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"[?] nicht nur hat Europa kein Geld für Krieg. Europa kann nicht Krieg und es hat in diesem Krieg nichts zu gewinnen! Es ist dafür strukturell, finanziell und militärisch nicht ausgelegt. Europa kann sich keinen Krieg leisten, wenn es als demokratische Einheit überleben soll. Anders formuliert: Europa hieß einmal #NieWiederKrieg! Europa kann nur Frieden. Allein die Rückbesinnung auf seine Geschichte kann Europa retten und seine Emanzipation befördern. Europa muss wieder Friedensmacht werden, muss aus dem Frieden wieder seine Kraft, seine Stärke und seine Identität ziehen. Das ist es, was Europa, eingeübt über Jahrhunderte in einem Gleichgewicht der Mächte, in eine multipolare, eurasische Welt des 21. Jahrhunderts einbringen müsste. Kurz: Europa ist gleichsam der Anti-Mackinder!" Ulrike Guérot betrachtet Mackinders Heartland-Theorie aus einem neuen Blickwinkel und ordnet diese in das aktuelle Zeitgeschehen ein. Inklusiv des kompletten Originaltexts von Sir Halford J. Mackinder.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Ebook Edition
Ulrike Guérot
über
Halford J. Mackinders
Heartland-Theorie
Der geografische Drehpunkt der Geschichte
Halford J. Mackinders Vortrag »The Geographical Pivot of History«, ursprünglich am 25. Januar 1904 vor der Geographical Society in London referiert, wurde erstmals in The Geographical Journal (London) im April 1904 veröffentlicht.
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ISBN 978-3-98791-095-1
1. Auflage 2024
© Westend Verlag GmbH, Waldstr. 12 a, 63263 Neu-Isenburg
Satz: Publikations Atelier, Weiterstadt
Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin
»À ceux et celles, qui,
plongés dans les tourments de l’Histoire,
ont pronocé ce mot ›Europe‹,
avec ardeur.«
»Denjenigen gewidmet, die,
eingetaucht in die Marter der Geschichte,
das Wort ›Europa‹ ausgesprochen haben,
mit Inbrunst.«
Laurent Gaudet
L’Europe. Une Banquet des Peuples, 2019
Cover
Eine Einordnung
Kleine Auswahl weiterführender Literatur
Der geographische Drehpunkt der Geschichte – Die Heartland-Theorie
Glossar
Cover
Inhaltsverzeichnis
»Das Hauptinteresse der USA, für das wir immer wieder Krieg geführt haben – im Ersten und Zweiten Weltkrieg und auch im Kalten Krieg – waren die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland. Weil vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann. Unser Hauptinteresse besteht darin, sicherzustellen, dass dieser Fall nicht eintritt.«
George Friedman
»Sobald Europa wieder erwacht, kehren Wahrheitsfragen in die große Politik zurück«,
Peter Sloterdijk
Fünf Jahre nach der letzten Ausgabe von 2019 bin ich vom Westend Verlag gebeten worden, eine Einordnung des Textes von Halford John Mackinder Heartland-Theory (»Herzlandtheorie«) zu verfassen, worüber ich mich sehr freue.
Auch wenn das jetzt manchen (männlichen) Leser nerven mag, aber ich muss zunächst mit einigen feministischen Bemerkungen zu diesem Text aufwarten. Bei erster Lektüre ist der Text für mich – als Frau – sperrig, langatmig und vor allem arrogant bzw. herablassend. Ich versuche also, um die Atmosphäre des Vortrags zu erhaschen, mich gedanklich wie Harry Potter durch den Kamin in den Saal zu bewegen, in dem der Vortrag damals in London gehalten wurde: wahrscheinlich getäfelt (ich war oft in London auf Konferenzen in altehrwürdigen Sälen oder Häusern), mit knarzendem Parkett, an den Wänden alte Porträts in Öl, die Perücken-bezopfte Lords zeigen, Lords von Berkshire, Buckinghamshire, Cambridgeshire usw., am Rand des Raums ein Chesterfield Sofa, in bordeauxrot oder tannengrün.
1904 dürften im Wesentlichen ältere, distinguierte, gelehrte oder gar adelige Männer dem Vortrag gelauscht haben. Ich glaube nicht, dass sich die ersten Suffragetten für Geografie und Geostrategie interessiert haben – geschweige denn, dass sie Einlass bekommen hätten.
In dieser männlichen Atmosphäre entsteht also eine Theorie zur Weltherrschaft, die im Kern darin besteht, das Herzland des eurasischen Kontinents – also jene Gebiete, in denen sich Europa, Russland, Indien und China berühren, im Westen beginnend mit der Krim über die russischen Steppenlandschaften nördlich von Kasan (jener Stadt, in der vor wenigen Tagen, Mitte Oktober 2024, der BRICS-Gipfel stattgefunden hat), vom Schwarzen Meer bis kurz vor Sibirien und hinunter bis nach Afghanistan – zu okkupieren und dem allein russischen (damals noch dem zaristischen, dann dem sowjetischen) Zugriff zu entziehen.
Eine Seemacht – Großbritannien – plant durch Zugriff, Okkupation und die Zerteilung der riesigen eurasischen Landmasse ihre eigene, weltweite Vormachtstellung, aufbauend auf der Theorie, dass diese ressourcenreiche Landmasse am weitesten von Küsten entfernt ist und sich deswegen unangefochten von »Seemächten« eine Weltherrschaft, eine »natürliche geografische Festung« (sic!), entwickeln könne, was verhindert werden müsse. »Viel spricht (…) dafür, dass die dem ›Herzland‹ zugeschriebene Rolle als Macht- Multiplikator lediglich ein Mythos ist, eine akademische Kopfgeburt, die einmal in die Welt gesetzt ein sonderbares Eigenleben führt, ohne wirklich jemals bewiesen worden zu sein.«1 Man könnte auch von Männerphantasien sprechen.2
Geostrategie ist ganz sicher eine männliche Leidenschaft. Als Frau, die jahrelang auf transatlantischen, internationalen Konferenzen gesessen und diskutiert hat und Mitglied im Verein »Women in International Security« gewesen ist, erlaube ich mir, das zu sagen. Übersehen werden in den oft erhitzten Diskussionen die weichen Faktoren, die für eine »Eroberung« notwendig sind: Landeskenntnisse, Traditionen, Ortskenntnis, z.B. von Partisanen oder Milizen, das Klima, der Geist der Gesetze nach Montesquieu… Die klügste geostrategische Theorie und die best-bewaffnete Armee kommen auf Dauer dagegen nicht an: Trotz milliardenschwerer militärischer und politischer Intervention sind es diese Dinge, die die USA bzw. den Westen nach zwanzig Jahren »Einmarsch« in Afghanistan haben scheitern lassen, obgleich die Mudjahedin barfuß laufen, nur Kalaschnikows haben und die von den USA gelieferten Stinger-Waffensysteme nicht bedienen können. Die Bilder vom überstürzten Abzug aus Kabul im August 2021 dürften einigen in Erinnerung sein.
Men are from mars, women are from venus, dieses Buch von John Gray von 1992 kennen sicherlich viele Leser. Wenn man einmal Atem holt und sich die Kernelemente der Mackinder-Theorie plastisch vorstellt, diese Rede in diesem Raum imaginiert, Halford Mackinder, ernst blickend und mit kleinem Schnauzbart, der in seinem Manuskript blättert, sich vielleicht räuspert und gewichtig tut, angesichts einer aberwitzigen Theorie, die vorzutragen er sich anschickt, dann kann man sich eigentlich nur an den Kopf fassen. Jedenfalls als Frau.
Auf den ganzen rund dreißig Seiten ist von Menschen, Städten, Dörfern, Leben, Karawanen, Mentalitäten, Identität, Kultur, Wirtschaften oder Agrikultur nicht die Rede. Es geht nur um Gebirgsketten, Flüsse, geografische Grenzen, Steppengebiete, Besiedelungsdichte, Mobilität und darum, welches Volk (»der Magyar« oder »der Bulgare«) gerade welche Landstriche durchreitet und besetzt. Die Geografie wird zum absoluten Prinzip erhoben. Ich habe mich bei der Lektüre gefragt, ob ich diesen Text, wenn ich hoffentlich 2025 an die Universität Bonn zurückkehren kann, meinen Studenten vorlegen sollte und wie sie reagieren würden. Das Bizarre ist, dass der Text ebenso antiquiert wie aktuell ist.