Über die Jahre - Jürg Amann - E-Book

Über die Jahre E-Book

Jürg Amann

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Beschreibung

Wie man nicht weiß, wie es anfängt. Wie es einfach begonnen hat. Wie man plötzlich ein Paar ist. Und dann wieder nicht mehr. Und wie man nicht weiß, wie es aufhört. "Über die Jahre" ist die Summe einer Beziehung. Über elf Jahre wird berichtet, in denen ein Mann und eine Frau gemeinsam Bücher lesen, reisen, ein Haus einrichten, einen Garten bepflanzen ... Jürg Amann hält in seinem Roman nicht nur Höhepunkte und Außergewöhnliches fest, sondern auch und in erster Linie das Alltägliche, Banale, das, was eigentlich das Leben ausmacht und daher wert ist, aufgezeichnet zu werden. Der Erzähler stellt, aus der Distanz von Jahren gesichert, aus Tagebüchern, Briefen, Traumprotokollen einen freuden- und schmerzreichen Rosenkranz einer ganz gewöhnlichen und trotzdem einmaligen Liebe zusammen. In den vier Büchern erzählt Jürg Amann dieselbe Geschichte viermal anders, aus wechselnder Perspektive und bruchstückhaft, nie alle Aspekte gleichzeitig umfassend. Erst in der Interferenz zwischen den Büchern bildet sich allmählich ein Ganzes heraus; nicht das Ganze einer Liebesgeschichte, nur das Ganze der Erinnerung an sie, was davon geblieben ist, über die Jahre hinweg.

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Seitenzahl: 291

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Jürg Amann: Über die Jahre

Jürg Amann

Über die Jahre

Roman

© 1994

HAYMON verlag

Innsbruck-Wien

www.haymonverlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7099-7623-4

Umschlagbild: “Schwarze Gestirne, schwarze Löcher, schwarzer Tag” von Anton Christian

Die Arbeit an diesem Buch wurde durch die Stiftung Pro Helvetia gefördert.

Diesen Roman erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.haymonverlag.at.

„Wenn aus der Ferne, da wir geschieden sind, ich dir noch kennbar bin, …“

Friedrich Hölderlin

„Es ist die Zeit, die du an deine Rose verloren hast, die diese Rose so wichtig macht.“

Antoine de Saint-Exupéry

Inhalt

Zueignung

Das Buch der Tage

Das Buch der Bilder

Das Buch der Briefe

Das Buch der Nächte

Nachklang

Zueignung

H. hat, als sie klein war, viel zu früh lernen müssen, groß zu sein. Darum macht sie sich jetzt, da sie groß ist, manchmal noch klein. Sie zieht den Kopf zwischen die Schultern, und ihre Stimme verändert sich. Immer wieder, wie lange man auch mit ihr lebt, ist sie das Kind, das sie vielleicht nicht gewesen ist. Man muß sie bei der Hand nehmen, weil sie nicht mutig genug ist zu glauben, daß man sie gern hat. So wächst sie, den Kopf trägt sie frei. Fast wie aus Dankbarkeit ist sie schön. (So schön, daß man sie gar nicht mehr lassen will. Aber sie muß doch lernen, allein schön zu sein.) Sonst steht sie meistens allein, auf langen Treppen, in weiten Gärten, auf Wegen, im Schnee. Steht sie in Gruppen, steht sie am Rand. Wenn sie geht, geht sie ein paar Schritte hinter den anderen her oder voraus. Oft sieht man sie nur von hinten; gerade noch, daß sie den Kopf dreht. Sie ist stolz, aber scheu. Jemand hat sie verletzt.

Das Auffälligste an H. sind ihre Augen. Sie stehen weit auseinander. Sie sind groß. Sie sind voller Vertrauen, das man kein zweites Mal enttäuschen darf. Sie bitten darum. Meist ist sie sehr ernst. Nur wenn sie lacht, verliert man für Augenblicke das schlechte Gewissen, das man ihr gegenüber als der glückliche Rest der Welt hat. Wen sie anlächelt, den hat sie gewonnen. Aber sie lächelt nicht viele an.

H. hat eine Schwester, die es leichter hat mit der Welt. Sie ist älter, und es strengt an, so zu sein wie sie. Sie hat alles schon hinter sich, was H. noch vor sich hat. Sie kann über alles lachen, worüber H. noch weint. Bald weint auch H. nicht mehr, aber das heißt nicht, daß sie jetzt lacht. Sie hält die Lippen verschlossen. Trotzig, entschlossen, das Leben auf ihre Art zu versuchen, steht sie neben der andern. Nein, sagt sie, wenn man sie etwas heißt. Doch, sagt sie, wenn man ihr etwas verbietet. Wenn sie traurig ist, sagt ihre Mutter, da ist eine kleine Welt traurig. Für H. ist es die ganze. Den Vater, den sie dann sucht, findet sie nicht.

Das Buch der Tage

Wie man nicht weiß, wie es anfängt. Wie es einfach begonnen hat. Wie man plötzlich ein Paar ist. Und dann wieder nicht mehr. Und wie man nicht weiß, wie es aufhört.

Wie in ihrem Fall der Anfang am Morgen des 12. August ist. Kurz nach neun. Am gemeinsamen Arbeitsplatz. Seinem ersten. Ihrem wievielten? Nachdem er sein Studium gerade beendet hat. Und sie aus Italien zurück ist. Von einem Sprachaufenthalt in Siena. Wie es wahrscheinlich ein Montag ist.

Wie sie einander vorgestellt werden von einem Herrn R., der jetzt sein Chef ist. Der ihn durch alle Böden und Zwischenböden des Hauses führt, das jetzt sein Haus ist. Und über den Schnürboden, der die linke mit der rechten Seite des Hauses verbindet. Vor und hinter der Bühne, die jetzt die Mitte der Welt ist. Zuletzt zu ihr, dem Fräulein von der Zentrale, die in der Mitte der Mitte der Welt sitzt.

Wie sie ihm also vorgestellt wird. Oder er ihr. Weil sie ja vor ihm da ist. Weil sie ihre Stelle pünktlich, also zu Monatsbeginn, angetreten hat, wie es normal ist, er aber zwei Wochen zu spät kommt. Wie sie zwar beide neu sind, er für sie aber der Neue ist, sie für ihn eine schon Vorgefundene.

Wie sie noch unsicher sind. Er noch unsicherer als sie. Wahrscheinlich um die zehn Tage, die sie ihm auf dem neuen Parkett an Erfahrung voraus hat. Wie sie auf jeden Fall, obwohl sie die an Jahren Jüngere ist, die Unsicherheit besser überspielen kann. Wie sie überhaupt besser spielen kann, also besser an diesen Ort paßt, an dem es ums Spielen geht. Wie ihm das sofort auffällt. Und wie er sich an sie hält.

Wie er, wenn er eine Frage hat, nicht die fragt, die schon lange hier sind, sondern die, die am ähnlichsten neu ist wie er. Wie sie mitten im Unbekannten für ihn das Bekannte ist. Wie sie sich, einer beim andern, an der gemeinsamen Unsicherheit halten. Wie das die gemeinsame Stärke gegen die Starken wird. Wie es ganz einfache Sachen sind. Daß sie ihm, auf seine Frage, erklärt, wo die Bleistifte sind, daß sie ihm, auf sein Bitten, eine Telefonnummer heraussucht, daß sie ihm in seiner Hilflosigkeit hilft, wenn das Kopiergerät ohne Papier ist. Oder das Kopierte zu klein wird. Oder zu hell oder zu dunkel. Wie sie sich dabei in die Augen schauen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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