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Dieses Buch erzählt vom Kriegsalltag deutscher U-Boot-Fahrer. 45 Erlebnisberichte beleuchten den U-Boot-Krieg im Atlantik. Zu Wort kommen zahlreiche deutsche U-Boot-Kommandanten, darunter einige der erfolgreichsten der kaiserlichen Marine, wie Weddigen, Hersing, Arnauld, Haiungs, Dönitz, König, Rose, Steinbrinck, de Terra, Werschkull, Akkermann, Mellenthin, Ruf, Boldt und von Preußen.
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Seitenzahl: 382
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U-Boote am Feind
45 deutsche U-Boot-Fahrer erzählen
von
Werner v. Langsdorff
________________________
Erstmals erschienen bei
C. Bertelsmann, Gütersloh, 1937
Vollständig überarbeitete Ausgabe.
Ungekürzte Fassung.
© 2016 Klarwelt-Verlag.
ISBN: 978-3-96559-003-8
www.klarweltverlag.de
Inhaltsverzeichnis
Titel
Zum Geleit!
Deutscher U-Boot-Krieg - Von Werner v. Langsdorff
U 9’s große Stunde - Von Otto Weddigen
Leitender Ingenieur bei Weddigen - Von Karl Schön
U-Boot-Kommandant 1914 - Von Bernd Wegener
Aller Anfang ist schwer - Von Walter Forstmann
Erster Nachtangriff - Von Rudi Schneider
U 20 versenkt die „Lusitania“ - Von Walter Schwieger
Dardanellen-Sieg - Von Otto Hersing
Kriegsfahrt zu den Senussi - Von Hans Fechter
Aus 3 Jahren U-Boot-Krieg - Von Lothar v. Arnauld de la Periére
Auf U 35 - Von August Haiungs
Erinnerungen eines Kriegs-U-Boot-Fahrers - Von Karl Dönitz.
Aus meinem Kriegs-Tagebuch - Von Otto Schultze
„Hampshire“ und Eismeer - Von Curt Beitzen
Kriegsschiffe im Sehrohr - Von Hans Walther
Mit Kapitän König nach Amerika - Von Karl Pickert
Kriegs-Handelsfahrten unter See - Von Paul König
U 53 fährt nach Amerika - Von Hans Rose
Wir machen eine Prise - Von Ernst Rosenthal
Ins Mittelmeer - Von Arthur Lange
U-Boote retten uns Flieger - Von Friedrich Christiansen
Der Letzte von UC 26 - Von Karl Acksel
U 22 läuft auf eine Mine - Von Alfred Schirmer
Die Seeschlange - Von Otto Krüger
Noch mal gut gegangen ... - Von Wilhelm Reinhard
Pech und Glück - Von Otto Steinbrinck
Torpedos, die uns nicht erreichten - Von Gustav Schultz
Kapitänleutnant Schneiders Tod - Von Franz Wodrig
U-Boot-Alltag - Von Philipp Streng
Minen-Glück und U-Boot-Pech - Von A. Weinreich
Die kaltblütige U-Boot-Falle - Von Reinhold Salzwedel
Ein Munitionsdampfer zerplatzt - Von Kurt Zachow
Nachtgefecht - Von Erwin de Terra
Stürmische Kriegsfahrt - Von Fritz Werschkull
U 110’s letzte Fahrt - Von Bruno Schmidt
Gänse im Hafen - Von Hero L. Akkermann
Auf Kreuzerfahrt - Von Josef Eichberger
UB 48 im Hafen von Carloforte - Von Johannes Schwabe
U-Boot-Fahrer im Mittelmeer - Von Sigismund Prinz von Preußen
Griechischer Film - Von Wilhelm Jonas
Unser Kommandant - Von Claus Boldt
Kriegs-Erinnerungen in Columbien - Von Hans Mellenthin
Die letzte Fahrt - Von Alfred Saalwächter
Bis zum bittren Ende - Von Emil Ruf
U-Boot-Treue - Von Carl-Siegfried Ritter v. Georg
Der letzte Salut - Von Helmut Lorenz
Unsere Mitarbeiter
800 U-Boote waren im Bau. 343 kamen an die Front, 199 sanken vor dem Feinde, die meisten mit der ganzen Besatzung.
Diese nüchternen Zahlen und die schlichten Erzählungen zeugen von der selbstverständlichen Einsatzbereitschaft und vom Kameradschaftsgeist der U-Bootleute. Dies dem heranwachsenden Geschlecht zu überliefern, soll Zweck dieses Buches sein.
Konteradmiral a. D.
Im Kriege Kommandant „U 35“ und „U 139“
Istanbul, den 26. Mai 1937
Das Unterseeboot wurde zwar bereits 1849 durch den deutschen Unteroffizier Wilhelm Bauer erfunden, und was nicht weniger ist, von ihm in den folgenden Jahren im Großen versucht, trotzdem musste aber der Weg vom Bauerschen „Brandtaucher“ zum frontreifen U-Boot weit und schwierig sein, denn verschiedene, unentbehrliche Teilgebiete der Technik waren jahrzehntelang noch nicht weit genug entwickelt. Bis zur Jahrhundertwende nahm daher die deutsche Marine beobachtende Stellung zur U-Bootfrage ein, um dann von 1907 ab an einigen Versuchsbooten eigene Erfahrungen zu sammeln. In schwieriger und gefahrvoller Pionierarbeit haben junge Marinebesatzungen zusammen mit deutschen Werften grundlegende Arbeit geleistet und bewiesen, dass die U-Boote zwar noch nicht vollkommen waren, aber als wichtige Ergänzung der bisherigen Kriegsschiffe angesehen werden könnten. Als erstes Opfer blieben auf diesem Wege 1911 Kapitänleutnant Ludwig Fischer, Leutnant z. S. Kalbe und U-Obermatrose Rieper, die beim Untergang von U 3 nicht gerettet werden konnten. Bei Kriegsbeginn besaß Deutschland 19 U-Boote. Die U-Waffe war durchaus noch in der Entwicklung begriffen, aber ihre Besatzungen wollten trotzdem nicht hinter den anderen Waffen zurückstehen. Sie haben alles getan, um an den Feind zu kommen und der höheren Führung zu beweisen, welche militärischen Möglichkeiten im U-Boot stecken. Der erste Einsatz der U-Boote erfolgte vom 6. bis 11. August 1914. 10 U-Boote stießen in breiter Aufklärungsfront nach Norden gegen das dort vermutete englische Gros vor. U 13, Kapitänleutnant Graf Schweiniz, und U 15, Kapitänleutnant Pohle, blieben als erste Kriegsverluste der jungen Waffe. In der Zeit vom 15. bis 21. August 1914 erschienen U 20, U 21 und U 23 als erste deutsche U-Boote an der englischen Küste. Den ersten scharfen U-Boot-Torpedoschuss der Welt löste Kapitänleutnant Hersing, U 21, am 5. September 1914. Er erzielte zugleich einen vollen Erfolg durch Versenkung des englischen Kreuzers „Pathfinder“ vor dem Firth of Forth. Am 22. September 1914 konnte Kapitänleutnant Otto Weddigen mit U 9 die englischen Panzerkreuzer „Hogue“, „Aboukir“ und „Cressy“ vernichten. Damit brach er dem Ansehen der deutschen U-Waffe beim Feind und nicht zuletzt auch bei der eigenen Marine entscheidend Bahn. Weddigen erhielt das erste Eiserne Kreuz 1. Klasse der Marine. Am 28. September 1914 passiere U 18, Kapitänleutnant v. Hennig, als erstes deutsches U-Boot die Straße Dover—Calais. Für die Versenkung des englischen Panzerkreuzers „Hawke“ am 15. Oktober 1914 erhielt Weddigen, U 9, als erster Marineangehöriger im Weltkrieg den höchsten Orden, „Pour le mèrite“. In der zweiten Oktoberhälfte umrundeten U 20, Kommandant Kapitänleutnant Droescher, und U 29, Kapitänleutnant Plange, erstmalig die englischen Inseln. Sie fuhren nach einem Schulatlas und einer Zeitungsreklamekarte, weil die U-Boote nur Karten bis zum Kanal in ihrer Ausrüstung hatten, im Gegensatz zu den Linienschiffen, die über Kartenmaterial der ganzen Welt verfügten. Man sieht, wie die hohe Führung damals noch urteilte, und wie sie im Laufe des Krieges ihre Ansichten auf Grund der überraschenden Kriegsleistungen der U-Boot-Fahrer umstellen musste.
Bis dahin war das U-Boot nur zur Aufklärung und Bekämpfung feindlicher Kriegsschiffe eingesetzt worden. Am 20. Oktober 1914 versenkte Oberleutnant z. S. Feldkirchner, U 17, als erstes Handelsschiff den englischen Dampfer „Glitra“ an der norwegischen Küste. seitens der Besatzungen ist 1914 bereits der Wunsch ausgesprochen worden, Handelskrieg zu führen. Dieser Wunsch war besonders berechtigt, nachdem England gegen jedes Völkerrecht die gesamte Nordsee als Kriegsgebiet erklärt und die Hungerblockade über Deutschland verhängt hatte. Die Erlaubnis wurde zunächst nicht erteilt. Erst am 4. Februar 1915 erfolgte die Erklärung der Gewässer um England als Kriegsgebiet. Der U-Boot-Handelskrieg sollte am 18. Februar 1915 beginnen. seine Aussichten schienen nicht allzu gut, da damals in der Nordsee nur 21 U-Boote zur Verfügung standen, so dass bei einem Wechsel von drei Ablösungen höchstens vier Boote am Feind waren. Sofort entstanden außenpolitische Schwierigkeiten, da die Vereinigten Staaten Sicherheit für ihre Handelsschiffe und ihre Bürger auf allen anderen Schiffen verlangten. Deutschland sagte darauf Schonung aller unter amerikanischer Flagge fahrenden Schiffe zu und erklärte sich bereit, den U-Handelskrieg aufzugeben, wenn England die Londoner Seerechtserklärung achte. Amerika schlug daraufhin Aufgabe des U-Boot-Krieges durch Deutschland vor, England solle Lebensmittel nach Deutschland hineinlassen. Deutschland nahm diesen Vorlag am 28. Februar 1915 an, England lehnte aber am 15. März 1915 ab, nachdem schon am 3. März 1915 eine Verschärfung der Hungerblockade eingetreten war.
Am 29. März 1915 wurde die in der Folge außerordentlich erfolgreiche U-Boot-Flottille Flandern geschaffen. Am 7. Mai 1915 versenkte U 20, Kapitänleutnant Schwieger, den englischen Hilfskreuzer „Lusitania“. Außer Passagieren befand sich an Bord Munition. Am 15. Mai 1915 verlangte Amerika in der ersten Lusitania-Note Einstellung des Handelskrieges, Genugtuung und Schadensersatz. Letzteren sicherte Deutschland zu. Kapitänleutnant Schwieger, der seine Pflicht erfüllt hatte, wurde fallen gelassen und zog sich die kaiserliche Ungnade zu. Derartige Fälle, „Arabic-Fall“, „Suffex-Fall“ usw., lösten sich in der Folgezeit ab. Alle hatten folgendes gemeinsam: Die Kommandanten und Besatzungen der deutschen U-Boote hatten ihre Pflicht unter persönlicher Lebensgefahr getan; Amerika protestierte im offensichtlichen Interesse des Feindbundes; die Bethmannsche Regierung fiel jedes Mal prompt um, es wurden neue beschränkende Bestimmungen erlassen, die Erfolge fast unmöglich machten bei erheblicher Gefahrensteigerung für die U-Boote. Unter diesen Umständen sind die an sich schon hervorragenden Leistungen der deutschen U-Boot-Besatzungen noch höher zu bewerten, wusste doch jeder Kommandant, dass er u. U. von seiner Regierung nicht gedeckt würde. Jeder Frontsoldat weiß, wie bitter es ist, unter solchen Verhältnissen kämpfen und seiner Mannschaft und sein eigenes Leben einsetzen zu müssen. Zugleich wurde die Gefahr, unter der gekämpft wurde, durch Vervollkommnung der Abwehr immer größer, die Ritterlichkeit des Feindes geringer, wie die Ermordung von Kapitänleutnant Wegener und seiner Besatzung des U 27 durch die englische unter amerikanischer Flagge fahrende U-Boot-Falle „Baralong“ am 19. August 1915 unter dem Kommando des englischen Lieutenant-Commander Mc. Bride zeigte. Der gleiche hat am 23. September 1915 U 41, Kapitänleutnant Hansen, versenkt und hierbei ebenfalls einen Mordversuch an zwei Überlebenden ausführen lassen. Kommandant und Besatzung erhielten in beiden Fällen Ordensauszeichnungen und eine Prämie von 1000 Pfund, die im dienstlichen Schriftverkehr der englischen Flotte als „Blutgeld“ bezeichnet wurde.
Auf Druck Amerikas hin wurde am 20. September 1915 der Handelskrieg in den Gewässern um England eingestellt. Der U-Boot-Krieg sollte in der Nordsee nur noch nach Prisenordnung geführt werden. Nur vor Flandern durften U-Boote noch Minen legen, im Mittelmeer unter gewissen Einschränkungen arbeiten. Hier war Kapitänleutnant Hersing mit U 21 Anfang Mai 1915 erstmalig aufgetaucht. Ende Mai 1915 rettete er die Dardanellen durch Versenkung zweier englischer „Linienschiffe. Generalfeldmarschall v. Hindenburg nannte ihn den „einzigen Seeoffizier, der im Weltkriege eine entscheidende Wendung herbeigeführt hat“. Die später gegründete Mittelmeerflottille errang hervorragende Erfolge.
Vom 29. Februar 1916 an durfte der Handels-U-Boot-Krieg etwas wieder aufleben, aber feindliche Passagierdampfer, auch bewaffnete, mussten geschont werden. Doch am 27. April 1916 wurde er wieder mit Ausnahme des Mittelmeers, eingestellt. Im Sommer 1916 wurden aber verschiedene feindliche Kriegsschiffe durch U-Boote versenkt, wobei die Vernichtung des englischen Kreuzers „Hampshire“ durch eine von U 75, Kapitänleutnant Beitzen, gelegte Mine besonders beachtet wurde, da hierbei der englische Oberstkommandierende Lord Kitchener sein Leben verlor.
Große Propagandawirkung hatte das erste Auftauchen des Handelsunterseebootes „Deutschland“ unter Kapitän König am 8. Juli 1916 in Amerika. Es gelang, wertvolle Rohstoffe nach Deutschland zu bringen. Am 7. Oktober 1916 traf U 53, Kapitänleutnant Rose, im amerikanischen Hafen Newport ein. Es verließ diesen nach zweieinhalbstündigem Aufenthalt ohne Betriebsstoffergänzung und kehrte nach Deutschland zurück. Am 1. Februar 1917 begann der uneingeschränkte U-Boot-Krieg. Er hat eine Unmenge hervorragender Soldatenleistungen der U-Boot-Besatzungen gezeitigt. Anfang April 1917 bereits erklärte der englische Admiral Jellicoe dem amerikanischen Admiral Sims, das England den Krieg verlöre, wenn es nicht gelänge, mit amerikanischer Hilfe der U-Boote Herr zu werden. Am 6. April 1917 erklärten die Vereinigten Staaten Deutschland den Krieg. Die im Laufe der Monate erzielten U-Boot-Leistungen übertrafen erheblich die Voraussagen der Marine. Bis Kriegsende wurden nach Lloyds Register 5861 Fahrzeuge zu 13 233 672 Tonnen versenkt, hiervon entfallen nachweislich mindestens 5554 Schiffe über 100 Br.-R.-T. mit insgesamt 12 191 996 Br.-R.-T. auf deutsche U-Boote, wobei die höchsten Ziffern im April und Juni 1917 erzielt wurden. Da die Gegenwirkung auf den verschiedenen Seekriegsschauplätzen nicht gleich war, ist ein Vergleich der Leistungen der einzelnen Besatzungen und ihrer Kommandanten kaum möglich. Der Tonnage nach Steht an erster Stelle Kapitänleutnant Lothar v. Arnauld de la Periére mit über 400 000 Tonnen vor Kapitänleutnant Forstmann mit 380 000 Tonnen und Kapitänleutnant Max Valentiner mit 300 000 Tonnen. Alle drei haben den größten Teil ihrer Erfolge im Mittelmeer errungen. Hinsichtlich der Anzahl versenkter Schiffe steht der Flandernkommandant Kapitänleutnant Steinbrinck an führender Stelle mit 216 Schiffen. Über oder fast 100 000 Tonnen wurden von weiteren 43 Kommandanten erreicht. Außer dem Befehlshaber der U-Boote und dem Führer der U-Boote in Flandern erhielten 29 Kommandanten für ihre und ihrer Besatzungen hervorragende Leistungen den höchsten Kriegsorden „Pour le mérite“. Die erzielten Erfolge sind besonders groß, wenn man bedenkt, über welche verhältnismäßig geringe Anzahl von U-Booten Deutschland meist verfügte. Die Höchstzahl der gleichzeitig vorhandenen U-Boote betrug 140. Von diesen standen am Feind gleichzeitig etwa ein Drittel zur Verfügung. Insgesamt hatte Deutschland während des Krieges 343 U-Boote, von denen 199 vor dem Feinde sanken. Mehr als die Hälfte der kämpfenden U-Boot-Mannschaften starb den Heldentod: 5132 Mann. Wenn trotz dieses vorbildlichen Einsatzes das Ziel, England niederzuringen, nicht erreicht wurde, so ist das nicht den Besatzungen zur Last zu legen, sondern in erster Linie der Unentschiedenheit und Uneinigkeit der politischen Leitung. Zu später Beginn eines wirklich großzügigen Bauprogramms, Verzögerungen im Einsatz, bis die feindlichen Abwehrmaßnahmen außerordentlich verschärft waren, unterbanden ein weiteres Ansteigen der Versenkungsziffern vom Juli 1917 an. Seit Mai 1918 gingen diese Ziffern dann bedenklich zurück. Trotzdem machten die U-Boote bis zuletzt dem Engländer größte Sorgen. Nicht zu Unrecht ist von ihm das Wort geprägt worden von den „five minutes“, die Deutschland zu früh seine Waffen aus der Hand gegeben hatte. Es besteht Grund zur Annahme, dass ein weiteres Kriegsjahr Deutschland erhöhte U-Boot-Erfolge gebracht hätte, konnte man doch von den bei Winterbeginn 1918 fertiggestellten 38 U-Kreuzern und den anderen neuen U-Booten viel erwarten.
Wir denken heute an den U-Boot-Krieg nicht ohne Bitternis, weil er besonders anschaulich das Fehlen eines unbedingten Siegeswillens der Leitung des damaligen Deutschen Reiches zeigt. Mit umso größerem Stolz blicken wir aber auf die unvergänglichen Taten, die unsere U-Boot-Besatzungen vollbracht haben. Ihr Wert liegt nicht allein in ihrem militärischen Erfolg, sondern vor allem auch in dem Beispiel der Kameradschaft. Es gab nicht viele Truppenteile, bei denen Tod und Leben so von jedem einzelnen abhing, wie im U-Boot. Der Seemann war verloren ohne die Leistung des Maschinenpersonals, und umgekehrt. Offiziere und Mannschaft teilten gleiche Entbehrungen und dieselbe Not. Je größer die Gegenwehr, desto besser mussten die Besatzungen sein. Die deutschen U-Boot-Fahrer kämpften wie die anderen deutschen Soldaten gegen zahlenmäßig weit überlegenen Feind. Sie kämpften mit noch nicht vollkommener Waffe und mussten sich zunehmend mit Ersatzstoffen begnügen, deren Verwendung noch wenige Jahre zuvor jeder verantwortungsbewusste Ingenieur mit Entrüstung abgelehnt hätte. Kein Soldat der Welt hat unter annähernd so schlechten Verhältnissen seine Pflicht erfüllt wie der Deutsche. Die U-Boot-Fahrer haben die Hauptlast des Seekrieges getragen. Ihr bis zuletzt unbeugsamer Geist wird durch zwei letzte U-Boot-Taten gekennzeichnet: Das Eindringen von UB 116, Oberleutnant z. See Emsmann, in die Bucht von Scapa Flow, wo es am 20. Oktober 1918 vernichtet wurde, und die Versenkung des englischen Linienschiffes „Britannia“ durch U B 52, Kapitänleutnant Kukat, am 9. Nov. 1918 bei Trafalgar.
Auf Verlangen des Feindbundes wurden die U-Boote ausgeliefert und manche U-Boot-Fahrer verfolgt und verurteilt. Die Empörung und der Widerstand weiter Kreise des deutschen Volkes gegen diese Behandlung bester Frontkämpfer war eines der ersten Zeichen wiedererwachenden deutschen Stolzes. Nun hat unser Führer mit der Zurückgewinnung der Wehrfreiheit uns wieder eine U-Boot-Waffe geschaffen, die erneut wahrmachen wird, dass Deutschland die besten U-Boot-Besatzungen der Welt besitzt.
Dieses Buch enthält nun schlichte Tatsachenberichte deutscher U-Boot-Fahrer; Kommandanten, Matrosen, Wachoffiziere und Maschinisten erzählen nebeneinander, so wie sie nebeneinander ihre Pflicht getan haben. Sie sprechen ohne Aufmachung und ohne Beschönigung, denn sie wollen ein wahres Bild des U-Boot-Dienstes geben, bei dem einer für den anderen Stand und bei dem es tausendmal kein „Unmöglich“ gab. Aus jedem Bericht spricht wirkliches Leben und jeder Abschnitt soll uns an die erinnern, die im U-Boot für Deutschland geblieben sind.
22. September 1914: Wind Nord 3, klar, Dünung. 6,12 Uhr vormittags. Eine kleine Gruppe von drei Panzerkreuzern gesichtet, getaucht, Angriff auf mittleres Schiff angesetzt.
7,20 Uhr vormittags: 2. Rohr 0 Grad auf mittelsten Kreuzer 500 Meter Fahrt 10 Seemeilen, 90 Grad Schneidungswinkel. — Treffer. Schiff krängte nach einigen Minuten stark und kenterte, während der Angriff auf den 2. Kreuzer angesetzt wurde.
7,55 Uhr vormittags: Doppelschüsse aus 1. und 2. Rohr. 5 Sekunden Intervall. 0 Grad Winkel auf östlichen Flügelkreuzer, der dem havarierten Schiff zu Hilfe kam und es mit Rettungsbooten unterstütze. Schiff lag fast still. Zielverteilung durch Drehen des Bootes. Schussentfernung etwa 350 Meter. Schneidungswinkel geschätzt 70 Grad, zwei Treffer, Schiff krängte und sank unbeobachtet, während der Anlauf auf das nächste Schiff angesetzt wurde. 8,20 Uhr vormittags: Doppelschuss aus 3. und 4. Rohr. 180 Grad Winkel auf das letzte Schiff, welches in der Nähe stoppte und sich ebenfalls an der Rettung zu beteiligen schien. Schiff lag fast still. Schussentfernung etwa 1000 Meter. Beide mit 5 Sekunden Intervall nacheinander im Ablaufen Mitte losgemacht. Vom Boot nur eine allerdings trotz der großen Entfernung sehr heftige Detonation gespürt. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass der 2. Torpedo von der Detonation des ersten mit zur Explosion gebracht worden ist. Vom Sehrohr wurde die erste Wirkung am Ziel durch eine besonders große Sprengwolke gekennzeichnet. Beim ersten Zeigen des Sehrohrs, nach Verlauf von etwa 4 Minuten, konnte ich wohl eine veränderte Trimmlage des Schiffes feststellen, eine Schlagseite jedoch nicht, wegen der seitlichen Stellung zum Schiff. Um sicher Zu gehen, entschloss ich mich noch zum Abfeuern des letzten 6. Torpedos.
8,35 Uhr vormittags: 1. Rohr 0 Grad auf das stillliegende havarierte Schiff. Schussentfernung 500 Meter. Treffer. Bei der ersten Beobachtung, nach Verlauf von etwa 5 Minuten, lag das Schiff mit etwa 45 Grad Krängung da und legte sich, wie vom ablaufenden U-Boot gut beobachtet werden konnte, allmählich mehr und mehr auf die Seite, dann Kiel oben und verschwand schließlich gänzlich. Dazu brauchte das Schiff etwa 35 Minuten. In derselben Weise wird der Untergang der beiden ersten Schiffe erfolgt sein. Rückmarsch angetreten.
23. September 1914, 1,35 Uhr nachmittags: Helgoland.
20. Oktober 1914: Nordsee, Höhe von Stavanger Fjord. Entsinnst du dich, dass am 15. Oktober 60 Kilometer von Schottland ein alter englischer Kreuzer in den Grund gebohrt worden ist? Die armen Kerle im Wasser taten mir leid. Sie sind zum Teil nach einiger Zeit von einem Dampfer übernommen worden und werden in ihrer Heimat schon davon berichtet haben und von da wird die Kunde auch nach Deutschland gelangt sein. U 9 hat es gemacht. Der Erfolg ist mehr moralischer als praktischer Art. Der Kreuzer gehört wahrscheinlich der „Dido“-Klasse an, seinen Namen werdet ihr längst kennen. Ich weiß ihn noch nicht, erst in Helgoland werde ich ihn erfahren. Über 6 Stunden dauerte der Kampf; aber schließlich habe ich ihn doch noch zu fassen gekriegt. Nach 7 Minuten war er von der Bildfläche verschwunden.
23. Oktober 1914: Helgoland. Gesund eingetroffen. Diesmal war es nur der „Hawke“.
7. November 1914: Je mehr uns die Menschen ehren, umso bescheidener müssen wir werden.
15. Februar 1915. Nächstens fängt es an allen Ecken mächtig zu rauchen an. Wir erleben, davon sind wir alle überzeugt, einen Frühling, der alles Bisherige in den Schatten stellt. Es ist eine Lust zu leben!
6. März 1915. U 29 hat infolge eines belanglosen Maschinenschadens Ostende anlaufen müssen. Es hat sich mir bei dieser Gelegenheit als ein hervorragendes Seeboot gezeigt. Die Reparatur ist morgen Mittag beendet und ich werde am 8. in aller Frühe auslaufen, um zu sehen, was sich machen lässt. Das Boot kommt zurück, wenn es keine Torpedos mehr hat. — Von U 8 traf heute die Meldung ein, dass es abends in der Nähe von Dover angerannt und die Besatzung gerettet sei. Vielleicht traute Stoch seinem Glücksstern zu viel zu? Ich bin auch kein Pessimist. Im Vertrauen auf unseren Herrgott will ich aber kein Mittel unversucht lassen, das zur Erhaltung meines glücklichen Sternes beitragen könnte. Nach meiner Ansicht muss das sogenannte Glück immer wieder durch Vorsicht, Energie und Fleiß errungen werden. Vertrauensseligkeit kann zum Verhängnis werden.
8. März 1915: Es ist viel Wind draußen, aber wer weiß, wann das Wetter besser wird! Gleich um 11 Uhr geht’s in See. Wenn es draußen zu schlecht ist, komme ich gleich wieder zurück, Sage mir aber, je eher ich hinausgehe, umso eher bin ich wieder heim.
9. März 1915. Heute wegen stürmischen Wetters wieder nach Ostende geflüchtet. 10. März 1915. Gleich um 9 Uhr soll es nun wirklich losgehen. Ich will mir jetzt erst den Orden „Pour le mérite“ wirklich verdienen.
Wir blieben die Nacht unter Wasser. An Schlaf war trotzdem nicht zu denken, denn wir befanden uns im Kanal, in unmittelbarer Nähe des Feindes.
Um 5,30 Uhr morgens tauchten wir auf, denn unser Kommandant Kapitänleutnant Weddigen hatte festgestellt: draußen in der Dämmerung des heraufsteigenden 22. September 1914 ist die Luft rein! — Also: „Turmluk auf! — Wachen an Deck! — Petroleum-Motoren klar zur Fahrt!“ —— Die 20 Zylinder der P-Motoren surrten, brummten und knatterten drinnen; weißer Petroleumqualm hüllte draußen das ganze Boot in einen dichten Nebel. Dies Qualmen war eine gefährliche Eigenheit jener alten Motoren dieser ältesten Boote. — Alles, was vom Personal dienstfrei ist, krabbelt an Deck, nimmt die Lungen voll frischer Morgenluft und raucht die langentbehrte Zigarette.
Der Wachoffizier, Oberleutnant z. S. Spieß, führte das Boot, während der Kommandant und ich uns auf der Back die Beine vertraten. Es war inzwischen 6 Uhr geworden. Die Sonne tauchte langsam aus der nebelblauen Tiefe. Golden glitzerten die an dem grauen Leib des Stahlfisches aufspritzenden Wassertropfen; der Petroleumqualm verschwand mit dem Warmwerden der Motoren. In flotter Fahrt trug uns U 9 in den aufleuchtenden Tag. Der frische, herbe Hauch der Morgenluft und das Gefühl, jeden Augenblick auf den Feind stoßen zu können, lösten in uns ein seltsames Prickeln aus ——
U 9 fuhr, eine lange Petroleumfahne nachziehend, in den golden glänzenden Herbstmorgen hinein.
Da rief plötzlich der diensthabende Offizier in unsere Morgenseligkeit: „Backbord drei Strich, eine Rauchwolke!“ —— Das Gesicht des strahlenden Tages, der so friedlich über uns blaute, veränderte sich mit einem Ruck. — Wie ein harter Schlag ging es durch uns alle: wir waren jetzt nur noch die Glieder eines Organismus — der denkenden Maschine ——
Kaum war ich unten im Maschinenraum, schrillte mir schon die Alarmklingel nach: „P-Motoren stoppen, Tauchklappen öffnen! —— Tiefenruder vorne hart unten, achtern hart oben! —— E-Maschinen volle Fahrt voraus!“ In uns zitterte Erregung, der beseelte Stahlleib unseres Bootes bebte — versank, versank aus dem eben erwachten Licht. Oben spielten nun die Sonnenstrahlen auf den Wellen. Unten aber —— „Maschinen langsam, Boot auffangen“ — „Boot auf Seerohrtiefe!“
„Drei feindliche Kreuzer!“ gab Otto Weddigen in die Zentrale. —
Mit einem liebevollen Blick streichelte ich noch einmal meine Maschinen. Mit der größten Sorgfalt wurde der Trimm — die Tiefenlage — genau einreguliert, Trotz sehr starker Unterwasserdünung, die noch von dem Sturm der letzten Tage herrührte, ließ sich das Boot einwandfrei auf zehn Meter steuern und lag glänzend.
„Achtung! Angriff beginnt! Beide Torpedorohre klarmachen!“ ertönte aus dem Sprachrohr dumpf die klare Kommandostimme Weddigens.
Ich hatte da unten neben den Maschinen das Gefühl, als wenn ich mich an einen prächtigen Sechserbock heranpirschte, dem ich schon wochenlang nachgejagt. Ich kannte Weddigen, merkte an dem vielen Aus- und Einfahren des Sehrohrs, dass die Beute nicht mehr weitab sein konnte, wusste auch, dass er träfe, wenn wir Blinden in der Zentrale ihm das Boot so hielten, wie er es brauchte. Die Rohre werden klar gemeldet; es war 7,15 Uhr.
„Erstes Rohr ——— Achtung!“
Im Boot herrschte größte Ruhe. 7,20 Uhr. „——— Los!“ ———
Sofort ging es auf 15 Meter Tiefe. „Torpedo ist raus!“ wurde von vorn gemeldet. Nun einige Sekunden atemlose Spannung. Dann ein lauter Knall: Treffer! „Hurra, hurra, hurra!“ tönte es wie aus einer Kehle ——
Von oben kam bereits: „Schnell auf 10 Meter!“ Das Sehrohr wurde ausgefahren. „Der hat genug!“ sagte Weddigen —— „Erstes Rohr nachladen.“
Der Torpedooffizier, beim Angriff selbst zur Unterstützung des Kommandanten im Turm, sprang nach vom und leitete das Nachladen. Gar nicht so einfach, diese Arbeit. Das Reservetorpedo musste etwa fünf Meter bewegt werden, hierfür war Platz zu schaffen. Der Deckoffizier-Wohnraum musste dran glauben. Die wenigen Möbelstücke flogen wirr durcheinander und zerkrachten! — Um den ungeheuren Gewichtsverschiebungen gerecht zu werden, schickte ich Leute mit zentnerschweren Trimmgewichten ins Heck. Denn durch den Transport des Torpedos von mittschiffs in das am Bug befindliche erste Rohr hatte das Boot starke Neigung vorn nach unten bekommen. Kaum hatte ich es ausbalanciert, folgte auch schon ein Maschinenkommando dem andern — der Angriff auf den zweiten Kreuzer wurde angesetzt.
„Erstes Rohr nachgeladen!“ kam es von vorne. Ein wenig später: „Achtung, Angriff auf den zweiten beginnen! — Nicht unterschneiden! Nicht herauskommen! Vorsicht! —— Vorsicht! ————— Vorsicht! ———— Bloß nicht rauskommen —— Vorsicht! ———“ rief Weddigen wieder, „die Kerle halten scharfen Ausguck, Stehen klar an den Geschützen!“ Jeder tat schweigend seine Pflicht. „Erstes und zweites Rohr ——— Achtung!“ 7,55 Uhr: „Los!“ —— „Looooos!“
Darauf Kommando von mir: „Alle Mann mit Trimmgewichten voraus! Fluten —— Fluuuuten! Auf 15 Meter!“ Die Erleichterung des Bootes durch die abgeschossenen Torpedos musste ausgeglichen werden. Keuchend schleppten die Leute die schweren Eisenkugeln in den Bug. Blau und dick traten dem Tiefenrudergänger die Adern auf die Stirn. Mit seinen Fäusten musste er eine 15 Meter hohe Wassersäule durch die großflächigen Tiefenruder anheben. Von meinen Leuten tropfte der Schweiß auf die Eisenplanken des Bodens. „Bumm“ ——— Na? ——— Nochmal: „Bumm.“ ——— Hurra! Beide Torpedos also Treffer, ein Meisterschuss eines Meisterschützen!
Es ging allmählich heiß her im Boot; die Leute mussten laufen und schleppen. Kaum hatten wir das Boot auf 15 Meter ausbalanciert, kam bereits Gegenbefehl: „Auf zehn Meter Tiefe gehen! — Sehrohrtiefe!“ — Freudig gab Weddigen nun nach unten: „Der erste hat ausgelitten, der zweite sinkt!“ ——
Der Obersteuermann Traebert, der das anstrengende Tiefenruderlegen selbst besorgte, ermattete. Diese ‚entsetzliche U-Bootsluft! Mein bester Mann! Mit erschöpfter Stimme fragte er nach oben: „‚Herr Ka’leu‘, verdammt, wo lang duert dat noch?“ und Weddigen brüllte die prächtige Antwort durchs Boot: „Vorläufig schwimmt noch einer!“ Ich ließ den Steuermann für einen Augenblick ablösen, drückte ihn in den Rahmen der Schotttür. Mütze vom Kopf! Schnell einen großen Schuss Sauerstoff ins Boot. — Meinen anderen Leuten schien es nur wenig besser als dem Steuermann zu gehen! Und mir? — Na, gleichgültig! Der Mann erholte sich schnell und ging wieder auf Station. — Alles arbeitete wie im Manöver; wenn auch über alle eine tiefe Erregung gekommen war. Vorn wurde der letzte Torpedo nachgeladen. Der dritte Angriff begann.
„Beide Heckrohre klarmachen!“ „Drittes — viertes Rohr ——— Achtung! — Achtung! Los! Los! ——“ 8,20 Uhr. Totenstille, das Surren wurde leiser, die E-Maschinen sangen, da, bumm! ——? ——? ——
Aber es blieb bei einer Explosion! Dem letzten Kerl scheint es allmählich gedämmert zu haben! Aber er sackte achtern schon etwas weg. Wir schlugen einen Kreis um ihn, um ihm mit dem letzten Bugtorpedo den Gnadenstoß zu geben. Nur noch Minuten: Das Rohr war indessen nachgeladen. Nur noch Sekunden: „Rohr fertig?“
„Rohr fertig!“
„——— Achtung! — Los“
Und dann zum letzten Mal: „Bumm!“
Gleich darauf rief mich Weddigen in den Turm und ich konnte wenigstens sehen, wie unser letztes Wild sein Grab fand.
Nur wenige Boote trieben auf dem Wasser. Nur wenige Menschen in ihnen. Sonst nichts, gar nichts, nicht das Geringste, das noch daran erinnert hätte, dass noch vor einer Stunde und dreißig Minuten drei stolze Schiffe hier fuhren.
Weddigen kam aus dem Turm nach der Zentrale, schüttelte uns Mann für Mann die Hand und sagte dann, als wir in der Offiziersmesse ein Glas Wein auf den Sieg leerten und die Gläser klingen ließen auf die deutsche Heimat und den obersten Kriegsherrn: „Meine Herren, den Erfolg danke ich Ihnen, denn das Boot funktionierte! Ich habe eigentlich nichts zu tun brauchen ——!“
Wir sprachen wenig, denn jeder war mit seinen Gedanken beschäftigt. Um 8,50 Uhr tauchten wir auf. Über uns strahlte die Herbstsonne. Das Wasser war glatt bis auf eine leichte Dünung. — Zigaretten!
In großer Entfernung erschien ein Dampfer, der Kurs auf das Schlachtfeld nahm. Schnell ließ ich unsere P-Motoren anwerfen; die Engländer mussten uns jetzt sehen. — Und nun heimwärts, was die Maschinen halten wollten! Unsere Stimmung war freudig ernst: Dieser Morgen hatte uns die Erfüllung dessen gebracht, für das wir eingesetzt waren, für das wir uns eingesetzt hatten: Unsere neue Waffe hatte sich glänzend bewährt.
18. Oktober 1914: Wir versenken mit unserem U 27 vor der Ems das englische U-Boot E 3 nach planmäßigem getauchten Auflauern.
25. Oktober 1914: In der Nordsee. 7 Uhr vormittags. Vier Gefäße in 500 Meter Abstand auf dem Wasser schwimmend angetroffen. Es konnten die Ankerbojen des eingezogenen Ruytinger Feuerschiffs sein. Um mir Gewissheit zu verschaffen, schickte ich den Wachoffizier Oberleutnant z. S. v. Ahlefeld mit Wurfleine schwimmend an das erste Gefäß. Leinen angesteckt und an Bord belegt. Leine brach bei Rückwärtsgang. Oberleutnant z. S. v. Ahlefeld wurde darauf nochmals schwimmend zu dem 2. Gefäß hinübergeschickt. Er nahm hierbei, an dünner Leine angesteckt, eine 60 Meter lange Stahlleine mit Teufelsklau mit und befestigte so die Leine an dem Gefäß. Das Boot ging darauf halbe Fahrt zurück, Das Gefäß legte sich nun Stark über. Nach drei Minuten Versuch aufgegeben. Kurz nach „Stopp!“ detoniert das Minengefäß mit 30 Meter hoher Wassersäule. — Zur ersten Mine zurückgekehrt und mit M.-G. abgeschossen.
28. Oktober 1914: Navigatorische Erkundungsfahrt zur englischen Küste. Ahlefeld soll später auf dem Flaggschiff des Befehlshabers der Aufklärungsschiffe (Admiral Hipper), beim beabsichtigten Vorstoß der Schlachtkreuzer zur Beschießung befestigter englischer Küstenplätze an der Ostküste mitfahren, zur Unterstützung der Navigation.
31. Oktober 1914: Haben 8 Kilometer west-nordwestlich von Calais im englischen Kanal das englische Flugzeugmutterschiff „Hermes“ versenkt.
5. November 1914: Eisernes Kreuz 1. Klasse erhalten.
23. Dezember 1914: Nach einigen kleinen Unternehmungen bin ich wieder nach Wilhelmshaven gekommen, um das Weihnachtsfest hier zu begehen. Wenn ja auch in diesem Jahre alles unter dem Eindruck unseres Existenzkampfes steht, so gibt es doch gerade in diesen Tagen wohl manche ruhige Stunde, wo die Gedanken an den Krieg schwinden und nach der Heimat eilen. Wenn dort der Weihnachtsbaum angezündet wird, dann werden auch wir unter unser Bäumchen treten und alle Hoffnungen und Wünsche dieses Weihnachtsfestes werden wir in Gedanken austauschen. Was uns die Zukunft bringen wird, wissen wir nicht, wir wollen auch nicht darüber nachgrübeln. Nur arbeiten wollen wir, jeder an seiner Stelle, zu einem großen, glücklichen Ende. Auch ich weiß nicht, was mir selbst für die nächste Zeit bevorsteht. Naturgemäß werden die Unterseebootunternehmungen in der kalten Jahreszeit ja etwas eingeschränkt werden, denn die langen, dunklen Nächte sind ja unsere größten Feinde. Und doch ist es wohl unser sehnlichster Wunsch, dass endlich die große Entscheidung dieses Krieges kommen möchte.
Im August 1914 zog ich mit U 12 in den Krieg. Unsere Stimmung war schlecht. Dieses ewige aussichtslose Kringeln um Helgoland herum! Halt, nicht übertreiben — einmal durfte ich die Nase ins Skagerrak stecken, und ich dehnte diesen Ausflug auf eigene Faust bis auf die Höhe von Stavanger aus. Im Allgemeinen aber hielt man sich für den bestimmt erwarteten Angriff der Engländer in den heimischen Gewässern klar. Doch auf dem Wasser sah es ganz anders aus, als wir es uns im Frieden hatten träumen lassen. Man dachte sich große, entscheidende Seeschlachten und sah sich selbst als U-Boot-Kommandant zwischen den feindlichen Geschwadern mit Torpedos wirken, dass es nur so krachte. Aber alles wurde ja anders, denn die „Fleet“ wagte sich nur einmal im Nebel in die Nähe von Helgoland.
So hatte ich bis Anfang November vom Feind eigentlich noch nichts gesehen. Allerlei Dampfer waren mir wohl vor den Bug gekommen, doch die ließ ich laufen. Wir wussten ja noch nichts vom englischen Aushungerungsplan. Endlich bekam ich aber Befehl, U 12 an die feindliche Küste zu führen. Wir konnten uns nur ganz unvollkommene Vorstellungen von der feindlichen Gegenwirkung, der Minengefahr und der Bewachung des Englischen Kanals machen. Ausgerechnet auf dieser langersehnten Fahrt herrschte ein derartiger Weststurm und Seegang, dass ein Vorstoß in den Kanal aussichtslos war. Deshalb suchte ich mir unterwegs ein Ersatzunternehmen und beschloss, in die „Downs“ vorzustoßen, die vor Westwinden geschützt liegen. Wenige Seemeilen östlich Dover bei Kap South Foreland biegt die englische Küste nach Norden um. Die „Downs“ nennt man die schmale Fahrrinne, die zwischen der Küste von Kent und dem flachen Goodwin-Sand nach der Themse fuhrt. Allerdings war hier mit starken Strömungen zu rechnen.
Tatsächlich wurde trotz des draußen herrschenden Orkans so dicht unter Land der Seegang viel ruhiger. Mehrere Dampfer und Segler sah ich durch das Sehrohr vor Anker liegen, aber von einem Kriegsschiff war nichts zu sehen. „In 10 Minuten sind wir querab von Deal, Herr Kapitänleutnant! Wir müssen dann kehrtmachen. Da oben wird es zu flach“ meldete Steuermann Rath. Der gute Mann schwitzte förmlich vor Eifer an seiner Karte. Er hatte es auch wirklich nicht leicht bei meinen vielen Ausweichmanövern in dem sehr schwierigen Fahrwasser. An Backbord vier Strich voraus sehe ich dicht am Wasser die kleine Stadt mit ihren weißen Häusern, ein paar Schornsteinen und Kirchtürmen. Ja, bald ist der Reinfall fertig, und wir können wie die begossenen Pudel wieder abziehen! Noch einmal sehe ich scharf die See ab: Dampfer, Segler, Segler, Dampfer, wohin ich auch das Sehrohr drehe. Dicht vor Deal liegt ein grünes Wrackschiff. Doch halt! — Was kommt jetzt von diesem frei? Ein flaches Fahrzeug! Rahen tragen seine Masten. Das Ist kein Dampfer! Den Kahn will ich mir doch genauer ansehen. „Steuermann, wir müssen noch eine Seemeile weiter. Geht’s?“ frage ich hastig. „Dann ist’s aber auch allerhöchste Zeit, sich zu verdrücken, Herr Kapitänleutnant. Sonst kommen wir bestimmt auf Dreck.“ — Wir kurbeln also weiter. Zweifellos ist es ein Kriegsfahrzeug, das ich nun nicht mehr aus dem Sehrohr lasse. Es bewegt sich nicht, liegt unter Land vor Anker oder nur gestoppt. — Donnerwetter! — Ein Torpedoboot oder ein kleiner Kreuzer scheint es zu sein!
Beschleunigt wird ein Bugrohr klargemacht. Die Entfernung ist allerdings verdammt groß, aber heute gilt’s. Auf etwa 1800 Meter heran. „Los“ brülle ich und schon gibt es einen kleinen Ruck, — mein erster Kriegstorpedo zieht von dannen. „Wahnsinnig weit!“ Schimpfe ich vor mich hin und verfolge in höchster Spannung die Bahn des Torpedos. Einmal durchbricht er hochaufspritzend die Wasseroberfläche, aber tadellos gerade steuert er seinen weiten Weg zum Engländer. Da — ein scharfer Knall im Boot — und drüben unterhalb der Brücke steigt eine weiß-schwarze Sprengwolke in die Höhe. Treffer!
Ja, Dusel gehört nun mal zum Geschäft. Wunschlos glücklich sind wir alle! Jetzt ist der Bann gebrochen, unser erster Treffer geschafft! — „Wir müssen kehrtmachen, Herr Kapitänleutnant!“ mahnt Rath. „Steuerbord 20 auf Südkurs gehen!“ — Aber das getroffene Schiff mag ich noch nicht aus dem Sehrohr lassen. Ich bin zu gespannt, wie jetzt die Geschichte weitergeht. Es ist 12 Uhr mittags. Wir mögen ihnen tüchtig die Suppe versalzen haben. Eine lebhafte Bewegung entsteht auf den Dampfern, Boote werden zu Wasser gelassen und pullen zu unserem Opfer. Auch von Land eilt man mit allerhand Fahrzeugen zu Hilfe. „Auf 20 Meter gehen!“ Keinesfalls darf die Richtung bemerkt werden, in der wir uns entfernen. Aber allzu lange halte ich es da unten nicht aus. Ich will doch melden können, ob der Gegner gesunken ist. „Auf 10 Meter gehen!“
Die Tiefenrudergänger waren wohl vom Jagdfieber etwas durchgedreht, jedenfalls kam U 12 zu hoch heraus und wurde von einem Zerstörer gesehen. Der kam nicht schlecht angebraust! Plötzlich ein dumpfer, eigenartiger Ton, von oben herkommend, und dann ein knarrendes Kratzen und Scharren, und tief wurden wir heruntergedrückt. Scharf horchten wir auf, doch nichts erfolgte weiter. Ein schwerer Gegenstand musste auf uns geworfen oder über das Boot geschleppt worden sein. Wie mir die Leute vom Vorschiff später meldeten, hatten sie ein Schlieren von Ketten über Oberdeck deutlich gehört. Na, es war noch einmal gut gegangen, aber beschleunigt verließen wir den Platz und blieben auf großer Tiefe, bis es dunkel geworden war. Am nächsten Mittag machte U 12 als erstes deutsches Unterseeboot in Zeebrügge fest. Auf der Mole hatten sich ein paar Kameraden zum Empfang eingefunden. „Sind Sie einen Torpedo losgeworden?“ rief mir gleich ein Neugieriger zu. „Geschossen und getroffen habe ich wohl, aber wen und was, kann ich euch wirklich nicht verraten!“ — „Mensch, da haben Sie ja das englische Torpedokanonenboot ‚Niger’ versenkt! Heute Nacht hat es die englische Admiralität in alle Welt gefunkt!“
Alles beglückwünschte uns. Bald brachte mich ein Kraftwagen nach Brügge, wo ich mich beim Führer des Marinekorps melden musste. Nach meiner Berichterstattung überreichte mir Exzellenz v. Schroeder mit wohlwollenden Worten in allerhöchstem Auftrag das Eiserne Kreuz. Ich muss gestehen, ich war stolz und bewegt. Einige Zeit später erhielten 12 Mann meiner Besatzung, der Bootsnummer entsprechend, die gleiche Auszeichnung.
In der Neujahrsnacht 1914/15 suchte U 24 im Englischen Kanal nach dem englischen Linienschiffsgeschwader, auf das es schon bei Tage mehrere, allerdings vergebliche Angriffe gefahren hatte. Bei diesen waren wir unbemerkt geblieben. Um 2,55 Uhr vormittags in heller Mondnacht Alarm, da in 80 Grad abgeblendete Fahrzeuge in Sicht kamen. Beim Näherkommen wurden sie als große Schiffe ausgemacht. Ich schoss mit dem ersten Rohr bei sehr spitzem Schneidungswinkel. Die Entfernung betrug etwa 700 Meter. Keine Detonation des Torpedos erfolgte. Die drei Fahrzeuge liefen ab. Gleich darauf kam eine größere Anzahl, etwa fünf Schiffe, in Sicht. Sie waren abgeblendet auf gleichem Kurs. Auf eines derselben setzte ich zum Angriff an und ließ das 3. und 4. Torpedorohr im Abstand von 6 Sekunden losmachen. Nach 19 Sekunden war eine heftige Detonation zu hören. Das Schiff bekam Schlagseite nach Steuerbord. Alle anderen Schiffe entfernten sich eiligst. Scheinwerfer wurden nicht angestellt. Das getroffene Schiff lief noch Fahrt. Ein zweiter Angriff musste ausfallen, da unser Boot zu dicht an dem Schiff war. Aber ein dritter Angriff führte um 4,07 Uhr zum Schuss aus dem 2. Rohr, gefolgt von einer Detonation nach 9 Sekunden. Nach weiteren fünf Sekunden klangen noch drei dumpfe Detonationen herüber. Es erweckte den Anschein, als ob Munitionskammern aufflögen. Die Ständer unseres achteren Sehrohres brachen. Ein Nietbolzen sprang vom Turm ab. Von der Wirkung des Schusses etwas zu sehen, war nicht mehr möglich, da die Sehrohre sich nicht mehr ausfahren ließen. Auf dem Turm waren heftige Erschütterungen spürbar, als ob Schiffsteile gegen ihn flögen.
Mit Kurs 190 Grad liefen wir 3 Seemeilen unter Wasser ab. Die Art des Schiffes war nicht auszumachen, aber ich nahm an, dass es ein Schiff des Geschwaders sei, das am Vormittag evolutioniert hatte. Nach meiner Erfahrung werden bei Nacht abgeblendete Fahrzeuge zuerst immer als Zerstörer angesprochen. Das Entfernungsschätzen bei Nacht aus dem Sehrohr bietet große Schwierigkeit. Ich glaubte stets weiter ab zu sein, während ich nach der Laufbahn des Torpedos auf 360 und 160 Meter heran war. Während des Angriffes war das Boot kaum auf Tiefe zu halten, kam oft an die Oberfläche und schnitt dann wieder unter, wodurch die einwandfreie Beobachtung sehr erschwert wurde. Es musste sehr starker Seegang herrschen. Beim Auftauchen im Hellen zeigte sich, dass das hintere Sehrohr und alle Stützen für Minenabweiser nach einer Seite umgebogen waren. Am Wellenbrecher war rote Schiffsbodenfarbe Sichtbar. U 24 war also entweder bei dem Nahangriff unter dem angegriffenen Schiff durchfahrend gerammt worden oder von einem Verfolger. Erst im Hafen kam der Name des Opfers heraus: das englische Schlachtschiff „Formidable“ von 15290 Tonnen, bewaffnet mit 34 Geschützen bis zu 30,5 Zentimeter, 2 M.G. und 4 Torpedorohren. Auf kaiserlichen Befehl wurden darauf an der ganzen Westfront drei Hurras auf U 24 ausgebracht.
Am 30. April 1915 war U 20 von Emden aus in See gegangen, um laut Befehl große englische Truppentransporte an der Einfahrt von Liverpool abzufangen. Wir sollten auf kürzestem Weg um Schottland unsere Station aufsuchen und so lange aushalten, wie es unsere Vorräte gestatteten. Leider konnten wir keinen Truppentransport fassen. Nur ein englisches Segelschiff konnten wir am 5. Mai, zwei englische Dampfer am 6. Mai versenken. Am Mittag dieses Tages trafen wir einen großen Passagierdampfer der White Star-Linie, ohne dass ein Torpedoschuss wegen des zu großen Abstands möglich gewesen wäre. Dicker Nebel hinderte das Arbeiten. Als der Ölvorrat zur Neige ging und nur noch zwei Torpedos vorhanden waren, wurde die Heimreise angetreten. Am 7. Mai fuhren wir daher mit nördlichem Kurs bei dickem Nebel und rauer See unter Wasser. Einmal hörten wir Schraubengeräusch über uns, zu stark für Zerstörer. Ich fuhr das Sehrohr aus. Ein großer Panzerkreuzer war über uns weggefahren und bei seiner hohen Geschwindigkeit nicht mehr einzuholen. Wir haben nicht schlecht geflucht. Als der Nebel sich lichtete, tauchten wir auf. Um 2,20 Uhr nachmittags sichteten wir genau rechts voraus an der irischen Südküste Schornsteine und Masten, scheinbar von mehreren Schiffen. Es war ein Dampfer mit vier Schornsteinen und vielen Masten. Er kreuzte unseren Kurs senkrecht, kam aus Südsüdwest und steuerte Holley Head an. Um 2,25 Uhr drehte ich nach Steuerbord ab in der Hoffnung, dass der Dampfer an der irischen Küste entlang laufen würde, und tauchte. Um 2,35 Uhr drehte der Dampfer und nahm Kurs auf Queenstown. Dadurch kam er auf Schussentfernung an uns heran. Wir liefen höchste Fahrt, um auf Position zu kommen. Um 3,10 Uhr Torpedoschuss, Bugtorpedo, 700 Meter Entfernung, 90 Grad Schneidungswinkel, geschätzte Fahrt 22 Seemeilen, alter Bronze-Torpedo auf drei Meter Tiefgang eingestellt. Treffer Steuerbord Hinterkante Brücke. Ungewöhnlich starke Detonation, gefolgt von ungeheurer Rauchwolke. Trümmermassen flogen bis in Schornsteinhöhe. Es folgte eine zweite Explosion, als wäre Munition in die Luft gegangen. Die Brücke und die Stelle der Bordwand, wo der Torpedo traf, waren weit aufgerissen. Es brannte. Das Schiff stoppte und legte sich sehr schnell nach Steuerbord über. Gleichzeitig sank es über den Bug. Der neben mir stehende Kriegslotse, ein alter erfahrener Dampferkapitän, blickte durch das Sehrohr und erkannte in dem Dampfer die „Lusitania“. Jetzt war auch am Bug des Schiffes der Name „Lusitania“ in goldenen Buchstaben zu lesen. Die Schornsteine waren schwarz gemalt, die Reedereiabzeichen überstrichen, eine Flagge nicht gesetzt. Das Schiff sank sehr schnell. Auf den Decks herrschte größte Panik, überfüllte Rettungsboote flogen kopfüber ins Wasser und zerschellten zwischen ertrinkenden Menschen. Verzweifelte rannten hin und her, andere rangen schon mit den Wellen, versuchten sich an kielobentreibenden Booten hochzuziehen. Der Dampfer sank immer mehr. Ich hätte es nicht fertiggebracht, in die Massen von Passagieren, die sich zu retten versuchten, einen zweiten Torpedo zu schießen. Da der Dampfer sicher um Hilfe gerufen hatte, mussten Hilfsschiffe und Bewacher bald eintreffen. Ich lief deshalb auf 20 Meter Tiefe ab.
Um den Besitz der Dardanellen tobte der Großkampf. Am 25. Mai 1915 gegen 12 Uhr entdeckte ich auf einmal dicht unter der Küste von Gallipoli ein feindliches Kriegsschiff, es war das englische Linienschiff „Triumph“. Ich fuhr sofort mein Sehrohr ein und steuerte dem Linienschiff entgegen, denn ich hatte festgestellt, dass unter Land die feindliche Bewachung bedeutend schwächer war. Nach ungefähr dreiviertel Stunden kam ich wieder auf zehn Meter, um meinen Angriff anzusetzen. Das englische Linienschiff hatte den Vormittag über die türkischen Schützengräben von der Flanke beschossen und machte nun Mittagspause. Das Schiff fuhr mit ausgebrachten Torpedoschutznetzen und ungefähr 5 bis 6 sm Fahrt unter der Küste hin und her. Die ganze Besatzung lag an Oberdeck und sonnte sich, nur die Ausguckposten, schwer bewaffnet mit Doppelgläsern, waren auf der Suche nach einem U-Boot. — Ich setzte sofort meinen Angriff an, war aber leider noch etwas zu weit weg, um gleich schießen zu können. Als ich mein Sehrohr wieder einfahren wollte, um meine Anwesenheit nicht zu verraten, entdeckte ich etwas, was mir gar nicht in meinen Angriff passte. Das englische Linienschiff hatte sich gesichert durch einen großen Zerstörer, der immer mit äußerster Kraft um das Linienschiff herumfuhr, in einem Abstand von ungefähr 1000—1200 Metern — der günstigsten Schussentfernung für ein U-Boot, was der Brite selbstverständlich genau wusste. Als ich nun gerade mein Sehrohr einfahren wollte, um auf Schussentfernung an den Gegner heranzukommen, sehe ich diesen Zerstörer gerade um den Bug des Linienschiffes herumkommen und mit äußerster Kraft auf mich losfahren. In dem Bruchteil einer Sekunde musste ich überlegen: Den Angriff wagen? Das bedeutete den vollen Einsatz des Bootes! Wenn ich vernichtet wurde, dauerte es 6 Wochen, ehe wieder ein deutsches U-Boot da war — Warum jetzt? Der Brite kommt mir schon noch morgen oder übermorgen vor den Steven —— Näher! Pfeilschnell schäumt der Zerstörer heran —— Schließlich genügte die bloße Anwesenheit eines U-Bootes vor den Dardanellen, den Gegner in größte Unruhe zu versetzen —— Noch einen Augenblick, die Chance des Angriffs war vorbei —— Da wagte ich es doch!
„Auf 16 Meter!“ In dieser Tiefe konnte mich der Zerstörer nicht mehr rammen —— Tiefer konnte ich nicht —— das beanspruchte Zeit. Und ich musste sofort schießen, wollte ich nicht mit dem „Triumph“, auf den ich gerade lossteuerte, zusammenprallen —— Jetzt war ich auf 16 Meter, da klirrten schon die Schrauben des Zerstörers über mir —— Immer lauter klangen die Schrauben —— Was war das? Das Boot schaukelte —— jetzt mussten die Wasserbomben detonieren —— mussten uns vernichten, denn er war ja genau über uns. Wir hielten uns fest, holten tief Atem, denn jetzt musste Entsetzliches geschehen —— Die Sekunden tropften träge —— nichts. Das Schraubenklirren verebbte — keine Bombe zerriss das Boot. Er hatte uns nicht bemerkt!
„Auf 10 Meter!“ Ich blicke aus dem Sehrohr: 400 Meter vor mir das Schlachtschiff. Ich war an der Ziellinie vorbeigefahren, musste hart beidrehen. Mit erhöhter Fahrt vorwärts. 300 Meter —— 200 Meter —— Da löse ich den Torpedo! Durch das Torpedonetz hindurch! Sehe, bevor ich, um den einzig möglichen Weg zu machen, unter dem Schlachtschiff hindurchtauche, dass sich sämtliche Geschütze auf mich richten —— Krachende Salven. — Furchtbare Schläge erfolgen —— Das U-Boot wird wie ein Ball umhergeworfen —— Wir taumeln an die Wände —— Wie wir uns von unserem Schrecken erholt haben, verlange ich Meldung von den Stationen: Gottlob alles dicht —— die Batterie unversehrt —— Es war ein Schrecken, der sich gelohnt hat. Das Linienschiff kenterte und war in 9 Minuten in der blauen Flut verschwunden.
Am 27. Mai 1915 wuchsen über viele Bewachungsfahrzeuge und Dampfer an der englischen Anlegestelle bei Kap Helles plötzlich die Masten eines Kriegsschiffes. Grau und mächtig ragten sie empor, in dem bunten Wirrwarr immerhin geschützt durch ihre Schutzfarbe. — Der Silhouette nach war das die „Majestic“, die sich in diesen Gewässern befand und sich nun dicht unter Land vor Anker gelegt hatte, damit es ihr im Falle eines Torpedotreffers nicht so ergehen sollte wie ihrem Bruder, dem Linienschiff „Triumph“, vor zwei Tagen. Der Kommandant hoffte wohl, dass im Falle des Getroffenwerdens sein Schiff bald auf Grund kam und die Aufbauten dann noch aus dem Wasser herausragen würden, so dass sich die Besatzung noch retten konnte. — Ob diese Rechnung stimmte, ließ sich allerdings schwer ausprobieren. Sooft ich auch die Fahrzeuge entlang hinauf und hinunter fuhr, entdeckte ich keine Lücke, dem Engländer meinen Torpedo in den Leib zu jagen. — Noch einmal fuhr ich das ganze Nest entlang, da entdeckte ich wirklich eine Stelle. Sie war nicht groß, wenn es hoch ging, 20 Meter. Aber ich versuchte es. Zielte genau mit meinem ganzen Boot, vielleicht ——