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Deutschland 1930Nach dem Ausbruch der Neopest ist das Deutsche Reich in zahlreiche Kleinstaaten und Fürstentümer zerfallen, die sich aus Furcht vor einem neuen Ausbruch der Seuche hermetisch voneinander abschotten. Der Zugang zum restlichen Europa ist ihnen verwehrt.Tödliche Krupp-Kampfroboter bewachen die Grenzen, Zeppeline kreuzen am Himmel.Das Bergische Land, nun New Montana, ist zum 49. Bundesstaat der USA geworden.In Westfalen hat sich die Rote Ruhrrepublik etabliert.Der Terrorist Adolf Hitler und seine Werwolf-Organisation streben im Untergrund nach der Macht.Harry Ullstein, Leutnant a. D., nun Privatdetektiv in Berlin, sucht die unter mysteriösen Umständen verschwundene Tochter des Hellsehers Hanussen. Dabei gerät er bald in ein Gewirr aus politischen Intrigen und Machenschaften. Werwölfe und Geheimgesellschaften bekämpfen sich bis aufs Blut bei dem Versuch, das zersplitterte, von fremden Mächten kontrollierte Reich wieder zu einen. Seine Gegenspieler: geheimnisvolle Figuren, die im Trüben fischen.Er begegnet dem Führer, an dessen Echtheit er jedoch zweifelt. Und er kreuzt den Weg der charismatischen Alexandra von Xanten, deren widersprüchliche Schachzüge nie verraten, auf wessen Seite sie wirklich steht.In New Montana, wo ihm der schriftstellernde Deputy Sheriff Hanns Heinz Ewers und der Verleger Hugo Gernsbacher zur Seite stehen, hört Ullstein erstmals Gerüchte über ein die Neopest neutralisierendes Immunserum und erfährt, dass die Seuche von finsteren Kreisen ausgelöst wurde, um das Reich zu dem zu machen, was es nun ist – zersplittert und machtlos.Die Printausgabe des Buches umfasst 200 gedruckte Seiten
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In dieser Reihe bisher erschienen
3101 Ronald M. Hahn In der Todeszone
3102 Arno Thewlis Tödliche Grenzwelt
3103 Arno Thewlis Operation Lazarus
Ronald M. Hahn
In der Todeszone
Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Ernst Wurdack / Ysbrand Cosijn / elisanthUmschlaggestaltung: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-266-0Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!
So tief man die Messlatte des Verstandes
auch legt, es gibt immer jemanden,
der bequem drunter herlaufen kann.
Harry Ullstein
Ich habe eiserne Prinzipien.
Wenn sie Ihnen nicht gefallen,
habe ich auch noch andere.
Groucho Marx
Der Regen prasselte so laut gegen die Scheibe, dass Harry Ullstein, der an seinem alten Schreibtisch saß, Mühe hatte, sich auf die B.Z. am Mittag zu konzentrieren. Die wichtigste Nachricht des Tages betraf den Tod des Schriftstellers Arthur Conan Doyle, der den Meisterdetektiv Sherlock Holmes ersonnen hatte. Und Marlene Dietrich war mit Gary Cooper in Elberfeld, der Hauptstadt des neuen amerikanischen Bundesstaates New Montana, eingetroffen, um für ihren aktuellen Hollywoodfilm Marokko Reklame zu machen. Bei einem Eisenbahnraub im Oldenburger Land waren ein Anarchosyndikalist und vier ihn beschattende Polizisten ums Leben gekommen. Zu dem Raub hatten sich die Terroristen der Organisation Werwolf bekannt. Deren Anführer hieß Adolf Hitler und wurde seit 1923 gesucht. Die eher unwichtigen Meldungen lauteten: Filmschauspielerin Anny Ondra war in einem Hamburger Restaurant mit dem Boxweltmeister Max Schmeling gesehen worden. Der exzentrische Flugzeugbauer Gottlob Espenlaub kündigte für 1931 einen Senkrechtstarter an, und in Rüdesheim am Rhein war die Witwe des 1925 von der Neopest dahingerafften Schauspielers Max Schreck vom Beiwagen eines Triumph-Motorrades erfasst und zu Tode geschleift worden. Hätte die B.Z. nicht erwähnt, dass Max Schreck die Rolle des Vampirs Nosferatu im gleichnamigen Film gespielt hatte, wäre der Mann Ullstein so unbekannt geblieben wie seine nun tote Witwe.
Als Student hatte Ullstein viel Zeit in den Berliner Kinematografenhäusern verbracht, doch nach dem Krieg hatten sich seine Interessen auf Dinge beschränken müssen, die dazu beitrugen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Nach der Entlassung aus der Reichswehr hatte er sich, wie viele andere, neu orientiert und war in eine Branche gewechselt, die ihn schon als Knabe gereizt hatte. Daher prangte an der Tür seines Büros in einer Straße, die Alt-Moabit hieß, ein Messingschild, auf dem Harry Ullstein, Ermittlungen stand.
Seit fünf Jahren verdiente er sich Schrippen, Kippen und Korn mit der Beschattung untreuer Ehemänner und Ehefrauen. Hin und wieder machte er auch Personen ausfindig, die Ehrabschneidendes von Angehörigen der Oberen Zehntausend wussten und nur gegen Zahlung von Geldsummen bereit waren, es für sich zu behalten. Manchmal musste er dann rabiat werden, denn gewissen Kreisen kam man halt nur mit der Sprache bei, die man in der Unterwelt verstand. Obwohl Ullstein selbst relativ aus gebildeten Kreisen kam und eine ausgezeichnete Erziehung genossen hatte, fiel es ihm nicht schwer, sich in anderen Strukturen zu bewegen. Als Kriegsteilnehmer konnte ihn nichts mehr schrecken. Er hatte mehr als einem Feind ins Auge geschaut und mehr als einem Großmaul die Fresse poliert.
Hin und wieder wurde er auch tätig, um belastendes Material über die Konkurrenten seiner Klienten aufzuspüren. Natürlich ist manches von dem, was ich tue, in höchstem Maße unmoralisch, dachte er. Sein Blick fiel aus dem Fenster. Aber einer muss die Drecksarbeit halt machen. Wenn ich sie nicht mache, dann macht es halt ein anderer. Seine Rechtfertigung gefiel ihm. Dashiell Hammett hatte sie in einer Erzählung einem unrasierten Halunken in den Mund gelegt.
Der Himmel war grau. Es regnete seit Stunden ohne Unterlass. Die Straße vor seinem Fenster war menschenleer. Obwohl er nicht über Auftragsmangel klagen konnte und genug verdiente, um sich dann und wann in Kreisen lasziver Frauen zu vergnügen, hätte er nichts dagegen gehabt, wenn sein Beruf etwas abenteuerlicher ausgefallen wäre. Manchmal, wenn das Wetter so grässlich war wie heute, malte sich Ullstein aus, ein dunkel gekleideter Herr des Preußischen Geheimdienstes klopfe an seine Tür und bäte ihn, für König und Vaterland einen Auftrag zu übernehmen, der ihn über Länder und Grenzen hinweg in andere Gefilde bringen würde. In die Karibik vielleicht, wo gerade jemand eine schweinische Verschwörung gegen sein Land anzettelte. Dass ihm eine Chance geboten wurde, in die Zentrale dieser Kreise einzudringen, um ihren Masterplan zu verbrennen, die Kreise selbst mit seiner Remington in einem unterirdischen Konferenzsaal über den Haufen zu schießen und am Ende mitsamt der hübschen Bürokraft des Oberverschwörers in einem Doppeldecker nach Florida zu entkommen, wo preußische Agenten ihn in Empfang nahmen und der örtliche Gesandte ihm im Namen Seiner Majestät einen Orden verlieh. Woraufhin er mit der hübschen Bürokraft in der luxuriösesten Suite des Miami Hilton entschwand, um sich drei Tage und Nächte nackt mit ihr auf einem riesigen Bett zu wälzen.
Doch die Chancen standen schlecht, dass ein solcher Auftrag ihn in absehbarer Zeit erreichte. Die politische Lage war leider so, dass Preußen nicht nur von der Welt, sondern auch von den Weltnachrichten abgeschnitten war: Seit dem Zerfall der sogenannten Weimarer Republik, den man dem seither spurlos verschwundenen Putschisten Hitler anlastete, waren die Außengrenzen des ehemaligen Reiches so dicht, dass keine Maus hindurchschlüpfen konnte. Die Telefonleitungen hatten irre Ausländer aus Angst, sie könnten die Neopest auf den Rest Europas übertragen, mehrheitlich zerhackt. Wenn die deutsche Presse heutzutage überhaupt noch etwas erfuhr, dann nur wie im 19. Jahrhundert, mit Hilfe von Brieftauben und der Post.
Man ging davon aus, dass die deutschen Länder angesichts ihrer prekären gesundheitspolitischen Situation noch Jahrzehnte in dieser Isolation verharren würden. Obwohl das letzte Neopestopfer bereits 1927 den finalen Schnaufer getan hatte, wollte Europa den Deutschen noch keine Freizügigkeit zugestehen. Zu groß war die Angst, der Virus könne in dem einen oder anderen Hunnen noch aktiv und darauf aus sein, die Welt zu vergiften. Es gab auch Nachbarn, die ihre Freude nicht verhehlten, dass die Musterknaben Europas sich endlich mal selbst ins Knie geschossen hatten.
Trotz der zehn Millionen Opfer, die das Reich auch politisch und geografisch in vorbismarcksche Zeiten zurückgeworfen hatten, wollte der Rest der Welt allerdings nicht auf die Qualitätsprodukte der deutschen Industrie verzichten. Man bemühte sich, die hermetisch abgeriegelten deutschen Länder zumindest mit allem zu versorgen, was sie brauchten, um bei Laune zu bleiben und ihre Industrie am Laufen zu halten.
Raus lassen sie uns nicht, dachte Ullstein frustriert und öffnete sein Zigarettenetui, in dem zwölf mit feinstem Virginia-Tabak gefüllte Stäbchen sauber nebeneinander aufgereiht waren. Aber dass sie in mancherlei Hinsicht nicht auf uns verzichten können, ist schon mal ein erfreulicher Gedanke.
Eine quäkende Hupe riss ihn aus seinen Gedanken. Ein erneuter Blick aus dem Fenster zeigte ihm, dass unter ihm auf der regennassen Straße ein schwarzer Mercedes-Benz 770 K angehalten hatte. Ein uniformierter und bemützter Chauffeur schob den Kopf aus dem Seitenfenster und rief drei lumpig gekleideten Gören etwas zu. Sie streckten ihm rotzfrech die Zunge heraus und liefen lachend nach Süden davon.
Der Fernsprecher klingelte. Ullstein legte die B.Z. beiseite, begutachtete den schwarzen Hörer auf der Gabel und fragte sich, ob er abnehmen sollte. Er hatte am Tag zuvor einen lukrativen Auftrag erledigt und befand sich nun in der Position, eine ruhige Kugel schieben zu dürfen. Doch der Tag war grau, das Wetter mies, von Sommer konnte keine Rede sein. Vielleicht war dies der Anruf, auf den er wartete. Möglicherweise der Herr vom Preußischen Geheimdienst, der ihn bat, etwas zu tun, was er selbst aus irgendwelchen bündnispolitischen Gründen heraus nicht tun durfte.
Träume. Schäume. Trallala.
Das Klingeln hörte nicht auf. Ullstein seufzte. Wenn er jetzt nicht abhob und sich später herausstellte, dass dies wirklich der Anruf gewesen war, der sein Leben von Grund auf geändert hätte, würde er es sich nie verzeihen. Trotzdem zählte er bis zehn, hob ab und meldete sich mit seinem üblichen Spruch. „Harry Ullstein, Ermittlungen aller Art.“
„Mein Name ist Hanussen.“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang heiser, irgendwie österreichisch und leicht nervös. „Ich brauche Ihre Hilfe, Herr Ullstein.“
„Was?“ Ullstein runzelte die Stirn. Er nahm den Hörer vom Ohr und musterte ihn, als könne er seinen Gesprächspartner so am anderen Ende der Leitung erblicken.
„Sind Sie noch dran?“, hörte er den Anrufer aus der Ferne sagen.
„Ähm ... ja.“ Ullstein drückte den Hörer wieder ans Ohr. Wollte ihn jemand veräppeln? Oder war es nur eine Namensgleichheit? Der Name Hanussen war in Berlin jedem Kind geläufig. „Sind Sie der Hanussen?“, fragte er vorsichtig.
Hanussen lachte. „Ja, bin ich.“ Dann hüstelte er kurz. „Gleich wird’s bei Ihnen klingeln.“
Er hatte den Satz kaum beendet, als es tatsächlich klingelte. Ullstein hätte Hanussen gern gefragt, woher sein Wissen stammte, doch der Mann war ja Hellseher. Dies war vermutlich ein Beweis seiner Fähigkeiten.
„Stimmt.“
„Es ist Dvořák, mein Chauffeur. Ich habe ihn geschickt, damit er Sie zu mir bringt, Herr Ullstein. Sie brauchen ihn nicht ins Haus zu lassen. Er ist instruiert, zehn Minuten auf Sie zu warten.“ Hanussen räusperte sich. „Ich glaube, das genügt, um Sie zu überreden, für mich tätig zu werden.“
Ullstein, der keine Ahnung hatte, was in dem Anrufer vorging, nickte vor sich hin. Er entnahm der Dose eine Zigarette und klemmte sie zwischen die Zähne. Natürlich war mal wieder kein Streichholz zu finden, wenn man eins brauchte. „Wer hat mich Ihnen empfohlen?“, fragte er, um Zeit zu schinden.
„Ein Herr der Gesellschaft“, erwiderte Hanussen. „Ich weiß nicht, ob es ihm recht ist, wenn ich seinen Namen nenne. Er ist, wie man der Presse entnehmen kann, momentan in Schwierigkeiten. Wir haben mal miteinander gepokert. Seine Freunde nennen ihn Waldi. Er meinte, wenn ich je einen guten Ermittler bräuchte, wären Sie der richtige Mann.“
Ullstein wusste, wen Hanussen meinte. War Waldi in Schwierigkeiten? Sein erster Impuls war, nach ihm zu fragen. Doch er unterließ es. Hanussen musste wissen, warum er sich zugeknöpft gab. Als Fähnriche hatten Waldi und Ullstein so manches Ding gedreht. „Er war mir ein guter Kamerad.“ Ullstein fand die Streichholzschachtel in der rechten Jackentasche, klemmte den Hörer zwischen Kinn und Schulter und zündete die Zigarette an. „Aber warum glauben Sie, Sie müssten mich zu etwas überreden, Herr Hanussen?“
Hanussen schwieg eine Weile. Ullstein hörte ihn schlucken und atmen. „Ich möchte am Fernsprecher nicht darüber reden“, kam irgendwann seine Antwort. „Ich will Ihnen aber sagen, dass der Auftrag, den ich Ihnen erteilen möchte, Ihnen so viel einbringt, dass Sie anschließend zwei Jahre nichts mehr zu tun brauchen.“
Ullstein spitzte die Lippen. „Klingt interessant.“ Zwei Jahreseinkommen waren eine Menge Holz. Hanussen war reich, das wusste jeder in Berlin. Was würde er verlangen? Dass er jemanden umlegte, der wusste, mit welch schäbigen Tricks er arbeitete?
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag“, fuhr Hanussen fort. „Sie begeben sich aus dem Haus. Dvořák wird Ihnen in einem Satz verdeutlichen, wo das Risiko für Sie liegt. Wenn Sie den Auftrag ablehnen, ist der Fall erledigt. Dann fährt er weg. Sollten Sie der Meinung sein, dass das Honorar das Risiko wert ist, steigen Sie in den Wagen ein, und Dvořák bringt Sie zu mir nach Hause. Was halten Sie davon?“
Ullstein stieß ein Rauchwölkchen aus. Die Sache klang geheimnisvoll. War dies vielleicht das Abenteuer, auf das er so lange gewartet hatte? „Einverstanden.“
„Gut.“ Hanussens Stimme klang, als nicke er. „Dann bis später.“ Er legte auf.
Ullstein tat es ihm gleich. Anschließend stand er auf und schaute aus dem Fenster. Vor dem Haus stand der schwarze Mercedes einsam im Regen. Herr Dvořák, trotz seines slawischen Namens ein eher nordischer Typ mit Pockennarben im Gesicht, saß am Steuer und paffte einen Zigarillo. Als er Ullstein am Fenster stehen sah, hob er grüßend eine Hand.
„Na, ihr seid ja alle ziemlich zuversichtlich“, murmelte Ullstein vor sich hin. Er drückte seine Kippe in einem Messingaschenbecher aus, kleidete sich in Hut und Trenchcoat und ging hinunter.
Als er aus der Haustür kam, sprang Dvořák mit einem Schirm aus dem Wagen und spannte ihn auf. „Herr Ullstein?“
Ullstein blieb nickend im Hauseingang stehen. Dvořák öffnete den Fond des Wagens. Da Ullstein keine Anstalten machte einzusteigen, runzelte der Chauffeur die Stirn. Dann fiel ihm wohl etwas ein. Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn.
„Sie sollen mir was sagen“, sagte Ullstein.
„Ich hatte es vergessen.“ Dvořák nickte. „Verzeihung.“ Er deutete auf die Straße, dorthin, wo die Gören gestanden hatten. „Da waren Schulschwänzer auf der Straße. Die haben mich abgelenkt und etwas durcheinandergebracht.“ Er räusperte sich. „Herr Hanussen hat mir aufgetragen, Ihnen Folgendes zu sagen. Sie müssen Grenzen überqueren.“
Ullstein runzelte die Stirn. „Was muss ich?“
Dvořák zuckte die Achseln. „Mehr weiß ich leider auch nicht.“ Er deutete auf den Fond des Wagens. „Bitte sehr.“
Das Überqueren von Grenzen war nicht einfach. Seit der Neuetablierung der alten Königreiche und Fürstentümer waren sie in der Regel tödlich. Die Monarchien waren hermetisch voneinander abgeriegelt. Nicht mal das bolschewistische Gewürm, das im Ruhrgebiet ein Arbeiterparadies gegründet hatte, ließ Fremde ohne Weiteres in seinen Machtbereich hinein. Die Furcht vor neuen Pestausbrüchen war so groß, dass Grenzübertritte ohne gewichtiges Motiv grundsätzlich nicht möglich waren. Wer einen illegalen Versuch machte, eine innerdeutsche Grenze zu überschreiten, musste damit rechnen, von Autonomen kybernetischen Organismen in Fetzen geschossen zu werden. Wer es wagte, in östliche, westliche und südliche Fremdländer vorzudringen, musste zunächst einen fünfzig Kilometer breiten entvölkerten Korridor überwinden, in dem das Nachbarmilitär darauf wartete, dass er ihm vor die Flinte kam. Andererseits war eine Grenzüberschreitung genau das, was einen beruflich unterforderten Ex-Offizier lockte: Die Beschattung einer untreuen Ehefrau war angesichts solcher Prämissen eher unwahrscheinlich. Harry Ullstein witterte eine Verschwörung von riesigen, wenn nicht gar kosmischen Ausmaßen. Hören wir uns den Rest der Geschichte an, dachte er und stieg in den Wagen ein. Nein sagen kann ich ja immer noch.
Dvořák fuhr durch das im Bürgerkrieg weitgehend intakt gebliebene Berlin, die Hauptstadt des nun von Joachim I. regierten Königreichs Preußen. Dem von Hitler mit weiteren wutschnaubenden Umstürzlern inszenierten Putsch hatten sich paramilitärische Verbände, Scharen von Unzufriedenen und Offiziersschülern sowie komplette militärische Einheiten angeschlossen. Der durch das Reich gegangene Ruck war am Anfang so erfolgreich gewesen, dass das Land Preußen sein Militär nach Süden in Marsch hatte setzen lassen. Sechs Monate lang hatten sich Putschisten und Regierungstruppen wie die Kesselflicker geschlagen. Es war den Regierungstruppen jedoch nicht gelungen, den Aufstand niederzuknüppeln: Berliner Rotfrontkämpfer hatten das Chaos genutzt, um ebenfalls nach der Macht zu greifen. Während die preußischen Heere sich im Süden mit Putschisten schlugen, war die Hauptstadt den Roten Horden hilflos ausgeliefert gewesen. Mehr als eine bayerische Stadt war in Feuersbrünsten und Bombenterror untergegangen. Thälmanns Hauptstadtgenossen hatten den Reichstag besetzt und auf alles geschossen, was sie hatte von dort vertreiben wollen.
Dann war die braune Konkurrenz der KPD ebenfalls aufgestanden. Beide Organisationen hatten sich bis zum Ausbruch der Pest gewürgt und geschlagen. Von Nürnberg aus hatte sich die Seuche ausgebreitet und dem Hauen und Stechen nach und nach ein Ende bereitet. Die Wissenschaft wusste auch heute noch nichts über den Ursprung der Krankheit. Noch immer machten schauerliche Gerüchte die Runde. Einmal hatte Ullstein gehört, der berühmte Dr. Albert Schweitzer, eins der ersten Seuchenopfer, sei im Dschungel von Französisch-Äquatorialafrika von einem Pavian gebissen worden und hätte das Virus nach Nürnberg mitgebracht. Andere Kreise vermuteten, dass ein Tückebold im Dienst des französischen Erbfeindes den braven Mann in Lambaréné mit dem Virus infiziert hatte, um seine Eignung als Waffe zu testen.
Die Pest hatte den Bürgerkrieg rasch beendet. Die nach Berlin zurückkehrenden Streitkräfte mussten nur noch den Müll beseitigen. Die überlebenden Roten waren mit Sack und Pack ins Ruhrgebiet emigriert, wo andere Günstlinge Thälmanns die Sozialdemokraten mit selbstgebastelten Bomben auf null reduziert und begonnen hatten, das Vermögen der Schlotbarone umzuverteilen. Die Gründung der Roten Republik hatte Bataillone von Sitzenbleibern, Lehrabbrechern und ewigen Studenten an die Ruhr gelockt. Ob sie dort ihr Glück gefunden hatten, wusste die preußische Presse noch nicht. Dass man seit geraumer Zeit keine Nachrichten mehr aus der Roten Republik bekam, hatte vielleicht damit zu tun, dass die Umverteilung noch im vollen Gange war. Dass Preußen dem roten Spuk auf seinem Grund und Boden nicht längst ein Ende bereitet hatte, lag an den Verhältnissen: Viele Millionen Menschen, auch beim Militär, waren an der Pest gestorben und konnten nicht so einfach ersetzt werden. Zudem brauchte man heutzutage jeden Mann, um die Wirtschaft wieder dorthin zu bringen, wo sie vor dem Bürgerkrieg gewesen war.
Das Haus, vor dem Dvořák anhielt, lag hinter einer drei Meter hohen Mauer in einem verwilderten Park. Das schmiedeeiserne Tor, das sie durchfuhren, wurde von zwei Männern mit eisiger Miene bewacht. Nicht nur das Wetter war schlecht, die Zeiten waren es auch. Die Menschen waren argwöhnisch, die Lage unsicher. In Berlin trieb sich viel Gesindel herum, das der Bürgerkrieg entwurzelt hatte. Nicht alle Umstürzler konnte man entlarven. Momentan hätte Ullstein seine Hand kaum für jemanden ins Feuer gelegt. Um der Sicherheit willen plante man im Rathaus ein Festungsviertel für die Betuchten.
„Wir sind da.“ Dvořák schaltete den Motor aus.
Ein seriös gekleideter junger Mann mit der Miene eines Privatsekretärs kam mit einem Schirm aus dem Haus. Ullstein stieg aus und nannte seinen Namen. Der junge Mann murmelte den seinen. Ullstein verstand ihn nicht. Er winkte dem Chauffeur zu und ließ sich von dem Mann mit dem Schirm in die Villa bringen. Sie war drei Stockwerke hoch und mit zahlreichen Fenstern versehen, hinter denen sich niemand zeigte.
Ullstein wurde in einen großen Raum geführt, dessen Wände voller Regale waren. Sie reichten bis an die Decke und waren vollgestopft mit Büchern und Zeitschriften. Dicke Teppiche und Ledermöbel nahmen den Raum ein. Auf dem Kamin, der nicht in Betrieb war, standen exotische Flaschen.
Der Hausherr, Ullstein kannte Hanussen aus der Zeitung, erhob sich hinter einem riesigen Schreibtisch. Er war etwa vierzig Jahre alt und trug ein Monokel. Sein Haar war in der Mitte gescheitelt und glatt nach hinten gekämmt. Sein Hausmantel wirkte teurer als alles, was in Ullsteins Schrank hing.
„Guten Tag, Herr Ullstein. Freut mich sehr, dass Sie gekommen sind.“ Hanussens Händedruck war fest und trocken. Er nickte dem jungen Mann zu. „Danke, Johannes.“
Johannes erwiderte das Nicken, zog sich stumm zurück und machte die Tür von außen zu.
„Setzen wir uns.“ Hanussen schritt zur Sitzgruppe am Kamin.
Ullstein folgte ihm. Als er Platz genommen hatte, zückte er seine Zigarettendose. „Sie gestatten doch?“
„Aber sicher.“ Hanussen gab ihm Feuer. Er schaute Ullstein beim Inhalieren zu, und der begutachtete die dicken goldenen Ringe, die der berühmte Mann an den Händen trug. Er fragte sich, woher der Kerl wusste, wie viel er in zwei Jahren verdiente. Hellseherei? Ein Schmunzeln wollte sich auf seine Züge legen, doch er unterdrückte es in letzter Sekunde. Er kennt vielleicht jemanden beim Finanzamt.
„Da Sie gekommen sind“, Hanussen beugte sich vor, „kann ich wohl davon ausgehen, dass ein illegaler Grenzübertritt Sie nicht schreckt?“
Ullstein suchte nach Worten. Bevor er etwas sagen konnte, ging die Tür auf. Ein blondes Fräulein in einem engen grauen Kostüm trat ein. Es stellte ein Tablett mit Kaffee vor ihnen ab und verschwand so wortlos, wie es gekommen war.
„Bedienen Sie sich.“ Hanussen deutete auf das Tablett.
„Danke, später.“ Ullstein schaute ihn an. „Illegale Grenzüberquerungen sind meine Spezialität“, flunkerte er. „Sie haben aber einen hohen Preis.“ Er zwinkerte Hanussen zu. „Wie Sie wissen, werden unsere Grenzen nicht nur von Schießhunden bewacht. Aber wer Kontakte zu gewissen Kreisen hat, findet vielleicht Wege, die der normale Mensch nicht findet.“ Er räusperte sich. „Ich schlage vor, wir kommen zur Sache.“
Hanussen nickte. „Gut. Das kommt meinen Plänen für den heutigen Tag sehr entgegen.“ Er schaute auf seine Armbanduhr, die so wertvoll war wie alles in seinem großen Haus. „Es geht um meine Tochter.“ Er schaute zu Boden. „Sie ist neunzehn und treibt sich zu meinem Missvergnügen in ziemlich fragwürdigen Kreisen herum.“
Er wirkte verlegen. Ullstein empfand Verständnis für ihn. Er selbst hatte sich, bevor er zu Sinnen gekommen war, mit Musikern, Dichtern, Schauspielern, Zockern, Huren und Ladenschwengeln herumgetrieben, Nachtlokale unsicher gemacht, sich mit Proleten gerauft und Mädchen aufgerissen, mit denen er am Tag keine Straße überquert hätte. Seiner Meinung nach musste ein junger Mensch hin und wieder über die Stränge schlagen. Er musste seine Grenzen freilich auch kennen und dafür sorgen, dass kein Schatten seines Tuns auf sein Elternhaus fiel.
„Sie ist vor zwei Monaten verschwunden. Aus dem Prinz-Albert-Internat in Weißensee. Gleich nach der Abiturfeier.“
Ullstein hob fragend die Brauen. „Haben Sie die Polizei benachrichtigt?“
Hanussen nickte. „Natürlich.“ Er setzte ein spöttisches Lächeln auf. „Leider ist Marie nicht das einzige Mädchen dieses Alters, das seinem Elternhaus irgendwann Adieu sagt.“ Er zuckte die Achseln. „Die Polizei hat bisher keine Spur von ihr gefunden.“
„Befürchten Sie, dass ihr etwas passiert ist?“
„Meinen Sie, ob ich glaube, dass sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist?“ Hanussen schüttelte den Kopf. „Nein, sicher nicht. Sie ist mutwillig verschwunden. Sie hat ihrer Mutter einen Zettel hinterlassen. Auf ihm steht, was sie von ihr hält und dass sie, ich zitiere: … die Schnauze voll hat, immer gegängelt zu werden und sich vorschreiben zu lassen, mit wem sie ausgeht und wann sie zu Hause zu sein hat.“
Ullstein hätte gern gegrinst, aber er riss sich zusammen. Die Suche nach einer halbwüchsigen Tochter, die es leid war, sich Mama und Papa unterordnen zu müssen, war nun nicht gerade der Auftrag, um den er sich riss. Aber da war ja noch die Sache mit dem Überqueren von Grenzen. Und natürlich das viele Geld.
„Dorothee, Maries Tante, hat sie in einem Café in Arolsen gesehen. Sie saß dort mit einem amerikanischen Journalisten, der sich als Swift vorstellte.“
„Arolsen?“ Ullstein schaute auf. „Wo ist das?“
„Arolsen ist die Hauptstadt des Fürstentums Waldeck“, antwortete Hanussen.
„Waldeck?“ Ullstein runzelte die Brauen. „Wie, um alles in der Welt, ist sie dort hingekommen?“ Das Fürstentum lag ja nicht gleich um die Ecke. Es befand sich, wenn er sich nicht irrte, mitten in Preußen. Hatte Marie dazu eine Grenze überqueren müssen? Wie hatte sie das gemacht? Kassel war nicht fern von diesem Fürstentum. Er war schon mal in Kassel gewesen. „Hatte der Amerikaner da seine Hand im Spiel?“
„Keine Ahnung.“ Hanussen zuckte die Achseln. „Der Mann ist mir nicht bekannt.“
Für einen Hellseher, fand Ullstein, wusste Hanussen reichlich wenig. „Wie haben Sie überhaupt erfahren, dass Ihre Tochter sich in diesem Fürstentum aufhält? Was hat Marie ihrer Tante erzählt?“
„Sie hat gesagt, Sie macht ein Praktikum bei der Zeitung, für die dieser Swift arbeitet. Die Zeitung heißt San Francisco Chronicle.“ Hanussens Aussprache des englischen Titels war unter aller Sau, aber für einen Mann mit Bildung und Sprachkompetenz noch verständlich. „Als Dorothee rausging, um sich das Näschen zu pudern, waren die beiden weg. Dorothee hat mir dann einen Brief geschrieben, der mich über die Diplomatenpost eines Freundes erreicht hat. Dorothee ist als Bibliothekarin im Schloss des Fürsten tätig und verfügt wohl über Mittel, die unsereiner nicht hat.“
„Wie unhöflich, dass Ihre Tochter Tante Dorothee einfach so hat sitzen lassen.“
„Für Marie ist es eher typisch.“ Hanussen seufzte.
„Gibt es einen Swift beim San Francisco Chronicle?“, fragte Ullstein.
„Ich weiß es nicht.“ Hanussen räusperte sich. „Ich kenne niemanden, den ich fragen könnte.“ Er zupfte an seinem rechten Ohrläppchen. „Und die Überseeverbindungen sind ja auch nicht mehr das, was sie mal waren.“ Er begutachtete nachdenklich seine manikürten Fingernägel. „Ich frage mich, wer eigentlich etwas davon hat, dass man uns vom Rest der Welt isoliert.“
Das wüsste ich auch gern, dachte Ullstein. Außerdem wüsste ich gern, ob das Gerücht stimmt, dass die Pest bewusst bei uns verbreitet wurde, um unser Land klein und kaputt zu machen. Er schüttelte sich. „Wenn ein minderjähriges Mädchen sich problemlos in Preußen herumtreiben kann, muss es sehr gute Beziehungen haben“, sagte er. „Doch seit dieser amerikanische Bundesstaat auf deutschem Boden existiert ... Ein amerikanischer Journalist könnte vielleicht solche Beziehungen haben.“ Ullstein saugte sinnierend an seiner Kippe und warf einen Blick aus dem Fenster. Am grauen Himmel zog der majestätische Leib eines Luftschiffes vorbei. Auf seiner silbernen Außenhaut stand: WÄHLT HINDENBURG!
Wie alt war der Mann? Hundert? Ullstein spürte, dass sich in seinem Inneren ein Kichern zusammenbraute. Da er in Gegenwart seines Kunden nicht wie ein Blödmann wirken wollte, erstickte er es im Keim. „Was, befürchten Sie, könnte Ihrer Tochter zustoßen?“
Der Hellseher wirkte nun trotz seiner hohen Gestalt wie ein armes Würstchen. Sein Gesicht war grau, das Haar schütter, und die Hände zitterten. „Ich weiß nicht, ob ihr etwas zustoßen könnte.“ Er schluckte. „Aber ich weiß, dass mir etwas zustößt, wenn ihr etwas zustößt.“ Seine Augen waren wässerig. „Ihre Mutter hat Einfluss. Niemand weiß, welche Hebel sie bewegen kann.“ Er stand auf, ging zu seinem Schreibtisch und kehrte mit einem Foto zurück, das er vor Ullstein auf den Tisch legte. „Das ist sie. Marie.“
Marie war auf dem Foto ungefähr fünfzehn Jahre alt. Wie süß. Sie sah aus wie Käthe von Nagy. „Haben Sie kein aktuelleres Foto?“ Ullstein runzelte die Stirn. „Mädchen zwischen fünfzehn und neunzehn können sich ganz schön verändern.“
„Leider nein.“ Hanussen schüttelte den Kopf. „Sie ist nicht bei mir aufgewachsen. Sie war praktisch immer im Internat. Bei mir war sie nur in den Ferien zu Besuch. Auf ihrer Abiturfeier sind wir uns zuletzt begegnet.“ Er räusperte sich. „Maries Mutter konnte aus gewissen Gründen leider nicht daran teilnehmen.“ Er schaute Ullstein an. „Deswegen ist der Schwarze Peter ja auch bei mir gelandet. Da ich zuletzt ihre Aufsicht hatte, bin ich natürlich auch an ihrem Verschwinden schuld.“ Er knirschte mit den Zähnen. „Hätte ich es verhindern wollen, hätte ich ihr auf die Damentoilette folgen müssen, und das war ja kaum möglich. Maries Mutter interessiert dies jedoch einen feuchten Kehricht.“ Hanussen warf die Arme in die Luft. Er wirkte verzweifelt. „Wie man festgestellt hat, ist Marie durchs Fenster hinaus.“ Er schüttelte den Kopf. „Vermutlich hat Swift hinter der Mauer im Dunkeln auf sie gewartet. In einem Auto, vermute ich. Amerikanische Journalisten haben ja wohl kein Problem, an Sprit heranzukommen.“
Ullstein nickte. Die Benzinversorgung war in der Tat eine Katastrophe. „Was, glauben Sie, hat Marie konkret bewogen, sich davonzumachen? Das, was auf dem Zettel stand?“ Er zuckte die Achseln. „Ein wohlhabendes Elternhaus gibt man doch wegen solcher Kinkerlitzchen nicht auf. Gab es ernstere Probleme zwischen Marie und ihrer Mutter?“ Mädchen in diesem Alter, das wusste er, konnten ganz schön renitent werden.
Hanussen zuckte die Achseln. „Ich muss Ihnen offen sagen, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, wie das Verhältnis zwischen den beiden war. Ich weiß allerdings, dass Marie einen ständigen Kampf gegen ihre Schule führte. Sie war aufsässig, konnte sich an keine Regeln halten und hat jede Gelegenheit genutzt, den Lehrern zu verdeutlichen, dass sie nur dumme Amöben und Kakerlaken sind.“ Er breitete verlegen die Arme aus. „Sie war zwar faul, aber intelligent. Sie hat nie für ein Fach gepaukt. Ihr ist alles nur so zugeflogen. Und natürlich war sie rotzfrech.“
Die junge Dame wurde Ullstein langsam sympathisch. „Ich muss noch mal auf Maries Mutter zurückkommen“, sagte er. „Besteht die Möglichkeit, dass ich mit ihr spreche?“
„Nein“, sagte Hanussen.
Ullstein musterte ihn. Hatte er richtig verstanden?
„Maries Mutter und ich waren nie verheiratet“, erklärte Hanussen. „Ihr jetziger Mann weiß nichts von der Existenz des Mädchens, und Marie glaubt, dass ihre Mutter tot ist.“ Er zupfte an seiner Nase. „Das klingt alles furchtbar, Herr Ullstein, ich weiß. Aber die Dinge sind so, wie sie sind, und wir können nichts daran ändern.“
„Warum legt Maries Mutter, die sich, wenn ich die Sache richtig verstehe, bisher einen feuchten Kehricht für das Mädchen interessiert hat, so viel Wert darauf zu wissen, wo es sich herumtreibt?“
Hanussen schaute ins Nichts hinein.