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Wenn man glaubt, JETZT ist alles rund und selbst das australische Rumpelstilzchen hat zu tun, kommt der Sachbearbeiter im Universum hundert pro auf die Idee, eine Ecke einzubauen. Aber ist es nicht genug, wenn plötzlich der Zyklus ausbleibt und ich Schnuller statt Schokolade spinnen muss? Wieso muss dann auch noch die größte Landschnepfe meiner Schulzeit ausgerechnet hier bei mir in Australien auftauchen? Und was hat mein Bruder William mit dieser Unterweltsbraut zu tun? Zu allem Übel mischt sich auch noch meine Mutter ein! Ich habe Nick gleich gesagt, Voodoo gegen meinen immer noch lästigen Ex-Ausrutscher Jonas McSchnauf&Schmatz ist KEINE gute Idee und sicherlich folgt darauf die Rechnung des Universums. Aber sind die wirklich so schnell da oben?
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Seitenzahl: 491
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Überraschung
Das bisschen Voodoo
Lady Darth Sidious im Schafspelz
Märchenstunde
Schreck hoch zwei
Rumpelstilzchen
Dem Prof sei Dank!
Flaschenpost
Aliens zu Besuch
Die Pläne einer Mutter
Nee, nä?
Schokolade und andere Überraschungen
Ungebetene Begleiter
Ich bin doch keine Lokomotive
Unterweltshochzeit
Die verpatzte Panne
Tat oder Wahrheit
Zurück in die Unterwelt
Neues und Verlorengegangenes
Pläne und die, die sie durchkreuzen
Manege frei
Wenn mich jemand fragt, ob ich noch immer mit Frederico Valentino zusammen bin, bin ich im ersten Moment selbst ganz sprachlos.
Dabei kann ich nicht einmal sagen, WAS ich dieses Mal besser gemacht habe, dass die Beziehung schon fast ein Jahr hält.
(Okay, wenn ich ehrlich bin, kann ich auch nicht sagen, was ich vorher FALSCH gemacht habe.
[Wer kann das schon?]
War mein Alltag als schnöde Wollverkäuferin zu trist für die Männer meiner Wahl?
War Hamburg das falsche Pflaster für mich?
Oder war ich zu sehr darauf erpicht, den RICHTIGEN zu treffen und habe mich den falschen Männern an den Hals geworfen?
Vielleicht lag mein Fall auch fälschlicherweise beim Sachbearbeiter im Universum in der Abteilung für kurzfristige Beziehungen?
[Es gibt ja Leute, die sind der festen Überzeugung, dass man sich über Generationen an falsche Seelenverträge binden kann. Wenn dem so ist, dann lautete meiner vermutlich noch bis vor einem Jahr: Weil Inquisitoren meine Vorfahren der Liebe wegen auf den Scheiterhaufen gebracht haben, habe ich keine langfristige Beziehung verdient.
Und aus diesem Grund hat keine meiner Freundschaften länger als ein paar Wochen gehalten.
[Hätte ich bloß schon früher von diesem Seelenvertrag gewusst, dann wäre mir eine Menge Ärger erspart geblieben!
{Wobei, wenn ich es recht überlege, ist es ganz gut so, dass ich es NICHT wusste, denn sonst hätte ich meinen
Herzkönig ja jetzt nicht an der Angel.}]
Und mit dem Loslassen von Jonas McGonogin, unserem benachbarten Schaffarmer mit leichtem Hang zum Stalking, habe ich diese Vertragsbindung auf wundersame Weise gelöst, denn seitdem bin ich mit Frederico zusammen und gemeinsam mit ihm habe ich meinen Rekord von fast einem Jahr auf die Beine gestellt.
Vielleicht waren auch einfach zu viele Außerirdische unter meinen Auserwählten und ich habe sie nur nicht erkannt.
[Ich schätze, DAS wird es gewesen sein!
ABER woran erkennt man sie, die Außerirdischen unter uns?
Glitzert ein Stückchen grüne Haut unter ihrer menschlichen Tarnung hervor?
Verstecken sie Hörner unter ihrem falschen Haarschopf? Haben sie in Wirklichkeit fünf Augen, nur sind diese als Piercings und Tattoos getarnt?
{OMG!!!
DANN hat der Osten Deutschlands ein ECHTES Problem, wo doch jeder zweite dort tätowiert und gepierct ist, vor allem, wenn man bedenkt, wie deren Hierarchie aufgebaut ist.
[Die mit den Totenköpfen und ganz fiesen Fratzen auf Schultern und Waden sind bestimmt die Bosse und alle anderen unterliegen deren Befehlen!]
WAHNSINN!
Wenn herauskommt, dass das alles getarnte Aliens sind, läuft die halbe Republik Amok.
Dann wird es in Ostdeutschland keine Abwanderung, sondern einen enormen Bevölkerungszuwachs geben, vor allem, was neugierige Wissenschaftler betrifft.
Alle werden ganz scharf darauf ein, mit einem Alien anzubändeln. Und diejenigen, die die Aliens scheuen, werden ihre Chancen nutzen: Sie gründen einfach eine Firma, die Artikel zum Schutz vor extraterrestrischem Leben anbietet und werden stinkreich, um schließlich an einen Ort fliehen zu können, an dem es noch ECHTE Menschen gibt.
[Gott, ich sollte ein Aufklärungsbuch über Außerirdische schreiben.
Das wäre ein Bestseller!]
Das Buch der Liebe ist ja für mich leider immer noch eines mit sieben Siegeln, aber vielleicht ist auch genau das die Krux: Man hat die nötige Weisheit erst mit entsprechend hohem Alter und wenn ich dann mit einhundertsieben Jahren meinen Rollator schiebe [JAAAH, ich habe die Rollatorenzeit um gut siebenundzwanzig Jahre nach hinten verschoben, denn ich habe angefangen, Sport zu treiben und lebe jetzt {abgesehen von Unmengen an Schokolade} ganz schrecklich gesund {ab und zu verirrt sich sogar mal ein Apfel auf meinen Speiseplan}], dann kann ich vielleicht rückblickend sagen, woran man die wahre Liebe erkennt.)
Normalerweise hören Geschichten exakt da auf, wo es spannend wird, und zwar genau dann, wenn sich zwei Menschen ENDLICH gefunden haben und der Leser darauf brennt zu erfahren, was NACH dem ersten Kuss passiert.
(Darum fällt mir das Lesen von einbändigen Komödien auch oft so schwer. Hinter der letzten Seite des Buches ist nur noch der Einband wie eine unüberwindbare Mauer, die jegliche Geheimnisse für sich behält und man kann das Buch drehen und wenden, es spuckt keine weiteren brisanten Details aus.
[Für diesen Fall sollten alle Autoren ein Buch mit Antworten zum Fragenkatalog bereithalten und bei üppiger Fülle den verzweifelten Lesern zugänglich machen!]
In den Büchern hat man sich GERADE an die Menschen gewöhnt, die die Geschichte so interessant und herzerwärmend machen und dann muss man sie gehen lassen, wobei man die ganze Zeit darüber nachgrübelt, was die Protagonisten wohl alles anstellen und wie es ihnen ergeht.
Hat der Alltag sie längst aufgefressen?
Versauen sie ihr Pärchendasein mit Pauken und Trompeten, weil die aufflackernden Flammen der Liebe erloschen sind und sie längst keine gemeinsamen Aktivitäten mehr haben?
Oder haben sie Nachwuchs bekommen, weil sie einfach nicht die Finger voneinander lassen konnten und im Eifer des Gefechts nicht aufgepasst haben und irgendwann schwindet das Interesse aneinander inmitten von Windelbergen und Pubertätspickeln ihrer Sprösslinge?
Oder sind sie gar von Außerirdischen entführt worden und müssen ihr Dasein nun als Sklaven in einer anderen Galaxie verbringen?
Mir fallen da eine Million Dinge ein.
Nun, was soll ich sagen?
MEINE Geschichte schreibt zum Glück das Leben und so gucke ich über den Einband hinaus in gespannter Erwartungshaltung, was das Universum als nächstes für mich in petto hat.
Und weil ich weder vom australischen Rumpelstilzchen, noch von sonst irgendeinem todbringenden Objekt der Unterwelt entführt worden bin, lebe ich noch immer frohen Herzens im Land meiner Urväter zusammen mit meinem Rekordhalter in einem Haus, für das Star Trek Fans vermutlich zum pathologischen Einzelhandel gehen und ihren rechten Arm eintauschen würden.
Kurzum: MEINE Geschichte ist NICHT stehengeblieben.
ICH bin NICHT stehengeblieben.
ICH war am richtigen Ort, zur richtigen Zeit.
Und mein Pärchendasein habe ich glücklicherweise auch noch NICHT vermasselt.
An exakt dieser Stelle klopfe ich mir auf die Schulter, so stolz bin ich auf mich.)
Und so sind wir auch schon wieder mittendrin in meinem Leben.
Gestern bin ich nach Adelaide gefahren, um dort in eine weit (GANZ weit) entfernte Apotheke zu fahren, in der mich unter Garantie NIEMAND kennt.
(Da ich mich nun schon seit einer halben Ewigkeit im Zyklus ›Immer-noch-glücklich-verliebt‹ befinde, hat sich mein biologischer Zyklus gedacht, eine Auszeit wäre genau das Richtige, um ein bisschen Schwung in Susannah Johnsons Leben zu bringen.
[Ich bin allerdings heilfroh, dass ich dieses Mal eine Zyklusverschiebung habe und KEINEN Ausrutscher als potentiellen Vater meines möglichen Sprösslings!]
Wahrscheinlich dachte sich der Sachbearbeiter im Universum, die Herzdame kann nicht einfach unbeschwert poppend mit ihrem Traummann in ihrem Raumschiff leben, ohne dass das irgendwelche Konsequenzen hat.
Mischen wir doch ihr Leben auf der Enterprise ein wenig auf.
[Okay, unser Haus sieht zwar aus wie ein Raumschiff und mittlerweile strömen sogar die Touristen zu unserem Kunstwerk, aber wir haben es trotzdem liebevoll ›Little Italy‹ genannt.
{Ich WEISS, Italien hat NICHT die Form eines Raumschiffes, sondern die eines SCHUHS beziehungsweise STIEFELS.
Aber Frederico hat so viel italienischen Charme in unserem Haus versprüht, dass ich irgendwann einmal im Scherz meinte, ich fühle mich nicht wie auf der Enterprise, sondern wie in Klein-Italien.}])
Heute arbeitet mein Herzkönig übrigens als Clown auf einem Kindergeburtstag.
(Ich wusste gar nicht, dass es sooo viele Kinder in Australien gibt.
Echt!
Frederico kann sich vor Aufträgen kaum retten.
[Und so etwas wie einen Zirkus gibt es hier auch nicht. Ist irgendwie nie über den großen Ozean geschwappt. Aber es scheint den Leuten zu gefallen.]
Vergessen ist der schnöde Schnöseljob in der Schnöselbank, der ihn zu Mr Unnahbar hatte mutieren lassen.
Im Grunde genommen sollte ich Jonas McGonogin dankbar sein, dass er dafür gesorgt hat, dass Frederico seinen Job als Bänker an den Nagel hängen musste.
[Natürlich würde ich das Jonas NIE sagen, sonst kriegt der noch Oberwasser für den Mist, den er verzapft hat.])
Ich rechne also frühestens in einer Stunde mit Frederico.
Jetzt ist es 19.00 Uhr.
Der Test soll (angeblich) auch abends funktionieren.
Mit Herzklopfen schnappe ich mir einen Plastikbecher und bringe die Testflüssigkeit ängstlich hinein.
(Ängstlich deshalb, weil es wirklich eine Kunst ist, AUSGERECHNET den MITTELSTRAHL zu erwischen.
Ich meine, WOHER soll ICH wissen, WIE VIEL ich pinkeln muss?
[Da ich NICHT zu den Außerirdischen gehöre, habe ich auch KEINE Skala irgendwo an meinem Körper bampseln, wo draufsteht: ›Alarmstufe Grau! Ihre Blase erreicht einen Pegel von 355 Milliliter, der Mittelstrahl befindet sich bei Milliliter 120‹.
{Alarmstufe Rot wären dann 500 Milliliter, was ich wirklich schon für eine gelungene Menge halte, um den Mittelstrahl zu errechnen. Vorausgesetzt man weiß, wie viel der Mittelstrahl tatsächlich beinhaltet.}
Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass es die Menge ist, die in diesen wackligen Plastikbecher passt.])
Ich schätze also grob ab, wie viel Urin ich für diesen Test opfern muss und fülle den Becher.
(Ich habe die Gebrauchsanweisung VORHER durchgelesen, da ich schon von einigen Freundinnen weiß, dass diese SS-Tests tückisch sind.
[Ich bin immer noch ein Fan von Abkürzungen.
Dass ich hier den Schwangerschaftstest meine, muss ich aber nicht extra erwähnen, oder?]
Tückisch sind sie deshalb, weil man beim einen den Stab nur fünf Sekunden unter den Strahl halten soll, beim anderen wiederum funktioniert der Mist nur, wenn du die 10-Sekunden-Tauchphase einhältst.)
Es klingelt an der Tür.
(Und ich muss ehrlich sagen, unsere Türglocke ist der absolute Hammer: Star Trek Titelmusik in voller Länge.
Selbst wenn ich im Obergeschoss im ›Saucer Hull‹ [also im Rumpf, der aussieht wie eine Untertasse] bin, höre ich die Klingel noch musizieren.
[Aber JETZT passt mir der Besuch ÜBERHAUPT NICHT.
Ich befinde mich sozusagen auf einer lebenswichtigen Mission, die ich nur schwer unterbrechen kann.])
Trotzdem stürme ich aus dem Bad (leider kann man sich NICHT ins Untergeschoss BEAMEN) und vergesse glatt, das doofe Stäbchen auf eine gerade Unterfläche zu legen.
(Gibt es überhaupt UNTERflächen?
Ich bin mir unsicher, aber egal, ich habe ÜBERHAUPT KEINE Zeit zum Googeln.)
Wie eine Wilde hetze ich die Treppe hinunter.
Doch kaum biege ich um die Ecke, pralle ich auch schon mit jemandem zusammen.
(Seit wann haben Besucher einen Haustürschlüssel?)
Eine starke Hand packt mich und rettet meinen Mini-Ufo-Landeplatz vor einem harten Aufprall.
(Puh, das Stäbchen habe ich auch gerettet.
[Jaaa, es befindet sich noch immer in meiner Hand.
Hoffentlich habe ich den Kram nicht zu doll geschüttelt!
Oder funktionieren die Dinger auch, wenn sie NICHT auf einer waagerechten Unterlage liegen?])
»SUSANNAH! Entschuldige, Schatz, ich habe dich ECHT nicht gesehen.« (Niemand soll jetzt sagen, dass sich Paare im Laufe ihres Zusammenlebens immer mehr angleichen.
Echt nicht!
Aber Frederico LIEBT mein ›ECHT!‹.
[Und benutzt es auch entsprechend häufig.
{Natürlich mit einem megafetten Grinsen im Gesicht.}])
»Uff!« Vollkommen erschöpft plumpse ich rücklings auf den Boden.
(MANNO, mein Herz rast!
[Und das ganz gewiss NICHT nur vom Laufen.
Wenn ich das Testergebnis jetzt versaut habe, ist es nur gut, dass ich vorsichtshalber drei Tests gekauft habe, aber ob ich nochmal SO ‘n tollen Mittelstrahl hinkriege, ist fraglich.])
»Das war knapp.« Ich starre auf das Stäbchen.
(Vergessen ist Fredericos Anwesenheit.
Mein Großhirn ist einfach zu sehr mit diesem spannenden ›Lebenswendepunkt‹ beschäftigt.
[Das ist schlimmer als die Vorfreude auf ein Überraschungsei.
Und die Dinger habe ich schon immer geliebt.
{Oder habe ich vergessen zu erwähnen, dass ich IMMER NOCH schokoladensüchtig bin?}
Ich konnte schon damals nie abwarten, die Eier zu öffnen, wobei ich nicht sagen kann, ob ich wilder auf die Schokolade oder auf das Innere der Plastikpackung war.
Noch heute habe ich die kleinen blauen Nilpferdfiguren von Star Wars und die sind schon wer weiß wie alt.
{Leider hat sich Ferrero nie wieder zu so qualitativ hochwertigen Figuren hinreißen lassen. Wenn man heutzutage die Eier öffnet, findet man nur noch Plastikschrott da drin, der fünf Spielminuten übersteht. Klar, mittlerweile gibt es Eier für Jungs und Mädchen, aber haltbarer sind die Spielzeuge deshalb leider nicht.
Alles nur noch Billigproduktionen, ein Jammer!}
Meine Mutter hat NIE mitgekriegt, dass Nick mir die Eier heimlich zugeschustert hat.
Die hätte glatt die Schokolade konfisziert und die Figuren im Kaminfeuer geschrottet.])
Doch bevor ich mich daran erinnere, dass diese Teststäbchen EIGENTLICH ruhig liegen bleiben müssen, um ein sicheres Ergebnis abliefern zu können, fällt mir auf, dass ich gerade von meinem Herzallerliebsten mit übergroßen, superneugierigen Elefantenaugen beobachtet werde.
(Haben Elefanten überhaupt große Augen? Ich meine im Verhältnis zu ihrem riesigen Körper sind die vielleicht eher klein, oder?
Ich glaube, Koboldmakis haben da durchaus größere Augen, zumindest im Vergleich zu ihrem miniklitzekleinen Körper.
[Wobei, wenn ich ehrlich bin, sind diese philippinischen Halbäffchen keine wirklichen Schönheiten.
Ich finde sie mit ihren großen Glubschaugen fast schon ein wenig beängstigend.
Daher vergleiche ich Frederico lieber nicht mit ihnen.])
Eilig verstecke ich das Stäbchen hinter meinem Rücken.
(Schließlich wollte ich ja erst einmal selbst Gewissheit haben, BEVOR ich beichten muss.
[Doch Frederico ist nicht doof.
Echt nicht!])
»Willst du mir nicht zeigen, was Doktor Susannah in ihrer Heimpraxis herausgefunden hat?« Er grinst bereits bis über beide Ohren.
(Was für ein Glück, dass er diese entzückenden, erogenen Lauscher [im Volksmund auch Ohren genannt] dafür hat, dass der Mund da bleibt, wo er hingehört.
Sonst hätte ich mir jetzt sehr, SEHR große Sorgen um seine Lippen gemacht, die gerade versuchen, seinen Kopf zu umrunden.
[Ich befürchte, er hat mich durchschaut.])
Verschmitzt (und gleichzeitig extrem ängstlich) hole ich den Test hinter meinem Rücken hervor.
Frederico springt aus seinem Clownskostüm, reißt sich die Perücke ab und lässt sich neben mir auf den Boden fallen.
Liebevoll stupst er mir gegen die Schulter. »Und?«
»Zwei Streifen.«
»Wenn ich mich richtig entsinne, dann bedeutet das…«
»…dass ich irgendetwas falschgemacht habe?«, platze ich heraus, ohne nachzudenken.
Sekundenlang starren wir uns in die Augen.
(Fünf Millionen Gehirnströme sausen nun durch mein Oberstübchen.
Vermutlich auch durch seines.
Verzweifelt versuche ich abzutasten, was er denkt.
[JAAAH, ich WEISS, dass er sich Kinder wünscht.
Und JAAAH, ich WEISS AUCH, dass er schon einmal kurz davor war, Vater zu werden.
Wie könnte ich Miss Drachenkopf vergessen?
{Die Schrabnelle macht ja ständig Schlagzeilen mit ihren vielen männlichen Ausrutschern.
Wie soll man die dabei vergessen können?}
Aber es besteht ja trotzdem eine miniklitzekleine Chance, dass er JETZT und VON MIR gar kein Kind will!
ODER???
Wer sagt, dass ICH die Richtige für ihn bin?])
»Und?« Ich grinse eine Spur zu nervös.
»Du bist also schwanger«, sagt er kaum hörbar.
(Er war Bänker.
Nicht wundern, das Kombinieren liegt ihm im Blut.)
Obwohl seine Augen glänzen und er NICHT unglücklich aussieht, kann ich eine gewisse Nervosität nicht leugnen.
»Freust du dich…«, platze ich also heraus (weil ich es natürlich nicht länger aushalte, Geduld ≠ Susannah), »… auch wenn es überhaupt NICHT geplant war?« Frederico wirft seine Perücke hoch in die Luft und jubelt.
»YEE HAW!« Plötzlich wird er wieder ernst und sackt in sich zusammen.
»Was ist denn jetzt los?« (Seine positive Reaktion verebbt ETWAS zu schnell, finde ich.
Ist ihm plötzlich eingefallen, dass er doch nicht Vater werden will?
Zumindest nicht mit Miss Mini-Ufo-Landeplatz?)
Er sieht auf einmal verdammt ernst aus.
(Beängstigend ernst!
OMG!!!
Mir hüpft das Herz gleich von dannen.
Meine Gedanken fahren Achterbahn.)
Langsam schüttelt er den Kopf.
Als sein Blick mich trifft, zerfließt mein Herz vor Mitleid.
(Ich öffne den Mund, aber ich kann nichts sagen.
In sämtlichen Hirnbereichen ist Alarmstufe Rot.
Wird er mich jetzt verlassen?
[Werde ich mit Achtlingen und Küchenschürze mit qualmender Zippe am Herd stehen und ums nackte Überleben kämpfen, während Chantal, Kevin & Co. um mich herumspringen und die letzten heilen Stühle zerstören?]
Ich durchlebe einen Tornado der Gefühle.
[Und plötzlich taucht ein miniklitzekleiner Gedanke auf.
Es ist nur ein Fünkchen, welcher den Spieß umdreht.
Nur ein Wort.
DRACHENENTTÄUSCHUNG!]
Und die Empörung macht sämtlichen anstehenden Gefühlen den Garaus.)
»Du denkst doch nicht etwa, dass ICH Miss Drachenkopf Nummer Zwei bin und heimlich abtreiben lasse, oder?« (Sehe ich etwa so aus wie sie?
Nee!
Echt nicht!
[Sooo gut wie DIE sehe ICH bestimmt NICHT aus.
Und ich bin auch nicht so kaltherzig und treibe einfach ab.]
Ich bin im Zeichen des SCHWEINS geboren, nicht in dem des Drachens, falls es überhaupt eine Spezies gibt, die so hinterfotzig ist wie seine Ex-Freundin.)
Frederico verzieht das Gesicht.
(Grinst er oder guckt er wehmütig?
Vermisst er sie etwa noch?
OMG!!!
Auf den Gedanken bin ich auch noch nicht gekommen.
Muss ich jetzt EIFERSÜCHTIG sein?)
JETZT verändert sich etwas in MEINEM Gesicht.
Erschrocken greift Frederico mir an den Arm. »Du glaubst doch wohl nicht etwa, dass ich Maria noch vermisse, oder?«
(NEEEEIN!
IIIICH?
[Wer zweifelt in solchen Situationen nicht daran, ob der Herzallerliebste nicht noch an seine Verflossene denkt?])
Und wieder verlässt kein einziges Wort meine trockenen Lippen.
Frederico setzt seinen Hundedackelblick auf. »Susannah, ich liebe dich! Glaubst du, ich hätte in Adelaide alles stehen und liegen gelassen und dieses obergeniale Raumschiff mit dir gebaut, weil du ein ZEITVERTREIB wärest?«
(JOOOAAAA, vielleeeeeeicht?
Miss DrachenERSATZkopf!)
Mein Herzkönig ist entrüstet.
(Und genauso schnauft er auch.)
»Susannah! Nicht eine Sekunde habe ich mehr an Maria gedacht, seitdem wir zusammen sind.«
»Bis eben.«
»Jaaah. Bis eben.«
(Immerhin ist er ehrlich!
Und jetzt?)
Er schaut mir TIEF in die Augen. »Sie kam mir NICHT in den Sinn, weil ich noch an ihr hänge…«
In meinen Augen blitzt etwas auf.
(JAAA, Frauen legen jedes Wort auf die Goldwaage!
Er HÄNGT NOCH an ihr?
Präsens?
KREISCH!!!)
»…was ich nicht tue«, fügt er sofort hinzu.
(Ein Zweifel bleibt.)
»Willst du denn überhaupt das Baby?«, fragt er plötzlich.
(WAAAS?
Ich bin schwer geschockt.
Er glaubt doch nicht allen Ernstes, ich würde mich genauso wie Miss Drachenkopf als Shoppingelfe heimlich nach Canberra schleichen und ohne Kind wiederkommen?)
»Sehe ich wirklich so grausam aus?«
»Grausam?«
»Na, so grausam wie Miss Drachenkopf? Was sie damals getan hat, war schäbig und absolut charakterlos. Schätzt du mich wirklich so ein?«
»Nein, das tue ich nicht. Aber Maria hatte ich auch nicht so eingeschätzt. Entweder habe ich eine miserable Menschenkenntnis oder sie konnte sich gut verstellen.«
»Sie ist eine getarnte Außerirdische vom feindlichen Territorium der Nachbargalaxie Gingong. Die KANN man NICHT einschätzen. Niemand vom Planeten Erde kann das.«
Frederico nimmt lächelnd meine Hand und küsst sie.
»Was würde ich nur ohne Eure terrestrische Schlauheit tun?«
Mit meiner freien Hand streichele ich ihm über die Wange. »Ich liebe dich auch. Und auch wenn ich mir meinen Lebenslauf ein BISSCHEN anders vorgestellt habe, würde ich unser Baby doch nicht einfach abtreiben.«
Frederico zuckt leicht zurück. »Ich war also gar nicht als Vater deiner Kinder eingeplant?«
»Quatsch, du Dummian!« Ich wuschele ihm durch die (perfekt sitzenden) Haare. »Natürlich warst du das! Du bist der perfekte Vater meiner Kinder. Aber ich…«
(Kann ich ihm wirklich sagen, dass ich gerne VORHER verheiratet gewesen wäre?
So richtig altbürgerlich spießig?)
»Aber?«
(Seine Augen mutieren zu Untertassen.
[Oder zu denen eines Koboldmaki?]
Ich bringe es lieber schnell hinter mich.)
»Aber…«, ich hole TIEF Luft und nehme all meinen Mut zusammen (jetzt oder nie!), »ich dachte, ich bin VORHER verheiratet. Also, BEVOR ich schwanger werde, nicht bevor ich Sex habe.«
(Wir wollen ja keine Missverständnisse aufkommen lassen.
Sex ist etwas, was man [und frau] UNBEDINGT VOR der Ehe ausprobieren sollte.
Ich erinnere mich da nur an Kevin.
[Hatte ich erwähnt, dass er in den sechs Wochen unserer Beziehung nur an schnellen Nummern interessiert war?
Und Jonas erst!
Je ausgefallener, umso besser.
Da war der Kofferraum seines Wagens noch langweilig. Wie froh war ich, dass ich ihn NICHT erst geheiratet und DANN seine Qualitäten im Bett ausprobiert habe!
Echt!
Das wäre DER Reinfall des Jahrhunderts geworden!
Und vermutlich DIE Blitzscheidung schlechthin.
Nee, nee, ich finde, Männlein und Weiblein sollten unbedingt VOR dem Bund fürs Leben herausfinden, ob sie auch körperlich harmonieren, auch wenn einige religiöse Anhänger das anders sehen.
{Und nein, Aufsparen ist NICHT toll!}])
Frederico reißt mich zu Boden und rutscht halb auf meinen Oberkörper.
Liebevoll streichelt er mir über den Bauch und küsst mich dann mit einer Leidenschaft, die mir fast die Puschen auszieht.
»Du Süße! Wie dumm von mir. Ich hätte bei meiner Bestellung im Universum ganz deutlich sagen müssen, dass das Gummi NACH unserer Hochzeit verrutschen soll.«
»Jetzt nimmst du mich hopps!«
»Hopps?«
»Ja, du veralberst mich!«
»Niemals.«
»Du hast unser Baby im Universum bestellt?«
(Ich bin sprachlos.)
»Klar.«
»Du GLAUBST an Bestellungen im Universum?«
(Ich meine, er ist ein MANN!
Halloooooo!!!
Außer Nick kenne ich rein niemanden, der je im Universum bestellt hat.
[Okay, ich kenne Männer, die im Online-Baumarkt bestellen, weil es da sooo viel günstiger ist als im Baumarkt um die Ecke und machen wir uns nix vor – Männer LIEBEN Baumärkte.
Das hat schon Reinhard Mey gewusst mit seinem Song über ›Männer im Baumarkt‹.]
Aber einen Mann, der im Universum bestellt, habe ich noch nie getroffen.
[Und mit DEM hier SCHLAFE ich sogar!])
»Natürlich. Nick hat mich eingeweiht in die Geheimnisse der richtigen Bestellung.«
»Na, da hat er wohl vergessen zu erwähnen, dass man sehr, SEHR genau bestellen muss.«
»Das Gefühl habe ich auch.«
»Und jetzt?«
»Jetzt muss ich diesen Punkt der Bestellung gaaanz dringend nachholen und in naher Zukunft um deine Hand anhalten.«
(Dreifach OMG!!!
Er will mich tatsächlich HEIRATEN?
KREISCH!!!
Das ist ja phantastisch.)
»Vorher könntest du mich noch einmal küssen«, schlage ich erleichtert vor, obwohl mir das Herz bis zum Hals schlägt.
Nach einer ganzen Weile löse ich mich von ihm. »Mein Ohr ist Tabuzone. Verbotener Knopf sozusagen.«
Verwirrt stützt sich Frederico auf einen Ellenbogen. »Wovon sprichst du? Von welchem Stern kommst du, dass du Knöpfe im Ohr hast?«
»Gibt es Sterne, auf denen Lebewesen existieren können?«
(Ich dachte, die sind zu heiß für jegliches Leben.
Ich verweise da nur auf unsere liebe Tante Sonne.)
»Natürlich«, sagt Frederico im Brustton der Überzeugung.
»Könnte aber auch daran liegen, dass du Sterne mit Planeten verwechselt hast, oder?«, frage ich feixend.
»Mann, das konnte ich mir noch nie merken…waren wir nicht eben noch bei Knöpfen?«
»Schwangere haben überall erogene Knöpfe…«
(Habe ich zumindest mal aus purer Langeweile beim Arzt in einer der vielen Zeitschriften gelesen, die da zum Glück immer mitteilungsbedürftig im Rudel liegen.)
»Echt?« Frederico verzieht das Gesicht zu einem überdimensionalen Clownsgrinsen. »Mehr als unbefruchtete Weibchen?«
»Ja.«
»Warum das denn, Frau Doktor? Die schwangeren Häschen brauchen doch gar keine Knöpfe mehr.«
(Da hat er natürlich Recht.
Ich weiß, ehrlich gesagt, auch nicht, warum Schwangere so wild auf Sex sind!
Habe ICH mir ja schließlich auch NICHT ausgedacht.)
»Das sagst du, mein Lieber!«
»Ja, die sind nämlich schon befruchtet.«
(Man sollte sich aber auch hier NICHT täuschen lassen!
Es kommt ungefähr alle Million Jahre mal vor, dass eine Frau nach der Befruchtung ihrer Eizelle tatsächlich noch einmal befruchtet werden kann, weil es einen zweiten Eisprung gibt.
[Jaaah, auch die Eier einer Frau können mal aus der Reihe tanzen!
Und jaaah, auch Erdlinge sind NICHT perfekt.]
Erst neulich habe ich von einer Frau gelesen, die zwei Embryos in sich trug, die einen Altersunterschied von vier Wochen hatten.
Dieses Phänomen nennt man ›Superfetatio‹.
[Auch wenn das leicht schweinisch klingt, ich habe es mir NICHT ausgedacht.])
»Hm. Also abgesehen von ziependen Brüsten, mit denen ich mich glatt an die Schafmelkmaschine anschließen könnte, damit ich endlich den noch nicht vorhandenen Inhalt loswerde, bin ich neuerdings so was von spitz. Ich bin sozusagen spitz wie Lumpi!«
»Lumpi kenne ich leider nicht, aber das Ding klingt sehr, SEHR vielversprechend.« Frederico zwinkert mir zu.
(Oh, oh!
DIESES [italienische] Zwinkern kenne ich.
Das ist schlimmer als jedes heiße Wort, das ich je gehört habe.
Wenn er mich sooo anzwinkert, weiß ich, dass ich innerhalb der nächsten paar Minuten im siebten Sexhimmel schweben werde.)
»Lumpi IST vielversprechend!« Nun grinse ich kokett zurück.
Und genieße.
Nach einer Stunde exorbitantem Sex fällt mir ein, dass es (eigentlich) an der Haustür geklingelt hatte.
»Hattest du vorhin geklingelt?«
»Nein. Das war der Postbote. Der Brief liegt im Flur. Ist für dich.«
»Okay.«
(Früher versetzten mich Briefe in euphorische Feierstimmung, doch als Geschäftsfrau bekomme ich täglich so viele davon, dass ich die Tage genieße, an dem die Post Ruhetag hat und ich nicht in der misslichen Lage bin, dass ich von Eulen beliefert werde.)
Ich gehe davon aus, dass es nichts Wichtiges ist und helfe Frederico, einen seiner leckeren Salate anzurichten.
(Auch wenn ich mich wundere, welche merkwürdige FLIEGENDE Basilikum-Schnecke meine schönen Kräuter abfrisst und dann scheinheilig aus den Blättern geflogen kommt, als wäre es vollkommen normal, dass es sich an MEINEM Basilikum vergreift.
Aber diesen Mistkröten komme ich schon noch auf die Spur!)
»Also ich weiß nicht recht, Nick, sollen wir das wirklich machen?«
Vor uns liegen eine braune Kerze, ein Foto von Jonas McGonogin, meinem Ranch-Nachbarn (und Ex-Ausrutscher), Stacheldraht und eine echt fies stinkende Kräutermasse.
»Natürlich machen wir das jetzt, Süße! Jonas hat es verdient.« Nick nimmt ein Messer und ritzt Jonas Namen in die Kerze.
(Ich bin mir nicht sicher, ob die Kerze aussieht wie ein Außerirdischer, ein Zyklop oder ein missratener Kerzenstumpf, obwohl Nick behauptet, er habe die menschliche Kerze in einem Voodoo-Laden in Canberra gekauft.)
»Der Typ schreibt dir immer noch verliebte Kurznachrichten übers Handy und bombardiert dich mit Emails. Es wird Zeit, dass wir ihn loswerden.«
»Du hast gut reden! Er ist mein Nachbar.«
»Genau. Und so soll er sich auch benehmen. Oder wir müssen daran etwas ändern.« Nick grinst teuflisch.
»Nein, auf gar keinen Fall! Du hast doch immer gesagt, wenn man anderen schadet, rächt sich das Universum.«
(Immerhin habe ich meinen Traummann bekommen.
Ich bin noch vor meinem Klimakterium schwanger geworden.
[Was rein biologisch auch günstiger ist.]
Meine Mutter ist weit weg und mein Wollstübchen brummt.
Ich kann weder die Rache des Universums, noch die des australischen Rumpelstilzchens, oder gar die der Außerirdischen, gebrauchen.
Echt nicht!)
»Es rächt sich nicht, Süße! Es schreibt Rechnungen.«
»Siehst du! Und genau aus diesem Grund finde ich es falsch, wenn wir hier Voodoo betreiben, um Jonas zu schaden. Ich will keine neue Rechnung. Ich habe bereits alle bezahlt.«
In einigen Metern Entfernung pinseln Mariella und Joshua auf irgendwelchen Tonscherben herum, obwohl das Camp innerhalb der nächsten Woche geschlossen werden soll.
Professor Dr. Macklin, der Chef des archäologischen Instituts in Canberra und Schirmherr dieser Ausgrabung, wird Nick nächste Woche mitteilen, wohin es sie verschlagen wird.
(Ich hoffe ja sehr, dass Nick NICHT ans andere Ende von Australien muss.
Der Professor hat schon so komische Andeutungen gemacht und Perth würde mir gar nicht passen.
Das sind mindestens zweitausend Kilometer quer durch die Victoria Wüste.
[Warum ist Australien in der Realität eigentlich so verdammt viel größer, als es auf der Landkarte aussieht?])
»Bestimmt reißt uns das Universum auseinander, wenn wir das hier durchziehen«, sage ich jämmerlich klagend.
Nick legt mir eine Hand auf die Schulter. »Wir wollen ihm doch nicht schaden. Nicht richtig. Wir sorgen nur dafür, dass er dich in Ruhe lässt.«
Nick zündet die Kerze an und klebt sie auf eine flache Tonscherbe, auf der bereits das Foto von Jonas prangt.
(Ich schätze, das zerbrochene Ding ist irgendein wertloses Überbleibsel aus den letzten zehn Jahren.
Vielleicht hat auch irgendein blöder Touri seine Müslischüssel in das Resort geworfen.
[Oder es ist ein Kackpott, der voll war mit Exkrementen.])
Anschließend sticht Nick etwas Stacheldraht in das Bild, reibt es mit der Stinkemasse ein und stellt sein Werk zufrieden in die Lagerfeuerstätte.
Joshua gesellt sich zu uns und mustert unseren kläglichen Voodoo-Versuch. »Sehe ich richtig, Schatz?«
Nick grinst unschuldig. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
(Ich ahne Schlimmes!)
»Das ist doch die Tonscherbe aus dem Nachttopf, dessen Teile wir nicht alle gefunden haben, oder?«
(Okay, dann war das KEINE Müslischüssel.)
»Ich finde etwas, worauf die Menschen damals schon geschissen haben, bietet sich geradezu an für eine dringend erforderliche Maßnahme. Dass Jonas ein unangenehmer Zeitgenosse ist, brauche ich dir wohl nicht zu sagen, oder?« Nick zeigt auf Joshuas Auge.
Unwillkürlich zuckt Joshua zusammen.
(Das blaue Auge, welches Jonas ihm aus heiterem Himmel auf dem Schaufelraddampfer verpasst hatte, hielt sich MONATE.)
»Okay, ich schweige. Aber nur, weil wir den Pisspott ohnehin nicht vollständig ausgraben konnten.« Joshua lächelt sanft.
»Sehr gnädig, mein Schatz, danke!«
»So bin ich.«
(Wie lange wollen die beiden ihre höflichen Plänkeleien eigentlich noch fortführen?
Ich habe Neuigkeiten, die ich gar nicht so lange zurückhalten WILL!)
»Ich bin schwanger«, platze ich also in die Gesprächspause, bevor einer von beiden den Schnabel wieder aufreißen kann.
»Was?«
(Joshua guckt mich an, als hätte ich ihm mitgeteilt, dass mein fünftes Auge leider amputiert werden muss, weil die Galaxie meines Heimatplaneten dringend an irdische Informationen herankommen muss.)
»Nee!«
(Nick schaut auch nicht besser aus der Wäsche!
Und dabei fällt mir ein, dass ich das Buch übers Gesichtlesen noch immer nicht gekauft habe.)
»Doch!« Ich grinse wie ein Honigkuchenpferd. »Ihr seid nach Frederico die ersten, die von meinem Geheimnis erfahren.«
Nick fällt mir in die Arme, dann springt er auf und tanzt um den Feuerplatz.
»Oh Gott, hat Rumpelstilzchen von ihm Besitz ergriffen?«, frage ich leicht perplex.
Joshua lacht auf. »Nee, ich glaube, DAS IST Rumpelstilzchen und nun kommt er endlich an sein Kind.«
Mitten in seiner merkwürdigen Verrenkung bleibt Nick stehen. »Ich muss den Prof anrufen!«
»Warum?«
»Wenn er tatsächlich plant, uns beim Mount Magnet nördlich von Perth anzusiedeln, um dort die große Ausgrabungsstätte zu leiten, bin ich die nächsten Jahre elendig weit weg. Ich würde weder sehen, wie deine Tochter zum ersten Mal lächelt und anfängt zu laufen, noch, wie sie das erste Mal ›Nick‹ schreit. Und ich will ganz unbedingt, dass so ein kleines, süßes, tapsiges Ding meinen Namen ruft.« Nick rennt zum Container und stürzt ans Telefon.
»Woher weiß er, dass es ein Mädchen wird?«
Joshua zuckt mit den Schultern. »Vielleicht geht er davon aus, dass Frederico keine Jungs machen kann?«
(Oh Gott, gibt es da Kriterien, die ein Mann erfüllen muss, die mir bisher verschleiert geblieben sind?
Vielleicht muss der Mann die Socken beim Sex anlassen?
Oder vorher in die Sauna gehen?
[Werden die Spermien dann super entspannt?]
Oder muss der Mann seine Eier per Motorrad herunterkühlen, bis die Spermien so langsam sind, dass unter Garantie nur noch Mädchen dabei herausspringen können?
Piloten sollen ja Mädchen-Papas sein, aber das dürfte wohl kaum an der niedrigen Außentemperatur liegen, als eher an der Tatsache, dass die Flugzeuge so dicht im Weltraum segeln, dass sich die Außerirdischen einen Spaß daraus machen und die Hoden der Piloten verhexen.
[Und liebe Wissenschaftler, kommt mir jetzt nicht mit radioaktiver Strahlung!]
Gute Güte, DAS ist DEFINITIV ein Thema, das ich googeln muss, sobald ich wieder auf Empfang bin!)
Nach einer halben Stunde (in der Joshua und ich wie auf glühenden Kohlen vor der brennenden Voodoo-Kerze sitzen) kommt Nick endlich wieder zum Vorschein.
Kopfschüttelnd wischt er sich über die Stirn. »Mann, Mann, Mann!«
»Was ist? Was hat er gesagt?« Joshua umschlingt seine Knie.
»Der Prof ist stinksauer.« Erschöpft plumpst Nick neben mir in den Sand. Er nimmt sich einen Stock und stochert in der kalten Asche des gestrigen Lagerfeuers herum.
»Und?«
»Beim Yookamurra-Schutzgebiet ist eine Ausgrabungsstätte genehmigt worden. Sie ist erheblich kleiner als am Mount Magnet und benötigt nur zwei bis drei Archäologen. Eigentlich zu klein für uns schlaue Köpfe, sagt der Prof.« Nicks Lächeln misslingt.
»Wo ist das genau?«
(Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich in meiner neuen Heimat noch immer nicht allzu gut auskenne.)
»Östlich von hier. Ich schätze in eineinhalb Stunden ist man da. Von der Garrel-Ranch aus gesehen«, fügt Nick hinzu.
»Ist das nicht das Gebiet, wo der Ameisenbeutler lebt?
Eine sehr seltene Spezies«, fügt Joshua hinzu und mustert Nick. »Das ist doch prima. Eineinhalb Stunden Fahrt sind nicht viel. Warum guckst du so traurig? Ich muss auch nicht unbedingt ans andere Ende Australiens. Der Großteil meiner Familie lebt hier.«
(Was so ungefähr ein paar hundert Leute sein dürften.
Manchmal glaube ich, es gibt kaum jemanden hier, der NICHT mit Joshua verwandt ist.)
»Der Professor will dich beim Mount Magnet und mich im Yookamurra-Schutzgebiet einteilen.«
(Heiliger Bimbam!)
Geschockt schauen wir uns an.
Keiner sagt ein Wort.
(Die Voodoo-Rechnung kommt aber sehr, SEHR schnell, in Lichtgeschwindigkeit sozusagen.
Wenn das Universum man sonst auch so schnell arbeiten würde!)
Eilig lösche ich die brennende Kerze.
(Vielleicht korrigiert der Sachbearbeiter im Universum jetzt noch seine Rechnung, weil ich Reue zeige?
Gute Güte, ich muss hier dringend eine bessere Lösung hinkriegen, sonst wird mein ungeborenes Kind jetzt schon die Ursache für einen GANZ massiven Ehekrach sein.
Echt!)
»Musst du heute gar nicht bei deinen Eltern aushelfen?« Frederico umarmt mich von hinten und gräbt sein Gesicht in meine Halsgrube. »Nein. Heute helfe ich meiner trächtigen Stute im Wollladen.«
Mit gespielter Empörung drehe ich mich um. »Mr Valentino! DAS wird das Veterinäramt aber gar nicht gerne sehen. Wie soll sooo eine große Stute in sooo einen kleinen Laden passen? Das grenzt ja an Tierquälerei.«
Frederico lacht laut auf. »Ich habe extra den Trog neu aufgefüllt mit köstlichem Saft und wenn die Stute will, darf sie sich ganz viel ausruhen.«
»Echt? Du hast die Saftbar neu bestückt?«
(Gute Güte, DIE habe ich glatt vergessen!)
»Ja, ich war gestern in Adelaide noch beim Großhändler und habe das Zeug gleich aufgeladen. Wenn wir gewartet hätten, bis du Nachschub für deine Kunden bestellst, wäre das sehr, SEHR teuer geworden.«
»Warum?«
»Weil die Kunden in und vor dem Laden campieren müssten. Du hättest sie mit Essen versorgen müssen, bis du überhaupt mal an die Getränkebestellung gedacht hättest.«
Frederico zieht mich wieder in seine Arme. »Ich möchte wirklich mal wissen, was zur Zeit in deinem hübschen Köpfchen vorgeht. Deine Saftbar hast du doch bis jetzt noch nie vergessen.«
»Bis jetzt war ich auch noch nie schwanger«, versuche ich mich herauszureden.
(Und ich bitte um Verzeihung, aber das ist ein ECHT vertrackter Zustand, denn frau denkt an nichts anderes mehr als an diesen biologischen Vorgang.
Ständig googelt frau, wie groß das lütte Ding im Bauch da jetzt ist, ob schon irgendwas gewachsen ist und worauf man alles achten soll.
Meine Gedanken werden quasi BEHERRSCHT, es ist fast so, als ob ich einen Alien ausbrüte, der mich telepathisch kontrolliert.)
»Ach so! Dann wandern deine Gehirnzellen also in den Kopf unseres Kindes?«
»Sozusagen.«
(DAS hätte ich jetzt NICHT besser formulieren können.
Echt nicht!)
»Interessante Theorie. Ich schätze, wenn du die publik machst, hast du keine einzige Kundin mehr, weil dich alle für verrückt halten.«
»Stimmt. Oder ich lasse gleich noch mit verbreiten, dass Stricken intelligent macht und wenn die Mütter, die durch die Schwangerschaft ihre Intelligenz einbüßen, stricken, dann erhalten sie ihre Intelligenz zurück.«
(Im Ernst, es gibt ja tatsächlich böse Zungen, die behaupten, das Gehirn der werdenden Mutter lässt funktionstechnisch gesehen nach.
Dabei ist das gewiss KEIN Problem der nachlassenden Hirnleistung, sondern vielmehr ein Problem der Überbelastung, denn zu all dem Alltagskram kommen nun auch noch fünf Millionen Gedanken an die bevorstehenden Veränderungen.
Echt!)
Frederico löst sich von mir und schaut mich beeindruckt an. »Ich bin sicher, du wirst die berühmteste Schwangere sein, die dieser Erdball je gesehen hat.«
»Meinst du?«
»Klar! Und dann kommen Hunderte von Forschern und Wissenschaftlern hierher und wollen dein Gehirn untersuchen.« Frederico schnappt sich den Haustürschlüssel. »So, wie bei den Muppets, als Gonzo seine Familie aus dem All sucht und von diesem verrückten Professor im Forschungslabor seziert werden soll.«
(Eigentlich ganz schön brutal für einen Kinderfilm oder bin ich nur so verweichlicht?)
»Echt?«
(Was für eine Katastrophe!
Dann ist da vielleicht noch so ein verrückter Außerirdischer darunter, der mein Gehirn herausholen UND examinieren will.
[Ich glaube, ich behalte meine Theorie doch besser für mich.
Ist ungefährlicher.])
Wir verlassen unser Raumschiff und wandern quer über die Garrel-Ranch meiner Nebeneltern. Unterwegs stauben wir noch einen Kaffee und eine heiße Schokolade bei ihnen ab, plaudern kurz und öffnen dann den Wollladen.
»Ich schnappe mir deine Buchhaltung, okay?« Mit schiefgelegtem Kopf linst Frederico zu mir herüber.
Ich hebe den Daumen. »Super Idee! Buchhaltung ist das Gruseligste, was so ein Laden mit sich bringt. Obwohl ich noch gut auf dem Laufenden bin.«
»Noch gruseliger als Rumpelstilzchen?«
»Wer weiß«, antworte ich vage, »vielleicht auch gruseliger als Außerirdische im Schneewittchenkostüm.«
Frederico bleibt stehen und lacht lauthals los. »Oje, ich glaube, wenn DU die Gute-Nacht-Geschichten erzählst, wird unser Kind ein verängstigter Star Trekker, der überall nur noch Außerirdische sieht.«
»Falsch.«
»Falsch?«
»Ich werde die Gute-Nacht-Geschichten ERFINDEN und unsere Kinder werden die schlauesten, mutigsten und lustigsten Menschen, die ein Außerirdischer je gesehen hat.
Sie werden meine Geschichten LIEBEN.«
(Okay, das ist sicherlich ETWAS übertrieben.
Aber im Geschichtenerfinden bin ich tatsächlich ganz gut.
Mit ‘nem Lügennobelpreis in der Tasche lässt sich einiges zusammenphantasieren.
[Und der ist mir noch aus Kindertagen sicher.
Oder verjährt der Anspruch auf den Nobelpreis?
Egal, ich sollte dennoch einmal Märchen schreiben, wie sie WIRKLICH waren.
Das Märchen von Frau Rumpelstilzchen und Prinz Schneewittchen.])
»Die Außerirdischen oder unsere Kinder?«, feixt Frederico.
»Beide.«
(Ich bin da ganz zuversichtlich.)
»Wie viele Kinder willst du eigentlich?«, fragt mein Herzallerliebster plötzlich.
»Sprachen wir nicht von einem halben Dutzend?« Grinsend lege ich meine Tasche weg.
»Mindestens.« Mein Herzkönig kommt zurück und umarmt mich liebevoll. »Soll ich gleich noch mal nachlegen?«
Grinsend beiße ich ihm in die Unterlippe. »Super Idee!
Aber ich befürchte, zum einen wird das rein logistisch etwas schwierig und zum anderen wird das kein Steuerberater akzeptieren.«
»Was hat der denn damit zu tun?«
»Du wolltest die Buchhaltung machen. Und ich habe noch nie gehört, dass man die beim Sex erledigen kann.« Ich küsse ihn kurz. »Oder bist du doch ein getarnter, multitaskingfähiger Außerirdischer mit fünf Augen, zehn Armen, verlängerbarem Körper und exorbitanten weiteren Gliedmaßen?«
»Ja, bin ich.« Frederico kneift mir neckisch in den Po.
»Noch nicht gemerkt? Ich sollte mich besser anstrengen.«
Lachend versuche ich mich von ihm zu befreien, als die Tür aufgeht und die Ladenglocke ertönt.
(Nein, es ist keine Star Trek-Melodie, sondern eine schnöde Kuhglocke!)
»Guten Tag«, sage ich mit ernster Miene und scheuche Frederico ins Hinterzimmer.
»Hallo Susannah!«
Ich fokussiere meinen Gast und überlege, warum mir die brünette Frau so bekannt vorkommt.
»Sag bloß, du hast vergessen, wer ich bin?«
(Langsam dämmert’s mir, obwohl ich lieber nicht daran denken möchte.
[Ich bin mir NICHT sicher, ob ich mich über ihr Erscheinen freuen soll.
{Okay, wenn ich ehrlich bin, bin ich mir HUNDERTPROZENTIG sicher, dass ich mich NICHT über ihr Erscheinen freue!}
Vielleicht sollte ich meine Erinnerungsvermögen ganz schnell in den Unterleib verbannen, dann kann ich mich dummstellen und so tun, als hätte ich die Schnepfe noch nie gesehen, weil ich ja schwanger bin.])
»Susannah, ich bin’s…«
»Annette?«
(Gott, mir geht der Name kaum über die Lippen.)
»Genau.« Annette Haubentaucher (so hieß sie in der Schulzeit wirklich!) klatscht erfreut in die Hände, stürmt auf mich zu und reißt mich in ihre Arme. »Gottchen, wir haben uns ja sooo lange nicht mehr gesehen!«
(Ja, und das war auch gut so!)
»Und darum haben wir uns auch sooo viel zu erzählen!«
(Wohl eher nicht!
Was, zum Henker, will die hier?)
»Was machst du hier?«
(Vielleicht kann ich sie mit DER Frage vertreiben.)
»Dich besuchen.« Sie grinst.
(Oh ja!
Hamburg liegt ja gleich um die Ecke, nebenan von Australien sozusagen.
Und wir waren auch immer die dicksten Freundinnen.
Da setzt man sich ganz sicher ohne Ankündigung in den nächsten Flieger, übersteht zwei Weltmeere [oder waren das Ozeane?] und tummelt dann fünfzig Stunden ans andere Ende der Welt.
SICHER!)
»Woher weißt du, dass ich hier bin?«
(Wenn ich DIE Petze erwische, ist sie fällig!)
Annette winkt ab. »Maike hat mit Anna telefoniert. Die wiederum hat von Kathrin gehört, dass Simone mit Andrea gesprochen hat und…«
Abwehrend hebe ich den Arm. »Okay, das Buschtelefon funktioniert also noch in Hamburg.«
(Ich gebe meinen Racheplan auf.
DAS sind definitiv zu viele Frauen, die involviert sind.
[Hatte meine Mutter nicht erwähnt, dass sie Maike getroffen hat?
Oh Mann, was für eine Plappertasche!])
»Wir können uns jetzt öfters treffen.«
(Unbedingt.
Hamburg und Adelaide liegen auch so dicht beieinander.)
»Wirklich? Hast du so lange Urlaub?«
»Urlaub?«
»Jaaah, das ist das, was der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern gesetzlich gewähren muss, damit diese sich erholen können«, erkläre ich mit schwer aufgebrachter Geduld.
(Warum musste mir das Universum ausgerechnet die schlimmste Schrabnelle aus meinem Abschlussjahr vorbeischicken?
Habe ich irgendetwas verbrochen?
OMG!
Wie in Zeitlupe schleicht sich ein fürchterlicher Verdacht in mein Großhirn.
Ist DAS etwa auch die Rechnung für den Voodoo-Zauber an Jonas?
ICH WUSSTE, dass das ein Fehler war!
Hätte ich bloß nicht auf Nick gehört.)
Annette winkt ab und lässt sich theatralisch auf dem Barhocker an der Saftbar nieder. »Nach meiner Ausbildung zur Schneiderin habe ich Tom kennengelernt. Zuerst war alles bene und wir haben uns super verstanden. Er hat mir den Hof gemacht, war RICHTIG romantisch und schließlich haben wir geheiratet.« Sie blickt mir erst tief in die Augen, dann mustert sie meine Hand.
(Nein, ich trage KEINEN Ehering.
Und ja, ich bin eine alte [unverheiratete] Schachtel.
[Schwanger noch dazu, auch wenn mein vorhandenes Sexleben noch NICHT sichtbar ist.
Bin ja höchstens in der sechsten Woche.])
»Wie ich sehe, hat dich der Ehehafen noch nicht heimgesucht.« Sie winkt wieder theatralisch ab. »Glaube mir, Schätzchen, das ist auch besser so. Sobald die Männer mit einem verheiratet sind, werden sie zu TIEREN.«
Aus den Augenwinkeln merke ich, dass Frederico neugierig die Ohren spitzt.
(So sehr ich meine [schwangeren] Gehirnzellen auch anstrenge, mir will beim besten Willen kein Tier einfallen, in das sich Frederico nach unserer Hochzeit verwandeln könnte.
[Außer vielleicht einem Koboldmaki, aber die sind klein und harmlos.]
Aber vielleicht ist ja genau das die Krux; die Frauen haben keine Vorstellungskraft, was die Formwandlungsfähigkeit ihrer Männer anbelangt.
Gilt das denn überhaupt für ALLE Männer oder nur für die, die ohnehin schon als Schwein leben und sich nur wie Außerirdische mit menschlicher Hülle getarnt haben?
Ich bin ganz verwirrt.)
Skeptisch erwidere ich ihren Blick. »Sie werden zum Tier?«
»Ja«, das ist ihr Stichwort, »Tiere, MONSTER…«
»Außerirdische?«, versuche ich einen Witz zu reißen.
Abrupt hält Annette inne. »Nee. An die habe ich nun gar nicht gedacht. So ein Quatsch! Außerirdische gibt es doch gar nicht!«
(Nee, natürlich nicht.
In einem Universum bestehend aus unzähligen Galaxien, Sonnensystemen und Planeten sind WIR, die hochheiligen Menschen [und übrigen Erdenbewohner, sowie Unterweltler wie Rumpelstilzchen], NATÜRLICH die einzigen Lebewesen.
Schon klar!)
Sie schnauft kurz, dann fährt sie fort: »Ich rede von verheirateten Ehemännern…«
(Ach, gibt es auch UNVERHEIRATETE Ehemänner?
DIE muss ich kennenlernen!)
»…sobald die einen Ring am Finger haben, und ich rede von der rechten Hand…«
(Wieder ein prüfender Blick auf meine Hände, die ich gaaanz unauffällig in einem Strang Wolle verstecke, weil mir auch nach einem zweiten und dritten Blick kein Ring wachsen wird.)
»…mutieren sie zu faulen, unromantischen, fordernden, zickigen Paschas, die lieber einen Männerabend mit Bier und Pornos abhalten, als ihrer LIEBSTEN, hart schuftenden, immer herausgeputzten Ehefrau abends die Füße zu massieren und MAL einen netten Film mit ihr anzuschauen. Als wäre das zu viel verlangt.«
(Also, ICH kann mich da bisher nicht beschweren.
Frederico LIEBT Romanzen, wobei er natürlich auch nichts gegen einen ordentlichen Actionfilm oder Krimi hat.
[Aber er ist auch noch ein UNVERHEIRATETER Ehemann!]
Was das LIEB anbelangt, habe ich allerdings bei Annette so meine Zweifel.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sie auch in LIEB gibt!)
Unsicher schiele ich zu Frederico. Er fängt meinen Blick auf und schüttelt vehement den Kopf. Dann deutet er auf sich und betont pantomimisch, dass DAS auf ihn NIE zutreffen wird.
(Ich habe Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken.
Ich kann mir ECHT NICHT vorstellen, dass MEIN Herzkönig sooo blöd werden würde, sobald wir verheiratet wären.
[Krux?])
Annette schnauft verächtlich. »Ich weiß, DU kannst dir ÜBERHAUPT NICHT vorstellen, dass sich dein Freund so negativ verändern wird. Wenn du einen hättest«, fügt sie schnippisch hinzu.
(Danke!
Natürlich geht Mrs Haubentaucher davon aus, dass ICH, die dumme Suse, nicht einmal einen Freund hat.)
»Aber glaube mir, die Männer sind so. Und wenn sie dann immer fetter werden, weil sie ja verheiratet sind und sich gehen lassen können, während man als Frau immer noch akribisch auf seine Figur achten muss, damit die Herren der Schöpfung nicht woanders fremdpimpern gehen, geht die Liebe flöten und bevor man sich versieht, ist man nur noch am Streiten und fragt sich, was man an DEM Typen eigentlich gefunden hat!«
(So schlimm?
Ich hatte bisher immer angenommen, eine Ehe sei romantisch.
Das Zusammenwachsen zweier Seelenverwandter.
Vielleicht ist ihr Mann ein Außerirdischer und ihre Beschreibung kann auf Frederico gar nicht zutreffen?
Oder ist Frederico ein Alien und ich habe den Glücksgriff des Jahrhunderts gemacht?
[Das dürfte eine neue Buchreihe füllen!
Die unsterbliche Liebe zwischen einem Menschen und einem Außerirdischen.]
Nur keine Zweifel streuen lassen, Susannah!)
Frederico steht auf und kommt in den Verkaufsraum.
»Buongiorno!«
Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn und geht dann mit ausgestreckter Hand auf Annette zu. »Ich bin Frederico Valentino, Susannahs noch nicht mutierter, potentieller, unverheirateter Ehemann und Noch-Freund.«
Hocherfreut ergreift meine ehemalige Klassenfeindin seine Hand. »Du hast einen FREUND?«, flüstert sie mir zu.
(Der Blick, den sie mir dabei für den Bruchteil einer Sekunde zuwirft, spricht Bände.
[WIE hat sich Suse bloß SOOO einen geilen, gutaussehenden, charmanten Typen angeln können?
{Und NEIN, er war nicht besoffen, als er mich kennenlernte und ein Jahr später versehentlich geschwängert hat.
Und es war auch NICHT dunkel.
Er kennt mich auch ungeschminkt und bei Tageslicht.}])
Sie schmilzt dahin und gleichzeitig sehe ich, dass sich ihr Großhirn noch immer fragt, ob meine Errungenschaft nicht vielleicht doch irgendwo einen massiven Fehler in der Festplatte aufweist, wenn er sich tatsächlich SUSANNAHS FREUND schimpft.
»Ich bin Annette Müller. Eine SEHR gute Freundin von Susannah.«
(Ha!
Dass ich nicht lache!
SEHR GUTE Freundin, pah!
VERHASSTE EX-KlassenFEINDIN trifft es wohl eher.
Ich wette, Annette [cool, das reimt sich] toppt sogar Miss Drachenkopf!)
»Es freut mich sehr, dich kennenzulernen, SEHR GUTE FREUNDIN von Susannah!«
(Die Ironie habe wohl jetzt nur ich gehört, oder?)
»Du hast unser Gespräch doch hoffentlich nicht mit angehört, oder?« Sie klimpert mit ihren falschen Wimpern.
(Nein!
Frederico verfügt als Außerirdischer nur über fünf Augen.
Ohren besitzt er nicht, die Muscheln rechts und links am Kopf sind Saugnäpfe, damit er beim Küssen nicht umfällt.)
»Doch«, sagt mein Herzkönig schmunzelnd, »jedes einzelne hässliche Wort. Und, ehrlich gesagt, finde ich es sehr gewagt, alle Männer über einen Kamm zu scheren.«
(Sein Deutsch ist sooo perfekt!
Ich könnte seufzen, wenn es nicht zu unangebracht wäre an dieser Stelle.
[Nicht, dass Madame Oberschnepfe sich noch eingeladen fühlt zu bleiben, damit sie etwas vom romantischen Kuchen abkriegt!])
Frederico kommt zu mir, schnappt sich unterwegs einen Stuhl und setzt sich hinter mich, um mich liebevoll zu umarmen.
(Ich SEHE regelrecht, wie es in Annettes Großhirn arbeitet.
Ich meine, SIE trägt immer noch Kleidergröße 36 [und hat vermutlich schon ihre zwei obligatorischen Vorstadtkinder], während ICH froh bin, wenn Größe 42 nicht an meinem Mini-Ufo-Landeplatz kneift.
Wie also kann ICH, die letzte unverheiratete Jungfer des Abschlussjahrgangs 1998 sooo ein Prachtexemplar von Mann ergattern, noch dazu mit DER Figur?)
»Nun ja, ich schätze, es trifft nicht auf ALLE Männer zu.
Zumindest NICHT auf Anwesende!«, rudert sie zurück.
(Ja, das konnte die gute Annette schon zu Schulzeiten.
Sich einkratzen, wenn es darum geht, sich lieb Kind zu machen.
Aber MEIN Zukünftiger verteilt keine Schulnoten, die Mühe kann sie sich also sparen.)
»Vielleicht trifft das eher auf deutsche Männer zu«, witzelt Frederico und grunzt mir leise in den Rücken. Er zwickt mich und ich weiß genau, dass er sich bereits jetzt königlich über Madame Oberschnepfe amüsiert.
»Genau, das wird es sein.« Hocherfreut lacht Annette auf.
(Die armen deutschen Männer!
Fette, prollige Büffelziegenböcke gibt es sicherlich auch in anderen Ländern.)
»Wen hattest du noch gleich geheiratet? Kenne ich ihn?«
»Tom Müller. Nein, ich schätze nicht. Er ist Bänker.«
(Nee, klar.
Bänker kennt die kleine Susannah natürlich NICHT!)
»Ich weiß, was du jetzt denkst, Susannah! Tom ist als Bänker ein cooler Typ. Alle Frauen sind bestimmt scharf auf ihn, schließlich arbeitet er ja in einer Bank.«
(Alle?
Nee, ich nicht.
Bänker sind Schnösel!)
»Alle?« Frederico drückt mich fest an sich.
»Ich nicht«, sage ich leise und drehe den Kopf, um ihm einen kleinen Kuss aufzudrücken.
»Nee, du nicht«, bestätigt Annette. »Du standst ja eher auf solche Holzfäller-Typen wie Robert Heise.«
»Ja, ja, der Robert.«
(Gott, DEN hatte ich längst vergessen.
Wie sah der noch gleich aus?
[Robert war für mich schon gestorben, bevor ich überhaupt mit ihm ausgehen konnte.])
»Robert ist jetzt Anwalt für Familienrecht.«
»Wirklich?«
»Muss ich mir Sorgen machen?«, sagt Frederico leise in meine Schulter hinein.
Ich drehe mich um und schaue dem schönsten Mann des Universums in die Augen. »Gegen dich kommt niemand an, mein Schatz! Robert könntest du mir nackt auf den Bauch binden und es würde nichts passieren.«
»Damals hast du noch ganz anders gedacht«, wirft Annette taktvoll ein.
(Das weiß die olle Planschkuh auch nur, weil sie mein Tagebuch aus dem Ranzen geklaut hatte, um ihre Schnüffelnase zusammen mit der ihrer besten Freundin reinzustecken.
Alte Petze!)
Ich wende mich ihr wieder zu. »Damals trug ich auch noch eine Zahnspange.«
Ich setze mich wieder auf den Barhocker. »Robert war ein ganz schönes Arschloch.«
»Damals, Süße, damals. Heute ist er ein gefragter Mann.
Einer der besten Scheidungsanwälte in ganz Norddeutschland. Und die Frauen liegen ihm zu Füßen. Er ist sooo unglaublich charmant geworden! Da könnte glatt dein Verlobter noch was lernen.«
(DAS glaube ich kaum.
[Abgesehen davon, dass Frederico NICHT mein Verlobter ist.
Noch nicht!
{Was mich zu der Frage führt, warum ich erst gar keinen Freund haben sollte und jetzt ist Frederico sogar schon mein Verlobter!
Sehr inflationäre Gedanken, die Gute!}]
Und ich kann mir kaum vorstellen, dass sich Robert wirklich geändert haben soll.
Als ich ihn damals fragte, wie er mich findet und ob er sich mit mir verabreden wolle, lachte er höhnisch auf und zeigte mit dem Daumen nach unten, und zwar vor den Augen seiner Kumpels.
[Okay, wir waren fünfzehn, aber ich habe mich NIE sooo gedemütigt gefühlt, wie an diesem Nachmittag.
{Das war übrigens das erste und einzige Mal, dass ich einen Mann gefragt habe, wie er mich findet.
Echt!}
Und später habe ich ihm aus einer Weinlaune heraus tatsächlich eine Freundschaftsanfrage über Facebook geschickt, auf die Monsieur Ich-bin-was-besseres natürlich NIE reagiert hat.])
»Robert und Kim Maihaus haben eine gemeinsame Kanzlei.«
(Echt?
Kim lebt noch?
[Ich hätte gedacht, der hat sich schon totgevögelt oder ins erstbeste Grab gekifft.
Gab ja kaum einen Rock, dem er nicht hinterhergesprungen ist und kaum eine Haschparty, die er nicht besucht hat.])
»Und dein Tom ist also Bänker?«, frage ich überflüssigerweise, um von meinem (noch immer vorhanden Kränkungs-) Schmerz abzulenken.
»Mein Mann?«
(Nee, der Weihnachtsmann.)
Ich nicke.
»Ja, das sagte ich bereits. Tom ist Bänker.«
(Ich spüre, wie Frederico sich hinter mir lachend verkrampft.)
»Bänker sind vom Schnöselplaneten«, feixe ich leise.
Frederico pikst mir in die Rippen.
Annette lacht laut auf. »Genau, du hast es erfasst. Hätte ich nicht besser formulieren können. Wenn er mit seinen Kollegen zusammen ist, gibt es nur Champagner und Kaviar. Ständig feiert er wilde Partys. Aber zuhause ist er der arrogante Arsch, der immer fetter wird und mich wie seine Dienstmagd behandelt.«
»So schlimm?«
»Schlimmer«, schnauft Annette voller Empörung, »und wie ich jetzt herausgefunden habe, vögelt er sich durch halb Hamburg. Und das, obwohl wir zwei Kinder haben.«
»Du hast Kinder?«
»Ja. Der Große ist fast dreizehn, der Kleine ist acht.«
»Pubertät. Schweres Alter.«
»Wem sagst du das! Aber leider ist es für die Babyklappe jetzt zu spät. Sonst würde ich ihn da glatt abgeben.« Annette verdreht die Augen.
(Ich wusste gar nicht, dass Annette so witzig sein kann.
Eine Babyklappe für Pubertierende.
Mega-coole Idee!
Ich schätze, der halbe Erdball würde seine hormonbelasteten Bälger dort abliefern und irgendwann nach erfolgtem Hormonumbau wieder abholen, um die Enkelkinder nicht zu verpassen.
Diese Initiative sollte mal jemand ins Leben rufen!
Ich wette, damit würden Milliardäre geboren werden.)
Die Ladentür wird geöffnet und ein ganzer Bus Kundinnen strömt herein.
Annette bemerkt schnell, dass ich keine Zeit mehr für ihre Lebensgeschichte habe und verschwindet wieder in ihr Hotel.
(Da bleibt sie hoffentlich auch bis zu ihrem Rückflug!
Ich lege ÜBERHAUPT keinen Wert auf ihre Anwesenheit, auch wenn es höchst interessant ist, wer es aus unserer Klasse zu was gebracht hat.)
»Bist du okay?«
(Kommt ganz darauf an, wie man ›okay‹ definiert!
Irgendetwas zerreißt mir heute den Unterleib, aber ansonsten bin ich voller Vorfreude.)
Unwillkürlich fasse ich mir an den Bauch.
»Oh Gott, hast du Schmerzen? Wir fahren sofort zu Dr.
Hopps!«
»Ich habe das Gefühl, mein Unterleib wird gevierteilt.«
»Sooo schlimm? Dann pack deine Sachen und schließ den Laden! Wir fahren jetzt sofort.«
»Na gut.«
(Ich komme mir blöd vor.
Klar, es tut weh.
Sehr sogar.
Aber muss man deshalb gleich zum Arzt?
Ist das nicht ein wenig übertrieben?)
Auf dem Weg zum Auto treffen wir Tante Ella, die völlig verschwitzt im Gemüsebeet herumwerkelt.
»Hallo ihr Süßen! Was macht ihr denn für betretene Gesichter?«
»Wir fahren eben zum Arzt«, sagt Frederico.
(Er sieht furchterregend ernst aus.
Kein Wunder, dass meine Tante mit einem Satz aus dem Beet fliegt.)
»Gott, ist etwas passiert?«
»Nein.« Beruhigend streichele ich ihr über den Oberarm.
»Ich will nur etwas abklären.«
»Soll ich dich im Laden vertreten?«
»Würdest du das tun?«
»Natürlich, Süße! Ich wasche mich schnell und ziehe mich um. Fahrt ihr ruhig!«
»Danke, Tante Ella, du bist die Beste!«
»Und kommt mir ja mit guten Nachrichten nach Hause!«
»Wir bemühen uns«, versuche ich zu witzeln.
(Fredericos Grabesmiene erschreckt selbst mich.
[Kein Wunder also, dass meine Tante ein Gesicht macht, das sorgenvoller nicht sein könnte.])
Eine halbe Stunde später sitzen wir im Wartezimmer von Dr. Hopps, dem einzigen Frauenarzt in der Pampas.
Wir hätten natürlich auch ganz nach Adelaide fahren können, aber Frederico meinte, Dr. Hopps sei eine Koryphäe (was er natürlich von seiner Zwillingsschwester weiß) und lange Strecken wolle er mir in meinem Zustand nicht zumuten.
Fünf Minuten später habe ich in den Becher gepinkelt (mit meisterhafter Abschätzung des Mittelstrahls) und etwas Blut aus der Ader gelassen.
Dann werde ich aufgerufen.
»Willst du mit reinkommen?«
(Okay, zugegeben, ich bin jetzt nicht sooo scharf darauf, dass mein Herzkönig mich auf diesem entsetzlichen Gynäkologenstuhl mit weit gespreizten Beinen sieht, aber ich könnte dennoch ETWAS Schützenhilfe gebrauchen.
Und wer weiß, vielleicht wird er hier draußen noch von irgendwelchen potentiellen Drachenköpfen entführt.
[Das Wartezimmer ist nämlich voll von hübschen Ladies.])
»Gerne.«
Hand in Hand wagen wir uns in das Behandlungszimmer.
Dr. Hopps ist ein älterer Mann um die Mitte Fünfzig mit freundlich aussehenden, blauen Augen und silbergrauem Haarschopf. Seine Hände sind lang und schlank.
(Vermutlich sind die im Laufe seines Berufslebens so geworden, damit er auch den Muttermund richtig abtasten kann.
Würde mich gar nicht wundern.
[Vielleicht ist er auch bloß ein Außerirdischer mit himmlischer Mission.
Auch das würde mich nicht wundern.])
»Guten Tag, Miss Johnson.«
Ich schüttele ihm die Hand (und versuche, NICHT darüber nachzudenken, wo die schon überall dringesteckt hat), dann stellt Frederico sich vor.
»Valentino?«
»Ja, Sie kennen sicherlich Giulia, meine Zwillingsschwester.«
»Ja. Freut mich, Sie kennenzulernen.« Er deutet auf zwei Stühle.
»Was kann ich für Sie tun?«
Wir berichten kurz und Dr. Hopps holt sich die Urintestergebnisse von seiner Sprechstundenhilfe.
»Herzlichen Glückwunsch«, sagt er und lächelt.
(Doch wir gucken so ängstlich, dass der Ärmste sofort ins Schleudern kommt.)
»Oder war die Schwangerschaft gar nicht geplant?«
»Nein, war sie nicht, aber wir freuen uns trotzdem.«
»Und warum gucken Sie dann so ernst?« Dr. Hopps lächelt unsicher.
»Ich habe Schmerzen.«
»Was für Schmerzen?«
»So, als würde ich gevierteilt?«
(Jetzt hält er mich bestimmt für bescheuert!
Vermutlich sitzen hier Hunderte von Frauen mit ähnlichem Schicksal, aber etwas mehr Stärke.)
»Verstehe! Wenn ich Sie bitten dürfte, sich unten herum freizumachen?«
»Ja.«
Zwei Minuten später führt er mich nicht zum verhassten Folterstuhl, sondern auf eine lange, gerade Liege.
Er schnappt sich den (dildomäßig geformten) Stab vom Ultraschallgerät, stülpt ein Kondom darüber und schmiert eine gallertartige Masse auf die Spitze. Ein paar Spritzer landen auf meinem nackten Unterleib.
(UIII, SCHEISSE, ist DAS kalt!
Das lässt mich glatt vergessen, dass ich mich fast wie in einem Porno fühle.
Im Fernsehen werden die Frauen immer am Bauch geschallt.
DIE zeigen so einen Dildoersatz NIE!
Warum hat mir keiner gesagt, dass das im Fernsehen nicht echt ist?)
»Sie sagten, Sie sind erst drei Wochen über dem Termin, dann dürften Sie sich etwa in der fünften oder sechsten Schwangerschaftswoche befinden. Wir gucken also mal von unten nach, was wir da Schönes haben«, erklärt er.
»Von oben sehen wir noch nicht so viel.«
(Ich schätze, er ist ein Außerirdischer, der telepathieren kann.
[Oder gucke ich so entsetzt, dass er sich rechtfertigen muss?])
Er führt das (nicht vorgeheizte) Ding ein und schon taucht ein grau-schwarz-weiß schattiertes Bild auf dem Monitor auf, dass in etwa so aussagekräftig ist wie Oma Lindas Marmorkuchen im Querschnitt als Wettervorhersagekarte.
Er lächelt. Dann deutet er auf einen schwarzen Punkt.
»Sehen Sie das?«
(Das eiförmige Ding ist nicht zu übersehen.)
»Das ist der Dottersack.«
(Bin ich ein Huhn?
Seit wann haben Menschen einen DOTTERSACK?)
Ich lächele verkrampft.
Der Arzt bemerkt meine Ratlosigkeit und grinst. »Der Dottersack ist ein mit Nährstoffen gefülltes Anhängsel.
Und er ist sehr wichtig, denn das Embryo wird hierüber ernährt.«
(Ich glaube, den Genuss von Hühnereiern werde ich zukünftig mit anderen Augen sehen!)
»Essen Sie Hühnereier?«
»Jetzt nicht mehr«, witzele ich.
Dr. Hopps lacht. »Keine Sorge, die Hühnereier, die wir essen, sind in der Regel NICHT befruchtet. Aber bei einem Ei können Sie auch ganz gut sehen, wie eine Schwangerschaft anfänglich aussieht.«
»Sie meinen, das leckere, gelbe Eidotter ist der Dottersack, der mein Kind versorgt?«
»Sinnbildlich gesprochen, ja.«
»Das ist alles noch sehr neu für uns. Gibt es Literatur, die Sie uns empfehlen können?«, fragt Frederico, der nie halbe Sachen macht.
»Ja. Ich gebe Ihnen nachher etwas mit. Im Internet gibt es auch ein paar gute Seiten, ansonsten ist die Fachliteratur unbegrenzt.« Dr. Hopps druckt ein paar Fotos aus, nachdem er die Größe meines Eigelbes (alias Dottersack) vermessen hat und reicht uns eines davon. »Hier ein kleines Andenken. Sie können es in den Mutterpass legen, den meine Sprechstundenhilfe schon für Sie vorbereitet hat.
Sie kommen in vier Wochen wieder und dann haben wir auch schon ein paar Blutwerte.«
»Und die Schmerzen?«
Dr. Hopps geht zu seinem Schreibtisch, während ich mich in Windeseile anziehe.
»Ich konnte keine Auffälligkeiten feststellen. Bei der einen Frau zieht es mehr, bei der anderen weniger. Es ist ihre erste Schwangerschaft, richtig?«
»Ja.«
»Nun, der Embryo wächst im ersten Drittel der Schwangerschaft besonders schnell und ihre Mutterbänder bekommen etwas Arbeit. Also kein Grund zur Beunruhigung und kein Grund, irgendwelche Schmerzmittel zu nehmen.
Sie sollten ohne Absprache mit mir überhaupt keine Medikamente zu sich nehmen.«
»In Ordnung.«
(Okay, also boxt sich das Kind durchs Eigelb und sorgt dafür, dass meine walnussgroße Gebärmutter zum Basketball heranwächst.
[Und ich dachte, Regelschmerzen sind lästig!])
»Lesen Sie sich die Broschüre gut durch und achten Sie auch darauf, WAS Sie essen! Das ist wichtig. Es gibt viele Lebensmittel, die jetzt für sie tabu sind.«
»Was denn zum Beispiel?«, fragt Frederico wissbegierig.