Überleben unter Kollegen - Mathias Fischedick - E-Book

Überleben unter Kollegen E-Book

Mathias Fischedick

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Beschreibung

»Mein Job wäre ja prima, wenn da nur nicht die Kollegen wären!« – Vielen von uns machen intrigante, langsame oder jammernde Kollegen das Leben schwer. Die Folgen können belastende Ausmaße annehmen: Sinkende Arbeitsmotivation, schlechtes Teamwork und eine steigende Krankheitsquote. In diesem Buch liefert der erfahrene Businesscoach Mathias Fischedick auf humorvolle Weise Einblicke in die Psychen besonders nerviger Zeitgenossen und zeigt, was genau die Zusammenarbeit mit ihnen so anstrengend macht. Er gibt zahlreiche Tipps, wie wir besser miteinander auskommen können und so mehr Spaß bei der Arbeit haben. Unterhaltsam und nützlich für alle, die tagtäglich anstrengende Kollegen ertragen müssen!

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www.piper.de

ISBN 978-3-492-99196-4

© Piper Verlag GmbH, München 2018

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Martin Reinl

Illustration : Martin Reinl/Mathias Fischedick

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

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Inhalt

Cover & Impressum

Vorwort

Warum die Zusammenarbeit zu einer immer größeren Herausforderung wird

Arbeiten 4.0 braucht eine größere soziale Kompetenz

Kooperation ist heute entscheidend, um im Wettbewerb zu bestehen

TEIL 1

Sonnenschein & Söhne

07:30 Uhr

Bürotrakt Kundenmanagement – »Käffchen?«

08:04 Uhr

Büro Leiter Kundenmanagement – »Ich bin ganz bei dir!«

09:00 Uhr

Sitzungsraum »Rhein« – »Das mussten wir schieben!«

09:37 Uhr

Café gegenüber – »Kennste den …«

10:46 Uhr

Vor dem Fahrstuhl im EG – »So einfach kommt man da nicht hin!«

11:06 Uhr

Sitzungsraum »Canale Grande« 11. Etage – »Hier läuft alles aus dem Ruder!«

12:59 Uhr

Büro Rechnungswesen – »Denkspaziergänge!«

13:15 Uhr

Großraumbüro Kundenhotline – »Die hat wieder ihre fünf Minuten!«

15:36 Uhr

Teeküche – »Hast du schon gehört?«

17:37 Uhr

Eingangshalle – »Dann will ich Sie mal nicht länger aufhalten!«

Mitten aus dem Arbeitsleben

TEIL 2

Es gibt keine allgemeingültigen Regeln für das »Spiel des Lebens«

Ihre Kollegen sind nicht verrückt

Die Spielregeln der Kollegen

Unsere eigenen Spielregeln

Die Vorteile, miteinander zu spielen

Arbeiten ist mehr, als nur zu funktionieren

Darum spielen wir so selten bei der Arbeit

Fehlannahme #1: Der Stärkere überlebt.

Fehlannahme #2: Für Zusammenarbeit gibt es eine allgemeingültige Norm.

Fehlannahme #3: Einige Kollegen sind von Natur aus böse, nervig, doof, …

Fehlannahme #4: Der Kollege muss sich ändern.

TEIL 3

Das AUA!-Prinzip: So kämpfen Sie professioneller gegen die Kollegen

Kurz und schmerzlos

Zehn Wege, um nervige Kollegen schnell in den Griff zu bekommen

Im Ernst?

Das WOW!-Prinzip: So erreichen Sie mehr zusammen mit den Kollegen

WOW! im Arbeitsalltag

Kompromiss und Konsens sind nicht das Gleiche

Die Fokussierung auf Interessen statt auf Positionen bietet mehr Lösungsmöglichkeiten bei Konflikten

WOW! in der Zusammenarbeit

Wahrnehmung:

Offenheit:

Wertschätzung:

WOW! in der Kommunikation

WOW! bei Fehlern

WOW! in der Führung

Wahrnehmung:

Offenheit:

Wertschätzung:

WOW! Im Vertrieb

Wahrnehmung:

Offenheit:

Wertschätzung:

Wenn die Kollegen wirklich nicht mitspielen wollen

Nachwort

Danke

Anhang

Emotionen

Test »Mein Konfliktstil«

Testauswertung

Wir Menschen sind bis jetzt nicht ausgestorben, aber es ist nicht so, dass wir es nicht versucht hätten.

Douglas Adams, Autor (u. a. »Per Anhalter durch die Galaxis«)

Vorwort

Sie haben auch diesen einen Kollegen, dessen Anwesenheit allein Sie auf die Palme bringt? Und dann ist da noch die nervige Tussi aus der Nachbarabteilung, die in Meetings einfach unerträglich ist? Wahrscheinlich gehen Ihnen jetzt noch mehr Namen und Gesichter Ihrer »lieben Kollegen« durch den Kopf, denn ansonsten würden Sie dieses Buch nicht in Händen halten. Ja, es ist Fakt: Eine Menge unserer Energie verschwenden wir im Job täglich damit, uns mit nervigen und anstrengenden Kollegen auseinandersetzen zu müssen. Die Folgen sind zeitraubende Machtkämpfe, unfaire Spielchen, sinkende Motivation, Frustration, schlechtes Teamwork, miese Ergebnisse und am Ende tobende Chefs oder sogar kranke Mitarbeiter.

Seit über zehn Jahren begleite ich als Businesscoach Angestellte und Führungskräfte bei ihren Herausforderungen im täglichen Miteinander. Meine Erfahrung zeigt, dass es selten das Fachliche ist, das zu Konflikten in der Zusammenarbeit führt, sondern vor allem das Zwischenmenschliche für Stress unter Kollegen sorgt: »Wenn der Kevin noch einmal so blöd fragt, dann explodiere ich!«, »Mein Chef versteht mich einfach nicht!«, »Warum kann die Petra nicht endlich die Aufgaben so umsetzen, wie ich es ihr sage?« Typische Sätze, wie ich sie im Coaching sowohl von Mitarbeitern als auch von Chefs häufig zu hören bekomme.

Klar, dass Sie sich Ihre Kollegen nicht aussuchen können – es sei denn, Sie sind der Big-Boss. Doch wie kann es gelingen, so mit den Arbeitsgenossen umzugehen, dass sie weniger nerven und am Ende alle gut zusammenarbeiten und wieder mehr Freude bei der Arbeit haben? Die Lösung steckt in diesem Buch. Auch wenn es für Sie vielleicht noch unglaublich klingt, es gibt einen Weg, wie Sie es schaffen können, mit (fast) jedem Kollegen eine entspannte und produktive Arbeitsbeziehung herzustellen.

Im Vergleich zu anderen Büchern werden Sie hier keine Anleitungen finden, wie Sie gegen Ihre Kollegen kämpfen, sie manipulieren oder dominieren können. Das Konzept, das ich Ihnen vorstelle, basiert vielmehr auf einem Umgang auf Augenhöhe. Denn das Erfolgsrezept für eine gute und vor allem nachhaltige Kollegialität ist unser Verständnis, warum manche Kollegen nerven und andere nicht. Mit einfach nachvollziehbaren und in der Praxis erfolgreich erprobten Tools zeige ich Ihnen, wie Sie eine kooperative Beziehung selbst zu den anstrengendsten Kollegen, Chefs und sogar Kunden aufbauen können.

Um den größten Nutzen zu erzielen, empfehle ich Ihnen, sich nicht nur einzelne Übungen herauszupicken, sondern das ganze Buch chronologisch zu lesen. Denn eine wichtige Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung ist es, das von mir entwickelte »WOW!-Prinzip« Schritt für Schritt zu verinnerlichen. Es geht dabei um Ihre Grundhaltung sich selbst und anderen Menschen gegenüber sowie um den spielerischen Umgang mit herausfordernden Situationen. Diese Leichtigkeit werden Sie auch beim Lesen spüren, denn meiner Erfahrung nach lassen sich schwere Themen mit einer Portion Humor viel leichter angehen.

Liebe Leserinnen, aufgrund der besseren Lesbarkeit habe ich mich entschieden, im Folgenden nur die männliche Form zu verwenden. Ich hoffe, Sie fassen diese Entscheidung nicht als Respektlosigkeit Ihnen gegenüber auf. Natürlich bezieht sich alles, was ich schreibe, nicht nur auf Leser und Kollegen, sondern ebenso auf Leserinnen und Kolleginnen.

Und nun wünsche Ich Ihnen viel Vergnügen beim Lesen! Ich bin mir sicher, Sie werden im Anschluss nicht nur Ihre Kollegen, sondern auch viele Menschen in Ihrem privaten Umfeld mit anderen Augen sehen.

Mathias Fischedick, im Sommer 2018

Warum die Zusammenarbeit zu einer immer größeren Herausforderung wird

Der morgendliche Weg zur Arbeit wird immer öfter von dem Gefühl begleitet, in den Kampf zu ziehen. Woher kommt das? Nach meiner Erfahrung liegt es daran, dass sich die Art der Zusammenarbeit in den letzten Jahren stark verändert hat. Vorbei sind die Zeiten, in denen der Chef von oben anordnete, was und wie genau es zu tun war. Heute wird von den Mitarbeitern Teamwork verlangt, das heißt, ein immer selbstständigeres und mehr auf Augenhöhe stattfindendes Zusammenarbeiten. Diese größere Freiheit ist auf der einen Seite ein Geschenk, auf der anderen Seite aber auch eine Last, denn mit der Freiheit steigt die Verantwortung. Dazu gehört, sich intensiver mit den Kollegen auseinanderzusetzen. Es ist anstrengend, sich auf die unterschiedlichen Charaktere einzustellen, Überzeugungsarbeit zu leisten und Verständnis zu zeigen. Einige meiner Seminarteilnehmer und Klienten sehnen sich sogar nach den Zeiten zurück, in denen sie sich hinter den »Anweisungen von oben« verstecken konnten.

Doch es ist nicht nur das moderne Führungsverständnis, das Mitarbeiter und Kollegen vor neue zwischenmenschliche Herausforderungen stellt, sondern auch die rasante technische Entwicklung.

Arbeiten 4.0 braucht eine größere soziale Kompetenz

»Digitalisierung« und »Industrie 4.0« sind heute Topthemen, mit denen sich unzählige Veröffentlichungen, Blogs, Seminare und Vorträge befassen. In meinen Augen wird der Fokus hier allerdings oft zu einseitig auf die technischen Aspekte gelegt und dabei der Einfluss der neuen Technologien auf die Art der Zusammenarbeit übersehen. Denn zum einen verlieren wir durch digitale Kommunikationsmedien wie E-Mails, WhatsApp und andere Messaging-Dienste immer stärker den persönlichen Bezug zu unseren Kollegen, zum anderen werden durch die Technisierung mehr und mehr Standardtätigkeiten von Computern und Maschinen übernommen. Dadurch erhöht sich das Arbeitstempo für die menschlichen Mitarbeiter, und die Aufgaben verlagern sich zunehmend in den kreativen Bereich, hin zu Tätigkeiten wie der Entwicklung neuer Prozesse, Produkte und Abläufe. Gerade hier brauchen wir jedoch die persönliche Unterstützung unserer Kollegen, weshalb die Bedeutung persönlicher Netzwerke wächst und eine noch intensivere Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Charakteren unvermeidbar wird.

Kooperation ist heute entscheidend, um im Wettbewerb zu bestehen

Genau diese zwischenmenschliche Auseinandersetzung macht uns zu schaffen. Es fällt jedem leicht, sich mit Menschen auszutauschen, die ähnlich ticken wie er selbst. Eine Kooperation mit Andersdenkenden und -handelnden ist dagegen anstrengend. Doch gerade die unterschiedlichen Erfahrungen, Glaubenssätze, Arbeitsweisen und Philosophien sind es, die in der Zusammenarbeit neue, kreative Wege eröffnen und ein Unternehmen überlebensfähig halten.

Dies bestätigt auch die aktuelle Studie »Skill shift: Automation and the future of the workforce« des McKinsey Global Institute (MGI). Die Wissenschaftler haben hierin die Fähigkeiten analysiert, die Unternehmen ihren Mitarbeitern bis 2030 abverlangen werden. »Auch in Zeiten der Digitalisierung gewinnen Kommunikations- und Verhandlungsgeschick, Empathie und Führungsvermögen weiter an Bedeutung«, stellen die Studienautoren fest.

Bevor ich Ihnen mein Konzept vorstelle, wie eine kooperative, fruchtbare Zusammenarbeit von Andersdenkenden trotz aller zwischenmenschlichen Herausforderungen gelingen kann, lade ich Sie zu einer humorvollen Bestandsaufnahme ein.

TEIL 1

Der tägliche Wahnsinn mit den Kollegen

Sonnenschein & Söhne

Ich habe 15 Jahre lang in der Medienbranche gearbeitet und war bei verschiedenen internationalen TV-Konzernen als Führungskraft verantwortlich für die Umsetzung großer Unterhaltungsshows. Dort begegnet man sonderlichen Persönlichkeiten nicht nur vor der Kamera, sondern auch dahinter. Verrückte Visionäre, rücksichtslose Individualisten, überkorrekte Beamte, unqualifizierte Aufschneider, harmoniesüchtige Kuschelkursler, gehemmte Angsthasen, falsche Schlangen und viele weitere Typen sind hier auf den Fluren unterwegs. Sie werden beim Lesen der letzten Zeilen wahrscheinlich leicht genickt und gedacht haben: »Herr Fischedick, solche Kollegen habe ich auch!« Und Sie haben recht! Solange ich beim Fernsehen tätig war, dachte ich, dass man solche Charaktere nur in der hippen, crazy Medienbranche trifft. Nach über einem Jahrzehnt Erfahrung als Coach in der freien Wirtschaft weiß ich, dass es branchenübergreifend in wirklich jedem Unternehmen solche Kollegen gibt, die uns schräg vorkommen.

In diesem Kapitel möchte ich mir mit Ihnen gemeinsam als initiale Bestandsaufnahme diese bemerkenswerten Exemplare der Spezies »Collegius nervicus« etwas näher anschauen, und zwar bei einem Besuch in dem fiktiven Unternehmen »Sonnenschein & Söhne«. Eine Firma, die stellvertretend für alle großen und kleinen Betriebe in Deutschland, ach, was schreibe ich, in der ganzen Welt steht. Auch für den, in dem Sie arbeiten, oder – wenn Sie selbstständig sind – für die Unternehmen, die zu Ihren Kunden und Partnern gehören. Die folgenden Geschichten sind inspiriert von tatsächlichen Begebenheit, die ich selbst oder meine Klienten vielfach erlebt haben. Alle Namen wurden zum Schutz der Persönlichkeitsrechte verändert. Tauchen Sie jetzt ein in einen typischen Arbeitstag bei »Sonnenschein & Söhne«:

07:30 Uhr

Bürotrakt Kundenmanagement – »Käffchen?«

So langsam erwacht »Sonnenschein & Söhne« zum Leben. Herbert Meyer, der Hausmeister, ist schon seit einer Stunde im Betrieb unterwegs, um nach dem Rechten zu sehen. In einigen Büros mussten Leuchtmittel ausgetauscht werden und eine der Toilettenspülungen klemmte. Jetzt nicht mehr, denn der Facility Manager hat mit geübten Handgriffen den Schaden behoben. Als er gerade um die Ecke in den Flur biegt, auf dem das Kundenmanagement seine Büros hat, kommt ihm strahlend Katja Kümmer entgegen, die auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz ist. Die Assistentin des Leiters Kundenmanagement sprüht fast immer vor guter Laune und sieht schon am frühen Morgen wie aus dem Ei gepellt aus. Die Dreißigjährige ist topmodisch gekleidet, und die Haare sitzen wie eine Eins. Katja erzählt gerne ganz freimütig, dass dies das Ergebnis eines ausgeklügelten Rituals im heimischen Badezimmer ist, bei dem ein Hochleistungsföhn und eine raffinierte Mischung aus Schaumfestiger, Haarspray, Haarlack und ein bisschen Gel – für die Spitzen – die entscheidenden Rollen spielen. Nur eine Stunde vor dem Spiegel und schon ist die Frisur gezaubert, die den ganzen Tag hält. Böse Zungen behaupten, dass Katjas Haare so sehr einbetoniert sind, dass sie besser schützen als jeder Sturzhelm.

»Guten Morgen! Gut sehen Sie aus. Sie sind ja wieder perfekt durchgestylt. Sogar Ihre Handtasche passt farblich!«

»Guten Morgen, Herr Meyer!«, flötet sie.

Der gemütliche Hausmeister mag Frau Kümmer. Sie ist ein wahrer Sonnenschein. Er muss schmunzeln, denn ihm fällt gerade auf, dass die adrette Kollegin und die echte Sonne außer der Strahlkraft noch etwas anderes gemeinsam haben: Wenn man sich ihr zu lange aussetzt, dann wird es unangenehm. Und da passiert es auch schon, Frau Kümmer kommt ins Plaudern:

»Dass Ihnen meine Handtasche aufgefallen ist, freut mich. Die ist neu, wissen Sie. Habe ich in der letzten Ausgabe der ›Hip Girl‹ gesehen und da wusste ich sofort: das ist meine Tasche!«

Mit einem: »Hmm … sehr interessant! Ich muss dann mal weiter«, versucht der Hausmeister, sich aus dem Staub zu machen.

»Was stressen Sie sich denn am frühen Morgen schon so? Sie kommen jetzt erst mal zu mir ins Büro, und ich mache uns beiden Hübschen einen schönen Kaffee! Der Chef ist eh noch nicht da.« Die resolute Assistentin legt ihm eine Hand auf den Rücken und schiebt ihn durch die Tür in ihr Reich, dabei spürt er die Spitzen ihrer künstlichen Nägel durch den Stoff seines Hemdes. Auch so ein Spleen von ihr: Jeden ersten Mittwoch im Monat geht sie abends nach Feierabend zu ihrer Nageldesignerin und lässt sich die Fingernägel neu machen. Am nächsten Tag hält sie dann jedem die neuen Kunstwerke unter die Nase, ob er oder sie will oder nicht. Letztens erst waren Katjas Nägel mit winzigen Blümchen in quietschbunten Farben bemalt.

Der Hausmeister würde sich jetzt am liebsten selbst in den Hintern treten. Der Tag hatte so gut begonnen, und dann ist er so doof und fängt ein Gespräch mit der Kümmer an. Und das, wo er doch genau weiß, wo das hinführt. Er nimmt sich in diesem Moment vor, auf gar keinen Fall auch nur einen Blick auf die designten Krallen der Kollegin zu werfen, denn alleine das könnte zu einem weiteren endlosen Monolog des Sonnenscheins führen.

Die adrette Assistentin drückt den überrumpelten Hausmeister sanft, aber bestimmt in den Besucherstuhl an ihrem Schreibtisch.

»Käffchen oder doch lieber Teechen?«

»Käffchen … äh … Kaffee … bitte.«

»Cappuccino, Caffè Latte, Milchkaffee, normalen Kaffee?«

»Espresso!« Das geht am schnellsten, denkt sich der verzweifelte Hausmeister.

»Kommt sofort!«, trällert sie und huscht aus der Tür, um kurz darauf wieder aufzutauchen. »Die Maschine war noch gar nicht an. Die muss jetzt erst noch vorheizen und sich automatisch spülen und so. Ist aber nicht schlimm, dann haben wir zwei noch ein bisschen mehr Zeit zum Plauschen.« Sie stellt ihre übergroße Handtasche auf ihren Schreibtisch und setzt sich in den Stuhl, der dem Hausmeister gegenübersteht. Auf dessen Stirn hat sich inzwischen eine tiefe Falte gebildet.

»Was ist denn mit Ihnen los? Haben Sie Sorgen? Meine Mutter sagt immer: Nur Menschen, die reden, kann geholfen werden! Also, was macht Ihnen gerade das Leben so schwer?«

Am liebsten hätte Herr Meyer gesagt: »Eine redselige Frau mit Betonfrisur und Clownsnägeln!« Er entscheidet sich aber für ein: »Ach nichts. Alles okay.«

»Na, so ganz glaube ich Ihnen das nicht. Ich werde Sie etwas aufheitern. Sie fanden doch meine Tasche so toll.« Sie zieht das gute Stück zu sich heran und öffnet den Reißverschluss. »Sie werden erstaunt sein, was hier so alles reinpasst.«

Herr Meyer erwischt sich bei dem Gedanken, ob die Tasche wohl schallisoliert ist und so viel Platz bietet, dass man auch dreißigjährige redselige Frauen darin einsperren kann.

Die gut gelaunte Assistentin holt eine Tupperdose in Herzform aus den Untiefen des Beutels hervor, an der ein gefalteter Zettel mithilfe eines Blümchenaufklebers befestigt ist.

»Ah ja, der Moni hatte ich doch von dem total leckeren Muffinrezept erzählt. Hab gestern Nacht extra welche für sie gebacken und das Rezept für sie abgeschrieben, von Hand. Ist doch schöner als so ’n Computerausdruck. Bin gespannt wie ihr die Muffins schmecken. Sie wollen doch sicher auch mal probieren, oder?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnet sie die Herzdose, nimmt einen Schoko-Bananen-Muffin heraus und steckt ihn dem Hausmeister in den Mund, der diesen gerade geöffnet hatte, um dankend abzulehnen.

»Schmeckt lecker, oder?«

Herr Meyer gibt nur ein kraftloses Grunzen zurück.

Als Nächstes zieht die quirlige Kollegin ein Netz mit Tennisbällen aus ihrer XXL-Tasche und lässt es vor seiner Nase hin und her baumeln.

»Uuuund? Warum habe ich die wohl dabei? Da kommen Sie nie drauf! Also, die Kollegen sitzen ja oft so krumm und bekommen dadurch Rückenschmerzen. Die werden Augen machen, wenn ich denen die Rückenübungen zeige, die man so ganz nebenbei machen kann, mit nichts weiter als einem Tennisball.«

Der Hausmeister versucht, einen Gesichtsausdruck zu finden, der freundlich ist, aber keine Zustimmung zeigt, schließlich will er die Frau mit der Mary-Poppins-Tasche nicht dazu ermutigen, nach und nach das komplette Sortiment eines ganzen Warenhauses daraus hervorzuzaubern. Anscheinend kam sein Gesichtsausdruck jedoch nicht so an, wie beabsichtigt, denn Frau Kümmer hat jetzt einen der Bälle aus dem Netz genommen und nähert sich ihm damit.

»Sie glauben mir nicht, dass das geht, oder? Ich zeig es Ihnen!«

Mit diesen Worten packt sie den wehrlosen Hausmeister am Nacken, zieht ihn etwas nach vorne, stopft den Tennisball zwischen Stuhllehne und seinen Rücken und schubst ihn mit Schwung dagegen. Herr Meyer schreit vor Schmerz auf, dabei fliegen kleine Stückchen des Schoko-Bananen-Muffins aus seinem Mund.

»Sehen Sie! Da habe ich ja direkt eine verspannte Stelle erwischt. Durch den Schmerz müssen Sie einmal durch, und dann wird alles viel entspannter. Dann gehen auch Ihre Sorgenfalten weg!«, sagt sie freudig.

»Apropos weg …«, wirft der Hausmeister schnell ein, nachdem er den letzten Rest des Muffins runtergewürgt hat, »ich muss dann jetzt wirklich los, den Kaffee trinke ich gerne ein anderes Mal.«

»Sie stressen sich schon wieder so. Das Beste haben Sie ja noch gar nicht gesehen. Das wird Ihnen gefallen!«

Mit einem gezielten Griff zieht Frau Kümmer einen Zerstäuber aus ihrer Tasche hervor. Sie nimmt den Schutzdeckel ab, sprüht zweimal in die Luft und schnuppert.

»Köstlich! So frisch! Da bekommt man gleich gute Laune!« Vom Etikett des Fläschchens liest sie ab: »›Summer Breeze – eine verführerisch frische, aktivierende und gleichzeitig beruhigende Mischung erlesener Duftstoffe.‹ Hier, riechen Sie auch mal. Und immer schön an den Ball lehnen!«

Während sie Herrn Meyer mit der einen Hand gegen den Ball an seinem Rücken presst, sprüht sie mit der anderen Hand »Summer Breeze« vor ihm in die Luft. Als er nach Atem ringt, steckt sie ihm noch einen Schoko-Bananen-Muffin in den Mund.

»Sie sind aber auch ein Schleckermäulchen. Geht es Ihnen jetzt besser?«

»If muff jepft wirplich loff!«, grunzt der Hausmeister verzweifelt mit vollem Mund, springt auf und verlässt das Büro fluchtartig.

Frau Kümmer schaut ihm selig lächelnd nach. »Ach, ich freue mich immer, wenn ich helfen kann.«

08:04 Uhr

Büro Leiter Kundenmanagement – »Ich bin ganz bei dir!«

Klaus Dräger, Leiter des Bereichs Kundenmanagement und seines Zeichens Vorgesetzter von Katja Kümmer, kommt eilig in sein Büro. Er ist so in Gedanken, dass ihm beim Durchqueren des Vorzimmers gar nicht auffällt, dass er durch massive Duftwolken von »Summer Breeze« läuft. Zu wirken scheint das Raumspray auch nicht, denn er fühlt sich jetzt weder frisch noch aktiviert oder gar beruhigt, sondern eher gestresst. Zudem sieht er im Gegensatz zu seiner Assistentin nicht wie aus dem Ei gepellt aus, sein Anzug ist zerknittert und seine Haare wirken, als wäre er vor Kurzem von einer Horde Affen intensiv gelaust worden.

Kaum hat er sich in seinen Chefsessel fallen lassen, steht schon Frau Kümmer in der Tür. In der Hand hält sie eine Tasse dampfenden Kaffee. Auf dem himmelblauen Becher prangt in roten Lettern der Spruch: »Ich bin hier der Chef – zumindest solange meine Frau nicht da ist«.

»Guten Morgen, Kla-auuuus!«, zwitschert Katja. »Hier ist dein Kaffee, wie immer: schwarz, nicht zu heiß und drei Stücke Zucker. Umgerührt habe ich auch schon.« Sie stellt den Becher auf Klaus’ Schreibtisch und dreht ihn mit einem liebevollen Lächeln so hin, dass ihr Chef den Henkel leicht greifen kann. Der schaut nur kurz auf, murmelt ein »Morgen« und vertieft sich dann wieder in die Postmappe, die aufgeschlagen vor ihm liegt. Als er nach einigen Minuten wieder aufschaut, ist seine Assistentin immer noch da – sie sitzt ihm erwartungsvoll lächelnd gegenüber und schaut ihn freundlich an.

»Äh, ist noch was?«

»Unser Termin!«

»Was für ein Termin?«

»Ich hatte dich doch um ein Gespräch gebeten. Und du hast mir gesagt, dass ich dafür heute die Zeit von acht bis acht Uhr fünfzehn blocken soll.« Sie schaut auf ihre pinke Armbanduhr. »Das heißt, wir haben noch ziemlich genau sechs Minuten.«

Ihr Chef schließt kurz die Augen, atmet tief durch und klappt seine Postmappe zu.

»Okay. Worum geht’s?«

Katja richtet sich auf, schlägt ihre Beine übereinander und drapiert die manikürten Hände auf ihren Knien.

»Also, in der EDV arbeiten doch Johannes und Frank.«

»Ja.«

»Und sie sind doch gerade dabei, das neue Kampagnentool für uns zu programmieren.«

»Jaaaa … und?« Klaus wird langsam ungeduldig.

»Du weißt doch, dass die beiden öfter aneinandergeraten.«

»Hmmm.« Klaus ist in Gedanken bei den 234 Mails in seinem Posteingang, die auf eine Antwort warten. Wie von selbst beginnt seine Hand, sich langsam in Richtung Computermaus zu bewegen.

»Und ich habe letztens mitbekommen, dass es wohl jetzt so schlimm zwischen den beiden ist, dass sie nicht mehr miteinander sprechen.«

»Ach!« Klaus’ Hand ist inzwischen bei der Maus angekommen, und der Zeigefinger öffnet mit einem kaum sichtbaren Doppelklick das Mailprogramm.

»Also, es ist nicht so, dass nur ab und zu Funkstille herrscht, sie ignorieren sich richtig. – Klaus, hörst du mir eigentlich noch zu?«

»Na klar, ich bin voll und ganz bei dir!«, erwidert ihr Chef schnell und dreht den Kopf hastig wieder in ihre Richtung, auch wenn es ihm sichtlich schwerfällt, den Blick von der Mail zu lösen, die sich gerade durch einen weiteren unauffälligen Klick auf seinem Monitor geöffnet hat.

Katja schaut nachdenklich auf ihre Hände und knibbelt an einem ihrer Kunstnägel herum. »Also, bei Johannes und Frank ist im Moment absolute Eiszeit. Nicht nur, dass ich die schlechte Stimmung ätzend finde, ich frage mich, ob sich das …« Sie verstummt abrupt, denn als sie ihren Blick wieder hebt, ist Klaus verschwunden. Da, wo eben noch ihr Chef saß, ist jetzt nur noch ein leerer Stuhl.

»Red ruhig weiter, ich höre dir zu«, tönt es auf einmal dumpf von unten.

Katja schaut unter den Schreibtisch und da kauert ihr Vorgesetzter über seiner Aktentasche, in der er nach etwas zu suchen scheint. »Red einfach weiter«, wiederholt er, ohne sie anzuschauen.

Die konsternierte Assistentin richtet sich wieder auf und muss sich sichtlich Mühe geben, um nicht die Fassung zu verlieren. »Wo war ich? Ähm … ach ja … ich mache mir Sorgen, dass die schlechte Stimmung zwischen Johannes und Frank dafür sorgen könnte, dass das neue Kampagnentool nicht rechtzeitig fertig wird oder nicht optimal umgesetzt wird. Deshalb war es mir wichtig, das Thema bei dir anzusprechen.«

Die Hand ihres Chefs, die eine blaue Klarsichthülle mit Unterlagen hält, taucht hinter dem Schreibtisch auf. »Sehr gut!«, ruft Klaus ächzend, während er der Hand folgt und sich aufrichtet.

Über Katjas Gesicht huscht ein Lächeln.

»Sehr gut, dass ich nichts wegschmeiße!«, triumphiert er mit Blick auf die Papiere in seiner Hand und erntet dafür einen fassungslosen Blick seiner Assistentin.

»Wirst du mit Johannes und Frank darüber sprechen?«

»Mit wem? Und worüber?«

»Aber ich habe dir doch eben erklärt …«

»Genau und ich finde es prima, dass du immer zu mir kommst, wenn dir etwas auf dem Herzen liegt. Bis später!«

Und schon ist er aus seinem Büro verschwunden – seine Assistentin bleibt erstarrt zurück.

09:00 Uhr

Sitzungsraum »Rhein« – »Das mussten wir schieben!«

Eine Stunde später nähert sich Klaus Dräger mit strammem Schritt dem Sitzungsraum »Rhein«. Hier bei »Sonnenschein & Söhne« sind alle Konferenzräume nach Gewässern benannt. Ein hoch dotierter Unternehmensberater hatte dies vor zwei Jahren empfohlen, um zu verdeutlichen, dass jedes Meeting das Unternehmen lebendig und im Fluss hält. Seitdem tragen die Besprechungsräume Namen wie »Pazifik«, »Starnberger See«, »Canale Grande« oder eben »Rhein«.

Bei dem Leiter Kundenmanagement ist gerade leider nicht viel im Fluss, sein Inneres gleicht eher einem Stausee, dessen Damm jeden Moment zu bersten droht. Grund dafür sind die Unterlagen in der blauen Klarsichthülle, die er bei sich hat: Der Projektplan für das anstehende wichtige Kundenevent, bei dem die neuen Produkte präsentiert werden sollen. Der Plan an sich ist gut – solange er auch umgesetzt wird. Die Mail, die Klaus’ Aufmerksamkeit heute Morgen in dem Gespräch mit seiner Assistentin so beansprucht hat, lässt ihn allerdings befürchten, dass die Veranstaltung gefährdet ist, da es offensichtlich Schwierigkeiten bei der Vorbereitung gibt. Um dies zu klären, ist er jetzt mit Leon Praud verabredet, dem verantwortlichen Projektleiter.

Als Herr Dräger die Tür zum »Rhein« öffnet, ist der junge Eventmanager gerade damit beschäftigt, Zeichnungen und Fotos von Tischdekorationen, Büfettzusammenstellungen, Bühnenbildern und Showacts an einer Pinnwand aufzuhängen. Auf den ersten Blick sieht die Collage, die Herr Praud da lässig anpinnt, schon mal vielversprechend aus. Sein enges Designersakko mit dem geschmackvoll gemusterten Einstecktuch hat er über die Lehne eines Stuhles gehängt, um sich freier bewegen zu können, die Ärmel seines zartrosafarbenen Maßhemdes sind hochgekrempelt. Im Eifer des Gefechts ist ihm eine Strähne seiner sorgfältig gelegten Hipsterfrisur in die Stirn gefallen. Mit einer coolen Handbewegung schiebt er sie nach hinten, während er sich mit einem breiten Lächeln zu Herrn Dräger umdreht.

»Hey, Sie kommen gerade richtig. Schauen Sie mal, das macht doch einiges her, oder? Das wird sicher das krasseste Event ever.«

»Hallo Herr Praud. Das sieht in der Tat interessant aus. Ob es allerdings das krasseste Event ever wird …«

Leon fällt ihm ins Wort. »Na klar! Ich bring hier so viele freshe Ideas ein. Die Kunden werden es lieben – they will love it – so was Stylisches haben die noch nie geboten bekommen. Total durchkonzeptioniert.«

»Ich weiß, das Grundkonzept hatten wir ja gemeinsam mit den Kollegen entwickelt. Und ich …« Klaus Dräger kann wieder nicht zu Ende sprechen, da er erneut von dem enthusiastischen Eventmanager unterbrochen wird.

»Aber jetzt mal ehrlich, meine Idee mit den Sitzkissen in Unternehmensfarben war doch der absolute Gamechanger bei dem Konzeptmeeting.«

Stumm zieht der Kundenmanagement-Chef den Projektplan aus der blauen Hülle und knallt die Blätter nebeneinander auf den Tisch des Konferenzraumes. »Ich möchte jetzt nicht mit Ihnen über Sitzkissen sprechen, sondern über unseren Zeitplan. Ich habe vorhin eine Mail der Druckerei bekommen mit dem Hinweis, dass sie uns die Einladungskarten nicht mehr rechtzeitig liefern können, wenn wir ihnen die Druckdaten nicht bis morgen um sechzehn Uhr zusenden. Laut unserer Planung …«, mit vor Wut bebendem Zeigefinger sucht Herr Dräger den entsprechenden Eintrag auf der Liste, »… laut unserer Planung hätten wir die Vorlagen schon spätestens vor vier Tagen abliefern müssen. Bitte erklären Sie mir das!«

»Wir hatten echt viel zu tun, da bleibt manches einfach liegen. Die Entwürfe für die Karten sind aber wirklich super. Total leanes Design.«

Klaus Dräger ringt um Fassung: »Ich weiß, ich habe sie schließlich abgesegnet. Also, sorgen Sie bitte dafür, dass die Druckdaten heute noch an die Druckerei gehen! Ich verlasse mich da auf Sie!«

»Na klar, das können Sie auch!«, versucht Leon Praud zu beruhigen.

Ohne den Blick vom Planungspapier zu heben, fährt der alles andere als beruhigte Dräger fort: »Und was ist mit der Reservierung der Hotelzimmer für unsere VIP-Gäste? Die sollten laut Agenda ja seit letzter Woche fest gebucht sein.«

»Ahh … die mussten wir schieben.«

»Bitte was?«

»Die mussten wir schieben. Haben wir noch nicht geschafft. Aber wir sind dran! Das hat High Priority!«

»Das ist nicht Ihr Ernst!« Drägers Gesicht wird knallrot und er verliert den letzten Rest Contenance. »Wie lange machen Sie diesen Job bei uns schon?«

Voller Stolz antwortet der geschniegelte Eventmanager: »Seit genau achtzehn Monaten!«

»Dann wissen Sie sicherlich auch, dass parallel zu unserem Event eine große Messe stattfindet und es sehr schwer ist, noch Zimmer zu bekommen.«

Leon Praud krempelt beleidigt die Ärmel herunter und schließt die Manschettenknöpfe. »Herr Dräger, wir geben hier alle unser Bestes. Full impact! Die Lara aus dem Marketing hat letztens erst gesagt, dass wir echt super performen bei diesem tighten Zeitplan.«

Jetzt wird es seinem Gegenüber zu heiß, der genervte Abteilungsleiter zieht sein verknittertes Sakko aus und wirft es auf den Tisch. In den folgenden Minuten geht er mit dem eingeschnappten Projektleiter Punkt für Punkt den Zeitplan durch und markiert alles, was erledigt oder noch im richtigen Prozess ist, mit Grün und jeden nicht eingehaltenen Termin mit Rot. Bei fast jeder Nachfrage bekommt er Antworten wie: »Da gab es Probleme!«, »Die Kollegen haben nicht rechtzeitig geliefert!«, »Ich habe ja von Anfang an gesagt, dass das eng wird!«. Am häufigsten hört Klaus Dräger aber das von ihm so gehasste: »Das mussten wir schieben!«.

Am Ende sehen die Blätter aus, als hätte jemand mit Nasenbluten darauf geniest, so rot gesprenkelt sind sie.

Schwer atmend steht Klaus Dräger auf, nimmt sein Sakko vom Tisch und geht zur Tür. Dort dreht er sich noch einmal um und sagt: »Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Ihren Job ernst nehmen und ab jetzt den Zeitplan penibel einhalten. Ich möchte von Ihnen jeden Abend einen schriftlichen Bericht haben, wo das Projekt ganz genau steht! Haben wir uns verstanden!?«

»Ja!«, kommt es leise von Leon Praud, der mit gesenktem Blick neben der Pinnwand mit den vielen bunten Ausdrucken steht. Als Dräger den Raum verlassen hat, ruft er noch hinterher: »Aber das habe ich doch alles nicht mit Absicht gemacht!«

09:37 Uhr

Café gegenüber – »Kennste den …«

Leon Praud hat nach der Standpauke von Dräger wütend die Ausdrucke von der Pinnwand gerissen und sie in seinen Designerrucksack gestopft. Jetzt sitzt er gegenüber dem Haupteingang von »Sonnenschein & Söhne« im »Café Teilchen«, um Abstand zu gewinnen. Während er seinen dritten doppelten Espresso schlürft und darauf wartet, dass er ruhiger wird, sortiert er die zerknitterten Blätter mit den Eventideen.

»Na, Praudchen!«, dröhnt es plötzlich von hinten und eine Hand knallt krachend auf seinen Rücken. Als Leon sich erschrocken umdreht, schaut er in die wässrig blauen Augen von Stefan Häppinger. Der breit grinsende, stämmige Mann mit der bunten Smiley-Krawatte und dem gezwirbelten Schnauzbart ist Gruppenleiter im Außendienst und wie immer zum Scherzen aufgelegt. Der hat Leon gerade noch gefehlt.

»Wie trinkt Chuck Norris seinen Kaffee?«

»Keine Ahnung und ist mir auch egal!«, murrt der Eventmann.

»Schwarz und ohne Wasser! Brüller, oder?«

Leon wendet sich genervt ab. Stefan geht um den Tisch herum und platziert seinen nächsten Witz: »Kennste den: Herr Doktor, ich habe beim Kaffeetrinken immer heftige Schmerzen im rechten Auge. Sagt der Doktor: Dann nehmen Sie doch einfach vor dem Trinken den Löffel aus der Tasse. Ha, ha, haaaa!«

Der Außendienstler schüttet sich aus vor Lachen und geht prustend in die nächste Runde: »Weißt du, wo ich heute Nachmittag eingeladen bin? Bei einem Freund, der hat Tourettesyndrom. Wahrscheinlich gibt’s wieder Kaffee und Fluchen. Verstehste? Nicht Kaffee und Kuchen, sondern Kaffee und Fluchen!«

Glucksend vor Lachen schnappt er sich Leons gepunktetes Einstecktuch aus dessen Ziertuchtasche, um sich die Tränen abzutupfen, die über seine Wangen kullern. Genervt reißt der junge Kollege ihm den edlen Stoff aus der Hand und stopft ihn zurück in sein Sakko. Dann wendet er sich wieder ostentativ dem Sortieren seiner Unterlagen zu.

»Was ist denn los? Heute ist doch ein herrlicher Tag! Die Sonne scheint und wir haben diesen Monat mörder Umsätze gemacht!«

»Und ich wurde eben mörder zusammengefaltet!«

Das Lachen aus Häppingers Gesicht verschwindet. »Uiii. Das hört sich nicht gut an. Erzähl!«

Zunächst zögerlich und dann immer offener schildert Leon dem alten Hasen aus dem Vertrieb, was gerade im Sitzungsraum vorgefallen ist. »Weißt du, ich bringe mich ein, liefere brilliant Ideas, habe eine gute Connection zu den externen Dienstleistern und all das wird mir nicht gedankt«, beendet der frustrierte Projektleiter seinen Bericht.

»Ich kann gut verstehen, dass du enttäuscht bist. Wenn ich dir einen Rat geben darf …«

»Ja gerne!«, schöpft Leon Hoffnung.

»Nimm es nicht so schwer.«

Der gut gelaunte Außendienstleiter kneift ihm aufmunternd in die Wange. »Geh einfach hin und sprich mit dem Dräger, auch wenn es hart ist. Nimm dir ein Beispiel an Chuck Norris: Der isst keinen Honig, der kaut Bienen!«

Stefan lacht so laut über seinen Witz, dass sich sogar die Passanten umdrehen, die gerade draußen an dem Café vorbeigehen. Und Leon wünscht sich nichts sehnlicher, als jetzt an einem anderen Ort zu sein – egal wo, Hauptsache woanders.

10:46 Uhr

Vor dem Fahrstuhl im EG – »So einfach kommt man da nicht hin!«