ihnen noch die Rose und den Briefumschlag mit dem Zettel. Zwar versteht sie überhaupt nicht, was das zu bedeuten hat, doch ihr ist klar, dass es zu Pjotrs Anschlag einen Zusammenhang geben muss. Aber Billy versucht, das alles pragmatisch zu sehen und fährt zu Pjotr ins Krankenhaus. Sie ist fest entschlossen, zunächst Pjotr nichts von diesem Vorfall zu berichten. Dort klopft sie an die Tür des Krankenzimmers, in dem Pjotr liegt und, tritt ein. Er strahlt sie gleich an und beide begrüßen sich. In diesem Moment betritt der Stationsarzt das Zimmer und spricht Billy an:
„Ich werde Herrn Lewitsch jetzt abschließend noch einmal untersuchen und wenn alles in Ordnung ist, können Sie mit ihm das Krankenhaus wieder verlassen. Sollten sich aber in der nächsten Zeit Beschwerden zeigen, dann muss er sich unbedingt melden.“
Der normale Gesundheitszustand ist zum Glück wieder hergestellt. Billy und Pjotr verlassen das Krankenhaus und fahren gemeinsam mit ihrem Auto zu Billy nach Hause. Hier trinken sie eine Tasse Kaffee. Langsam legt sich die Aufregung und beide versuchen, den gestrigen Abend zu rekonstruieren.
Einen Augenblick später klingelt es. Billy geht hin, öffnet die Tür und ein Polizist betritt das Haus und stellt sich vor:
„Guten Tag, Herr Dr. Lewitsch. Ich bin Kriminalkommissar Müller und möchte Ihnen gern ein paar Fragen stellen. Zuvor habe ich mit dem Stationsarzt gesprochen, der mir mitgeteilt hat, dass eine Vergiftung die wahrscheinliche Ursache ist. Fühlen Sie sich in der Lage, mit mir zu sprechen?“
„Ja, bitte fragen Sie nur, ich fühle mich wohl.“
„Bitte schildern Sie, woran Sie sich noch erinnern können:“
„Ich erinnere mich, dass ich mit meinem Auto zu meiner Wohnung fahren wollte. Plötzlich konnte ich nicht mehr gut sehen, da habe ich den Leerlauf eingeschaltet, um stehen zu bleiben. Von da an weiß ich nichts mehr.“
„Wir haben Ihr Fahrzeug zu einer näheren Untersuchung zur KTU gebracht, um festzustellen, ob tatsächlich ein Fremdverschulden vorliegt. Sobald wir ein Resultat haben, werden wir uns bei Ihnen melden. Danke und gute Besserung.“
Damit verabschiedet sich der Kommissar und verlässt das Haus.
Endlich können Billy und Pjotr in die Firma fahren, denn beide haben im Unternehmen die liegen gebliebenen Aufgaben zu erledigen. Dabei vergeht der Arbeitstag schnell. Außerdem muss Billy der Sekretärin Frau Henne von dem Ereignis berichten. Mittlerweile hat sich zwischen den beiden Frauen ein nettes, sogar freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Dieser Anschlag auf Pjotr macht natürlich in der Firma sofort die Runde. Doch das ist für Pjotr ebenso unangenehm wie für Billy. Also freuen sich beide auf den Feierabend, um unnötigen Fragen aus dem Weg zu gehen.
Billy fühlt, dass sie wieder ein schmackhaftes Abendbrot angerichtet hat und freut sich schon darauf, nach einem langen Tag die ersehnte Ruhe zu finden. Piotr hat bereits geduscht, das Abendbrot eingenommen und liegt jetzt schon im Bett, wo er mit seinem Handy beschäftigt ist. Gern liest er dabei Kurznachrichten und Neues aus aller Welt.
Inzwischen ist das von Jo so genannte „Ruhezimmer“ zu ihrem Schlafzimmer geworden. Das soll auch so bleiben, bis sie einmal ein eigenes Haus haben.
Billy kommt, legt den Bademantel ab und geht zum Tresor. Plötzlich meldet sich Pjotr zu Wort:
„Stell dir vor, was ich hier bei den neuesten Nachrichten lese. Dort hat sich letzte Nacht in Mexiko ein gewaltiger Bergrutsch ereignet.“
Er tut so, als würde er das vorlesen, doch er schaut dabei auf sein Smartphone. Billy gibt unterdessen den Code in den Tresor betont langsam ein, damit Piotr sie noch eine Weile anschauen kann. Was sie aber nicht weiß und auch nie hätte ahnen können, ist etwas Besonderes, was Piotr in Petersburg bei einem Zusatzseminar beim russischen Geheimdienst gelernt hatte. Während er auf sein Smartphone sieht, erblickt er nicht den gewaltigen Bergrutsch, sondern erkennt deutlich seine Billy die Zeichen für Zeichen den Code am Tresor eingibt:
C-A-T-H-Y-1-3.
Er hat auf seinem Smartphone auf „Video“ geschaltet und registriert damit jede Bewegung von Billys Fingern, die den Öffnungscode eintippen. Sie öffnet ihn, nimmt das Merkbüchlein in die Hand, blättert darin ein wenig und legt es wieder zurück.
Schnell schaltet Piotr das Handy aus, und als sie mit einem kleinen Sprung zu ihm ins Bett kommt, nimmt er sie in den Arm.
Billy hat von der heimlichen Videoaufnahme nichts bemerkt und zeigt mit jeder Bewegung ihres Körpers ihre Verliebtheit. Sie haben beide eine schöne Nacht. Das Rollo ist heruntergelassen, obwohl es draußen noch hell ist.
Am nächsten Morgen macht Billy bereits Frühstück, während Piotr sich im Schlafzimmer anzieht. Auf Billys Nachttisch liegt ihr Brillenetui. Er öffnet dieses, nimmt die Brille heraus, legt sie in das Schubfach des Nachttisches und verschließt wieder das Etui. Jetzt ruft Billy Piotr zum Frühstück. Danach fahren sie beide wieder los. Billy geht noch einmal schnell ins Schlafzimmer, um sich ihr Brillenetui zu holen.
Im Unternehmen angekommen, wollen beide sich ihren Tagesaufgaben widmen. Plötzlich fällt Billy auf, dass ihr Brillenetui leer ist und sie ruft:
„Piotr, ich habe meine Brille zu Hause liegen lassen, die muss ich mir jetzt holen.“
„Aber nein, Billy, das musst du nicht. Ich kann das gern für dich erledigen, denn du hast bestimmt noch viel zu erledigen.“
Billy gibt Piotr den Haustürschlüssel und er fährt mit ihrem Auto zur Villa. Dort öffnet er schnell die Haustür und geht ins Schlafzimmer zum Tresor. Jetzt schaut er sich das kleine Video an, was er am Abend zuvor aufgenommen hatte und erkennt, welche Zahlenkombination Billy eingibt. Nun tippt Pjotr genau diesen Code ein, macht den Tresor auf und nimmt das Merkbüchlein heraus. Er blättert zu den letzten Seiten, greift ein weiteres Mal zum Smartphone und fotografiert einige Formeln, Skizzen und die Texte dazu. Vorsichtig schließt er das Merkbüchlein, legt es genau an die Stelle, wo es zuvor gelegen hatte und klappt den Tresor wieder zu. Jetzt nimmt er nur noch aus dem Schubfach des Nachttisches die Brille und steckt sie ein. Er verlässt das Haus, verschließt es und fährt zum Bäcker. Dort kauft er schnell zwei belegte Brötchen und saust zurück in die Firma. Billy erwartet ihn schon:
„Das hat aber doch länger gedauert, als ich ahnte.“
„Ja, hier ist deine Brille und ich war noch beim Bäcker und habe für jeden von uns ein Brötchen gekauft, daher komme ich etwas später.“
Gegen 10:00 Uhr erscheint Kommissar Müller bei Frau Henne und bittet sie, Frau Dr. Rogmann zu informieren, dass er sie sprechen möchte.
Im Büro von Billy nehmen beide am Tisch Platz. Müller vermutet, dass diese Tat mit dem Anschlag auf Pjotr in Zusammenhang steht. So fragt er Billy, ob sie einen Mann namens Adam kennen würde oder einen Verdacht hätte. Er findet, dass die Farbe der Rose nicht zufällig gewählt ist. Das „Blau“ der Blüte soll Symbol „bedingungsloser Treue“ sein und die schwarze Farbe am Blütenkelch soll die Entschlossenheit symbolisieren.
Müller verspricht, die Kommissarin Lohmann und den Kommissar Storch für die Aufklärung einzusetzen. Damit verabschiedet er sich und sagt zu, dass er ihr alle neuen Erkenntnisse mitteilen wird.
Der Arbeitstag vergeht schnell und bleibt ohne besondere Vorkommnisse. Bei aller Aktualität der neuen privaten Beziehung zwischen Billy und Pjotr verfolgen beide das Ziel, ihre wissenschaftliche Arbeit mit der nötigen Intensität fortzuführen, damit das Unternehmen‚ ‚Bio-RO-Tec‘ die Spitzenposition für die onkologische Forschung und Pharmaindustrie behält. Aber soweit es sich vermeiden lässt, werden fachliche Gespräche nicht im privaten Bereich geführt. Wenn man das tolerieren würde, bekäme der Feierabend schnell den Charakter eines Seminars. Gerade wenn sich Menschen näherkommen, möchte man von dem neuen Partner mehr erfahren. So ist es auch heute. Billy verschwindet kurz in den Keller und kommt mit einer Flasche „Chardonnay“ zurück, stellt sich mit der Flasche vor Pjotr und fragt:
„Was hältst du davon?“
Pjotr nickt, spitzt kurz die Lippen, als wolle er den Geschmack des Weines empfinden und sagt:
„Ja, du hattest wieder einmal eine hervorragende Idee!“
„Pjotr, ich mag dich, das weißt du, aber ich kenne dich noch viel zu wenig. Ich erlebe täglich deinen Eifer und deine Begeisterung, wissenschaftliche Fragen bis ins Detail zu klären, doch wie dieser Forscher so ganz privat ist, das möchte ich auch erfahren, vielleicht noch heute!“
Bei diesem Beisammensein hat sich Pjotr ein wenig geöffnet und Billy sieht, dass dieser Mann auch seine persönlichen Ziele mit Enthusiasmus so lange verfolgt, bis er sie erreicht hat. Mit solchen Gesprächen vertreiben sich die beiden den heutigen Abend. Ein wenig Zärtlichkeit ist immer dabei und dennoch wird der Abend für Billy sehr aufschlussreich. Sie hat durch seine Erzählungen einen tieferen Einblick in sein Seelenleben bekommen und kann so Pjotrs Handeln besser beurteilen.
An diesem Tag erwartet die Führungsriege von ‚Bio-RO-Tec‘ voller Spannung das russische Expertenteam. Weil der Direktor des Unternehmens verreist ist, liegt die Vertretung bei Billy und sie fühlt sich damit auch für die Betreuung der Gäste verantwortlich. Zu um 9:00 Uhr hat sie alle Mitarbeiter der Forschungsgruppe zu einer kurzen Zusammenkunft in den Konferenzraum gebeten, wo sie Folgendes mitzuteilen hat:
„Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wieder einmal so weit, dass wir Gäste bekommen. Ein Team russischer Wissenschaftler, das sich ebenfalls mit Methoden der Krebsbekämpfung und der Entwicklung entsprechender Präparate beschäftigt, kommt zu Besuch. Wir werden den Gästen unser modernes Equipment und alle anderen Anlagen zeigen und kurze Erläuterungen geben, auch zu unserem neuen Präparat.
Die Beantwortung von Fragen kann immer kritisch sein, deshalb überlassen Sie mir bitte diesen Part. Keinesfalls darf über Entwicklungen gesprochen werden, da wir unsere Vormachtstellung auch gegenüber Russland behalten wollen. Es ist ein ausschließlich geschäftlicher Besuch und darf in keiner Weise mit privaten Treffen oder Gesprächen verknüpft werden. Ich hoffe, dass Sie mich verstanden haben.
Danke für Ihr Erscheinen und nun setzen Sie Ihre Arbeit in gewohnter Weise fort.“
Im Chefbüro haben sich bereits Billy, Pjotr, Dr. Winkler und Franz eingefunden. Um elf Uhr treffen dann die fünf gut gekleideten Fachkollegen aus Russland ein und werden von Frau Henne ebenfalls in das Büro des Firmenchefs geführt. Dort reicht sie allen ein Glas Champagner und dabei heißt Billy in Vertretung des Firmeninhabers die Gäste aufs Herzlichste willkommen. Kurz erzählt sie etwas zur Firmengeschichte und erläutert die Grundzüge der Unternehmenskultur. Dann spricht Billy über die beiden Abteilungen und erklärt deren Arbeitsinhalte. Hierzu werden keine weiteren Fragen gestellt. Vorab lädt sie aber die Gäste zu einem gemütlichen Geschäftsessen am heutigen Abend in ein Würzburger Gourmet-Restaurant ein. Vom Unternehmen werden vier Mitarbeiter dabei sein.
Das war es dann auch und darum löst Billy die kurze Einführung auf und leitet die Gäste durch die Abteilungen der Firma. Wie nicht anders zu erwarten ist, staunen die Besucher über den hohen Automatisierungsgrad und die durchgehende Digitalisierung der Fertigungsprozesse.
Es ist zu spüren, dass das Team gern mehr Details erfahren würde, mit welchen Komponenten und welcher Fertigungstechnologie das neue Präparat hergestellt wird. Es hat sich im internen Sprachgebrauch in der Firma eingebürgert, dass die Bestandteile und die Herstellungsart zusammengefasst und als ‚technologisches Rezept‘ bezeichnet werden. Und genau dieses ‚technologische Rezept‘ für die Herstellung des neuen Medikamentes für die Krebsbehandlung hätten sie gern gehabt. Aber darüber wird nur freundlich schmunzelnd hinweg geschwiegen.
Nach dieser umfangreichen Besichtigung einer der progressivsten Forschungs-, Entwicklungs- und Fertigungsstätten Europas müssen die russischen Fachkollegen in Ruhe diese Fülle von Informationen verarbeiten. Sie verabschieden sich mit bestem Dank und der Delegationsleiter, Genosse Jukow, überreicht Frau Dr. Rogmann ein kleines Souvenir. Dabei bringt er zum Ausdruck, dass sie sich schon jetzt auf den Abend freuen. Billy bedankt sich für das gezeigte Interesse und sagt:
„Dann bis heute Abend gegen 19:30 Uhr im Gourmetrestaurant ‚REISERS am Stein‘ in Würzburg.“
Sie stellt die kleine vergoldete Matrjoschka auf Joachims Schreibtisch und verschwindet in ihr Büro. Hier diktiert sie in den PC den Besuchsbericht der russischen Kollegen.
Gänzlich unerwartet erscheint auf einmal der Polizeikommissar Müller im Sekretariat und fragt nach Herrn Dr. Lewitsch. Hühnchen führt ihn in dessen Büro. Dort berichtet der Kommissar von den Untersuchungen der KTU an seinem Auto:
„Die erste Untersuchung an Ihrem Fahrzeug ergab keinen Anhaltspunkt einer Fremdeinwirkung. Es konnten nicht einmal frische Fingerabdrücke am Fahrzeug festgestellt werden. Doch erst nach langem Suchen entdeckten die Techniker der KTU unter dem Lüftungsgitter, das sich vor der Frontscheibe auf der Motorhaube befindet, den kleinen Rest einer grauen Paste. Diese Substanz wurde anschließend untersucht und festgestellt, dass es sich um ein Atemgift handelt, das zur Bewusstseinstrübung und Ohnmacht führt. Erst wenn der Motor des Fahrzeuges läuft und Frischluft in den Innenraum gelangt, wird damit aus der Paste das Gift freigesetzt. Bei längerem Einatmen hätte es zum sicheren Tod geführt.
Wir müssen somit feststellen, dass in diesem Fall ein Mordversuch vorliegt und entsprechend behandelt werden muss.
Sobald uns nähere Erkenntnisse vorliegen, werden wir Sie davon selbstverständlich in Kenntnis setzen. Sie können sich heute ihr Fahrzeug wieder abholen, da es freigegeben ist.“