Über die Lehre Spenglers - Thomas Mann - E-Book

Über die Lehre Spenglers E-Book

Thomas Mann

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Beschreibung

Bevor der Text am 9. März 1924 zunächst in der Allgemeinen Zeitung (Augsburg/München) sowie am 15. März in Das Tage-Buch erschien, war er im Wesentlichen lediglich in der englischen Übersetzung verfügbar gewesen. Er stellt inhaltlich einen Auszug aus dem ersten der ›German Letters‹ dar, die Mann zwischen 1922 und 1925 für die New Yorker Zeitschrift The Dial verfasste, und ist hier lediglich mit einer anderen Einleitung versehen. Manns Äußerungen über Spengler stehen unter dem Eindruck der Lektüre von ›Der Untergang des Abendlandes‹, dessen ersten Band (erschienen 1918) er noch mit Zustimmung gelesen hatte. Als im Jahr 1922 der zweite Band erschien, hatte Mann sich gedanklich jedoch bereits distanziert.

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Seitenzahl: 18

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Thomas Mann

Über die Lehre Spenglers

Essay/s

Fischer e-books

In der Textfassung derGroßen kommentierten Frankfurter Ausgabe(GKFA)Mit Daten zu Leben und Werk

{735}Über die Lehre Spenglers

Nietzsche bemerkt einmal, der Satz, ein Prophet gelte nichts im eigenen Lande, sei falsch; »das Umgekehrte« sei die Wahrheit, – was wohl nur heißen soll, daß niemand in der Fremde zu Ruhm gelangt, dem nicht vor allem bei sich zu Hause Ruhm bereitet wurde. So hat das große Werk des Herrn Oswald Spengler mit dem kraß-katastrophalen Titel (»Der Untergang des Abendlandes«) die Ruhmeszensur des eigenen Landes passiert; es hat Weltpopularität erlangt auf Grund des außerordentlichen Erfolges, der ihm in Deutschland zuteil wurde, eines Erfolges, der um so höher zu veranschlagen ist, als es sich nicht um eine sogenannte unterhaltende Produktion, einen Roman im üblichen Sinne des Wortes handelt, sondern um ein profundes philosophisches Werk, mit dem erschreckend gelehrten Untertitel: »Versuch einer Morphologie der Weltgeschichte.« Und so mag man, alles geistigen Widerstandes ungeachtet, sogar mit nationaler Genugtuung auf einen Erfolg blicken, dessen Voraussetzungen vielleicht heute nirgends sonst in einem Grade gegeben sind wie bei uns.

Wir sind ein aufgewühltes Volk; die Katastrophen, die über uns hingegangen, der Krieg, der nie für möglich gehaltene Umsturz eines Staatssystems, das aere perennius schien, ferner wirtschaftlich-gesellschaftliche Umschichtungen radikalster Art, kurzum das stürmischste Erleben, haben den nationalen Geist in einen Zustand der Anstrengung versetzt, wie er ihm lange nicht mehr bekannt gewesen. Die allgemeine geistige Weltsituation erhöht diese Spannung. Alles ist in Fluß gekommen. Die Naturwissenschaften, denen um die Jahrhundertwende scheinbar nichts zu tun übrig blieb, als das Errungene zu sichern und auszubauen, stehen an allen Punkten in den {736}