Traummänner & Traumziele: Bahamas - Brenda Jackson - E-Book
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Traummänner & Traumziele: Bahamas E-Book

BRENDA JACKSON

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Beschreibung

EROTIK IM SPIEL Mit ihrer Werbeagentur ist die ehrgeizige Lucy so ausgebucht, dass sie nicht einmal für ihre Ehe Zeit hat. Frisch geschieden und nach dem Tod des Vaters auch noch Erbin eines Marine Parks auf den Bahamas, schwebt sie in Nassau ein- um die Hinterlassenschaft in Augenschein zu nehmen - und ist überwältigt! Von den Sonnenuntergängen am Strand, der paradiesischen Natur, den Tieren - und von Chris Maddox. Der Aussteiger und Delfinexperte, der alles ablehnt, was ihr wichtig ist, ihren Ehrgeiz belächelt und auf ihren Erfolg pfeift, bringt sie in Wut - und entzündet gleichzeitig ein Feuer in ihr. Plötzlich ist da Lust auf Freiheit und Abenteuer - und Lust, das Spiel mit diesem Mann zu gewinnen, der ihre Leidenschaft so heftig entfacht, wie er auf seine Freiheit pocht... DIE HEIßE NACHT AUF DEN BAHAMAS Eine wunderschöne leidenschaftliche Nacht auf den Bahamas hat Cassie in den Armen eines gut aussehenden Fremden erlebt. Dass ihr sinnlicher Liebhaber der mächtige Firmenbesitzer Hunter Axon war, ahnt sie nicht. Als Cassie ihn wenige Tage später wiedersieht, weiß sie: Sie muss die zärtlichen Stunden vergessen, denn Hunter ist ihr Gegner ... JETZT ZEIG ICH DIR DAS PARADIES Er heißt Raul - mehr weiß die frisch geschiedene Ally nicht, als sie einen deutlich jüngeren Mann am Flughafen kennen lernt und mit ihm eine zärtliche Nacht im Hotel verbringt! Noch nie ist ihr so etwas passiert! Als sie am nächsten Tag zu ihrer Freundin Suzanne auf die Bahamas fliegt, ist sie noch immer schockiert über sich selbst. In der herrlichen Umgebung will sie das Scheitern ihrer Ehe vergessen und nie wieder an diesen Fremden denken, der ihr das Paradies gezeigt hat! Doch kaum angekommen, wird Ally dem Verlobten von Suzannes Tochter vorgestellt - Raul! EIN LIEBESTRAUM AUF DEN BAHAMAS Haut an Haut mit dem geliebten Mann. Erst vor kurzem ist sie Brandon Jarrett am Strand begegnet. Trotzdem kommt es Cassie so vor, als ob sie diesen Traummann schon ihr ganzes Leben lang kennt. Leidenschaftlich erwidert sie seine Küsse und genießt seine Zärtlichkeiten. Auf den Bahamas scheinen sich all ihre Träume auf einmal zu erfüllen! Leise rauschen die Palmen im warmen Abendwind, als er Cassie in die Suite trägt. Plötzlich sieht Cassie jedoch seinen traurigen Blick und erschrickt. Sie ahnt, dass Brandon ihr etwas Wichtiges verschweigt - nur was?

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EPUB

Seitenzahl: 801

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Tina Wainscott, Margaret Allison, Anne Mather, Brenda Jackson

Traummänner & Traumziele: Bahamas

Tina Wainscott

Erotik im Spiel

IMPRESSUM

Erotik im Spiel erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag:

Postfach 301161, 20304 Hamburg

Telefon: 040/60 09 09-361

Fax: 040/60 09 09-469

E-Mail: [email protected]

Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v.l.S.d.P.)

Produktion:

Christel Borges

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

©

2002 by Tina Wainscott Originaltitel: „The Best of Me“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: TEMPTATION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

©

Deutsche Erstausgabe in der Reihe Tiffany Band 1041 Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Gabriele Ramm Fotos: pandis media

Veröffentlicht im ePub Format im 09/2013 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: readbox, Dortmund

ISBN 978-3-95446-002-1

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

CORA Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

ROMANA, BIANCA, BACCARA, TIFFANY, MYSTERY, MYLADY, HISTORICAL

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1. KAPITEL

Lucy Donovan blieb vor dem ausgeblichenen Schild stehen und setzte ihre Reisetasche ab. Sonny’s Ozeanpark - Besuchen Sie Randy, den Delfin! stand darauf. Sie holte tief Luft und starrte auf das erste Wort. Sonny war nicht mehr hier. Ihr Vater war gestorben und hatte seiner Tochter diesen Park, besser gesagt diesen Meereszoo in Nassau hinterlassen. Sie kam sich albern vor, als sie merkte, dass ihr Tränen in die Augen traten, weil sie den Verlust so schmerzlich empfand. Schließlich hatte sie Sonny kaum gekannt.

Ihre Mutter hatte ihren geschiedenen Mann für einen Nichtsnutz gehalten. In Lucys Augen war er eher ein Freigeist und Idealist gewesen. Obwohl ihr Leben die sittlichen Werte ihrer Mutter widerspiegelte, floss in Lucy das Blut dieses großen Abenteurers, als den sie ihn sich immer vorgestellt hatte.

Sie wischte sich über die Augen und ging weiter. An der Kasse, der ein Souvenirladen angeschlossen war, saß ein junger Mann. Er nickte ihr zu, als sie näher trat.

“Hallo, ich bin Lucy Donovan, Sonnys Tochter. Ich soll hier einen gewissen Bailey treffen.”

Er lächelte sie freudig und gleichzeitig erleichtert an. “Oh, wir sind heilfroh, Sie zu sehen, Lucy. Herzlich willkommen. Ich bin Bill. Bailey ist im Büro dort drüben.”

“Danke, Bill.”

Sie blieb am Eingang stehen und konnte noch immer nicht glauben, dass dieser Park direkt am Meer jetzt ihr gehörte. Zu ihrer Linken glitzerten mehrere Becken mit Meerestieren in der Sonne. Um einen davon scharte sich neugierig eine Gruppe von Touristen. Ein Schild wies zu den Aquarien, die in einem größeren Gebäude untergebracht waren.

Lucy ging zum Büro, in dem ein dünner Farbiger hinter einem Schreibtisch stand und lautstark telefonierte. Er nahm einen Brief in die Hand. “Aber das muss ein Fehler sein, Mann. Ja, ich seh die Unterschrift, aber … Also kann ich ihn nicht mal erschießen? Okay, okay. Nein, ich werd ihn nicht erschießen, ich versprech’s.” Seine Art zu reden ließ Lucy lächeln. Er knallte verärgert den Hörer auf die Gabel.

Sie kam näher und reichte ihm die Hand. “Sie müssen Bailey sein. Ich bin Lucy Donovan, Sonnys …”

Er ergriff ihre Hand und schüttelte sie. “Ah, Miss Lucy! Ja, man sieht, dass Sie Sonnys Tochter sind. Die gleichen braunen Augen und Haare, sogar die gleiche Haarlänge.” Automatisch berührte sie ihr schulterlanges Haar, doch er fuhr schon fort: “Ich bin so froh, dass Sie da sind. Wir haben ein Riesenproblem. Der Mann da draußen klaut uns den großen Fisch. Ein böser Mann ist das. Niemand wird mehr hier in den Park kommen, wenn es keinen großen Fisch mehr gibt. Und ohne Leute haben wir kein Geld, ohne Geld keinen Park, ohne Park keinen Job, ohne Job kein Essen. Ich muss fünf Kinder versorgen und drei Ziegen.” Er holte tief Luft. “Miss Lucy, Sie müssen den Mann rauswerfen.”

Sie war mit der Absicht hierhergekommen, die Wohnung ihres Vaters aufzulösen und zu entscheiden, was mit dem Park, der jetzt ihr gehörte, geschehen sollte. Einen bösen Mann zu vertreiben stand nicht auf ihrer Liste mit den zu erledigenden Dingen. “Sie sagten, der Mann stiehlt etwas?”

“Ja, unsere Hauptattraktion – Randy. Kommen Sie, ich zeig’s Ihnen.” Schon kam er hinter dem Schreibtisch hervor und marschierte aus dem Büro.

“Warten Sie”, sagte sie, während sie ihm folgte, doch er ging einfach weiter. “Wie kann jemand einen Fisch stehlen?”

Sie folgte ihm durch die Ansammlung von Menschen. Über Fisch wusste sie nur, dass er frisch und gut durchgebraten sein musste. Dieses Wissen würde ihr wohl nicht viel helfen, aber sie wusste etwas über Firmenhierarchien.

Sie zog ihre Leinenjacke zurecht, stellte sich ihm in den Weg und kehrte die Chefin heraus. “Arbeitet sonst noch jemand hier?”

“Nein, nur ich, Bill und Big Sonny, Gott hab ihn selig.”

Die Touristen um sie herum brummten missmutig. “Hey, wir haben dafür bezahlt, eine Delfinshow zu sehen”, beschwerte sich ein Mann. “Dieser Typ da im Becken sagt, wir dürfen nicht näher an ihn herangehen. Was soll das?”

“Ja, ich will mein Geld zurück”, warf ein anderer ein.

“Ich auch! Ich wusste doch, dass man hier überall übers Ohr gehauen wird.”

“Nein! Hier doch nicht”, wandte sich Bailey beschwichtigend an die Menge. “Wir arbeiten an diesem Problem, ehrlich. Gehen Sie doch solange zu den Aquarien dort drüben, und wir bereiten die große Show vor. Nun gehen Sie schon”, fügte er hinzu und versuchte, mit hektischen Armbewegungen die aufgebrachten Menschen zu verscheuchen.

Sie zogen sich lediglich ein paar Schritte zurück. Anscheinend hofften sie auf eine noch größere Show. Der Gedanke, dass jemand die größte Attraktion des Parks stehlen wollte, machte Lucy wütend. Was fiel dem Mann ein? Sie schob sich die Ärmel hoch und trat an den niedrigen Zaun, der die verschiedenen Becken umgab.

Der Mann, der in brusthohem Wasser auf einer Plattform stand, kümmerte sich einzig um das große Tier, das den Pool durchschwamm. Er war ungefähr Anfang dreißig und hatte lockiges blondes Haar, das ihm bis zu den kräftigen gebräunten Schultern reichte. Er besaß den perfekten Körper eines Athleten, und Lucy verspürte ein prickelndes Gefühl. Dieser Mann war selbst eine Attraktion!

Bailey stieß sie an, und sie blinzelte. Verflixt, sie sollte den Mann hinauswerfen, statt ihn bewundernd anzustarren. “Entschuldigen Sie!”, rief sie und beugte sich über den Zaun. “Hallo, Sie dort im Pool.”

Der Mann holte einen Fisch aus einem Eimer. Das große Tier kam näher und hob den Kopf aus dem Wasser. Oh, es war ein Delfin wie Flipper! Er schnellte empor, schnappte sich den Fisch in der Luft und landete wieder anmutig im Wasser. Die Menge applaudierte, aber der Mann schaute nicht einmal hin.

“Entschuldigen Sie!”, rief sie, dieses Mal etwas lauter. “Bitte kommen Sie aus dem Pool, damit wir etwas besprechen können.”

Jetzt sah er zu ihr herüber und sein Gesicht nahm einen unwilligen Ausdruck an. Doch im nächsten Moment hatte er sich wieder dem Delfin zugewandt.

Empört stieg sie über den Zaun. Niemand ignorierte Lucy Donovan. Als Chefin einer Werbeagentur hatte sie es gelernt, sich Autorität zu verschaffen. Und wenn sie sich von seinem guten Aussehen nicht ablenken ließ, würde sie schon dafür sorgen, dass er sie nicht länger wie Luft behandelte.

Sie stemmte die Hände in die Hüften und herrschte ihn an: “Raus aus dem Pool jetzt, Mister.”

“Lady, passen Sie auf, sonst landen Sie noch im Wasser. Einige der Fliesen sind lose.”

“Sparen Sie sich Ihren Hinweis. Wer sind Sie, und welches Recht haben Sie, in diesem Pool zu sein? Dies hier ist Privateigentum.” Jawohl, ihr Privateigentum.

Der Delfin hob den Kopf aus dem Wasser und schnappte sich noch einen Fisch. Wütend ging Lucy näher an den Pool heran. “Ich möchte sofort eine Antwort, sonst rufe ich die Polizei.”

“Ich habe ihm dort drüben bereits alles erklärt”, sagte der Mann und deutete vage in Baileys Richtung, ohne den Blick von dem Delfin zu wenden.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. “Da ich die Besitzerin bin, wäre es vielleicht gut, wenn Sie es mir erklären würden.”

Er musterte sie gleichgültig. “Sie sind die Besitzerin?”

“Ja. Und ich möchte wissen, warum Sie meinen Fisch belästigen.”

Jetzt hatte sie endlich seine Aufmerksamkeit erregt, denn er stieg von der Plattform und kam mit kräftigen Stößen zu ihr herübergeschwommen. Lucy machte sich bereits auf einen Streit gefasst. Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung schwang er sich aus dem Pool, stellte sich vor sie hin und sah sie an. Besser gesagt, sah auf sie herab. Wassertropfen perlten über seine mit goldenen Härchen überzogene Brust. Er trug eine von diesen knappen, engen Badehosen, die nicht mehr viel der Fantasie überließen, und Lucy musste sich ermahnen, nicht allzu deutlich hinzuschauen. Um seinen Hals trug er eine Kette mit einem Haifischzahn. Sie sah ihm mutig in die Augen und weigerte sich, sich von seiner Größe oder seinem Blick einschüchtern zu lassen.

“Erstens ist das kein Fisch”, belehrte er sie. “Er ist ein Säuger wie Sie und ich, nur nicht so egoistisch, gierig und grausam wie die Menschen. Dieser Delfin hat in Chlorwasser gelebt, das seine Haut gebleicht und seine Augen entzündet hat. Delfine sind dazu geboren, dort draußen zu schwimmen.” Er deutete auf den offenen Ozean. “Nicht in solch einem kleinen Schwimmbecken. Seine Schnauze ist wund, weil er damit immer gegen die Seitenwände prallt. Dieses gesellige Wesen hat seit sechs Jahren allein gelebt. Seine einzige Gesellschaft war ein Typ, der ihn dazu brachte, Kunststücke für ein paar Leute zu absolvieren, die es toll finden, einen Delfin zu sehen, der für sein Essen aus dem Wasser hüpft. Essen, das bis heute aus gefrorenen Meeräschen bestand. Das ist so, als würden wir gefrorenes Hundefutter essen müssen.”

Er kam ihr näher, bedrohlich nahe. “Sie haben diesem Delfin alles genommen, was ihn zu einem Delfin macht. Seine Artgenossen und damit all die Hierarchien und sozialen Aktivitäten einer Herde, die Aufregung der Jagd, das Gefühl des offenen, endlosen Meeres, den Spaß am Leben und letztendlich auch seine Seele. Er wäre in diesem Pool verendet, und Sie wären dafür verantwortlich gewesen. Ich bin Chris Maddox, Gründer der Gesellschaft zur Befreiung von Delfinen, und ich bin von der Regierung ermächtigt worden, diesen Delfin wieder in seinen natürlichen Lebensraum zurückzuführen.”

Er tippte ihr auf die Schulter und löste damit einen kleinen Schauer bei ihr aus. “Ich werde nirgends ohne diesen Delfin hingehen. Verstanden?”

Unwillkürlich trat sie einen Schritt von ihm zurück. Im gleichen Moment gab die Fliese unter ihr nach und sie verlor das Gleichgewicht. Mit einem Aufschrei versuchte sie noch, sich an Chris festzuhalten, doch es war zu spät. Ihn mit sich ziehend, fielen sie beide in den Pool.

Keuchend kam sie an die Wasseroberfläche und klammerte sich an den Beckenrand. Chris tauchte eine Sekunde später neben ihr hoch. Und der Delfin schwamm direkt auf sie zu.

Voller Panik riss sie die Augen auf. “Machen Sie, dass er von mir weggeht!”, rief sie.

Doch Chris lachte nur. Auch die Zuschauer lachten und klatschten Beifall. Selbst der Delfin sah so aus, als grinste er.

“Das ist nicht lustig”, sagte sie wütend und strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht. “Halten Sie den Fisch von mir fern.”

“Er ist kein Fisch, er ist ein Delfin”, korrigierte Chris sie, noch immer lachend.

“Meinetwegen, dann halten Sie den Delfin von mir fern, bis ich hier raus bin.”

Ihre nasse Leinenhose hing wie ein schweres Gewicht an ihr, als sie sich am Rand hochziehen wollte.

“Brauchen Sie Hilfe?”

“Nein, geht schon.”

Lucy streifte sich die teuren, aber leider ruinierten Pumps ab und warf sie auf die Fliesen. Dann stemmte sie sich hoch und versuchte erneut, aus dem Becken zu kommen.

“Ich helfe Ihnen”, sagte Chris hinter ihr.

“Ich schaffe das …”

Bevor sie den Satz beenden konnte, legte er ihr die Hände auf den Po und hob sie mühelos aus dem Wasser. Sie war so überrascht, dass sie fast vergaß, ihren Teil zu leisten, nämlich auf die Füße zu kommen und ihr Gleichgewicht zu halten.

“Soll ich mich jetzt für Ihre Hilfsbereitschaft bedanken oder beschweren, dass Sie mich betatscht haben?”, meinte sie leicht irritiert, weil sie noch immer den Abdruck seiner Hände auf ihrem Po spüren konnte.

Er lächelte amüsiert, während er hinter ihr problemlos aus dem Pool stieg. “Mir war es ein Vergnügen.”

Über so viel Frechheit verdrehte sie nur die Augen, und als sie zu den Touristen blickte, die den Vorfall mit Interesse beobachtet hatten, erkannte sie, dass sie zur Attraktion in ihrem eigenen Park geworden war. Schnell lief sie zu Bailey hinüber und raunte ihm zu: “Bitte sorgen Sie dafür, dass die Leute hier weggehen.”

“Ja, Miss Lucy, sofort. Aber lassen Sie den Kerl nicht mit dem Fisch entkommen. Denken Sie an meine sechs Kinder, die zu Hause verhungern.”

“Sagten Sie nicht fünf?”

Er verzog das Gesicht. “Hab ich das? Dann habe ich wohl die Ziege mitgezählt.”

“Sie sagten, Sie hätten drei Ziegen.”

Er schwieg eine Sekunde und lächelte dann entwaffnend. “Zwei sind nur zu Besuch.”

Kopfschüttelnd drehte sie sich zu Chris um, der die Szene aufmerksam verfolgt hatte. “Können wir ins Büro gehen und das Ganze wie zwei vernünftige Geschäftsleute besprechen?”, fragte sie ihn und bemühte sich, nicht auf seine Beine zu starren, an denen noch immer das Wasser hinunterlief.

“Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten, Miss Lucy”, hier imitierte er Baileys Akzent, “ich bin kein Geschäftsmann, und die Sache ist nicht verhandelbar. Ich habe Ihrem Angestellten den Brief gegeben, der belegt, dass der Delfin jetzt mir gehört. Damit ist alles geklärt.” Mit einer geschmeidigen Bewegung glitt er wieder ins Wasser.

Vorsichtig trat sie an den Beckenrand, wobei sie diesmal auf die Fliesen achtete. “Was Sie über den Delfin gesagt haben, über das Chlor und seine Schnauze …”

“Was Sie diesem Delfin antun, ist grausam. Liberty – oder Randy, wie Sie ihn nennen – ist nicht auf dieser Welt, um uns zu unterhalten. Delfine sind wahrscheinlich klüger, als wir es sind. Wie würde es Ihnen gefallen, auf so beengtem Raum zu leben, mit billigem Fisch gefüttert zu werden und sich dazu erniedrigen zu lassen, Kunststücke zu vollführen, um überhaupt etwas zu essen zu bekommen? Und wenn Sie nur weiße Wände um sich herum hätten statt der endlosen Vielfalt, die der Ozean bietet?”

Liberty hob den Kopf aus dem Wasser, wie um Chris’ Worte zu unterstreichen. Doch wahrscheinlich war er mehr an dem Fisch interessiert, den dieser in der Hand hielt. Sie zuckte zusammen, als sie jetzt die wunden Stellen an Libertys Schnauze sah. Und Chris glaubte, sie wäre diejenige, die für die Missstände verantwortlich war.

“Ich habe diesem Delfin nichts getan.”

“Sie haben gesagt, Sie wären die Eigentümerin.”

“Ich habe den Park von meinem Vater geerbt, Sonny Boland. Ich wusste vorher gar nicht, dass er ihm gehörte. Die meiste Zeit meines Lebens wusste ich nicht einmal, wo Sonny sich aufhielt.” Warum erzählte sie ihm das alles? Bleib bei den Fakten, Lucy, ermahnte sie sich. “Ich bin gerade erst angekommen, und Bailey hat mir in seiner komischen Art berichtet, dass ein böser Mann versucht, einen großen Fisch zu stehlen.” Als er daraufhin genervt die Augen verdrehte, fügte sie schnell hinzu: “Ja, ich weiß, es ist ein Delfin.”

Chris streckte die Hand nach Liberty aus, doch der Delfin schreckte zurück. Ein weiterer Fisch lockte ihn wieder an, aber diesmal versuchte Chris erst nicht, ihn zu berühren. Er war ganz in seine Arbeit versunken und schien sie völlig vergessen zu haben. Ihr Stolz gebot ihr, jetzt wegzugehen, doch leider gewann ihre Neugier.

“Warum nennen Sie ihn Liberty?” Sie schaute auf ein Schild. “Er heißt Randy.”

“Wenn man Delfine menschliche Namen gibt, ermutigt das die Leute, sie zu humanisieren, also habe ich ihn auf Liberty umgetauft.”

“Was werden Sie mit ihm machen?” Sie hätte sich gern etwas Trockenes angezogen, aber sie wollte nicht eher gehen, bis sie es klargestellt hatte, dass sie kein Bösewicht war, der Delfine quälte. Allerdings wagte sie nicht zu ergründen, warum ihr dies so wichtig war.

“Ich muss ihn dahingehend umtrainieren, dass er lernt, selbst Fische zu fangen, und in der Lage ist, in Freiheit zu leben. Er ist abhängig von den Menschen geworden. Er muss wieder lernen, ein Delfin zu sein.”

Sie schaute Liberty dabei zu, wie er seine Kreise zog, und überlegte, was er wohl dort unten sah: weiße Wände, Chris’ Beine. “Gibt es irgendetwas, was ich tun kann, um Ihnen zu helfen?”

Die Sonne glitzerte in seinen feuchten Locken, als er heftig den Kopf schüttelte. “Lassen Sie mich und Liberty einfach in Ruhe, okay?”

Er hatte ihr nicht für ihr Angebot gedankt. Hatte nicht einmal zu ihr hingesehen. “Ist das Ihr Lebenserwerb? Sie sagten etwas von einer Gesellschaft zur Befreiung von Delfinen.”

“Ich bin die Gesellschaft. Ich reise umher und befreie die Delfine, die in so genannten Vergnügungsparks gefangen gehalten werden.”

“Glauben Sie, dass mein Vater grausam oder einfach nur gedankenlos war?” Überrascht stellte sie fest, dass er sie jetzt ansah. Und noch überraschter war sie über die Wirkung, die sein Blick auf sie hatte.

“Ich habe ihn nur einmal getroffen. Das war, als ich kam, um einer Beschwerde wegen Misshandlung nachzugehen. Er war wahrscheinlich ein wenig von beidem. Liberty braucht am Tag fünfzehn Pfund Fisch, also hat Sonny billige Ware gekauft. Statt frisches Meerwasser in den Pool zu filtern oder zumindest für Salzwasser zu sorgen, hat er einfaches Leitungswasser genommen und Chlor und Kupfersulfid hineingetan. Ihr Vater wollte die Profite maximieren, und Liberty hat dafür bezahlen müssen. Jetzt pumpe ich Meerwasser ein und hoffe, dass der Delfin seine Augen bald wieder ganz öffnen kann.”

“Beißt er? Ich meine, war ich in Gefahr, als ich reingefallen bin?”

Er verzog amüsiert den Mund, und sie nahm an, dass er ein umwerfendes Lächeln besaß, wenn er es je einsetzen sollte. Wahrscheinlich machte er sich jetzt über sie lustig.

“Das Einzige, was in Gefahr war, war Ihre Würde. Delfine sind ziemlich zahm in Gefangenschaft.” Er warf Liberty den letzten Fisch aus dem Eimer zu. “Würden Sie nicht auch den Mut verlieren, wenn man Sie gefangen hielte?”

Sie dachte über seine Frage nach, während sie Liberty beobachtete, der geduldig darauf wartete, noch mehr Fisch zu bekommen. “Vermutlich”, antwortete sie schließlich. “Delfine sind Ihr Leben, nicht wahr?”

“Ja.” Er stieg aus dem Pool und holte ein Handtuch aus seiner Tasche. “Wie lange wollen Sie bleiben?”

“Eine Woche. Mehr Zeit habe ich nicht.”

Er nickte zufrieden, und ihr wurde klar, dass er nur wissen wollte, wie lange er sich mit ihr abplagen musste. Während er sich abtrocknete, glitt sein Blick an ihren nassen, eng anliegenden Sachen hinab. Sie war sich nicht sicher, ob sie es sich einbildete, aber es schien so etwas wie Anerkennung darin zu liegen. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, reichte er ihr sein Handtuch.

Sie hob das nasse Frotteetuch mit den Fingerspitzen an. “Ihre Ritterlichkeit ehrt Sie, aber ich fürchte, das nützt jetzt auch nichts mehr.” Pikiert gab sie ihm das Frotteetuch zurück.

Er zuckte lediglich mit den Schultern, holte jetzt Shorts und ein T-Shirt aus seiner Tasche und stopfte das Handtuch wieder hinein. Nachdem er in die Shorts geschlüpft war, zog er sich das T-Shirt über den Kopf, wobei sich die Muskeln seiner Arme auf so faszinierende Weise bewegten, dass sie wie gebannt darauf starrte. Als sie wieder hochsah, begegnete sie seinem Blick, und plötzlich war da das Lächeln, das sie sich vorgestellt hatte. Ja, es war wirklich umwerfend. “Bis dann”, sagte er und ging.

Wie ein Dummkopf stand sie da und sah ihm nach. Er marschierte durch das Tor und bestieg ein Moped, ohne sich noch einmal nach ihr umzuschauen, während sie die Augen nicht von ihm lösen konnte.

Und warum ärgerte sie sich jetzt? Weil er ihr deutlich gemacht hatte, dass er sie nicht in seiner Nähe haben wollte. Oh ja, Lucy Donovan merkte es sofort, wenn sie unerwünscht war, deshalb hatte sie auch nicht an ihrer Ehe festgehalten. Und sie würde sich ganz sicher nicht Chris Maddox aufdrängen.

Irgendwie hatte sie jedoch das Gefühl, dass mehr hinter seinem unhöflichen Verhalten steckte. Chris Maddox wollte generell keine Menschen um sich haben. Die Frage war nur, warum.

2. KAPITEL

Fünfzehn Minuten später kam Chris bei der Caribe Plantation, dem Anwesen der Eastors an. Er war glücklich, dass die Familie nicht da war, und noch glücklicher, dass sie ihm ihr Grundstück mit der Privatlagune für seine Zwecke zur Verfügung gestellt hatten. Die üppige Vegetation beeindruckte ihn wenig; wichtig war allein die Lagune mit dem azurblauen Wasser, wo Liberty lernen würde, wieder wie ein richtiger Delfin zu leben. Auch die imposante Villa im Kolonialstil würdigte er keines Blickes, als er zu der kleinen Hütte ging, die auf Pfählen im Wasser stand und als Anlegestelle für Boote diente. Dort wohnte er momentan.

Während der Fahrt hierher hatte er ununterbrochen an Lucy Donovan denken müssen. Lucy mit ihrem braunen Haar, das in nassen Locken ihr apartes Gesicht umrahmt hatte. Beim Gedanken an ihre panische Angst, als sie in das Becken gefallen war, musste er lächeln. Doch dann wurde er wieder ernst. Lucy war aufrichtig betroffen gewesen, als er sie wegen der Nachlässigkeit ihres Vaters beschuldigt hatte. Er wusste, dass sie nichts mit Libertys Leiden zu tun hatte, doch er hatte sie nur ärgern und damit loswerden wollen.

Das Letzte, was er brauchte, war eine Frau in seiner Nähe. Frauen ließen es nicht zu, dass man sie ignorierte, schon gar nicht eine Frau wie Lucy Donovan. Sie war eine Lady, die Aufmerksamkeit beanspruchte. In ihrem eleganten Hosenanzug und mit dem dezenten Schmuck zeigte sie Klasse. Er hatte keinen Ring an ihrem Finger gesehen, und er würde sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, warum er überhaupt darauf geachtet hatte. Sie war keine Frau für eine kurze Affäre mit einem wie ihm. Außerdem war sie nicht sein Typ.

Warum konnte er dann an nichts anderes denken?

Sogar sein Körper reagierte entsprechend, als er hinter die Hütte ging und sich auszog. Von der Dusche unter freiem Himmel sah man direkt auf den Ozean, und während Chris Shampoo auf sein Haar verteilte, dachte er wieder an Lucy. Was sollte das? Sie war nicht einmal eine ausgesprochene Schönheit. Hübsch, ja, mit ihrem herzförmigen Gesicht, den fein geschwungenen Augenbrauen und den leicht aufgeworfenen Lippen. Volle Brüste waren unter der nassen Bluse zu erkennen gewesen. Und dann dieser Po. Weich und gut geformt, hatte er perfekt in seine Hände gepasst.

Vergiss die Frau und ihren Po, ermahnte er sich und ein bestimmtes Körperteil. Er dachte an die wenigen kurzen Affären, die er mit Frauen von der Insel gehabt hatte. Doch Lucy kam aus der Stadt, und Stadt und Insel passten nicht zueinander.

Eine Möwe zog kreischend über ihm ihre Kreise. Tiere waren seine einzigen Freunde. Er fand es einfacher, sie zu verstehen als die Menschen. Einfacher, mit ihnen zu leben. In seiner Welt war kein Platz für eine Frau. Er würde ohnehin niemals eine Frau finden, die seine Leidenschaft für Delfine teilte. Die ein sicheres Leben für diese Sache aufgeben würde. Eine Frau, die akzeptieren würde, dass sie erst an zweiter Stelle kam.

Es war einfacher, allein zu sein.

Nachdem er geduscht hatte, streckte er sich auf einem Liegestuhl aus. Gleich nach seiner Ankunft heute Morgen war er in den Park gefahren, um an der ersten Phase zu arbeiten: Libertys Vertrauen zu gewinnen. Eigentlich müsste er erschöpft sein und könnte sich eine Pause gönnen, doch genau zwei Minuten später war er wieder auf den Beinen.

Ruhelosigkeit plagte ihn, also ging er hinunter zum Strand und legte in der Lagune Netze aus, um einen Bereich abzutrennen, in dem Liberty später schwimmen konnte. Als es zu dunkel zum Arbeiten wurde, bestieg er sein Moped und fuhr an der Küste entlang zu Barney’s Happy Place, um ein Bier zu trinken. Vielleicht würde das Lucy und ihren reizenden Po aus seinen Gedanken vertreiben.

Lucy riss sich schließlich von Libertys Anblick los, zog sich im Waschraum trockene Sachen an und machte sich dann auf die Suche nach Bailey. Sie fand ihn, als er dabei war, die staubigen Wege mit einem Wasserschlauch abzuspritzen.

“Sie haben den bösen Mann nicht weggescheucht?”, fragte er.

“Nein, und ehrlich gesagt, ich werde es auch nicht.”

Bailey schüttelte den Kopf. “Ich hab gesehen, wie Sie ihn angehimmelt haben. Was für eine Schande! Unsere einzige Chance, und sie verfällt dem bösen Mann!”

“Wovon reden Sie?” Sie hatte höchstens ein oder zwei Mal zu ihm hingeschaut. Und hatte sich nur ein klein wenig von ihm verhexen lassen.

“Jetzt, wo Ihr Dad nicht mehr da ist, wird alles den Bach runtergehen.”

Sie bekam Schuldgefühle, als sie an seine sechs, nein fünf Kinder dachte. “Was hätte denn mein Dad getan?”

“Er hätte den bösen Mann rausgeworfen, der den großen Fisch stehlen will.”

“Es ist kein Fisch.”

“Da! Jetzt reden Sie sogar schon wie dieser Kerl.”

Sie seufzte. “Mein Vater wäre verhaftet worden, wenn er ihn rausgeworfen hätte. Außerdem hat Chris Maddox gesagt, dass er eine schriftliche Genehmigung von der Regierung hat. Stimmt das?”

“Er muss die da oben bestochen haben.”

Irgendwie bezweifelte sie das. “Wie wäre es, wenn Sie mir einmal die Bücher zeigten? Mal sehen, ob mein Vater ein guter Geschäftsmann war.”

Das, was sie wenig später in den Büchern fand, war nicht sehr vielversprechend. Kein Wunder, dass Sonny nur zwei Angestellte hatte. Als sie sich frustriert zurücklehnte, sah sie ein kleines Bild auf einem Regal. Überrascht stellte sie fest, dass ihr eigenes kindliches Gesicht sie von dem Foto anlächelte. Sie schluckte. Sonny hatte sie also doch nicht ganz vergessen gehabt.

“Miss Lucy, ich könnte jetzt gehen. Soll ich Sie noch zu Sonnys Wohnung fahren?”, riss Bailey sie aus ihren Gedanken.

“Ja, gern.”

Kurz darauf setzte Bailey sie vor einem dreistöckigen Mietshaus ab und verabschiedete sich. Sonnys Wohnung in der obersten Etage bestand aus einem Zimmer, in dem es heiß und stickig war. Lucy schaltete die Klimaanlage ein und bedauerte schon, hier abgestiegen zu sein, auch wenn es praktisch war, da sie seine Sachen zusammenpacken wollte.

Als sie gegen halb neun den größten Teil geschafft hatte, ließ sie sich auf das alte verschlissene Sofa fallen und überlegte, was sie mit dem angebrochenen Abend machen sollte. Vielleicht ein wenig frische Luft schnappen? Sie schaute aus dem Fenster und beobachtete die Menschen, die am nahe gelegenen Strand entlangliefen. Bailey hatte ihr versichert, dass es sicher hier draußen war, also steckte sie Geld ein und verließ die Wohnung. Sie war so damit beschäftigt gewesen, mit Chris zu streiten und sich dann mit den Geschäftsbüchern zu befassen, dass sie die Insel noch gar nicht richtig erkundet hatte.

Sie spazierte auf der Strandseite der Straße in Richtung Süden. Bailey hatte ihr ein Lokal empfohlen, in dem es die besten Rippchen auf der Insel geben sollte. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, als sie sich Barney’s Happy Place näherte und ihr der Duft von würzigen Speisen in die Nase stieg. Sie blieb vor dem einfachen, ausgeblichenen Holzhaus stehen und versuchte, die Kundschaft von außen zu beurteilen. Der Eingang war mit bunten Lampen geschmückt und laute Reggae-Musik erklang aus der geöffneten Tür. Ihre Eltern und ihr Exmann wären entsetzt gewesen, wenn sie gewusst hätten, dass sie solch ein Lokal betreten wollte. Mit einem selbstzufriedenen Lächeln ging sie die paar Stufen hinauf.

Fast hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht, als sie die vielen Menschen sah. Die meisten schienen Einheimische zu sein mit ihrer bunten Kleidung und den Dreadlocks. Nur an einem Ecktisch saß ein Paar, das man an ihren verbrannten Nasen als Touristen erkennen konnte. Zum Strand hin war der Raum völlig offen.

Sie bahnte sich einen Weg zum Tresen und schwang sich auf einen Barhocker.

Der Barkeeper breitete eine rote Papierserviette vor ihr aus. “Was kann ich für Sie tun, Miss?”

Sie bestellte sich einen Cocktail und sah zu, wie er verschiedene Getränke mixte und das Ganze mit der Begeisterung eines Mannes anrichtete, der Spaß an seinem Job hatte.

“Wenn das nicht Miss Lucy höchstpersönlich ist, die den Einheimischen die Ehre erweist.”

Ihr Herz machte einen kleinen Sprung, als sie Chris’ Stimme neben sich vernahm, doch sie schrieb es der Überraschung zu. Sie wandte sich ihm zu und ließ langsam den Blick von seinem lockigen Haar hinunter zu dem Tank-Top und den Shorts wandern. Um von der Bewunderung, die vermutlich in ihren Augen lag, abzulenken, meinte sie: “So sehen Sie also aus, wenn Sie angezogen sind.”

Der Barkeeper wählte genau diesen Moment, um ihr den Drink zu bringen. “Sie kennen die Dame schon?”, fragte er und zwinkerte Chris zu.

Lucy errötete. “Nein, so habe ich das nicht gemeint. Er war im Pool.”

Der Barkeeper winkte ab. “Kein Problem, Lady. Die Insel bringt bei vielen Leuten das Animalische hervor.”

“Aber …” Er ging schon wieder fort, und sie drehte sich entrüstet zu Chris um, der leise lachte. “Überanstrengen Sie sich bloß nicht bei dem Versuch, meine Ehre zu retten.”

Er zuckte mit den Schultern. “Ich bin aus der Übung, wenn es darum geht, einer Lady zu Hilfe zu kommen.”

“Das kann ich mir vorstellen.”

“Was macht es schon, ob er glaubt, dass wir uns zu wildem, heißem Sex haben hinreißen lassen? Er ist ein Barkeeper in einem fremden Land.” Chris deutete auf die anderen Gäste. “Außereheliche Affären sind hier wahrscheinlich an der Tagesordnung.”

Wilder, heißer Sex … Allein bei dem Gedanken daran wurde ihr ganz warm. Sie würde sich aber ganz sicher nicht vorstellen, dass er ihr Partner dabei war. “Aber wir haben keine heiße Affäre, ich habe Sie nicht nackt gesehen, und ich will nicht, dass er das glaubt.”

Chris sah sie aufmerksam an. In seinen Augen lag ein eigenartiges Funkeln, das vermutlich von dem Bier kam, das er trank. “Möchten Sie es denn?”

“Was?”

“Mich nackt sehen.”

Ein wohliger Schauer rann ihr über den Rücken, doch sie verzog abfällig das Gesicht und wandte sich ihrem Cocktail zu. “Angesichts der knappen Badehose, die Sie anhatten, brauche ich Sie nicht mehr nackt zu sehen.” Oje, sie ritt sich ja immer weiter hinein.

Er grinste. “Ich hätte nicht gedacht, dass Sie auf so etwas achten würden.”

“Habe ich auch nicht.”

Seine funkelnden Augen machten sie wirklich nervös. Deshalb senkte sie den Blick auf seine langen Finger, die an der feuchten Bierflasche auf und ab glitten. Es waren kräftige Hände, wie sie bereits gemerkt hatte. Chris prostete ihr mit der Flasche zu und nahm noch einen Schluck. Er wirkte ganz anders als vorhin im Park. Entspannter und offener.

Er drehte sich auf seinem Hocker und lehnte sich gegen den Tresen, während ein Fuß zum Takt der Musik wippte.

“Wo wohnen Sie?”, fragte sie nach einer Weile und drehte sich ebenfalls mit dem Rücken zum Tresen.

“Auf der Caribe Plantation, einem Anwesen ein Stück die Straße rauf.”

Sie erinnerte sich, den vornehmen Eingang vorhin gesehen zu haben. Es schien so gar nicht sein Stil zu sein. “Klingt hübsch.”

“Das Haus hat schon was. Kolonialstil mit Säulen und so. Ich wohne in der Bootshütte.”

“Aha.” Das klang schon eher nach Chris. Als er daraufhin schwieg, sagte sie: “Ich wohne in der Mietwohnung meines Vaters hier in der Nähe.”

Er sah sie an, als wollte er ihre Gedanken lesen. “Und, Miss Lucy, wo sind Sie zu Hause?”

Obwohl ihr klar war, dass die Anrede sarkastisch gemeint war, glich die Art, wie er ihren Namen aussprach, der Musik, die wie Wellen über sie hinwegspülte. “In St. Paul in Minnesota. Ich habe dort eine Werbeagentur. Das heißt, mir gehört die Hälfte davon. Meinem Exmann gehört die andere Hälfte. Leider.”

Er hob die Augenbrauen, doch nicht auf bewundernde Art, wie die meisten Menschen es taten, wenn sie hörten, dass sie ihre eigene Agentur besaß. “Sie besitzen also eine Firma, die Gier und Materialismus propagiert sowie körperliche Perfektion, die die wenigsten von uns erreichen.”

Einen Moment lang wusste sie nicht, was sie darauf antworten sollte. “Wir bemühen uns natürlich, die Produkte unserer Kunden so darzustellen, dass sie den Leuten gefallen. Und was den Leuten gefällt, ist …”

“Sex”, sagte er ernst. “Und Exzess.”

“Wenn der Kunde das so wünscht. Wir haben einige große Kunden, wie Krugel, den größten Produzenten von Papierprodukten in Amerika … Soaker Küchentücher, Cloud Soft Toilettenpapier.” Imponierte ihm das wenigstens?

“Also verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt damit, dass Sie den Leuten erzählen, sie wären sexy, wenn sie Cloud Soft Toilettenpapier benutzen.”

Das fand sie so absurd, dass sie fast gelacht hätte. Glücklicherweise beherrschte sie sich gerade noch. “Vergessen Sie das Toilettenpapier. Wir verkaufen die Firma, dann erst ihre Produkte. Meine Agentur …” Sie unterbrach sich. “Warum geben Sie mir das Gefühl, dass ich einen Beruf verteidigen muss, auf den ich stolz bin?”

“Vielleicht sind Sie tief in Ihrem Inneren gar nicht so stolz darauf.”

“Das sehe ich anders.” Ihre Schultern verspannten sich. “Ich bin stolz auf das, was wir machen. Ich habe mir meinen Erfolg hart erarbeitet.”

Er betrachtete sie, und sein Blick rief in ihr Empfindungen hervor, die fast ihre Entrüstung überdeckten. “Ich vermute, Sie halten sich für eine Art Held. Sie retten Delfine, während ich Toilettenpapier vermarkte.”

“Keinesfalls. Ich bringe die Delfine nur dahin, wo sie hingehören. Es ist meine Pflicht, sie zu befreien.”

“Was meinen Sie damit?” Trotz seiner Sturheit wollte sie mehr über ihn wissen.

“Es ist eine lange Geschichte.”

“Erzählen Sie sie mir trotzdem.”

“Ich habe neun Jahr lang in Florida im Freizeitpark Aquatic Wonders gearbeitet. Als Fischjunge habe ich angefangen und mich bis zum Delfin-Cheftrainer hochgearbeitet, aber zwischendurch bin ich auch rausgefahren und habe wilde Delfine für den Park eingefangen. Das war, bevor mir klar wurde, wie unglücklich sie in Gefangenschaft sind und wie falsch es ist, sie aus ihrer natürlichen Umgebung zu reißen. Jetzt versuche ich lediglich, meine Fehler wieder gutzumachen.” Chris zuckte mit den Schultern, als wäre das alles unwichtig, doch an seinem leidenschaftlichen Blick konnte sie erkennen, dass es das nicht war. Als er plötzlich nach ihrem Handgelenk griff, zuckte sie zusammen. “Ich hoffe, Ihre Uhr ist nicht ruiniert worden, als Sie in den Pool gefallen sind.”

Seine Finger fühlten sich kühl auf ihrer Haut an. Sie sah auf ihre Diamantuhr mit dem beschlagenen Ziffernblatt. “Ich habe noch gar nicht darüber nachgedacht.” Die Uhr hatte sie sich gegönnt, als sie das erste Mal einhunderttausend Dollar im Jahr verdient hatte. Doch das würde sie ihm nicht erzählen. “Sie wird schon in Ordnung sein.”

“Oder Sie kaufen sich eine neue.”

“Ja, das könnte ich.”

“Was für ein Auto fahren Sie?”

Am liebsten hätte sie jetzt gelogen. “Einen BMW.”

“Ich wusste es.”

“Was, Sie Alleswisser?”

“Dass sie auf Statussymbole stehen.”

“Was meinen Sie damit?”

“Ein BMW, eine Diamantuhr und wahrscheinlich tragen Sie auch Designerklamotten. Vermutlich sogar Designerunterwäsche”, fügte er mit leiser Stimme hinzu.

Volltreffer, dachte Lucy. Diese Sachen hatte sie getragen, seit ihre Mutter ihren reichen Stiefvater geheiratet hatte. “Meine Unterwäsche geht Sie nichts an. Außerdem, was kümmert es Sie?”

Bedächtig schüttelte er den Kopf. “Es kümmert mich überhaupt nicht, Lucy. Sie können ja nichts dafür. Sie sind ein Opfer der großen Geldlüge.”

“Der was?” Wieso hatte sie das Gefühl, sie redeten in unterschiedlichen Sprachen?

“Es ist die Vorstellung, dass Geld glücklich macht und man umso glücklicher ist, je mehr man davon hat.”

“Ich bin glücklich.” Sie hätte es am liebsten laut herausgeschrien, um ihm zu zeigen, wie glücklich sie war. “Ich habe genau das erreicht, was ich im Leben erreichen wollte. Nicht viele Menschen können das von sich behaupten, wenn sie dreißig sind. Können Sie es?”

“Lassen Sie mich überlegen. Als ich dreißig war … da saß ich im Gefängnis.” Er trank den Rest seines Biers aus, stand auf und zog ein paar Scheine aus der Tasche. “Einen schönen Urlaub noch, Lucy.”

Sie sah ihm nach, wie er sich einen Weg durch das Lokal bahnte und hinausging, ohne sich noch einmal nach ihr umzuschauen und ihr zuzulächeln, um seinen Worten den Stachel zu nehmen. Sie wusste, was er bezweckte: Er wollte sie abschrecken, damit sie ihn nicht wieder in ein Gespräch verwickelte.

Nun, er brauchte sich deshalb keine Sorgen zu machen. Sie hatte kein Interesse an einem Mann, der solche Komplexe mit sich herumschleppte. Dann fiel ihr ein, dass sie hergekommen war, um etwas zu essen. Also bestellte sie Rippchen, beobachtete die Leute, während sie aß, und versuchte – leider vergeblich –, Chris Maddox aus ihren Gedanken zu vertreiben.

3. KAPITEL

Lucys hohe Absätze hallten laut auf den Betonfliesen wider, als sie den Weg zum Büro des Parks entlangging. Sie hatte sich vorgenommen, unter keinen Umständen zu Libertys Pool zu schauen, doch ihr Blick wurde geradezu magnetisch angezogen. Und sofort sah sie auch Chris. Das heißt, seinen Lockenkopf und die Schultern, die aus dem Wasser ragten und in der frühen Morgensonne glitzerten. Unwillkürlich fiel ihr seine herausfordernde Frage ein, ob sie ihn nackt sehen wolle. Als er sich nach dem Lärm, den sie mit ihren Schuhen verursachte, umdrehte, wandte sie sich daher hastig ab.

Die Luft im Büro war warm und stickig. Lediglich ein altmodischer Ventilator, dessen rotierende Flügel die Artikel, die an die Wände gepinnt waren, flattern ließen, brachte etwas Kühlung. Sie riss das Fenster auf, und wieder wanderte ihr Blick hinüber zu Libertys Becken.

“Guten Morgen, Miss Lucy!”, begrüßte Bailey sie mit lauter und fröhlicher Stimme.

Sie fuhr herum und versuchte, nicht verärgert oder, noch schlimmer, schuldbewusst auszusehen. “Himmel, Bailey, schleichen Sie sich doch nicht so an.”

“Tut mir leid, Ma’am. Ich wollt nur wissen, ob Sie meine Hilfe brauchen. Bei den Zahlen oder der Entscheidung, ob Sie den Park weiter offen lassen wollen.”

“Nein, aber danke. Lassen Sie mich einfach allein.” Sie schaute noch einmal aus dem Fenster. “Wie ich sehe, ist der böse Mann wieder da.”

“Ja, schon ganz früh heute Morgen. Ich glaube, der Mann ist selbst ein halber Fisch.”

“Das würde so einiges erklären.”

“Wie?”

“Nichts. Okay, ich muss arbeiten.”

Es war einfach, den Park ihres Vaters auf Zahlen zu reduzieren. Das war schließlich ihr Beruf, selbst wenn die kreative Seite ihr mehr lag. Aus dem Park ein lohnendes Geschäft zu machen bedeutete, ihn nicht als etwas anzusehen, was ihr verstorbener Vater besessen und vielleicht geliebt hatte, sondern sich auf die Fakten zu konzentrieren.

Dennoch ertappte sie sich immer wieder dabei, wie ihr Blick nach draußen wanderte, wo sie Chris sehen konnte, der mit Liberty arbeitete. In mancher Hinsicht erinnerte er sie an Sonny oder zumindest an das Bild, das sie sich immer von ihrem Vater gemacht hatte: ein ruheloser, dem Meer verbundener Einzelgänger. Sie fragte sich, ob er wohl jemals einsam gewesen war, ihr Vater, und was er wohl gefühlt hatte, und dann merkte sie, dass sie an Chris und nicht an ihren Vater dachte, und widmete sich hastig wieder den Zahlen.

“Hallo”, sagte Bailey gegen Mittag leise und klopfte an, ehe er das Büro betrat. “Diesmal habe ich Sie aber nicht erschreckt, oder?”

“Nein, nicht sehr.”

Er setzte sich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch und schaute sie hoffnungsvoll an.

Sie warf noch einmal einen Blick auf ihre Notizen voller Zahlen und Kalkulationen. “Es sieht nicht gut aus. Ich weiß nicht, wie lange mein Vater den Park noch hätte halten können. Und ohne die Hauptattraktion sehe ich kaum noch eine Chance.”

“Wir könnten einen neuen Delfin kaufen.”

“Nein, ich fürchte, wir können uns keinen leisten, egal, was sie kosten. Und wenn wir nicht bessere Bedingungen schaffen, würde Mr Maddox auch einen neuen Delfin wegholen.”

Bailey hob eine Augenbraue. “Sie könnten ihn doch bitten, oder? Ein wenig mit den Wimpern klimpern und ihn anflehen, ob wir den Delfin behalten dürfen.”

“Ich bin nicht die Art von Frau, die einen Mann dazu bringen kann, etwas zu tun, was er nicht tun will.”

“Sicher können Sie das. Sie sind doch hübsch.”

“Vielen Dank, aber hübsch zu sein reicht nicht. Vergessen Sie das Ganze. Ich werde ihn nicht fragen, ob er Liberty hierlässt, weil ich weiß, dass er es nicht tun wird.”

“Da haben Sie Recht”, sagte eine andere Stimme von der Tür her. “Sie könnten die wiedergeborene Marilyn Monroe sein, und Sie würden mich nicht dazu bringen, Ihnen Liberty zu überlassen.”

Lucy errötete heftig, als sie Chris’ Blick begegnete. “Wie lange stehen Sie schon da?”

“Seit der Sache mit dem Anflehen.”

Sie machte ein Geräusch, das ihre Verlegenheit und ihren Ärger ausdrückte und nicht im Mindesten damenhaft war. “Was wollen Sie?”

Bailey suchte das Weite, indem er vorgab, irgendwelche Fische füttern zu müssen. Chris trug wieder diese Badehose, die eigentlich an solch einem Körper verboten sein müsste. Er trat an den Schreibtisch und stützte sich mit den Händen darauf ab. An seinem Handgelenk trug er ein buntes Freundschaftsband, das von der Sonne und dem Wasser schon ein wenig ausgebleicht war.

“Ich wollte wissen, ob Sonny eine Akte über Liberty angelegt hat, mit medizinischen Daten, Training und so weiter.”

“Ich werde nachsehen.” Sie stand auf.

Er besah sich die Papiere, die auf dem Tisch verstreut waren. “Wenn Sie beschäftigt sind, kann ich auch selbst danach suchen.”

“Ich brauche sowieso eine Pause.” Sie ging an den Aktenschrank, und plötzlich merkte sie, dass er sich direkt hinter sie gestellt hatte. So dicht, dass sie die feuchte Wärme, die er ausstrahlte, spüren konnte.

Während sie die Hängeakten durchsah, auf denen in Sonnys kleiner Schrift Sachen standen wie ‘Moray-Aale’, ‘Schildkröten’ und ‘Clownfisch’, erkannte sie auf einmal, dass sie nicht nur Zahlen geerbt hatte, sondern Lebewesen, die darauf angewiesen waren, dass sie von Menschen gefüttert und umsorgt wurden. Für die sie jetzt also die Verantwortung trug.

“Was ist los?”, fragte Chris, der ihr plötzliches Zögern bemerkte.

“Es gibt hier so viele Tiere.”

“Haben Sie sie noch gar nicht alle gesehen?”

“Nur flüchtig. Ich wollte mir erst die Zahlen ansehen.”

“Klar doch. Und? Haben Sie eine Goldgrube oder ein Fass ohne Boden geerbt?”

Sie drehte sich langsam zu ihm um. Immer noch stand er viel zu dicht bei ihr. “Der finanzielle Aspekt ist mir gleichgültig. Ich muss mich nur entscheiden, was ich mit dem Park machen soll.”

“Sicherlich werden Sie nicht hierherziehen und ihn selbst leiten wollen. Das ist doch nichts für eine Werbeprinzessin.”

Sie kniff ärgerlich die Augen zusammen. “Ich bin keine Werbeprinzessin.”

Er betrachtete ihre gestylte Frisur, die goldenen Ohrringe mit der passenden Kette und ließ dann seinen Blick ganz langsam an ihrem Kostüm hinabwandern. “Sieht mir aber ganz so aus.” Trotz seiner ironischen Worte las sie in seinen Augen erneut Anerkennung.

Der Mann ist unmöglich, dachte Lucy und straffte entschlossen die Schultern. “Gibt es einen Grund, warum Sie ständig auf mir herumhacken? Werfen Sie mir vielleicht noch immer Libertys Misshandlungen durch meinen Vater vor?”

“Nein.”

“Okay. Könnte es dann sein, dass Sie sich einbilden, ich hätte ein Auge auf Sie geworfen, und wollen mich deshalb abschrecken?”

Er lachte leise und schüttelte den Kopf. “Vielleicht gefällt es mir einfach nur, Sie ein wenig zu ärgern.” Er schnappte sich einen Ordner mit der Aufschrift ‘Randy’ und ging zur Tür. “Ich bringe ihn zurück, wenn ich ihn durchgesehen habe.”

“Behalten Sie ihn!”, rief sie ihm wütend hinterher.

Verflixt, er war wirklich ein böser Mann.

Am Nachmittag nahm Lucy sich ein Taxi und fuhr in die Innenstadt zum Einkaufen. Sie kam sich fehl am Platz vor in ihren maßgeschneiderten Sachen inmitten all der Menschen, die gekleidet waren, um Spaß zu haben. Leider war sie aus der Übung im Spaßhaben.

Hatte sie das eben tatsächlich gedacht?

Dann würde sie schleunigst anfangen, wieder Spaß zu haben. Sie kaufte sich verschiedene Outfits und zog sich die weißen Shorts und ein blumiges T-Shirt sofort im Geschäft an, bevor sie in den Park zurückfuhr.

Überrascht stellte sie fest, dass Chris nicht in Libertys Pool war, und noch überraschter war sie über ihre Enttäuschung. In ihren Turnschuhen machte sie dieses Mal keine Geräusche, als sie hinüber zu Liberty ging, der unter der Wasseroberfläche seine Kreise zog. Sie hockte sich hin, beobachtete ihn und war erfreut, als er den Kopf aus dem Wasser hob, um sie direkt anzusehen.

“Hallo!”, begrüßte sie ihn und sah sich vergeblich nach dem Eimer mit den Fischen um. “Tut mir leid, aber es ist kein Fisch da. Ich bin sicher, dass das Scheusal dir bald welchen bringt.”

Entsetzt schloss sie die Augen, als sie hörte, wie genau dieses Scheusal jetzt hinter ihr herankam. Sie hatten ihre Beziehung schon auf dem falschen Fuß begonnen, und irgendwie wurde es immer schlimmer. Aber er verhielt sich ganz wie ein Gentleman. Es kam keine bösartige Bemerkung über ihre taktlose Titulierung.

Er warf ihr lediglich einen toten Fisch in den Schoß.

Sie schrie auf, packte das glitschige Ding und warf es im hohen Bogen von sich. Der Fisch landete im Wasser, wo Liberty ihn sich sofort schnappte. Empört sprang sie auf die Füße.

“Sie, Sie …”

“Scheusal?”, meinte er mit hochgezogener Augenbraue.

“Ja!” Sie wischte über ihre neuen Sachen und hoffte, dass sie jetzt nicht nach Fisch rochen. Kein anderer Mann, nicht einmal ihr Ex, hatte sie je so aufgebracht wie Chris.

Er zuckte mit den Schultern. “Ich dachte, Sie wollten ihn füttern, also habe ich Ihnen den Gefallen getan. Die meisten Frauen mögen es nämlich, wenn man höflich zu ihnen ist.”

Sie schnaufte verächtlich. “Höflich? Mich überrascht, dass Sie das Wort überhaupt in Ihrem Wortschatz haben. Wie viele Frauen kennen Sie denn, die es mögen, wenn man sie mit Fischen bewirft?” Ohne auf seine Antwort zu warten, wandte sie sich wieder dem Delfin zu.

Chris setzte sich an den Beckenrand, und Liberty schien zu wissen, dass Essenszeit war. Er hob den Kopf und gab pfeifende, klickende Geräusche von sich. Chris streckte die Hand aus, und Liberty stieß mit seiner Schnauze dagegen. Ein merkwürdiges Gefühl durchströmte Lucy angesichts dieser einfachen Geste des Vertrauens.

“Ich würde Sie ja fragen, ob Sie ihn noch immer füttern wollen, aber ich schätze, eine Werbeprinzessin mag keine Fische anfassen.”

Sie funkelte ihn böse an. “Geben Sie mir schon den blöden Fisch.” Warum war es ihr so wichtig, ihn eines Besseren belehren zu wollen? “Aber diesmal bitte in die Hand.”

Er reichte ihr eine Makrele und versuchte, nicht zu lachen, als sie den Fisch mit spitzen Fingern anfasste.

“Halten Sie ihn unter Wasser”, forderte er sie auf. “Ich bin dabei, ihm anzugewöhnen, von jetzt an unter Wasser zu essen, so wie freie Delfine es tun.”

Sie ließ den Fisch am Schwanz baumeln, und Liberty hob den Kopf. “Nein, du bekommst ihn unter Wasser”, sagte sie ernst, tauchte den Fisch ein, und Liberty schnappte ihn sich. Lucys Begeisterung darüber wunderte Chris. Es lag ein Ausdruck kindlichen Staunens auf ihrem Gesicht, das zwar nicht so hübsch war wie das von Marilyn Monroe, aber hübsch genug.

Liberty kam aus dem Wasser und drehte den Fisch, um ihn in die richtige Position zu bringen, bevor er ihn schluckte. Lucy lachte. “Darf ich ihn noch mal füttern?”

Nein, dachte Chris. Er musste arbeiten, und er wollte, dass Liberty so wenig menschlichen Kontakt hatte wie möglich. Doch statt es ihr zu sagen, reichte er ihr schon die nächste Makrele.

“Warum lassen Sie ihn nicht jetzt schon frei?”

“Weil er noch nicht für sich selbst sorgen kann.” Er warf einen weiteren Fisch ans andere Ende des Pools. “Er ist vermenschlicht worden. Ein Delfin bezieht seine Identität aus seiner Rangordnung innerhalb der Herde, die bei Delfinen Schule heißt. Liberty wäre ein Niemand. Wahrscheinlich weiß er schon gar nicht mehr, dass er ein Delfin ist.”

Sie betrachtete jetzt Liberty so mitfühlend, dass Chris einen Moment lang tatsächlich gerührt war. Dann erinnerte er sich daran, wer sie war und was sie repräsentierte. “Ich muss ihm beibringen, wieder ein Delfin zu sein, lebende Fische zu fangen und in gerader Linie zu schwimmen. Ich will nicht nur seine Wunden heilen, sondern auch seine Seele.”

“Ich finde das … faszinierend.”

Er sah zur Seite, weil ihm ihr bewundernder Blick unangenehm war. “Es ist mein Job.”

“Werden Sie dafür bezahlt?”

Er lachte, weil das wieder nach der Werbeprinzessin klang. “Delfine zu befreien ist nicht unbedingt ein Beruf, den eine Frau sich für einen zukünftigen Ehemann wünschen würde. Mit anderen Worten”, fügte er hinzu, bevor Lucy sich wieder aufregen konnte, “ich werde nicht bezahlt. Meist werde ich von jemandem kontaktiert, der von einem Delfin in Not weiß. Ich bitte dann darum, dass man Sponsoren findet, damit ich kommen und den Fall untersuchen kann. Sobald ich Beweise habe, gehe ich zu den Behörden und beantrage, den Delfin befreien zu dürfen. Leute schicken Spenden, und wenn ich zu Hause bin, nehme ich Gelegenheitsjobs an, um mich über Wasser zu halten.”

“Also reisen Sie durchs ganze Land?”

“Ja.”

“Warum?”

Er stand auf. Genau wie ihre bewundernden Blicke waren ihm auch ihre Fragen unangenehm. “Wie ich sagte, es ist mein Job.”

Sie stand ebenfalls auf und stemmte die Hände in die Hüften. “Sie sollten eine Agentur beauftragen, die Ihr Anliegen publik macht, damit Sie finanziell unterstützt werden.”

Lachend schüttelte er den Kopf. “Ich kann mir keine Agentur leisten, und ich will nicht, dass das, was ich mache, Amerika zu Tränen rührt. Ab und zu gebe ich Interviews im Radio oder im Fernsehen, weil es ganz gut für die Publicity ist, aber damit hat es sich dann auch.”

“Wie Sie meinen”, gab sie pikiert zurück.

Er musterte sie schweigend. Sie trug jetzt Kleidung, die besser hierher passte, aber er würde keinen Kommentar darüber abgeben, auch nicht darüber, wie gut ihre langen, schlanken Beine in diesen Shorts zur Geltung kamen. Oder wie die roten Hibiskusblüten auf dem T-Shirt sich an ihre vollen Brüste schmiegten, wenn der Wind auffrischte. Er wollte nicht, dass die Werbeprinzessin auf falsche Gedanken kam. Sie lebte eindeutig in einer anderen Welt.

“Also, Miss Lucy, was haben Sie denn nun mit dem Park vor?”, fragte er unvermittelt.

“Interessiert es Sie wirklich noch, jetzt, wo Sie Ihren Delfin haben?”

Er zuckte mit den Schultern. “Ich frage nur wegen all der anderen Tiere hier. Wenn Sie den Park an so jemanden wie Ihren Vater verkaufen, was wird dann aus ihnen?”

“Sie glauben doch nicht, dass mein Vater Liberty falsch behandelt hat, weil er … ein schlechter Mensch war, oder?”

“Nein”, versicherte er ihr. “Er wusste es wahrscheinlich einfach nicht besser. Die meisten Leute glauben, dass Tiere da sind, um uns Freude zu bereiten. Ihr Vater war auch einer von ihnen.” Er wandte sich wieder dem Pool zu, denn es war einfacher, mit dem Delfin zu arbeiten, als mit Lucy zu reden, die alles sofort hinterfragte. “So, Miss Lucy, wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gern meine Arbeit fortsetzen.” Er nickte ihr zu und glitt ins Wasser.

Er wartete einige Minuten, bevor er sich umsah, und stellte aufatmend fest, dass sie in Richtung Aquarium ging. Sie gehörte in eine andere Welt, und er wäre froh, wenn sie schleunigst dahin zurückkehrte. Sie wurde ziemlich schnell zu einer Ablenkung, die er nicht gebrauchen konnte.

4. KAPITEL

Lucy überlegte, ob Chris als Scheusal geboren worden war oder sich erst dazu entwickelt hatte. Wie kam es, dass er Menschen so verachtete? Doch was sie wirklich wissen wollte, war, warum sie sich überhaupt dafür interessierte. Mit diesen Gedanken betrat sie das höhlenartige Aquariumgebäude.

Chris mochte über sie spotten. Doch einen wunderbaren Job zu haben, ihr eigener Chef zu sein, eine nette Wohnung zu besitzen und in der Lage zu sein, sich so gut wie alles kaufen zu können, machte ein gutes Leben aus, ein Leben, um das die meisten Menschen sie beneideten. Und dann kam jemand daher, der selbst nichts hatte, und brachte sie dazu, ihr Leben verteidigen zu müssen, indem er es … Wie nannte er es gleich? Die große Geldlüge. So ein Quatsch. Ihr Leben war perfekt. Okay, vielleicht fehlte ein Partner darin. Aber sie konnte sich ja einen Hund anschaffen.

Bailey war im Aquarium und erläuterte einer Gruppe von Touristen die Paarungsgewohnheiten der Kraken. Er war ein netter Kerl, aber sie konnte den Park nicht für ihn und Bill offen halten, oder? Nein, bestimmt nicht. Aber sie konnte ihnen eine vernünftige Abfindung zahlen und gute Zeugnisse ausstellen.

Sie ging an den Aquarien entlang, begeistert von all dem Getier, das normalerweise im Meer lebte: Fische in allen Formen und Farben, Krebse und Muscheln. Was für ein Leben führten sie normalerweise im offenen Ozean? Sie dachte an Chris’ Frage, was sie mit dem Park vorhabe. Sie fühlte sich verantwortlich für all diese Lebewesen hier. Einige von ihnen taten das, was Liberty tat – sie schwammen in endlosen Kreisen durch ihre kleine, langweilige Welt. Alles zur Unterhaltung der Touristen.

Sie seufzte. Trotzdem konnte sie sich nicht vorstellen, ihr Leben mit der Rettung irgendeiner dieser Spezies zu verbringen. Das war für Menschen, die andere Wertmaßstäbe hatten und auf andere Art lebten. Menschen wie Chris.

“Na, Miss Lucy, konnten sie den bösen Mann überreden, den Delfin hierzulassen?”, fragte Bailey und kam zu ihr.

Sie schüttelte den Kopf. “Ich möchte auch, dass der Delfin freikommt, Bailey. Es ist völlig richtig.”

“Gütiger Himmel, ich glaube, Sie haben sich in den Delfindieb verknallt.”

Im ersten Moment war sie sprachlos. “Bailey! Wie kommen Sie auf die absurde Idee, dass ich dieses Scheusal mögen könnte?”

“So wie Sie ihn immer anstarren und sich auf seine Seite schlagen …”

“Habe ich nicht, ich stelle mich nur auf die Seite des Delfins.”

Er sah nicht überzeugt aus.

“Und da wir gerade von Scheusalen sprechen”, sagte sie, “ich muss jetzt meinen Exmann anrufen und mich erkundigen, wie es in der Agentur läuft.”

Ungehalten verließ sie das Gebäude. In ihn verknallt! So ein Unsinn. Sie war genauso verknallt in Chris wie in diesen schleimigen grünen Aal, den sie in einem der Aquarien gesehen hatte. Chris und der Aal besaßen ungefähr gleich viel Charme.

Im Büro angekommen, wählte sie die Nummer ihrer Agentur und sprach erst mit ihrer Sekretärin, bevor sie sich zu Tom durchstellen ließ.

“Hey, wieso checkst du deine E-Mails nicht?”, polterte er sofort los.

“Mir geht es gut, danke, und selbst?”

“Du erwartest von mir, dass ich jetzt Höflichkeiten austausche, wenn ich seit Tagen versuche, dich zu erreichen?”

“Ich bin erst anderthalb Tage weg, und die Tatsache, dass du auf Höflichkeiten verzichtest hast, war der Grund für unsere Scheidung. Daran solltest du vielleicht denken, wenn du mit deinem neuen Schatz, mit dem ich dich neulich gesehen habe, ausgehst.”

“Ach, du bist ja nur eifersüchtig.”

Darüber konnte sie nur lachen. Also tat sie es auch. “Würde ich dir gute Tipps geben, wenn ich eifersüchtig wäre?”

“Wohl nicht. Aber du hättest jetzt auch nicht lachen müssen.”

“Tut mir leid, ich konnte nicht anders.”

“Wie auch immer, warum hast du deine E-Mails nicht überprüft?”

“Weil ich meinen Laptop nicht mithabe. Ich habe dir doch gesagt, dass dies auch eine Art Urlaub ist.”

“Das sage ich auch, wenn ich verreise, aber trotzdem vergesse ich niemals meinen Job.”

“Willst du mir etwa damit vorwerfen, ich würde nicht genug arbeiten?” Es war nicht das erste Mal, dass sie ihm diese Frage stellte, denn Tom war zu feige, offen zu sagen, was er dachte. “Falls das so ist, können wir gern darüber sprechen, die Firma aufzuteilen. Ich bin deine ewigen Anspielungen leid.”

“Nein, Darling, ich bin nur … Okay, manchmal habe ich schon den Eindruck, dass du deinen Job vernachlässigst, aber ich möchte die Besitzverhältnisse so lassen, wie sie sind. Nur als wir noch verheiratet waren, haben wir beide alles für die Agentur getan. Ich tue das immer noch, du aber nicht.”

“Deshalb sind wir auch nicht mehr verheiratet, Tom. Unsere Ehe war die Firma. Mehr nicht. Ich stehe voll hinter der Agentur, aber ich brauche auch mal ein wenig Abstand dazu. Und nenn mich nicht Darling. Die Zeiten sind vorbei. Also, was ist das für ein Notfall? Weshalb wolltest du mich so dringend sprechen?”

“Kein Notfall, Lucy. Ich wollte nur sichergehen, dass du erreichbar bist, falls einer auftritt.”

Sie stöhnte. “Ich bin hier nicht erreichbar, merk dir das. Ich habe hier genug zu tun und möchte alles geklärt haben, bevor ich zurückfahre.”

“Okay, okay. Und? Wie ist dieser Park, den du geerbt hast? Eine primitive kleine Anlage?”

Seit Tom von ihrem Erbe gehört hatte, machte er sich darüber lustig. “Nein, es ist wunderbar hier, riesig, mit Delfin-Shows und Hunderten von Aquarien mit den exotischsten Meereslebewesen. Du solltest die Menschenmassen sehen. Die Anlage liegt direkt am Meer und ist eine richtige Goldgrube.”

Als sie sich in diesem Moment umdrehte, sah sie Chris mit dem Aktenordner in der Hand dastehen.

“Das hört sich gut an. Hey, meine andere Leitung blinkt, und in zwanzig Minuten habe ich eine Besprechung mit einem potenziellen Kunden. Rufst du wenigstens einmal am Tag an?”

“Nein. Vielleicht in einigen Tagen, aber das kann ich nicht versprechen. Bis dann.”

Sie legte den Hörer auf und lachte nervös. “Ich kann diese kleine … Übertreibung erklären.”

Chris schüttelte den Kopf. “Nicht nötig. Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört, Menschen verstehen zu wollen.”

“Das hier ist anders.”

Er legte die Akte in den Schrank zurück.

“Sehen Sie, das war mein Ex, der, mit dem ich die Agentur zusammen betreibe, und manchmal macht er mich mit seinem Gehabe so verrückt, dass ich nicht einmal weiß, warum ich ihn jetzt angelogen habe.”

Chris griff nach ihren Händen, mit denen sie heftig gestikulierte, und hielt sie fest. “Sie brauchen sich nicht vor mir zu rechtfertigen. Das alles gehört zu der großen Geldlüge, und das ist nicht mehr meine Welt.”

Sie schauten beide auf ihre verschränkten Hände, und sie überlegte, ob er den Kontakt wohl genauso genoss wie sie. Als wollte er ihr eine Antwort darauf geben, drückte er sie kurz, bevor er sie losließ und nach draußen verschwand.

Beschämt stand sie da. Verflixt, was war sie doch nur für eine Närrin! Jetzt ärgerte sie sich darüber, wozu sie sich manchmal durch Tom hinreißen ließ. Aber es war nicht nur Tom allein, es kam so vieles zusammen.

Lucy telefonierte hin und her und hatte gegen Abend schließlich einen Makler ausfindig gemacht, der ihr versprach, vorbeizukommen und die gesamte Anlage für einen eventuellen Verkauf einzuschätzen. Danach machte sie sich auf die Suche nach Bailey, um ihm zu sagen, dass sie gehen wollte, kam jedoch wieder nur bis zu Libertys Pool.

Chris lag rücklings auf einer Gummimatratze und ließ Arme und Beine ins Wasser baumeln. Er trug noch immer die Badehose, die kaum etwas verhüllte, und sie ertappte sich dabei, wie sie ihn ungeniert anstarrte. Verwundert über sich selbst, schüttelte sie den Kopf. Es war sonst gar nicht ihre Art, jemanden so anzuschmachten, es sei denn, es waren unerreichbare Berühmtheiten. Chris war eindeutig erreichbar, zumindest im körperlichen Sinne.

“Sie wollen mich doch nicht schon wieder mit irgendwelchen Fragen löchern, oder?”, rief er ihr unfreundlich zu.

“Keineswegs.”

“Was wollen Sie dann? Ich bin beschäftigt.”

Sie versuchte, seine Unhöflichkeit zu ignorieren. “Sie sehen aber nicht sehr beschäftigt aus.”

“Ich arbeite mit Liberty. Er soll sich daran gewöhnen, dass ich hier bin, ohne dass er glaubt, auf mich reagieren zu müssen. Er soll mich nicht als Mensch, sondern als etwas zur Umgebung Gehörendes betrachten.”

“Eine Art Alge?” Sie konnte ein Lachen nicht unterdrücken, als er irritiert eine Augenbraue hob. Was würde er wohl erst von dem Vergleich mit dem Aal halten? Er hielt ihren Blick fest, bis sie sich räuspern musste und wegsah. “Dabei sollte man annehmen, dass er die Menschen nicht mag.”

“Delfine sind nicht nachtragend.” Er rollte sich jetzt auf die Seite. “Sie mögen die Menschen, auch wenn ich nicht weiß, warum.”

Wieder fragte Lucy sich, aus welchem Grund Chris Menschen so verachtete. “Ja, wirklich eigenartig, denn sogar Sie scheint er zu mögen”, gab sie zurück, worauf er sie mit Wasser bespritzte. Obwohl sie sich blitzschnell duckte, wurde sie nass. “Ach so, Sie können austeilen, aber nichts einstecken, was?”

“Kommen Sie doch her, und ich zeige Ihnen, was ich einstecken kann.”

“Lieber nicht. Ich habe schon einen Fisch abbekommen und jetzt eine Salzwasserdusche, das reicht.” Sie winkte ihm zu und ging weiter, doch ihr Herz klopfte verräterisch schnell. Himmel, ermahnte sie sich, er wollte dich doch nur ärgern. Reiß dich zusammen!

Lucy packte all die Sachen des Mannes ein, der sie gezeugt hatte. Ihre Mutter hielt sie für verrückt, dass sie überhaupt hierhergefahren war, doch Lucy war froh darüber. Auf diese Art konnte sie Abschied nehmen von dem Vater, den sie kaum gekannt hatte.