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Während Thomas Mann in seinen Porträts sonst gerne umfassend Bezug auf Werk und Leben der Porträtierten nahm, bleibt ein solcher Überblick hier vermisst. Der Text widmet sich vielmehr vor allem einer einzigen Szene aus ›Der Marquis von Keith‹, deren Dramatik und Bedeutung Mann tief beeindruckt hatten. Bekanntlich gehörte Mann auch ansonsten zu den Bewunderern der Werke Wedekinds und trat, trotz des zeitweise problematischen Verhältnisses, immer wieder entschlossen für den umstrittenen Dramatiker ein. In diesem Text nimmt er auf zahlreiche, in eigenen Werken formulierte Gedanken Bezug und verknüpft sie mit der eindrücklichen Szenenanalyse zu einem Essay, der bis heute ein bedeutendes Element der Rezeption Frank Wedekinds darstellt. Erstmals abgedruckt wurde der Text im Juli 1914 in der Zeitschrift Der Neue Merkur sowie in ›Das Wedekindbuch‹, einem Sammelband zu dessen 50. Geburtstag.
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Seitenzahl: 15
Thomas Mann
Über Frank Wedekind
Essay/s
Fischer e-books
In der Textfassung derGroßen kommentierten Frankfurter Ausgabe(GKFA)Mit Daten zu Leben und Werk
Während man sein Lebenswerk feiert, dieses tief deutsche, tief fragwürdige, von grenzenlos verschlagenem Geiste schillernde Werk, will ich nur von einer Szene sprechen – auch das nicht, ich will nicht darüber reden, ich werde sie kaum kommentieren, ich will nur daran erinnern, sie auf einen Augenblick aus der Welt seiner Gesichte herausheben, weil ich nicht weiß, ob man ihrer hinlänglich acht gehabt, und sie mir selbst wieder vor Augen führen, wie ich sie vor Jahren einmal – nur einmal – auf dem Theater sah. Seitdem ist sie »meine« Szene, nichts geht mir darüber in seinem Werk, nichts hat mich getroffen wie sie, ich denke zuerst an sie, wenn ich an diesen Dichter denke, und ich nickte zufrieden, als er mir eines Abends, oder gegen Morgen – es sind ja wunderliche Tageszeiten, zu denen man mit ihm plaudert –, als er mir nachts einmal zugestand, daß er um dieser Szene willen das Stück geschrieben habe.