Über die Entstehung der Arten - Charles Darwin - E-Book

Über die Entstehung der Arten E-Book

Charles Darwin.

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Beschreibung

Über die Entstehung der Arten von Charles Darwin (englisch: On the Origin of Species), veröffentlicht am 24. November 1859, ist ein wissenschaftliches Buch, das als grundlegendes Werk der Evolutionsbiologie gilt. Darwin stellte in seinem Buch die wissenschaftliche Theorie vor, dass sich Populationen von Lebewesen im Laufe von Generationen durch den Prozess der natürlichen Selektion evolutionär verändern. Er lieferte zahlreiche Belege für die Vorstellung, dass die Vielfalt der heute existierenden Organismen von gemeinsamen Vorfahren abstammt.

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Über die Entstehung der Arten

durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein

Charles Darwin

Inhalt:

Charles Darwin – Biografie und Bibliografie

Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein

Vorberichte

Auszug eines Briefes an Prof. Asa Gray

Einleitung

Erstes Capitel - Abänderung im Zustande der Domestication

Zweites Capitel - Abänderung im Naturzustande

Drittes Capitel - Der Kampf um's Dasein

Viertes Capitel - Natürliche Zuchtwahl oder Überleben des Passendsten

Fünftes Capitel - Gesetze der Abänderung

Sechstes Capitel - Schwierigkeiten der Theorie

Siebentes Capitel - Verschiedene Einwände gegen die Theorie der natürlichen Zuchtwahl

Achtes Capitel - Instinct

Neuntes Capitel - Bastardbildung

Zehntes Capitel - Unvollständigkeit der geologischen Urkunden

Elftes Capitel - Geologische Aufeinanderfolge organischer Wesen

Zwölftes Capitel - Geographische Verbreitung

Dreizehntes Capitel - Geographische Verbreitung. (Fortsetzung.)

Vierzehntes Capitel - Gegenseitige Verwandtschaft organischer Wesen; Morphologie; Embryologie; Rudimentäre Organe

Fünfzehntes Capitel - Allgemeine Wiederholung und Schluss

Über die Entstehung der Arten, Charles Darwin

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849609009

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover lizenziert unterCreative CommonsAttribution-Share Alike 3.0 UnportedLizenz, Design von Ade McO-Campbell.

Charles Darwin – Biografie und Bibliografie

Britischer Naturforscher, geb. 12. Febr. 1809 in Shrewsbury als Sohn des Arztes Rob. Waring D., gest. 19. April 1882 in Down bei Beckenham, studierte seit 1825 in Edinburg Medizin, dann in Cambridge Naturwissenschaft, besonders Geologie und Botanik, und erhielt hier 1831 den ersten akademischen Grad. In demselben Jahre schloß er sich der fünfjährigen Expedition des Beagle unter Kapitän R. Fitzroy an, besuchte Brasilien, die Magalhãesstraße, die Westküste Südamerikas und die Inseln der Südsee und kehrte im Oktober 1836 nach England zurück. Seit 1842 lebte er auf seinem Landsitz Down bei Beckenham in Kent und bekleidete hier die Stelle eines Grafschaftsmagistrats. Nachdem er 1837–38 eine Reihe von geologischen Arbeiten veröffentlicht hatte, deren erste die geologische Tätigkeit der Regenwürmer betraf, ließ er 1839 das Tagebuch seiner Beobachtungen (»Journal of researches in natural history and geology«, neue Ausg. 1860) als dritten Teil der von Fitzroy herausgegebenen Beschreibung der Expedition folgen, und 1845 erschien dasselbe Werk selbständig als »Voyage of a naturalist round the world« (deutsch von Dieffenbach, Lond. 1844; von V. Carus, 1875, 2. Aufl., Stuttg. 1892; von Helrich, Gießen 1893). Die zoologische Ausbeute der Reise wurde von Owen, Waterhouse, Gould, Bell und Jenyns bearbeitet und, von D. mit einer Einleitung versehen, als »Zoology of the voyage of H. M. S. Beagle« (1840–48, 5 Bde.) herausgegeben. Eine neue Ausgabe erschien 1884 u. d. T.: »Natural history and geology. Voyage of H. M. S. Beagle« Hatte schon die 1842 veröffentlichte Schrift über den Bau und die Verbreitung der Korallenriffe (3. Aufl. 1889; deutsch, Stuttg. 1876) neben der zoographischen auch eine geologische Bedeutung als erste plausible Erklärung der Formen und Entstehungsweisen der Korallenriffe gehabt, so waren mehrere andre Arbeiten Darwins ausschließlich der Geologie, vorzüglich Südamerikas, gewidmet.Dahin gehören: »Geological observations on volcanic islands« (1842); »Geological observations on South America« (1846; 2.Aufl., mit dem vorigen, 1876). Als geschickter Zoolog und Paläontograph sowie als glücklicher und gewandter Experimentator zeigte sich D. in seinen Untersuchungen über die Rankenfüßer (»Monograph of pedunculated and sessile Cirripedia«, 1851–53, 2 Bde.); denselben folgten: »On fossil Balaenidae« (1854) und später Untersuchungen über die Bewegungen der Schlingpflanzen, über den Di- und Trimorphismus von Linum, Lythrum und Primula und über die Befruchtung der Orchideen durch Insekten (»On the various contrivances by which British and foreign orchids are fertilized«, 1862; deutsch von Carus, 2. Aufl., Stuttg. 1877; »The movements and habits of climbing plants«, 1865, 2. Aufl. 1875; deutsch von Carus, das. 1876). Diesen Arbeiten folgte das Werk über den Ursprung der Arten (»On the origin of species by means of natural selection«, 1859; deutsch von Bronn, 2. Aufl., Stuttg. 1863; nach der 6. Aufl. deutsch von Carus, 7. Aufl., das. 1883; deutsch von Seliger in »Meyers Volksbüchern«, Leipz. 1902), das, bald darauf in fast alle lebenden Kultursprachen übersetzt, eine völlige Revolution und neue Epoche für die Naturforschung anbahnte. D. hatte die erste Anregung zur Verfolgung der Frage über den Ursprung der jetzt lebenden Arten des Tier- und Pflanzengeschlechts während seiner Reise um die Welt erhalten. Gewisse Tatsachen der geographischen Verbreitung organischer Wesen und namentlich die nahe Verwandtschaft gewisser heute lebender Bewohner Südamerikas mit den daselbst ausgestorbenen Tieren erschienen ihm nur durch die Annahme einer Abstammung der jetzigen, wenn auch vielfach veränderten Lebewesen von den frühern erklärlich, und er erkannte, daß der damals noch von allen Koryphäen der Naturforschung festgehaltene Lehrsatz von der Konstanz oder Unveränderlichkeit der Arten unhaltbar sei. Er begann nunmehr Studien über die Veränderlichkeit von Haustieren (namentlich Tauben) und Kulturpflanzen unter dem Einfluß der Züchtung und sammelte mit großer Umsicht die unendlichen Beobachtungsreihen, die für ihre weitgehende Veränderlichkeit Anhaltspunkte lieferten. Es war ihm dabei klar geworden, daß in der lebenden Natur ein Faktor tätig sein müsse, der, in analoger Weise wieder Einfluß der künstlichen Züchtung wirkend, aus den überall freiwillig entstehenden Varietäten der Tiere und Pflanzen diejenigen mit besondern Charakteren versehenen Formen (Arten) hervorzüchtet, welche die andern überleben. Dieses Prinzip erkannte er in der »natürlichen Auslese« durch den »Kampf ums Dasein« (s. Darwinismus). Er bezeichnete sein Werk als einen Vorläufer und ließ die ausführenden Kapitel mit den Belegen in einer Reihe von Spezialwerken folgen. »Variation of animals andplants under domestication« (1867, 2 Bde.; deutsch von Carus, 2.Aufl., Stuttg. 1873); »The descent of man and on selection in relation to sex« (1871, 2 Bde.; deutsch von Carus, 5.Aufl., das. 1900, und von Seliger, in »Meyers Volksbüchern«, Leipz.1902); »Expression of the emotions in men and animals« (1872; deutsch von Carus, 4. Aufl., Stuttg. 1884); »Insectivorous plants« (1875; deutsch von Carus, das. 1876); »The effects of cross-and self-fertilisation in the vegetable kingdom« (1876); »The power of movement in plants« (1880, 2.Aufl. 1881; deutsch von Carus, das. 1881); »The formation of vegetable mould through the action of erdworms« (1881; deutsch von Carus, das. 1882).

Darwins Einfluß auf die Naturforschung war ein so großer, daß man ihn den »Kopernikus oder Newton der organischen Welt« genannt hat. Binnen wenigen Jahrzehnten trat ein Umschwung in den Ansichten, Methoden und Zielen der Naturforscher, vor allen der Zoologen und Botaniker, ein, wie er in der Geschichte der organischen Forschung seinesgleichen nicht hat. Indem D. ferner den Menschen als Glied der lebenden Natur reklamierte, hat er zugleich die Menschenwissenschaften in eine lebendige Berührung und Wechselwirkung mit der Naturwissenschaft gebracht, und die genetische Methode, die Verfolgung des Werdenden und der Entwickelung, um das Gewordene besser zu verstehen, ist das Schibboleth der heterogensten Forschungsgebiete geworden. Er hatte die Freude, den vollständigsten Triumph seiner Lehren zu beobachten, und namentlich in Deutschland fand er das früheste Verständnis und begeisterte Anhängerschaft. Der heftige, anfangs von persönlichen Angriffen nicht freie Kampf seiner Gegner war längst verstummt; auch die rücksichtslosesten unter ihnen wurden durch die milde und versöhnliche Form, in der er seine Ansichten verteidigte, entwaffnet. Noch mehr aber gewann er die Geister durch seinen das Fernste verknüpfenden Scharfsinn und seine nie ruhende Vorsicht im Prüfen der eignen Schlüsse, sowie die Herzen durch seine Milde und Gerechtigkeit im Urteil, durch seine Hingebung für die Freunde und durch seine Aufrichtigkeit und Bescheidenheit den eignen Leistungen gegenüber. Eine deutsche Übersetzung von Darwins »Gesammelten Werken«, mit Ausnahme der Monographie über die Cirripeden, besorgte V. Carus (Stuttg. 1875–1888, 16 Bde.; Auswahl in 6 Bdn. 1886). Eine Übersetzung von Darwins »Kleinern Schriften« gab E. Krause (Leipz. 1886) heraus. Vgl. E. Krause, Ch. D. und sein Verhältnis zu Deutschland (Leipz. 1886); »Life and letters of Charles D.« (von Franeis Darwin, 1887, 3 Bde.; deutsch von Carus, Stuttg. 1887, 3 Bde.; Auswahl in 1 Bd., 1893); »More letters of Ch. D.« (hrsg. von Fr. Darwin und A. L. Sewart, Lond. 1903, 2 Bde.); Preyer, D. Sein Leben und Wirken (Berl. 1896). Weitere Briefe erschienen 1903, 2 Bde.; 1897 wurde ein Denkmal (von H. Montford) in Shrewsbury errichtet.

Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein

Vorberichte

Historische Skizze der Fortschritte in den Ansichten über den Ursprung der Arten (bis zum Erscheinen der ersten Auflage dieses Werkes)

Ich will hier eine kurze Skizze von der Entwicklung der Ansichten über den Ursprung der Arten geben. Bis vor Kurzem glaubte die grosse Mehrzahl der Naturforscher, dass die Arten unveränderlich seien und dass jede einzelne für sich erschaffen worden sei: diese Ansicht ist von vielen Schriftstellern mit Geschick vertheidigt worden. Nur einige wenige Naturforscher nahmen dagegen an, dass Arten einer Veränderung unterliegen und dass die jetzigen Lebensformen durch wirkliche Zeugung aus anderen früher vorhandenen Formen hervorgegangen sind. Abgesehen von einigen, auf unsern Gegenstand zu beziehenden Andeutungen in den Schriftstellern des classischen Alterthums1, war BUFFON der erste Schriftsteller, welcher in neuerer Zeit denselben in einem wissenschaftlichen Geiste behandelt hat. Da indessen seine Ansichten zu verschiedenen Zeiten sehr schwankten und er sich nicht auf die Ursache oder Mittel der Umwandlung der Arten einlässt, brauche ich hier nicht auf Einzelnheiten einzugehen.

LAMARCK war der erste, dessen Ansichten über diesen Punkt grosses Aufsehen erregten. Dieser mit Recht gefeierte Naturforscher veröffentlichte dieselben zuerst 1801 und dann bedeutend erweitert 1809 in seiner ›Philosophie Zoologique‹, sowie 1815 in der Einleitung zu seiner Naturgeschichte der wirbellosen Thiere, in welchen Schriften er die Lehre aufstellte, dass alle Arten, den Menschen eingeschlossen, von anderen Arten abstammen. Er hat das grosse Verdienst, die Aufmerksamkeit zuerst auf die Wahrscheinlichkeit gelenkt zu haben, dass alle Veränderungen in der organischen wie in der unorganischen Welt die Folgen von Naturgesetzen und nicht von wunderbaren Zwischenfällen sind. LAMARCK scheint hauptsächlich durch die Schwierigkeit, Arten und Varietäten von einander zu unterscheiden, durch die fast ununterbrochene Stufenreihe der Formen in manchen Organismen-Gruppen und durch die Analogie mit unseren Züchtungserzeugnissen zu der Annahme einer gradweisen Veränderung der Arten geführt worden zu sein. Was die Mittel betrifft, wodurch die Umwandlung der Arten bewirkt werde, so schreibt er Einiges auf Rechnung einer directen Einwirkung der äusseren Lebensbedingungen. Einiges führt er auf die Wirkung einer Kreuzung der bereits bestehenden Formen und Vieles auf den Gebrauch und Nichtgebrauch der Organe, also auf die Wirkung der Gewohnheit zu rück. Dieser letzten Kraft scheint er alle die schönen Anpassungen in der Natur zuzuschreiben, wie z.B. den langen Hals der Giraffe, der sie in den Stand setzt, die Zweige hoher Bäume abzuweiden. Doch nahm er zugleich ein Gesetz fortschreitender Entwicklung an, und da hiernach alle Lebensformen fortzuschreiten streben, so nahm er, um sich von dem Dasein sehr einfacher Lebensformen auch in unseren Tagen Rechenschaft zu geben, für derartige Formen noch eine Generatio spontanea an2.

ÉTIENNE GEOFFROY SAINT-HILAIRE vermuthete, wie sein Sohn in dessen Lebensbeschreibung berichtet, schon um's Jahr 1795, dass unsere sogenannten Species nur Ausartungen eines und des nämlichen Typus seien. Doch erst im Jahre 1828 sprach er öffentlich seine Überzeugung aus, dass sich ein und dieselben Formen nicht unverändert seit dem Anfang der Dinge erhalten haben. GEOFFROY scheint die Ursache der Veränderung hauptsächlich in den Lebensbedingungen oder dem »Monde ambiant« gesucht zu haben. Doch war er vorsichtig im Ziehen von Schlüssen und glaubte nicht, dass jetzt bestehende Arten einer Veränderung unterlägen; sein Sohn sagt: »C'est donc un problème à réserver entièrement à l'avenir, supposé même, que l'avenir doive avoir prise sur lui.«

1813 las Dr. W. C. WELLS vor der Royal Society eine »Nachricht über eine Frau der weissen Rasse, deren Haut zum Theil der eines Negers gleicht«; der Aufsatz wurde nicht eher veröffentlicht, als bis seine zwei berühmten Essays »über Thau und Einfach-Sehn« 1818 erschienen. In diesem Aufsatze erkennt er deutlich das Princip der natürlichen Zuchtwahl an, und dies ist der erste nachgewiesene Fall einer solchen Anerkennung. Er wendete es aber nur auf die Menschenrassen und nur auf besondere Merkmale an. Nachdem er angeführt hat, dass Neger und Mulatten Immunität gegen gewisse tropische Krankheiten besitzen, bemerkt er erstens, dass alle Thiere in einem gewissen Grade abzuändern streben, und zweitens, dass Landwirthe ihre Hausthiere durch Zuchtwahl verbessern. Nun fügt er hinzu: was aber im letzten Falle »durch Kunst geschieht, scheint mit gleicher Wirksamkeit, wenn auch langsamer, bei der Bildung der Varietäten des Menschengeschlechts, welche den von ihnen bewohnten Ländern angepasst sind, durch die Natur zu geschehen. Unter den zufälligen Varietäten von Menschen, die unter den wenigen zerstreuten Einwohnern der mittleren Gegenden von Africa auftreten, werden einige besser als andere im Stande sein, den Krankheiten des Landes zu widerstehen. In Folge hiervon wird sich diese Rasse vermehren, während die anderen abnehmen, und zwar nicht bloss, weil sie unfähig sind, die Erkrankungen zu überstehen, sondern weil sie nicht im Stande sind, mit ihren kräftigeren Nachbarn zu concurrieren. Nach dem, was bereits gesagt wurde, nehme ich es als ausgemacht an, dass die Farbe dieser kräftigern Rasse dunkel sein wird. Da aber die Neigung, Varietäten zu bilden, noch besteht, so wird sich eine immer dunklere und dunklere Rasse im Laufe der Zeit bilden; und da die dunkelste am besten für das Clima passt, so wird diese zuletzt in dem Lande, in dem sie entstand, wenn nicht die einzige, doch die vorherrschende Rasse werden.« Er dehnt dann die Betrachtungen auf die weissen Bewohner kälterer Climate aus. Ich bin Herrn ROWLEY aus den Vereinigten Staaten, welcher durch Mr. BRACE meine Aufmerksamkeit auf die angezogene Stelle in Dr. WELLS' Aufsatz lenkte, hierfür sehr verbunden.

Im vierten Bande der Horticultural Transactions, 1822, und in seinem Werke über die Amaryllidaceae (1837, p. 19, 339) erklärte W. HERBERT, nachheriger Dechant von Manchester, »es sei durch Horticulturversuche unwiderleglich dargethan, dass Pflanzen-Arten nur eine höhere und beständigere Stufe von Varietäten seien.« Er dehnt die nämliche Ansicht auch auf die Thiere aus und glaubt, dass ursprünglich einzelne Arten jeder Gattung in einem Zustande hoher Bildsamkeit geschaffen worden seien, und dass diese sodann hauptsächlich durch Kreuzung, aber auch durch Abänderung alle unsere jetzigen Arten erzeugt haben.

Im Jahre 1826 sprach Professor GRANT im Schlussparagraphen seiner bekannten Abhandlung über Spongilla (Edinburgh Philos. Journ. XIV, p. 283) seine Meinung ganz klar dahin aus, dass Arten von anderen Arten abgestammt sind und durch fortgesetzte Modificationen verbessert werden. Die nämliche Ansicht hat er auch 1834 im »Lancet« in seiner 55. Vorlesung wiederholt.

Im Jahre 1831 erschien das Buch von PATRICK MATTHEW: ›Naval Timber and Arboriculture‹, in welchem er genau dieselbe Ansicht von dem Ursprunge der Arten entwickelt, wie die (sofort zu erwähnende) von Mr. WALLACE und mir im ›Linnean Journal‹ entwickelte, und wie die in dem vorliegenden Bande weiter ausgeführt dargestellte. Unglücklicher Weise jedoch theilte MATTHEW seine Ansicht an einzelnen zerstreuten Stellen in dem Anhange zu einem Werke über einen ganz andern Gegenstand mit, so dass sie völlig unbeachtet blieb, bis er selbst 1860 im Gardener's Chronicle vom 7. April die Aufmerksamkeit darauf lenkte. Die Abweichungen seiner Ansicht von der meinigen sind nicht von wesentlicher Bedeutung. Er scheint anzunehmen, dass die Welt in aufeinanderfolgenden Zeiträumen beinahe ausgestorben und dann wieder neu bevölkert worden ist, und stellt als die eine Alternative die Ansicht auf, dass neue Formen wohl erzeugt werden könnten »ohne die Anwesenheit eines Models oder Keimes früherer Aggregate«. Ich bin nicht sicher, ob ich alle Stellen richtig verstehe; doch scheint er grossen Werth auf die unmittelbare Wirkung der äusseren Lebensbedingungen zu legen. Er erkannte jedoch deutlich die volle Bedeutung des Princips der natürlichen Zuchtwahl.

Der berühmte Geolog LEOPOLD VON BUCH spricht sich in seiner vortrefflichen ›Description physique des Iles Canaries‹ (1836, p. 147) deutlich darüber aus, dass er glaube, Varietäten werden langsam zu beständigen Arten umgeändert, welche dann nicht mehr im Stande seien, sich zu kreuzen.

RAFINESQUE schreibt 1836 in seiner ›New Flora of North America‹ p. 6: »alle Arten mögen einmal blosse Varietäten gewesen sein, und viele Varietäten werden dadurch allmählich zu Species, dass sie constante und eigenthümliche Charactere erhalten«, fügt aber später, p. 18, hinzu: »mit Ausnahme jedoch des Originaltypus oder Stammvaters jeder Gattung«.

Im Jahre 1843-44 hat Professor HALDEMAN die Gründe für und wider die Hypothese der Entwicklung und Umgestaltung der Arten in angemessener Weise zusammengestellt (im Boston Journal of Natural History, Vol. IV, p. 468) und scheint sich mehr zur Annahme einer Veränderlichkeit zu neigen.

Die ›Vestiges of Creation‹ sind zuerst 1844 er schienen. In der zehnten sehr verbesserten Ausgabe (1853, p. 155) sagt der ungenannte Verfasser: »das auf reifliche Erwägung gestützte Ergebnis ist, dass die verschiedenen Reihen beseelter Wesen, von den einfachsten und ältesten an bis zu den höchsten und jüngsten, die unter Gottes Vorsehung eingetretenen Resultate sind 1) eines den Lebensformen ertheilten Impulses, der sie in bestimmten Zeiten auf dem Wege der Fortpflanzung von einer Organisationsstufe zur andern bis zu den höchsten Dicotyledonen und Wirbelthieren erhebt, – welche Stufen der Zahl nach nur wenige und gewöhnlich durch Lücken in der organischen Reihenfolge von einander geschieden sind, die eine practische Schwierigkeit bei Ermittelung der Verwandtschaften abgeben; – 2) eines andern Impulses, welcher mit den Lebenskräften zusammenhängt und im Laufe der Generationen die organischen Gebilde in Übereinstimmung mit den äusseren Bedingungen, wie Nahrung, Wohnort und meteorische Kräfte, abzuändern strebt; dies sind die ›Anpassungen‹ der natürlichen Theologie«. Der Verfasser ist offenbar der Meinung, dass die Organisation sich durch plötzliche Sprünge vervollkommne, die Wirkungen der äusseren Lebensbedingungen aber allmählich eintreten. Er folgert mit grossem Nachdrucke aus allgemeinen Gründen, dass Arten keine unveränderlichen Producte seien. Ich vermag jedoch nicht zu ersehen, wie die angenommenen zwei »Impulse« in einem wissenschaftlichen Sinne von den zahlreichen und schönen Zusammenpassungen Rechenschaft geben können, welche wir allerwärts in der ganzen Natur erblicken; ich vermag nicht zu erkennen, dass wir dadurch zur Einsicht gelangen, wie z.B. ein Specht seiner besondern Lebensweise angepasst worden ist. Das Buch hat sich durch seinen glänzenden und hinreissenden Styl sofort eine sehr weite Verbreitung errungen, obwohl es in seinen früheren Auflagen wenig eingehende Kenntnis und einen grossen Mangel an wissenschaftlicher Vorsicht verrieth. Nach meiner Meinung hat es hier zu Lande vortreffliche Dienste dadurch geleistet, dass es die Aufmerksamkeit auf den Gegenstand lenkte, Vorurtheile beseitigte, und so den Boden zur Aufnahme analoger Ansichten vorbereitete.

Im Jahre 1846 sprach der Veteran unter den Geologen, J. D'OMALIUS D'HALLOY in einem vortrefflichen kurzen Aufsatze (im Bulletin de l'Académie Roy. de Bruxelles Tome XIII, p. 581) die Ansicht aus, dass es wahrscheinlicher sei, dass neue Arten durch Descendenz mit Abänderung der alten Charactere hervorgebracht, als einzeln geschaffen worden seien; er hatte diese Meinung zuerst im Jahre 1831 öffentlich ausgedrückt.

In Professor R. OWEN'S ›Nature of Limbs‹, 1849, p. 86 kommt folgende Stelle vor: »Die Idee des Grundtypus war in der Thierwelt unseres Planeten lange vor dem Dasein der sie jetzt erläuternden Thierarten in verschiedenen Modificationen bereits offenbart worden. Von welchen Naturgesetzen oder secundären Ursachen aber das regelmässige Aufeinanderfolgen und Fortschreiten solcher organischen Erscheinungen abhängig gewesen ist, das wissen wir bis jetzt noch nicht.« In seiner Ansprache an die Britische Gelehrtenversammlung im Jahre 1858 spricht er (p. LI) vom »Axiom der fortwährenden Thätigkeit der Schöpfungskraft oder des geordneten Werdens lebender Wesen«, – und fügt später (p. XC) nach Bezugnahme auf die geographische Verbreitung hinzu: »Diese Erscheinungen erschüttern unser Vertrauen zu der Annahme, dass der Apteryx in Neu-Seeland und das rothe Waldhuhn in England verschiedene Schöpfungen in und für die genannten Inseln allein seien. Auch darf man nicht vergessen, dass das Wort Schöpfung für den Zoologen nur einen Process, man weiss nicht welchen, bedeutet.« OWEN führt diese Vorstellung dann weiter aus, indem er sagt, »wenn der Zoolog solche Fälle, wie den vom rothen Waldhuhn, als eine besondere Schöpfung des Vogels auf und für eine einzelne Insel aufzählt, so will er damit eben nur ausdrücken, dass er nicht begreife, wie derselbe dahin und eben nur dahin gekommen sei, und dass er durch diese Art seine Unwissenheit auszudrücken gleichzeitig seinen Glauben ausspreche, Insel wie Vogel verdanken ihre Entstehung einer grossen ersten Schöpfungskraft.« Wenn wir die in derselben Rede enthaltenen Sätze einen durch den andern erklären, so scheint im Jahre 1858 der ausgezeichnete Forscher in dem Vertrauen erschüttert worden zu sein, dass der Apteryx und das rothe Waldhuhn in ihren Heimathländern zuerst auf eine Weise, »man weiss nicht auf welche«, oder in Folge eines Processes, »man weiss nicht welches«, erschienen seien.

Diese Rede wurde gehalten, nachdem die sofort zu erwähnenden Aufsätze über den Ursprung der Arten von Mr. WALLACE und mir selbst vor der Linnean Society gelesen worden waren. Als die erste Auflage des vorliegenden Werkes erschien, war ich, wie so viele Andere, durch Ausdrücke wie: »Die beständige Wirksamkeit schöpferischer Thätigkeit« so vollständig getäuscht worden, dass ich Professor OWEN zu denjenigen Palaeontologen rechnete, welche von der Unveränderlichkeit der Arten fest überzeugt seien. Es erscheint dies aber (vergl. Anatomy of Vertebrates, Vol. III, p. 796) als ein bedenklicher Irrthum meinerseits. In der letzten Auflage dieses Buches schloss ich aus einer mit den Worten »no doubt the type-form etc.« (dasselbe Werk, Vol. I, p. XXXV) beginnenden Stelle (und dieser Schluss scheint mir noch jetzt völlig richtig), dass Professor OWEN annehme, die Zuchtwahl könne wohl bei der Bildung neuer Arten etwas bewirkt haben. Doch ist dies, wie es scheint (vergl. Vol. III, p. 798), ungenau und unbewiesen. Ich gab auch einige Auszüge aus einer Correspondenz zwischen Professor OWEN und dem Herausgeber der London Review, nach denen es sowohl dem Herausgeber als mir offenbar so erschien, als behaupte Professor OWEN die Theorie der natürlichen Zuchtwahl schon vor mir ausgesprochen zu haben; und über diese Behauptung drückte ich meine Überraschung und meine Befriedigung aus. Soweit es indessen möglich ist, gewisse neuerdings publicierte Stellen zu verstehen (das angeführte Werk, Vol. III, p. 798), bin ich wiederum entweder theilweise oder vollständig in Irrthum gerathen. Es ist ein Trost für mich, dass Andere die streitigen Schriften Professor OWEN'S ebenso schwer zu verstehen und miteinander in Übereinstimmung zu bringen finden, wie ich selbst. Was die blosse Aussprache des Princips der natürlichen Zuchtwahl betrifft, so ist es völlig gleichgültig, ob mir darin Professor OWEN vorausgegangen ist oder nicht; denn wie in dieser historischen Skizze nachgewiesen wird, giengen uns beiden schon vor langer Zeit Dr. WELLS und Herr MATTHEW voraus.

ISIDORE GEOFFROY ST.-HILAIRE spricht in seinen im Jahre 1850 gehaltenen Vorlesungen (von welchen ein Auszug in Revue et Magazin de Zoologie 1851, Jan., erschien) seine Meinung über Artencharactere kurz dahin aus, dass »sie für jede Art feststehen, so lange wie sich dieselbe inmitten der nämlichen Verhältnisse fortpflanze, dass sie aber abändern, sobald die äusseren Lebensbedingungen wechseln«. Im Ganzen »zeigt die Beobachtung der wilden Thiere schon die beschränkte Veränderlichkeit der Arten. Die Versuche mit gezähmten wilden Thieren und mit verwilderten Hausthieren zeigen dies noch deutlicher. Dieselben Versuche beweisen auch, dass die hervorgebrachten Verschiedenheiten vom Werthe derjenigen sein können, durch welche wir Gattungen unterscheiden.« In seiner ›Histoire naturelle générale‹ (1859, T. II, p. 430) führt er ähnliche Folgerungen noch weiter aus.

Aus einer unlängst erschienenen Veröffentlichung scheint hervorzugehen, dass Dr. FREKE schon im Jahre 1851 (Dublin Medical Press, p. 322) die Lehre aufgestellt hat, dass alle organischen Wesen von einer Urform abstammen. Seine Gründe und seine Behandlungsart des Gegenstandes sind aber von den meinigen gänzlich verschieden: da aber sein ›Origin of Species by means of organic affinity‹, jetzt (1861) erschienen ist, so dürfte mir der schwierige Versuch, eine Darstellung seiner Ansicht zu geben, wohl erlassen werden.

HERBERT SPENCER hat in einem Essay, welcher zuerst im »Leader« vom März 1852 und später in SPENCER'S ›Essays‹ 1858 erschien, die Theorie der Schöpfung und die der Entwicklung organischer Wesen mit viel Geschick und grosser Überzeugungskraft einander gegenüber gestellt. Er folgert aus der Analogie mit den Züchtungserzeugnissen, aus den Veränderungen, welchen die Embryonen vieler Arten unterliegen, aus der Schwierigkeit Arten und Varietäten zu unterscheiden, sowie endlich aus dem Princip einer allgemeinen Stufenfolge in der Natur, dass Arten abgeändert worden sind, und schreibt diese Abänderung dem Wechsel der Umstände zu. Derselbe Verfasser hat 1855 die Psychologie nach dem Principe einer nothwendigen stufenweisen Erwerbung jeder geistigen Kraft und Fähigkeit bearbeitet.

Im Jahre 1852 hat NAUDIN, ein ausgezeichneter Botaniker, in einem vorzüglichen Aufsatze über den Ursprung der Arten (Revue horticole, p. 102, später zum Theil wieder abgedruckt in den Nouvelles Archives du Muséum, T. l, p. 171) ausdrücklich erklärt, dass nach seiner Ansicht Arten in analoger Weise von der Natur, wie Varietäten durch die Cultur gebildet worden seien; den letzten Vorgang schreibt er dem Wahlvermögen des Menschen zu. Er zeigt aber nicht, wie diese Wahl in der Natur vor sich geht. Er nimmt wie Dechant HERBERT an, dass die Arten anfangs bildsamer waren als jetzt, legt Gewicht auf sein sogenanntes Princip der Finalität, »eine unbestimmte geheimnisvolle Kraft, gleichbedeutend mit blinder Vorbestimmung für die Einen, mit providentiellem Willen für die Anderen, durch deren unausgesetzten Einfluss auf die lebenden Wesen in allen Weltaltern die Form, der Umfang und die Dauer eines jeden derselben je nach seiner Bestimmung in der Ordnung der Dinge, wozu es gehört, bedingt wird. Es ist diese Kraft welche jedes Glied mit dem Ganzen in Harmonie bringt, indem sie dasselbe der Verrichtung anpasst, die es im Gesammtorganismus der Natur zu übernehmen hat, einer Verrichtung, welche für dasselbe Grund des Daseins ist3.«

Im Jahre 1853 hat ein berühmter Geolog, Graf KEYSERLING (im Bulletin de la Société géologique, Tome X, p. 357), die Meinung ausgesprochen, dass, wie zu den verschiedenen Zeiten neue Krankheiten durch irgend welches Miasma entstanden sind und sich über die Erde verbreitet haben, so auch zu gewissen Zeiten die Keime der bereits vorhandenen Arten durch Molecüle von besonderer Natur in ihrer Umgebung chemisch afficiert worden sein könnten, so dass nun neue Formen aus ihnen entstanden wären.

Im nämlichen Jahre 1853 lieferte auch Dr. SCHAAFFHAUSEN einen Aufsatz in die Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der Preuss. Rheinlande, worin er die fortschreitende Entwicklung organischer Formen auf der Erde behauptet. Er nimmt an, dass viele Arten sich lange Zeiträume hindurch unverändert erhalten haben, während wenige andere Abänderungen erlitten. Das Auseinanderweichen der Arten ist nach ihm durch die Zerstörung der Zwischenstufen zu erklären. »Lebende Pflanzen und Thiere sind daher von den untergegangenen nicht als neue Schöpfungen geschieden, sondern vielmehr als deren Nachkommen in Folge ununterbrochener Fortpflanzung zu betrachten.«

Ein bekannter französischer Botaniker, LECOQ, schreibt 1854 in seinen ›Études sur la géographie botanique‹ T. I, p. 250: »man sieht, dass unsere Untersuchungen über die Stetigkeit und Veränderlichkeit der Arten uns geradezu auf die von GEOFFROY ST.-HILAIRE und GOETHE ausgesprochenen Vorstellungen führen.« Einige andere in dem genannten Werke zerstreute Stellen lassen uns jedoch darüber im Zweifel, wie weit LECOQ selbst diesen Vorstellungen zugethan ist.

Die ›Philosophie der Schöpfung‹ ist 1855 in meisterhafter Weise durch BADEN-POWELL (in seinen ›Essays on the Unity of Worlds‹) behandelt worden. Er zeigt auf's treffendste, dass die Einführung neuer Arten »eine regelmässige und nicht eine zufällige Erscheinung« oder, wie Sir JOHN HERSCHEL es ausdrückt, »eine Natur- im Gegensatze zu einer Wundererscheinung« ist.

Der dritte Band des Journal of the Linnean Society enthält zwei von Herrn WALLACE und mir am 1. Juli 1858 gelesene Aufsätze, worin, wie in der Einleitung zu vorliegendem Bande erwähnt wird, WALLACE die Theorie der natürlichen Zuchtwahl mit ausserordentlicher Kraft und Klarheit entwickelt.

C. E. VON BAER, der bei allen Zoologen in höchster Achtung steht, drückte um das Jahr 1859 seine hauptsächlich auf die Gesetze der geographischen Verbreitung gegründete Überzeugung dahin aus, dass jetzt vollständig verschiedene Formen Nachkommen einer einzelnen Stammform sind. (RUD. WAGNER, Zoolog.-anthropolog. Untersuchungen. 1861, p. 51.) Im Juni 1859 hielt Professor HUXLEY einen Vortrag vor der Royal Institution über die »Bleibenden Typen des Thierlebens«. In Bezug auf derartige Fälle bemerkt er: »Es ist schwierig, die Bedeutung solcher Thatsachen zu begreifen, wenn wir voraussetzen, dass jede Pflanzen- und Thierart oder jeder grosse Organisationstypus nach langen Zwischenzeiten durch je einen besondern Act der Schöpfungskraft gebildet und auf die Erdoberfläche gesetzt worden ist; man darf nicht vergessen, dass eine solche Annahme weder in der Tradition noch in der Offenbarung eine Stütze findet, wie sie denn auch der allgemeinen Analogie in der Natur zuwider ist. Betrachten wir andererseits die persistenten Typen in Bezug auf die Hypothese, wornach die zu irgend einer Zeit lebenden Arten das Ergebnis allmählicher Abänderung schon früher existierender Arten sind – eine Hypothese, welche, wenn auch unerwiesen und auf klägliche Weise von einigen ihrer Anhänger verkümmert, doch die einzige ist, der die Physiologie einen Halt verleiht – , so scheint das Dasein dieser Typen zu zeigen, dass das Mass der Modification, welche lebende Wesen während der geologischen Zeit erfahren haben, sehr gering ist im Vergleich zu der ganzen Reihe von Veränderungen, welche sie überhaupt erlitten haben.«

Im December 1859 veröffentlichte Dr. HOOKER seine ›Einleitung zu der Tasmanischen Flora‹. In dem ersten Theile dieses grossen Werkes gibt er die Richtigkeit der Annahme des Ursprungs der Arten durch Abstammung und Umänderung von anderen zu und unterstützt diese Lehre durch viele Originalbeobachtungen.

Im November 1859 erschien die erste Ausgabe dieses Werkes, im Januar 1860 die zweite, im April 1861 die dritte, im Juni 1866 die vierte, im Juli 1859 die fünfte, im Januar 1872 die sechste.

Ueber das Variieren organischer Wesen im Naturzustande; über die natürlichen Mittel der Zuchtwahl; über den Vergleich zwischen domesticierten Rassen und echten Arten

Theil eines Capitels mit obiger Überschrift aus einem nicht veröffentlichten Werke über die Art (dem ersten Entwurf des vorliegenden, skizziert 1839, ausgeführt 1844); vorgelesen Juni 1858 und mitgetheilt in: Journal of the Proceedings of the Linnean Society. Zoology, Vol. III, 1869. p. 45.

DE CANDOLLE hat einmal in beredter Weise erklärt, die ganze Natur sei im Kriege begriffen, ein Organismus kämpfe mit dem andern oder mit der umgebenden Natur. Wenn man sieht, was für ein zufriedenes Aussehen die Natur darbietet, so möchte man dies zunächst bezweifeln; Überlegung führt indess unvermeidlich zu dem Schlusse, dass es wahr ist. Doch ist dieser Krieg nicht fortwährend anhaltend, sondern tritt in kürzeren Zwischenräumen in geringerem Grade, in gelegentlich und nach längerer Zeit wiederkehrenden Perioden heftiger auf, seine Wirkungen werden daher leicht übersehen. Es ist die Lehre von MALTHUS in den meisten Fällen mit verzehnfachter Kraft anwendbar. Wie es in einem jeden Clima für jeden seiner Bewohner verschiedene Jahreszeiten von grösserem und geringerem Überfluss gibt, so pflanzen sie sich auch sämmtlich jährlich fort; und die moralische Zurückhaltung, welche in einem geringen Grade die Zunahme der Menschheit aufhält, geht gänzlich verloren. Selbst die langsam sich vermehrenden Menschen haben schon ihre Zahl in fünfundzwanzig Jahren verdoppelt, und wenn sie ihre Nahrung mit grösserer Leichtigkeit vermehren könnten, so würden sie ihre Zahl in einer noch kürzern Zeit verdoppeln. Bei Thieren aber, welche keine künstlichen Mittel, die Nahrung zu vermehren, besitzen, muss die Quantität der Nahrung für jede Species im Mittel constant sein, während alle Organismen sich der Zahl nach in einem geometrischen Verhältnisse zu vermehren neigen, in einer ungeheuern Majorität der Fälle sogar in einem enormen Verhältnis. Man nehme an, dass an einem bestimmten Orte acht Vogelpaare leben, und dass nur vier Paare davon jährlich (mit Einschluss doppelter Bruten) nur vier Junge aufziehen, und dass diese in demselben Verhältnisse gleichfalls Junge aufziehen, dann werden nach Verlauf von sieben Jahren (ein kurzes Leben für jeden Vogel, aber mit Ausschluss gewaltsamer Todesursachen) 2048 Vögel anstatt der ursprünglichen sechzehn vorhanden sein. Da diese Zunahme völlig unmöglich ist, so müssen wir schliessen, entweder dass Vögel auch nicht annähernd die Hälfte ihrer Jungen aufziehen oder dass die mittlere Lebensdauer eines Vogels, in Folge von Unglücksfällen, auch nicht annähernd sieben Jahre beträgt. Wahrscheinlich wirken beide Hemmnisse zusammen. Dieselbe Art von Berechnung auf alle Pflanzen und Thiere angewandt, ergibt mehr oder weniger auffallende Resultate, aber in sehr wenig Fällen auffallendere als beim Menschen.

Es sind viele thatsächliche Beispiele dieser Tendenz zu einer rapiden Vermehrung gegeben worden; unter diesen findet sich die ausserordentliche Anzahl gewisser Thiere während gewisser Jahre. Als z.B. während der Jahre 1826 bis 1828 in La Plata in Folge einer Dürre einige Millionen Rinder umkamen, wimmelte factisch das ganze Land von Mäusen. Ich glaube nun, es lässt sich nicht bezweifeln, dass während der Brut-Zeit sämmtliche Mäuse (mit Ausnahme einiger weniger im Überschuss vorhandener Männchen oder Weibchen) sich gewöhnlich paaren; diese erstaunliche Zunahme während dreier Jahre muss daher dem Umstande zugeschrieben werden, dass eine grössere Zahl als gewöhnlich das erste Jahr überlebt und sich dann fortgepflanzt hat, und so fort bis zum dritten Jahr, wo dann ihre Zahl durch den Wiedereintritt nassen Wetters in ihre gewöhnlichen Grenzen zurückgebracht wurde. Wo der Mensch Pflanzen und Thiere in ein neues und günstiges Land eingeführt hat, da ist häufig, wie viele Schilderungen es ergeben, in überraschend wenig Jahren das ganze Land von ihnen bevölkert worden. Diese Zunahme wird natürlich aufhören, sobald das Land vollständig bevölkert ist; und doch haben wir allen Grund zur Annahme, dass nach dem, was wir von wilden Thieren wissen, sie sich sämmtlich im Frühjahr paaren werden. In der Mehrzahl der Fälle ist es äusserst schwierig, sich vorzustellen, in welche Zeit die Hemmnisse fallen, – obschon dieselben ohne Zweifel meist die Samen, Eier und Junge treffen; wenn wir uns aber erinnern, wie unmöglich es selbst beim Menschen (der doch so viel besser gekannt ist als irgend ein anderes Thier) ist, aus wiederholten zufälligen Beobachtungen zu schliessen, welches die mittlere Lebensdauer ist, oder den verschiedenen Procentsatz der Todesfälle und Geburten in verschiedenen Ländern aufzufinden, so darf uns das nicht überraschen, dass wir nicht im Stande sind, aufzufinden, wann bei jedem Thier und bei jeder Pflanze die Hemmnisse eintreten. Man muss sich beständig daran erinnern, dass in den meisten Fällen die Hemmnisse in einem geringen, regelmässigen Grade jährlich, und in äusserst starkem Grade, im Verhältnis zur Constitution des in Frage stehenden Wesens, während ungewöhnlich warmer, kalter, trockener oder nasser Jahre wiederkehren. Man vermindere irgend ein Hemmnis im allergeringsten Grade und die geometrischen Zunahmeverhältnisse von jedem Organismus werden beinahe augenblicklich die Durchschnittszahl der begünstigten Species vergrössern. Die Natur kann mit einer Fläche verglichen werden, auf welcher zehntausend scharfe, sich einander berührende Keile liegen, welche durch beständige Schläge nach innen getrieben werden. Um sich diese Ansicht vollständig zu vergegenwärtigen, ist viel Nachdenken erforderlich. MALTHUS ›über den Menschen‹ sollte studiert, und alle solche Fälle wie von den Mäusen in La Plata, von den Rindern und Pferden bei ihrer ersten Verwilderung in Süd-America, von den Vögeln nach der oben angestellten Berechnung u.s.w. sollten eingehend betrachtet werden. Man überlege sich nur das enorme Vervielfältigungsvermögen, was allen Thieren inhärent und bei allen jährlich in Thätigkeit ist; man bedenke die zahllosen Samen, welche durch hundert sinnreiche Einrichtungen Jahr auf Jahr über die ganze Oberfläche des Landes verstreut werden; und doch haben wir allen Grund zu vermuthen, dass der durchschnittliche Procentsatz aller der Bewohner einer Gegend für gewöhnlich constant bleibt. Man erinnere sich endlich noch daran, dass diese mittlere Zahl von Individuen (solange die äusseren Lebensbedingungen dieselben bleiben) in jedem Lande durch immer wiederkehrende Kämpfe mit anderen Arten oder mit der umgebenden Natur erhalten wird (wie z.B. an den Grenzen der arctischen Regionen, wo die Kälte die Verbreitung des Lebens hemmt), und dass für gewöhnlich jedes Individuum jeder Species seinen Platz behauptet, entweder durch sein eigenes Kämpfen und die Fähigkeit, auf irgend einer Periode seines Lebens vom Eie an aufwärts sich Nahrung zu verschaffen, oder durch das Kämpfen seiner Eltern (bei kurzlebigen Organismen, wo ein grösseres Hemmnis erst nach längeren Intervallen wiederkehrt) mit anderen Individuen derselben oder verschiedener Species.

Wir wollen aber nun annehmen, dass die äusseren Bedingungen in einem Lande sich ändern. Tritt dies nur in geringem Grade ein, so werden in den meisten Fällen die relativen Mengen der Bewohner unbedeutend verändert werden; wenn wir aber annehmen, dass die Zahl der Bewohner klein ist, wie auf einer Insel, und dass der freie Eintritt von anderen Ländern her beschränkt ist, ferner, dass die Veränderung der Bedingungen beständig und stetig fortschreite (wobei neue Wohnstätten gebildet werden): – in einem solchen Falle müssen die ursprünglichen Bewohner aufhören, so vollkommen den veränderten Bedingungen angepasst zu sein, wie sie es vorher waren. In einem früheren Theile dieses Werkes ist gezeigt worden, dass derartige Veränderungen der äusseren Bedingungen, weil sie auf das Reproductionssystem wirken, wahrscheinlich das bewirken werden, dass die Organisation derjenigen Wesen, welche am meisten afficiert wurden (wie im Zustande der Domestication), plastisch wird. Kann es nun bei dem Kampfe, welchen jedes Individuum zum Erlangen seiner Subsistenz zu führen hat, bezweifelt werden, dass jede kleinste Abänderung im Bau, in der Lebensweise oder in den Instincten, welche dieses Individuum besser den neuen Verhältnissen anpassen wird, Einfluss auf seine Lebenskraft und Gesundheit haben wird? Im Kampfe wird es bessere Aussicht haben, leben zu bleiben, und diejenigen von seinen Nachkommen, welche die Abänderung, mag sie auch noch so unbedeutend sein, erben, werden gleichfalls eine bessere Aussicht haben. Jedes Jahr werden mehr Individuen geboren, als leben bleiben können; das geringste Körnchen in der Wage muss mit der Zeit entscheiden, welche Individuen dem Tode verfallen und welche überleben sollen. Wir wollen nun einerseits diese Arbeit der Zuchtwahl, andererseits das Absterben für ein tausend Generationen fortgehen lassen, wer möchte da wohl zu behaupten wagen, dass dies keine Wirkung hervorbringen wird, wenn wir uns daran erinnern, was in wenigen Jahren BAKEWELL beim Rinde, WESTERN beim Schafe durch das hiermit identische Princip der Auslese zur Nachzucht erreicht hat?

Wir wollen ein Beispiel fingieren von Veränderungen, welche auf einer Insel im Fortschreiten begriffen sind: – wir wollen annehmen, die Organisation eines hundeartigen Thieres, welches hauptsächlich auf Kaninchen, zuweilen aber auch auf Hasen jagt, werde in geringem Grade plastisch; wir nehmen ferner an, dass diese selben Veränderungen es bewirken, dass die Zahl der Kaninchen sehr langsam ab-, die der Hasen dagegen zunimmt. Das Resultat hiervon wird das sein, dass der Fuchs oder Hund dazu getrieben wird, zu versuchen, mehr Hasen zu fangen: da indessen seine Organisation in geringem Grade plastisch ist, so werden diejenigen Individuen, welche die leichtesten Formen, die längsten Beine und das schärfste Gesicht haben, – der Unterschied mag noch so gering sein – , in geringem Masse begünstigt sein und dazu neigen, länger zu leben und während der Zeit des Jahres leben zu bleiben, in welcher die Nahrung am knappsten war; sie werden auch mehr Junge aufziehen, welchen die Tendenz innewohnt, jene unbedeutenden Eigenthümlichkeiten zu erben. Die weniger flüchtigen Individuen werden ganz sicher untergehen. Ich finde ebenso wenig Grund, daran zu zweifeln, dass diese Ursachen in tausend Generationen eine ausgesprochene Wirkung hervorbringen und die Form des Fuchses oder Hundes dem Fangen von Hasen anstatt von Kaninchen anpassen werden, wie daran, dass Windhunde durch Auswahl und sorgfältige Nachzucht veredelt werden können. Dasselbe würde auch für Pflanzen unter ähnlichen Umständen gelten. Wenn die Anzahl der Individuen einer Species mit befiederten Samen durch ein grösseres Vermögen der Verbreitung innerhalb ihres eigenen Gebiets vermehrt werden könnte (vorausgesetzt, dass die Hemmnisse der Vermehrung hauptsächlich die Samen betreffen), so würden diejenigen Samen, welche mit etwas, wenn auch noch so unbedeutend mehr Fiederung versehen wären, mit der Zeit am meisten verbreitet werden; es würde daher eine grössere Zahl so gebildeter Samen keimen und würden Pflanzen hervorzubringen neigen, welche die um ein Geringes besser angepasste Fiederkrone ihrer Samen erben4.

Ausser diesen natürlichen Mitteln der Auslese, durch welche diejenigen Individuen entweder im Ei, oder im Larven- oder im reifen Zustande erhalten werden, welche an den Platz, welchen sie im Naturhaushalt zu füllen haben, am besten angepasst sind, ist noch bei den meisten eingeschlechtlichen Thieren eine zweite Thätigkeit wirksam, welche dasselbe Resultat hervorzubringen strebt, nämlich der Kampf der Männchen um die Weibchen. Dieses Ringen nach dem Sieg wird im Allgemeinen durch das Gesetz eines wirklichen Kampfes entschieden, aber, was die Vögel betrifft, allem Anschein nach durch den Zauber ihres Gesangs, durch ihre Schönheit oder durch ihr Vermögen, den Hof zu machen, wie es bei dem tanzenden Klippenhuhn von Guiana der Fall ist. Die lebenskräftigsten und gesündesten Männchen, die damit auch die am vollkommensten angepassten sind, tragen allgemein in ihren Kämpfen den Sieg davon. Diese Art von Auswahl ist indessen weniger rigoros als die andere; sie erfordert nicht den Tod des weniger Erfolgreichen, gibt ihm aber weniger Nachkommen. Überdies fällt der Kampf in eine Zeit des Jahres, wo Nahrung meist sehr reichlich vorhanden ist; vielleicht dürfte auch die hervorgebrachte Wirkung hauptsächlich in einer Modification der secundären Sexualcharactere bestehen, welche weder in einer Beziehung zur Erlangung von Nahrung, noch zur Vertheidigung gegen Feinde stehen, sondern nur auf das Kämpfen oder Rivalisieren mit anderen Männchen Bezug haben. Die Resultate dieses Kämpfens unter den Männchen lassen sich in manchen Beziehungen mit dem vergleichen, was diejenigen Landwirthe hervorrufen, welche weniger Aufmerksamkeit auf die sorgfältige Auswahl aller ihrer jungen Thiere und mehr auf die gelegentliche Benutzung eines ausgesuchten Männchens wenden.

Auszug eines Briefes an Prof. Asa Gray

1. Es ist wunderbar, was durch Befolgung des Grundsatzes der Zuchtwahl vom Menschen erreicht werden kann, d.h. durch das Auslesen gewisser Individuen mit irgend einer gewünschten Eigenschaft, das Züchten von ihnen und wieder Auslesen u.s.f. Züchter sind selbst über ihre eigenen Resultate erstaunt gewesen. Sie können auf Unterschiede Einfluss äussern, welche für ein unerzogenes Auge nicht wahrnehmbar sind. Zuchtwahl ist in Europa nur seit dem letzten halben Jahrhundert methodisch befolgt worden; gelegentlich wurde sie aber, und selbst in einem gewissen Grade methodisch in den allerältesten Zeiten befolgt. Seit sehr langer Zeit muss auch eine Art unbewusster Zuchtwahl bestanden haben, nämlich in der Weise, dass, ohne irgend an ihre Nachkommen zu denken, diejenigen Individuen erhalten wurden, welche jeder Menschenrasse unter ihren besonderen Verhältnissen am nützlichsten waren. Das »Ausjäten«, wie die Gärtner das Zerstören der vom Typus abweichenden Varietäten nennen, ist eine Art von Zuchtwahl. Ich bin überzeugt, absichtliche und gelegentliche Zuchtwahl ist das hauptsächliche Agens in dem Hervorbringen unserer domesticierten Rassen gewesen; wie sich dies aber auch immer verhalten mag, ihr grosser Einfluss auf die Modification hat sich in neuerer Zeit ganz unbestreitbar herausgestellt. Zuchtwahl wirkt nur durch Anhäufung unbedeutender oder grösserer Abänderungen, welche durch äussere Bedingungen verursacht worden sind oder einfach in der Thatsache ausgedrückt sind, dass bei der Zeugung das Kind nicht seinem Erzeuger absolut ähnlich ist. Der Mensch passt durch sein Vermögen, Abänderungen zu häufen, lebende Wesen seinen Bedürfnissen an, – man kann sagen, er macht die Wolle des einen Schafs gut zu Teppichen, die des andern gut zu Tuch u.s.w.

2. Wenn wir nun annehmen, dass es ein Wesen gäbe, welches nicht bloss nach dem äussern Ansehen urtheilte, sondern die ganze innere Organisation studieren könnte, welches niemals von Launen sich bestimmen liesse, und zu einem bestimmten Zwecke Millionen von Generationen lang zur Nachzucht auswählte; wer wird hier angeben wollen, was hier nicht zu erreichen wäre? In der Natur treten irgend welche unbedeutende Abänderungen in allen Theilen auf; und ich glaube, es lässt sich zeigen, dass veränderte Existenzbedingungen die hauptsächliche Ursache davon sind, dass das Kind nicht ganz genau seinen Eltern gleicht; ferner zeigt uns die Geologie, was für Veränderungen in der Natur stattgefunden haben und noch stattfinden. Wir haben Zeit beinahe ohne Schranken; Niemand anders als ein practischer Geolog kann dies vollständig würdigen. Man denke nur an die Eiszeit, während welcher in ihrer ganzen Dauer dieselben Species, wenigstens von Schalthieren, existiert haben; während dieser Zeit müssen Millionen auf Millionen von Generationen gefolgt sein.

3. Ich glaube, es lässt sich nachweisen, dass eine derartige niemals irrende Kraft in der Natürlichen Zuchtwahl (dies ist der Titel meines Buches) thätig ist, welche ausschliesslich zum Besten eines jeden organischen Wesens auswählt. Der ältere DE CANDOLLE, W. HERBERT und LYELL haben ausgezeichnet über den Kampf um's Dasein geschrieben; aber selbst diese haben sich nicht eindringlich genug ausgedrückt. Man überlege sich nur, dass ein jedes Wesen (selbst der Elefant) in einem solchen Verhältnisse sich vermehrt, dass in wenigen Jahren, oder höchstens in einigen wenigen Jahrhunderten die Oberfläche der Erde nicht im Stande wäre, die Nachkommen eines Paares zu fassen. Ich habe gefunden, dass es sehr schwer ist, beständig im Auge zu behalten, dass die Zunahme einer jeden Species während irgend eines Theiles ihres Lebens oder während einiger kurz aufeinanderfolgender Generationen gehemmt wird. Nur einige wenige von den jährlich geborenen Individuen können leben bleiben, um ihre Art fortzupflanzen. Welcher unbedeutende Unterschied muss da oft bestimmen, welche leben bleiben und welche untergehen sollen!

4. Wir wollen nun den Fall nehmen, dass ein Land irgend eine Veränderung erleidet. Dies wird einige seiner Bewohner dazu bestimmen, unbedeutend zu variieren – , womit ich aber nicht sagen will, dass ich etwa nicht glaubte, die meisten Wesen variierten zu aller Zeit genug, um die Zuchtwahl auf sie einwirken lassen zu können. Einige seiner Bewohner werden vertilgt werden; und die Übrigbleibenden werden der gegenseitigen Einwirkung einer verschiedenen Gesellschaft von Bewohnern ausgesetzt sein, welche, wie ich glaube, bei weitem bedeutungsvoller für ein jedes Wesen ist als das blosse Clima. Bedenkt man die unendlich verschiedenen Methoden, welche lebende Wesen befolgen, durch Kampf mit anderen Organismen sich Nahrung zu verschaffen, zu verschiedenen Zeiten ihres Lebens Gefahren zu entgehen, ihre Eier oder Samen auszubreiten u.s.w., so kann ich nicht daran zweifeln, dass während Millionen von Generationen gelegentlich Individuen einer Species geboren werden, welche irgend eine unbedeutende, irgend einem Theile ihres Lebenshaushalts vortheilhafte Abänderung darbieten. Derartige Individuen werden eine bessere Aussicht haben, leben zu bleiben und ihren neuen und ein wenig abweichenden Bau fortzupflanzen; die Modification wird auch durch die accumulative Thätigkeit der natürlichen Zuchtwahl in jeder vortheilhaften Ausdehnung vergrössert werden. Die in dieser Weise gebildete Varietät wird entweder mit ihrer elterlichen Form zusammen existieren oder, was noch häufiger der Fall sein wird, dieselbe verdrängen. Ein organisches Wesen, wie der Specht oder die Mistel, kann in dieser Weise einer Menge von Beziehungen angepasst werden – , die natürliche Zuchtwahl häuft eben diejenigen unbedeutenden Abänderungen in allen Theilen seines Baues, welche ihm während irgend eines Theils seines Lebens von Nutzen sind.

5. Vielerlei Schwierigkeiten werden sich mit Rücksicht auf diese Theorie einem jedem darbieten. Ich glaube, viele können völlig befriedigend beantwortet werden. Der Satz »Natura non facit saltum« beseitigt einige der augenfälligsten. Die Langsamkeit der Veränderung und der Umstand, dass nur sehr wenige Individuen zu irgend einer gegebenen Zeit sich verändern, widerlegt andere. Die äusserste Unvollständigkeit unserer geologischen Berichte beseitigt noch andere.

6. Ein anderes Princip, welches das Princip der Divergenz genannt werden kann, spielt, wie ich glaube, eine bedeutungsvolle Rolle beim Ursprung der Arten. Eine und dieselbe Örtlichkeit wird mehr Lebensformen erhalten können, wenn sie von sehr verschiedenartigen Formen bewohnt wird. Wir sehen dies in den vielen generischen Formen auf einem Quadrat-Yard Rasen und in den Pflanzen oder Insecten auf irgend einer kleinen, gleichförmige Verhältnisse darbietenden Insel, welche beinahe ausnahmslos zu ebenso vielen Gattungen und Familien wie Species gehören. Wir können die Bedeutung dieser Thatsachen bei höheren Thieren einsehen, deren Lebensweise wir verstehen. Wir wissen, dass experimentell nachgewiesen worden ist, dass ein Stück Land ein grösseres Gewicht an Heu abgibt, wenn es mit mehreren Species und Gattungen von Gräsern besäet war, als wenn es nur zwei oder drei Species getragen hatte. Man kann nun von jedem organischen Wesen sagen, dass es durch seine so rapide Fortpflanzung auf's äusserste danach ringe, an Zahl zuzunehmen. Dasselbe wird auch der Fall mit den Nachkommen einer jeden Species sein, nachdem sie verschieden von einander geworden sind und entweder Varietäten oder Subspecies oder echte Species bilden. Und ich meine, aus den vorstehenden Thatsachen folgt, dass die variierenden Nachkommen einer jeden Species es versuchen (nur wenige mit Erfolg), so viele und so verschiedenartige Stellen in dem Haushalte der Natur einzunehmen wie nur möglich. Jede neue Varietät oder Species wird, sobald sie gebildet ist, meist die Stelle ihrer weniger gut angepassten elterlichen Form einnehmen und sie zum Absterben bringen. Ich glaube, dies ist der Ursprung der Classification und der Verwandtschaften organischer Wesen zu allen Zeiten; denn organische Wesen scheinen immer Zweige und Unterzweige zu bilden, wie das Astwerk eines Baumes aus einem gemeinsamen Stamme heraus, wobei die gut gedeihenden und divergierenden Zweige die weniger lebenskräftigen zerstört haben und die abgestorbenen und verlorenen Zweige in ungefährer Weise die abgestorbenen Gattungen und Familien darstellen.

Diese Skizze ist äusserst unvollkommen; aber auf so kleinem Raume kann ich sie nicht besser machen. Ihre Fantasie muss sehr weite Lücken ausfüllen.

Ch. Darwin.

Einleitung

Als ich an Bord des »Beagle« als Naturforscher Süd-America erreichte, überraschten mich gewisse Thatsachen in hohem Grade, die sich mir in Bezug auf die Verbreitung der Bewohner und die geologischen Beziehungen der jetzigen zu der frühern Bevölkerung dieses Welttheils darboten. Diese Thatsachen schienen mir, wie sich aus dem letzten Capitel dieses Bandes ergeben wird, einiges Licht auf den Ursprung der Arten zu werfen, dies Geheimnis der Geheimnisse, wie es einer unserer grössten Philosophen genannt hat. Nach meiner Heimkehr im Jahre 1837 kam ich auf den Gedanken, dass sich etwas über diese Frage müsse ermitteln lassen durch ein geduldiges Sammeln und Erwägen aller Arten von Thatsachen, welche möglicherweise in irgend einer Beziehung zu ihr stehen konnten. Nachdem ich fünf Jahre lang in diesem Sinne gearbeitet hatte, glaubte ich eingehender über die Sache nachdenken zu dürfen und schrieb nun einige kurze Bemerkungen darüber nieder; diese führte ich im Jahre 1844 weiter aus und fügte der Skizze die Schlussfolgerungen hinzu, welche sich mir als wahrscheinlich ergaben. Von dieser Zeit an bis jetzt bin ich mit beharrlicher Verfolgung des Gegenstandes beschäftigt gewesen. Ich hoffe, dass man die Anführung dieser auf meine Person bezüglichen Einzelnheiten entschuldigen wird: sie sollen zeigen, dass ich nicht übereilt zu einem Abschlusse gelangt bin.

Mein Werk ist nun (1859) nahezu beendigt; da es aber noch viele weitere Jahre bedürfen wird, um es zu vollenden, und da meine Gesundheit keineswegs fest ist, so hat man mich zur Veröffentlichung dieses Auszugs gedrängt. Ich sah mich noch um so mehr dazu veranlasst, als Herr WALLACE beim Studium der Naturgeschichte der Malayischen Inselwelt zu fast genau denselben allgemeinen Schlussfolgerungen über den Ursprung der Arten gelangt ist, wie ich. Im Jahre 1858 sandte er mir eine Abhandlung darüber mit der Bitte zu, sie Sir CHARLES LYELL zuzustellen, welcher sie der LINNÉ'schen Gesellschaft übersandte, in deren Journal sie nun im dritten Bande abgedruckt worden ist. Sir CH. LYELL sowohl als Dr. HOOKER, welche beide meine Arbeit kannten (der letzte hatte meinen Entwurf von 1844 gelesen), hielten es in ehrender Rücksicht auf mich für rathsam, einige kurze Auszüge aus meinen Niederschriften zugleich mit WALLACE'S Abhandlung zu veröffentlichen.

Der Auszug, welchen ich hiermit der Lesewelt vorlege, muss nothwendig unvollkommen sein. Er kann keine Belege und Autoritäten für meine verschiedenen Angaben beibringen, und ich muss den Leser bitten, einiges Vertrauen in meine Genauigkeit zu setzen. Zweifelsohne mögen Irrthümer mit untergelaufen sein; doch glaube ich mich überall nur auf verlässige Autoritäten berufen zu haben. Ich kann hier überall nur die allgemeinen Schlussfolgerungen anführen, zu welchen ich gelangt bin, unter Mittheilung von nur wenigen erläuternden Thatsachen, die aber, wie ich hoffe, in den meisten Fällen genügen werden. Niemand kann mehr als ich selbst die Nothwendigkeit fühlen, später alle Thatsachen, auf welche meine Schlussfolgerungen sich stützen, mit ihren Einzelnheiten bekannt zu machen, und ich hoffe dies in einem künftigen Werke zu thun, denn ich weiss wohl, dass kaum ein Punkt in diesem Buche zur Sprache kommt, zu welchem man nicht Thatsachen anführen könnte, die oft zu gerade entgegengesetzten Folgerungen zu führen scheinen. Ein richtiges Ergebnis lässt sich aber nur dadurch erlangen, dass man alle Thatsachen und Gründe, welche für und gegen jede einzelne Frage sprechen, zusammenstellt und sorgfältig gegeneinander abwägt, und dies kann unmöglich hier geschehen.

Ich bedauere sehr, aus Mangel an Raum so vielen Naturforschern nicht meine Erkenntlichkeit für die Unterstützung ausdrücken zu können, die sie mir, mitunter ihnen persönlich ganz unbekannt, in uneigennützigster Weise zu Theil werden liessen. Doch kann ich diese Gelegenheit nicht vorüber gehen lassen, ohne wenigstens die grosse Verbindlichkeit anzuerkennen, welche ich Dr. HOOKER dafür schulde, dass er mich in den letzten zwanzig Jahren in jeder möglichen Weise durch seine reichen Kenntnisse und sein ausgezeichnetes Urtheil unterstützt hat.

Wenn ein Naturforscher über den Ursprung der Arten nachdenkt, so ist es wohl begreiflich, dass er in Erwägung der gegenseitigen Verwandtschaftsverhältnisse der Organismen, ihrer embryonalen Beziehungen, ihrer geographischen Verbreitung, ihrer geologischen Aufeinanderfolge und anderer solcher Thatsachen zu dem Schlusse gelangt, die Arten seien nicht selbständig erschaffen, sondern stammen wie Varietäten von anderen Arten ab. Demungeachtet dürfte eine solche Schlussfolgerung, selbst wenn sie wohl gegründet wäre, kein Genüge leisten, solange nicht nachgewiesen werden könnte, auf welche Weise die zahllosen Arten, welche jetzt unsere Erde bewohnen, so abgeändert worden sind, dass sie die jetzige Vollkommenheit des Baues und der gegenseitigen Anpassung erlangten, welche mit Recht unsere Bewunderung erregen. Die Naturforscher verweisen beständig auf die äusseren Bedingungen, wie Clima, Nahrung u.s.w., als die einzigen möglichen Ursachen ihrer Abänderung. In einem beschränkten Sinne mag dies, wie wir später sehen werden, wahr sein. Aber es wäre verkehrt, lediglich äusseren Ursachen z.B. die Organisation des Spechtes, die Bildung seines Fusses, seines Schwanzes, seines Schnabels und seiner Zunge zuschreiben zu wollen, welche ihn so vorzüglich befähigen, Insecten unter der Rinde der Bäume hervorzuholen. Ebenso wäre es verkehrt, bei der Mistelpflanze, welche ihre Nahrung aus gewissen Bäumen zieht und deren Samen von gewissen Vögeln ausgestreut werden müssen, mit ihren Blüthen, welche getrennten Geschlechtes sind und die Thätigkeit gewisser Insecten zur Übertragung des Pollens von der männlichen auf die weibliche Blüthe bedürfen, – es wäre verkehrt, die organische Einrichtung dieses Parasiten mit seinen Beziehungen zu mehreren anderen organischen Wesen als eine Wirkung äusserer Ursachen oder der Gewohnheit oder des Willens der Pflanze selbst anzusehen.

Es ist daher von der grössten Wichtigkeit eine klare Einsicht in die Mittel zu gewinnen, durch welche solche Umänderungen und Anpassungen bewirkt werden. Beim Beginne meiner Beobachtungen schien es mir wahrscheinlich, dass ein sorgfältiges Studium der Hausthiere und Culturpflanzen die beste Aussicht auf Lösung dieser schwierigen Aufgabe gewähren würde. Und ich habe mich nicht getäuscht, sondern habe in diesem wie in allen anderen verwickelten Fällen immer gefunden, dass unsere wenn auch unvollkommene Kenntnisse von der Abänderung der Lebensformen im Zustande der Domestication immer den besten und sichersten Aufschluss gewähren. Ich stehe nicht an, meine Überzeugung von dem hohen Werthe solcher von den Naturforschern gewöhnlich sehr vernachlässigten Studien auszudrücken.

Aus diesem Grunde widme ich denn auch das erste Capitel dieses Auszugs der Abänderung im Zustande der Domestication. Wir werden daraus ersehen, dass ein hoher Grad erblicher Abänderung wenigstens möglich ist, und, was nicht minder wichtig oder noch wichtiger ist, dass das Vermögen des Menschen, geringe Abänderungen durch deren ausschliessliche Auswahl zur Nachzucht, d.h. durch Zuchtwahl, zu häufen, sehr beträchtlich ist. Ich werde dann zur Veränderlichkeit der Arten im Naturzustande übergehen; doch bin ich unglücklicher Weise genöthigt diesen Gegenstand viel zu kurz abzuthun, da er eingehend eigentlich nur durch Mittheilung langer Listen von Thatsachen behandelt werden kann. Wir werden demungeachtet im Stande sein zu erörtern, was für Umstände die Abänderung am meisten begünstigen. Im nächsten Abschnitte soll der Kampf um's Dasein unter den organischen Wesen der ganzen Welt abgehandelt werden, welcher unvermeidlich aus dem hohen geometrischen Verhältnisse ihrer Vermehrung hervorgeht. Es ist dies die Lehre von MALTHUS auf das ganze Thier- und Pflanzenreich angewendet. Da viel mehr Individuen jeder Art geboren werden, als möglicherweise fortleben können, und demzufolge das Ringen um Existenz beständig wiederkehren muss, so folgt daraus, dass ein Wesen, welches in irgend einer für dasselbe vortheilhaften Weise von den übrigen, so wenig es auch sei, abweicht, unter den zusammengesetzten und zuweilen abändernden Lebensbedingungen mehr Aussicht auf Fortdauer hat und demnach von der Natur zur Nachzucht gewählt werden wird. Eine solche zur Nachzucht ausgewählte Varietät ist dann nach dem strengen Erblichkeitsgesetze jedesmal bestrebt, seine neue und abgeänderte Form fortzupflanzen.

Diese natürliche Zuchtwahl ist ein Hauptpunkt, welcher im vierten Capitel ausführlicher abgehandelt werden soll; und wir werden dann finden, wie die natürliche Zuchtwahl gewöhnlich die unvermeidliche Veranlassung zum Erlöschen minder geeigneter Lebensformen wird und das herbeiführt, was ich Divergenz des Characters genannt habe. Im nächsten Abschnitte werden die verwickelten und wenig bekannten Gesetze der Abänderung besprochen. In den fünf folgenden Capiteln sollen die auffälligsten und bedeutendsten Schwierigkeiten, welche der Annahme der Theorie entgegenstehen, angegeben werden, und zwar erstens die Schwierigkeiten der Übergänge oder wie es zu begreifen ist, dass ein einfaches Wesen oder ein einfaches Organ umgeändert und in ein höher entwickeltes Wesen oder ein höher ausgebildetes Organ umgestaltet werden kann; zweitens der Instinct oder die geistigen Fähigkeiten der Thiere; drittens die Bastardbildung oder die Unfruchtbarkeit der gekreuzten Species und die Fruchtbarkeit der gekreuzten Varietäten; und viertens die Unvollkommenheit der geologischen Urkunden. Im nächsten Capitel werde ich die geologische Aufeinanderfolge der Organismen in der Zeit betrachten; im zwölften und dreizehnten deren geographische Verbreitung im Raume; im vierzehnten ihre Classification oder ihre gegenseitigen Verwandtschaften im reifen wie im Embryonal-Zustande. Im letzten Abschnitte endlich werde ich eine kurze Zusammenfassung des Inhaltes des ganzen Werkes mit einigen Schlussbemerkungen geben.

Darüber, dass noch so vieles über den Ursprung der Arten und Varietäten unerklärt bleibt, wird sich niemand wundern, wenn er unsere tiefe Unwissenheit hinsichtlich der Wechselbeziehungen der vielen um uns her lebenden Wesen in Betracht zieht. Wer kann erklären, warum eine Art in grosser Anzahl und weiter Verbreitung vorkommt, während eine andere ihr nahe verwandte Art selten und auf engen Raum beschränkt ist? Und doch sind diese Beziehungen von der höchsten Wichtigkeit, insofern sie die gegenwärtige Wohlfahrt und, wie ich glaube, das künftige Gedeihen und die Modificationen eines jeden Bewohners der Welt bedingen. Aber noch viel weniger wissen wir von den Wechselbeziehungen der unzähligen Bewohner dieser Erde während der vielen vergangenen geologischen Perioden ihrer Geschichte. Wenn daher auch noch so Vieles dunkel ist und noch lange dunkel bleiben wird, so zweifle ich nach den sorgfältigsten Studien und dem unbefangensten Urtheile, dessen ich fähig bin, doch nicht daran, dass die Meinung, welche die meisten Naturforscher hegen und auch ich lange gehegt habe, als wäre nämlich jede Species unabhängig von den übrigen erschaffen worden, eine irrthümliche ist. Ich bin vollkommen überzeugt, dass die Arten nicht unveränderlich sind; dass die zu einer sogenannten Gattung zusammengehörigen Arten in directer Linie von einer andern gewöhnlich erloschenen Art abstammen, in der nämlichen Weise, wie die anerkannten Varietäten irgend einer Art Abkömmlinge dieser Art sind. Endlich bin ich überzeugt, dass die natürliche Zuchtwahl das wichtigste, wenn auch nicht das ausschliessliche Mittel zur Abänderung der Lebensformen gewesen ist.

Erstes Capitel - Abänderung im Zustande der Domestication

Ursachen der Veränderlichkeit. – Wirkungen der Gewohnheit und des Gebrauchs und Nichtgebrauchs der Theile. – Correlative Abänderung, – Vererbung. – Charactere domesticierter Varietäten. – Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen Varietäten und Arten. – Ursprung cultivierter Varietäten von einer oder mehreren Arten. – Zahme Tauben, ihre Verschiedenheiten, ihr Ursprung. – Früher befolgte Grundsätze bei der Züchtung und deren Folgen. – Planmässige und unbewusste Züchtung. – Unbekannter Ursprung unserer cultivierten Rassen. – Günstige Umstände für das Züchtungsvermögen des Menschen.

Ursachen der Veränderlichkeit

Wenn wir die Individuen einer Varietät oder Untervarietät unserer älteren Culturpflanzen und Thiere vergleichen, so ist einer der Punkte, die uns zuerst auffallen, dass sie im Allgemeinen mehr von einander abweichen, als die Individuen irgend einer Art oder Varietät im Naturzustande. Erwägen wir nun die ungeheure Verschiedenartigkeit der Pflanzen und Thiere, welche cultiviert und domesticiert worden sind und welche zu allen Zeiten unter den verschiedensten Climaten und Behandlungsweisen abgeändert haben, so werden wir zum Schlusse gedrängt, dass diese grosse Veränderlichkeit unserer Culturerzeugnisse die Wirkung davon ist, dass die Lebensbedingungen minder einförmig und von denen der natürlichen Stammarten etwas abweichend gewesen sind. Auch hat, wie mir scheint, ANDREW KNIGHT'S Meinung, dass diese Veränderlichkeit zum Theil mit Überfluss an Nahrung zusammenhänge, einige Wahrscheinlichkeit für sich. Es scheint ferner klar zu sein, dass die organischen Wesen einige Generationen hindurch den neuen Lebensbedingungen ausgesetzt sein müssen, um ein merkliches Mass von Veränderung an ihnen auftreten zu lassen, und dass, wenn ihre Organisation einmal abzuändern begonnen hat, sie gewöhnlich durch viele Generationen abzuändern fortfährt. Man kennt keinen Fall, dass ein veränderlicher Organismus im Culturzustande aufgehört hätte zu variieren. Unsere ältesten Culturpflanzen, wie der Weizen z.B., geben noch immer neue Varietäten, und unsere ältesten Hausthiere sind noch immer rascher Umänderung und Veredelung fähig.